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Das Steppenross – Kapitel 15

Das-SteppenrossEduard Wagner
Das Steppenross
Eine Erzählung aus dem Jahr 1865 zu den Zeiten des amerikanisch-mexikanischen Krieges, nach dem Englischen des Kapitän Mayne Reid

Kapitel 15
Das Ross von Indianern gefangen

»Ah, Monsieur Rube«, rief der Kanadier. »Glauben Sie, dass der Wald brennt?«

»Wald?«, rief Rube mit einem geringschätzenden Blick. »Pah! Hier gibt es keinen Wald. Die Steppe brennt! Spüren Sie nicht den Geruch des Grases? Das Gehölz brennt nicht. Fürchten Sie sich nicht, kleiner Franzose, Sie sind ganz sicher!«

Diese Versicherung beruhigte nicht allein den ängstlichen Kanadier, sondern auch die übrigen, welche bis zu diesem Augenblick gefürchtet hatten, das Dickicht stehe in Flammen.

Ich selbst hegte diese Befürchtung nicht, denn ich sah, dass das Dickicht nicht brennen konnte. An einzelnen Stellen befanden sich zwar dürre Zweige, welche leicht auflodern konnten, aber der größte Teil des Dickichts bestand aus saftigen Pflanzen, die nicht Feuer fingen. Besonders war dies der Fall in der Umgebung der Lichtung, wo die Trapper ihren Aufenthalt genommen hatten. Derselbe wurde vollständig von einer Mauer umschlossen, die aus großen Kakteen, Aloe, Opuntia und anderen saftreichen Pflanzen bestand. Wir waren daher in der Lichtung so sicher vor dem Feuer, als ob dieses hundert Meilen von uns entfernt gewesen wäre, und hatten nur von dem Rauch zu leiden, der die ganze Luft erfüllte und beinahe nächtliche Dunkelheit hervorbrachte. Wegen unserer Sicherheit hegte ich daher keine Besorgnis.

Ich lauschte mit gespannter Aufmerksamkeit auf den Bericht Gareys, der mir entgegengekommen war.

Rube und er waren der Fährte gefolgt und noch eine beträchtliche Strecke auf der Ebene hinausgeritten. Während sie noch immer weiter vordrangen, bemerkten sie plötzlich zu ihrem Schrecken, dass die Prärie vor ihnen in Flammen stand. Der Wind trieb ihnen den Rauch und die Flammen so schnell entgegen, dass sie eilig nach dem Dickicht zurück galoppierten.

Jetzt brach zuweilen ein erschrockener Hirsch durch das Gebüsch und eilte mit der größten Schnelligkeit an uns vorüber. Eine Herde Antilopen stürzte auf die Lichtung und hielt dicht neben uns an, ohne zu wissen, wohin sie sich wenden sollte. Ihnen folgte ein Trupp Präriewölfe, die ebenfalls in unserer Nähe haltmachten, ohne die Antilopen zu verfolgen. Hierauf erschienen ein schwarzer Bär und ein Panther. Die Raubtiere und die sanften Wiederkäuer standen friedlich nebeneinander.

Nur die Jäger blieben ihrem Trieb getreu. Meine Begleiter waren hungrig. Sie legten die Büchsen an und erlegten den Bären und eine von den Antilopen.

Beide Tiere wurden abgehäutet und zerschnitten. Man zündete auf der Lichtung ein Feuer an und röstete ausgesuchte Stücke Wildbret an Säbelklingen und Bratspießen.

Doch fühlten wir ein noch dringenderes Verlangen als den Hunger – den Durst. Wir alle hatten seit mehreren Stunden daran gelitten. Durch den langen, beschwerlichen Ritt hatte sich der Durst eingestellt und war jetzt durch den Rauch und die trockene, glühende Luft zu einer unerträglichen Qual gediehen. Wir befanden uns in einer wasserlosen Einöde, und durch diesen Gedanken allein wurden die Qualen des Durstes noch unerträglicher. Einige kauten Bleikugeln oder aufgelesene Kiesel, andere fanden Erleichterung, indem sie das Blut der erlegten Tiere tranken. Wir anderen stillten unseren Durst an den saftigen Stängeln der Agave und der Kakteen. Doch dauerte diese Erleichterung nicht lange, denn der Saft kühlte zwar unsere Lippen und Zungen, aber durch die bittere Schärfe, welche diese Pflanzen besitzen, wurde der Durst sehr bald noch vermehrt.

Einige meiner Leute sprachen davon, sie wollten auf der Fährte zurückkehren, um Wasser aufzusuchen oder sogar weiter als zwanzig Meilen zum Flusse zurückgehen.

Mir war es gleichgültig, ob sie mich verließen oder nicht, wenn mir nur die Trapper treu blieben. Ich fürchtete nicht, dass diese mich verlassen würden. Als ich meine Missbilligung jenes Planes aussprach, erklärten sich übrigens alle bereit, weiterzugehen.

In diesem bedenklichen Augenblick verzog sich der Rauch und die Luft fing an, sich zu klären. Das Feuer hatte den Rand des Dickichts erreicht und war durch die saftreichen Bäume am Weiterdringen gehindert. Das sämtliche Gras war verbrannt, und die Feuersbrunst hatte ihr Ende erreicht. Wir bestiegen unsere Pferde, verließen die Lichtung, folgten noch einige Hundert Schritte weit der Fährte und gelangten aus dem Dickicht auf die verwüstete Ebene.

Der Mensch, welcher die grauen Wogen des Ozeans, eine öde Heide, eine flache, morastige Gegend anschaut, wird gewiss ein Gefühl kalter Einförmigkeit empfinden. Dennoch hat das Wasser Bewegung, die Heide Farben, und die morastige Fläche bildet eine Abwechslung von Weiß und Braun.

Es ist aber etwas ganz anderes mit einer abgebrannten Steppe, wo das Auge weder Farbe, noch Gestalt, noch Leben bemerkt. Vergebens überblickt es die endlose Fläche, um eines oder das andere aufzufinden. Endlich wird das Gemüt durch den Mangel jeder Erscheinung ermüdet, ermattet und entmutigt. Auch der Himmel scheint die schwarze Fläche, das düstere, matte Aussehen des Erdbodens widerzuspiegeln oder sein Glanz verbirgt sich dem Auge, welches von dem düsteren Anblick des Erdbodens ermattete.

Nicht immer ist dem Auge der Anblick einer großen Steppe erfreulich, selbst wenn dieselbe mit den schönsten Blumen bedeckt ist. Ich bin über Ebenen geritten, welche bis zur äußersten Grenze des Horizonts grünend und blühend aussahen, und dennoch sehnte ich mich nach irgendeinem Gegenstand, der die Einförmigkeit unterbrach, etwa nach einem Felsen, einem Baum, einem Tier oder Menschen, gerade so, wie sich der Seereisende nach dem Anblick von Schiffen, Walfischen oder Küsten sehnt und über eine schwimmende Seepflanze in Entzücken gerät.

Es ist also die Farbe noch nicht allein hinreichend zur Befriedigung der Sinne, denn welche Farbe wäre reizender als das frische Grün der mit Gras bewachsenen Steppe. Welche Farbe wäre köstlicher als die tiefe Bläue des Meeres? Und doch ermüdet das Auge an beiden. Selbst die sogenannte Blumenprärie mit ihren Tausenden von vielfarbigen Kelchen, mit ihren goldenen Sonnenrosen, mit ihren weißen Anemonen, ihren purpurfarbenen Kleomenen, mit den roten Malven, mit den blauen Lupinen und dem rot-und orangefarbenen Mohn. Alle diese Farben und Schattierungen ermüden endlich das Auge, und der Blick sehnt sich nach einer Abwechselung, nach Gestalt und nach Leben.

Aber keinen traurigeren, trostloseren Anblick gibt es als den einer verbrannten Prärie. Was ist eine Steppe, wenn ihr ganzer grünender und blumiger Reiz in schwarze Asche verwandelt ist? Der Anblick der traurigen Einförmigkeit ist kaum zu beschreiben. Und ein solcher bot sich unseren Blicken dar, als wir das Dickicht verließen.

Die Trapper waren bereits weit voraus und durch den schwarzen Staub, den ihre Pferde aufwarfen, fast verborgen. Eine Zeit lang ritten sie gerade aus, ohne sich nach der Fährte des Schimmels umzusehen. Sie waren, ehe das Feuer anlangte, schon über den Rand des Dickichts hinausgekommen. Nach einiger Zeit sah ich, dass sie sich langsamer bewegten und die Augen auf den Boden richteten, um die Spur zu suchen. Ich zweifelte, dass sie dieselbe jetzt finden oder verfolgen könnten, denn die schwachen Hufspuren mussten von der Asche des verbrannten Grases ausgefüllt sein.

Für einen gewöhnlichen Menschen wie mich musste dies unmöglich sein, aber nicht für die Augen dieser scharfsichtigen Jäger. Nach einigen Minuten hatten sie die Fährte aufs Neue aufgenommen und ritten, von ihrer Spur geleitet, vorwärts. Hier und da bemerkte ich an der Erde einige Vertiefungen, die sich kaum von der übrigen Fläche unterscheiden ließen. Ich würde sie sicher nicht für die Hufspuren eines Pferdes erkannt haben.

An einer Stelle, wo die Spuren nur schwer zu erkennen waren, machten wir Halt, um den Trappern Zeit zu lassen.

Während der Nacht wurde ich veranlasst, mich umzuschauen. Ich gewahrte ein furchtbares, ein entsetzliches, aber nicht erhabenes Schauspiel. Auch das dornige Dickicht, welches dem Auge eine Erleichterung gewährt hätte, war verschwunden. Unter den Horizont versunken waren die Umrisse seiner niedrigen Gebüsche, schwarz und ohne Ende dehnte sich nach allen Seiten hin die verkohlte Fläche bis an den Rand des bleifarbigen Himmels aus. Wäre ich allein gewesen, so hätte ich mich leicht dem Gedanken hingegeben, die ganze Welt wäre gestorben.

Endlich meldete mir die Stimme meiner Begleiter, dass die verloren gewesene Fährte wiedergefunden war.

Ich spornte mein Pferd an und holte sie bald ein. Ohne auf den Staub zu achten, ritt ich dicht hinter den Trappern her, sodass ich hören konnte, was sie sprachen.

Es waren eigentümliche Menschen, diese »Männer des Gebirges«, wie sie sich stolz nannten. Solange sie mit einer Aufgabe wie die vorliegende beschäftigt waren, gaben sie selten ihre Gedanken kund, nicht einmal gegen mich, noch weniger gegen meine Begleiter, welche sie für »Gelbschnäbel« hielten. So nannten sie nämlich alle diejenigen, die nicht die Reise durch die große Steppe gemacht hatten. Wollte man etwas anderes sein als ein Gelbschnabel, so musste man auf einer Wermutsteppe beinahe verhungert sein, am Yellowstone Büffel gejagt, die Indianer bekriegt und eine Anzahl von ihnen erschossen, womöglich die Kopfhaut oder die Ohren verloren, einen Winter am Green River verbracht oder im Schnee der Felsengebirge gelagert haben. Man musste von allen diesen Taten notwendigerweise eine vollbracht haben, ehe man sich zu den Männern des Gebirges zählen und sich an ihre Seite setzen konnte.

Ich war in dem ganzen Trupp der Einzige, den die beiden Trapper nicht für einen Gelbschnabel ansahen, und dennoch schenkten sie mir kaum ihr ganzes Vertrauen. Allerdings musste ich, solange wir uns auf dem Gebiet der Steppe befanden, diese Männer als meine Führer, meine Lehrer, als überlegene Menschen betrachten, wenngleich ich klassische Bildung besaß, mich fein auszudrücken verstand, schön gekleidet war und ein tüchtiges Pferd ritt. Seitdem ich die Trapper auf der Fährte eingeholt hatte, war ich nicht auf den Gedanken gekommen, sie nach ihrer Meinung zu fragen. Es stand auch eine verneinende Antwort zu befürchten, denn der Blick beider schien mir Hoffnungslosigkeit zu verkünden. Während ich ihnen jedoch auf der schwarzen Fläche nachfolgte, kam es mir vor, als erheiterten sich ihre Gesichter durch einen leisen Anflug von Hoffnung. Ich folgte ihnen daher dicht auf dem Fuß und lauschte begierig auf jedes Wort, das sie miteinander wechselten.

»Pah!«, sagte Rube. »Ich kann es nicht glauben, Bill. Die Prärie ist gewiss angezündet worden.«

»Und glaubst du, dass die Indianer schuld daran sind?«

»Freilich«, fuhr Rube fort. »Die Indianer sind jetzt sehr wild, grimmiger und kampflustiger als jemals zuvor. Durch den Krieg sind sie noch mehr angestachelt worden und hegen einen Groll gegen uns, weil der General ihr Anerbieten, uns gegen die Mexikaner zu helfen, nicht angenommen hat. Treffen wir Comanchen oder Lipan auf dieser Ebene, so müssen wir sie skalpieren, wenn wir nicht selbst skalpiert werden wollen. Pah!«

»Es ist ganz natürlich«, fuhr Rube fort, »dass die Indianer die nämlichen sind, die wir am Hügel ausgeklopft haben. Sie sind also nicht in ihre Berge zurückgekehrt, wie wir glaubten. Sie durften es nicht wagen, nach solcher Schmach ohne Kopfhäute oder Pferde zurückzukehren, denn ihre Frauen würden sie ausgelacht haben. Nun, Bill, begreifst du, was ich meine? Diese Bande hat sich seit jener Zeit fortwährend hier herumgetrieben, bis sie in einer mexikanischen Stadt Gelegenheit fand, ihre Streiche zu verüben. Sie werden die Prügel nicht vergessen, die sie am Hügel bekamen, und da sie jetzt wahrscheinlich nur noch schwach sind und glauben, dass wir noch in der Ansiedlung wären, so befürchteten sie, wir würden ihnen wegen der Plünderung nachsetzen, und zündeten deswegen die Prärie an.«

»Bei Gott, du hast recht, aber wohin meinst du, führt diese Fährte? Das Pferd wird noch nicht vom Feuer eingeholt sein?«

Ich beugte mich im Sattel vor und horchte mit gespannter Aufmerksamkeit. Zu meinem Trost gab der alte Trapper eine verneinende Antwort.

»Nein, daran ist gar nicht zu denken«, sagte er. »Siehst du, die Fährte läuft ganz gerade oder doch beinahe. Hätte nun das Feuer seinen Anfang genommen, ehe das Ross über die Steppe war, so würde es längst umgekehrt sein und den Rückweg angetreten haben. Aber das hat es nicht getan, und daraus schließe ich, dass das Feuer hinter ihm angezündet wurde.«

Nach diesen Worten atmete ich freier. Aus den Worten des Trappers erhielt ich die Gewissheit, dass Ross und Reiterin noch unbeschädigt seien, und ich ritt mit neuer Hoffnung vorwärts.

Nach einer kurzen Pause fuhren die Führer in ihrer Unterhaltung fort, und ich hörte ihnen noch weiter zu.

»Wenn die Indianer die Steppe angezündet haben«, meinte Garey, »so müssen sie es mit dem Wind getan haben, und wir reiten gerade dem Wind entgegen, wir reiten in einer hässlichen Richtung, Rube. Meinst du nicht auch, alter Bursche? Es ist noch nicht lange her, seitdem das Feuer seinen Anfang nahm, und ich glaube nicht, dass die Rothäute weit auf der anderen Seite entfernt sind. Sollte uns die Fährte auch gerade auf sie zuführen, so würden wir in eine schlimme Patsche geraten, alter Junge!«

»Ja«, erwiderte Rube in leisem, aber nachdrücklichem Ton, »und wenn ich mich nicht sehr irre, so führt sie schnurstracks in ihr Lager.«

Bei dieser Antwort erschrak ich und eilte schnell an die Seite des Trappers.

»Meint Ihr, dass das Pferd von den Indianern gefangen worden ist?«

»Das gerade meine ich! Sehen Sie, junger Bursche, das Pferd muss kurz zuvor hier entlang gekommen sein, ehe diese Steppe angezündet worden ist, und es lässt sich mit gutem Grund voraussetzen, dass derjenige, der die Prärie ansteckte, gleichviel wer, es windwärts getan haben muss. Ich glaube sogar, dass die Bande das Pferd gesehen hat. Niemand wird ein Pferd mit einem Mädchen auf dem Rücken sehen, ohne neugierig zu werden und ihm nachzusetzen. Die Indianer sind ihm gewiss mit einem verteufelten Geschrei nachgejagt und sie haben es sicherlich gefangen. Ja, sie haben es. Das Pferd wird um diese Zeit schon müde gewesen sein, ja, ich möchte fast glauben – ja, wahrhaftig – sehen Sie dorthin! Dort! Sehen Sie dort die Pferdespuren? Dort! Zu Hunderten so dicht wie die Schafe! Ja, es sind Hufspuren, alle zusammen gewiss Spuren von Indianerpferden!«

»Vielleicht sind es wilde Pferde, Rube«, sagte einer von den herbeireitenden Jägern, der die Spuren betrachtete.

»Wilde Esel!«, antwortete der alte Trapper zornig. »Hast du jemals ein wildes Pferd gesehen? Glaubst du, ich sei stockblind geworden?«

Nachdem der alte Trapper seinem Zorne Luft gemacht hatte, kniete er nieder und begann die schwarze Asche von der Erde wegzublasen. Alle waren herbeigeritten und beobachteten ihn. Er blies die Asche aus der Vertiefung und bewies, dass alles Pferdespuren waren, wie er erklärt hatte.

»So, Meister«, sagte er, indem er sich mit triumphierender Miene an den Jäger wandte, der seine Aussage bezweifelt hatte. »Und das ist ein beschlagener Huf, noch dazu mit dickem Büffelleder beschlagen. Hast du jemals ein wildes Pferd oder ein wildes Maultier oder einen wilden Esel so beschlagen gesehen?«

Auf diese Frage ließ sich natürlicherweise nicht antworten. Wir sahen alle die Fährte, stiegen ab und untersuchten sie nacheinander.

Es war allerdings die Fährte eines beschlagenen, und zwar eines mit dickem Leder aus der Haut des Büffelochsen beschlagenen Pferdes.

Uns allen war bekannt, dass die berittenen Indianer der Ebene und diese allein diese Art des Beschlages anwenden.

Dies war ein unwiderlegbarer Beweis, es waren Indianer hier gewesen.

Nach dieser Entdeckung machten wir Halt. Es erfolgte eine allgemeine Beratung, bei welcher jedoch die übrigen wie gewöhnlich auf die Ansichten der Trapper, und vorzugsweise auf die Rubes, horchten.

Der alte Trapper hatte Lust, eine Zeit lang zu schmollen. Es schien, als wollte er seine Ratschläge für sich behalten. Er konnte sich über nichts mehr ärgern, als wenn man seinen Worten widersprach oder seine Geschicklichkeit in Zweifel zog. Aus diesen Gründen konnte er Tage lang verdrießlich sein. Wenige hielt er für so erfahren wie sich selber, und in der Tat gab es auch nur wenige Menschen, die sich in der Kenntnis der Wildnis mit ihm vergleichen konnten. Nicht immer hatte er recht. Aber da, wo sein Urteil oder seine Erfahrung nicht genügte, konnte man gewöhnlich von jedem anderen Versuch abstehen.

In dem vorliegenden Fall hatte gerade einer der größten Gelbschnäbel von der Gesellschaft seinen Zweifel ausgesprochen, und dadurch war die Sache in Rubes Augen noch verschlimmert.

»Ein solcher Bursche wie du«, sagte er zu dem vorlauten Jäger, »ein solcher Bursche wie du sollte seinen Kopf einsperren lassen. Deine Zunge bewegt sich fortwährend wie ein Ochsenschwanz zur Fliegenzeit. Pah!«

Der vorlaute Jäger gab auf diesen derben Verweis keine Antwort und dadurch wurde Rubes Zorn ein wenig besänftigt. Er gewann seine Fassung wieder und schenkte der Frage, um die es sich handelte, seine Aufmerksamkeit.

Es stand jetzt fest, dass Indianer hier gewesen waren. Der sicherste Beweis war die eigentümliche Bekleidung der Pferdehufe. Wenn es mexikanische Pferde gewesen und sie beschlagen waren, so hätten sie wenigstens an den Vorderfüßen Hufeisen getragen. Wilde Steppenpferde hätten nackte Hufe gehabt, die Fährte texanischer oder amerikanischer Pferde wäre entweder an dem eigentümlichen Beschlag oder an der Größe der Hufe zu erkennen gewesen. Die Hufspuren, welche aber an dieser Stelle zurückgelassen waren, zeigten sich weder als von wilden noch von texanischen, noch von amerikanischen Pferden herrührend. Es mussten indianische gewesen sein.

Die Hufspuren, welche wir zuerst untersuchten, hätten leicht darüber entscheiden können. Aber der Umstand war zu wichtig, um nicht genau ins Klare darüber zu kommen. Wenn Indianer anwesend waren, so hatten wir Feinde, und zwar schlimme Todfeinde zu erwarten.

Meine Begleiter erforschten die Zeichen von den dortigen Feinden mit ganz besonderer Neugier. Sie bliesen die Asche von mehreren Hufspuren weg und untersuchten sie sorgfältig. Die Kundigen der Steppe, die beiden Trapper, erklärten die Umstände noch näher. Die Männer, welche die Pferde geritten hatten, waren im Galopp geritten und zwar nicht lange in einer Richtung, sondern hierhin und dorthin. Es waren etwa zwanzig gewesen, aber nicht zwei waren nebeneinander galoppiert, denn ihre Spuren vereinigten, kreuzten sich, gingen fast im Zickzack, dann wieder in einem rechten Winkel oder in Bogen und Kreisen über die Ebene.

Dies hatten die Trapper in wenigen Minuten ausgekundschaftet, während sie hin- und herritten. Wir wollten sie in ihrer Beratung nicht weiter stören und machten an dem Ort halt, wo wir die Spuren zuerst entdeckt hatten, um ihre weiteren Nachforschungen abzuwarten.

Nach zehn Minuten kehrten beide wieder zurück. Sie hatten die Zeichen befriedigend erklärt und bedurften keiner weiteren Nachforschungen. Dass die indianischen Reiter diese Stelle passiert hatten, bevor das Gras niedergebrannt war, wussten wir alle. Aber nicht, um welche Zeit es geschehen war. Mit großer Leichtigkeit ließ sich erkennen, dass es an demselben Tage und nach Sonnenaufgang geschehen war. Aber zu welcher Stunde war es geschehen? Früh oder spät? War der Schimmel vor ihnen oder hinter ihnen? Dies war eine Frage von der größten Wichtigkeit, und ich glaubte nicht, dass es sich durch die Zeichen erkennen ließe. Aber zu meinem Erstaunen kehrten die scharfsichtigen Jäger zurück und sagten mir nicht nur genau die Stunde, wann das Pferd hier gewesen war, sondern auch, dass die Indianer es verfolgt hätten. Auf meine Frage gaben sie mir eine genaue, vollständige und offene Antwort.

Nach der Geschwindigkeit, mit welcher das weiße Ross lief, sagte Rube, müsse es ungefähr vor vier Stunden hier gewesen sein. Es hatte sich unterwegs nirgends aufgehalten und lief, das Dickicht abgerechnet, immer im Galopp. »Und da wir die Entfernung und die Zeit kennen, so denke ich, vier Stunden mögen wohl richtig sein, vielleicht etwas weniger oder mehr. Die Indianer sind ihm entweder dicht auf den Fersen gewesen oder der Fährte gefolgt, das lässt sich aus den Zeichen nicht erkennen. Aber dass sie hinter ihm her waren, ist Bill und mir ganz klar.«

»Aber woran seht Ihr, dass sie hinter ihm her waren?«

»An der Fährte, junger Bursche, an der Fährte!«

»Und wie konntet Ihr es an der Fährte sehen?«

»Das ist ganz leicht, die Fährte des weißen Rosses ist zu unterst.«

Daraus ließ sich allerdings klar folgern, dass die Indianer hinter ihm gewesen sein mussten. Wir hielten uns nicht länger an dieser Stelle auf, sondern ritten weiter, indem wir die Trapper vorausschickten.

Als wir etwa eine halbe Meile weit kamen, wurden die Hufspuren, welche bisher vereinzelt nach verschiedenen Richtungen gegangen waren, plötzlich vereinigt, als ob die Indianer nicht wie gewöhnlich in einer einzigen Reihe, sondern in einem unregelmäßigen Trupp und nebeneinander geritten wären.

Die Trapper verfolgten diese neue Fährte etwa hundert Schritte weit. Dann machten sie Halt, stiegen ab, ließen sich auf Hände und Knie nieder und untersuchten die Spuren nochmals bedächtig. Wir Übrigen hielten hinter ihnen und beobachteten lautlos ihr Verfahren.

Beide bliesen den Staub nicht von einer einzelnen Spur, sondern von der ganzen Breite der Fährte hinweg.

Nach einigen Minuten hatten sie den Staub von einer Strecke von mehreren Ellen weggeblasen und wir sahen zahlreiche Spuren von Hufen neben- oder übereinander oder halb verwischt. Dann kehrte Rube noch einmal an den Ausgangspunkt zurück, kroch, die Augen dicht auf die Erde gerichtet, vorwärts und untersuchte den Abdruck jedes einzelnen Hufes. Ehe er den Ort erreicht hatte, wo Garey kniete, erhob er sich mit einer zufriedenen Miene und rief seinem Gefährten zu: »Gib dir weiter keine Mühe, Bill! Es ist so, wie ich dachte -sie haben es gefangen!«

Es bedurfte nicht des nachdrücklichen Tones, in welchem diese Worte gesprochen wurden, um mich von ihrer Wahrheit zu überzeugen. Ich war auf die Mitteilung, die uns eben gemacht worden war, schon so ziemlich vorbereitet, denn auch ich hatte wohl bemerkt, dass die Hufspuren plötzlich zusammenliefen und dass die Tiere nach der Vereinigung langsam und im Schritt gegangen waren. Man brauchte nur die Hufspur des Schimmels von den übrigen zu unterscheiden, um zu erkennen, dass er sich nicht mehr frei bewegte, sondern ein Gefangener war.

Nachdem die Trapper dies bemerkt hatten, gaben sie die bestimmte Erklärung ab, dass die Indianer den Schimmel gefangen hatten und zwar mithilfe des Lassos.