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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der bayerische Hiesel – Teil 40

Der-bayerische-HieselFriedrich Wilhelm Bruckbräu
Der bayerische Hiesel
Wildschützen- und Räuberhauptmann, landesverrufener Erzbösewicht

Hiesel als Räuber

Im Amthaus zu Tesertingen saß an einem regentrüben Nachmittag der Hospital-Augsburgische Obervogt Johann Baptist Heß an seinem Schreibtisch und schloss die Abrechnung über Einnahmen. Er brachte die Gelder in Rollen, legte sie in sein Schreibpult, dessen Schlüssel er zu sich steckte, und wollte eben in sein Hausgärtchen gehen, um im Kreis seiner großen Familie ein Glas Bier zu trinken, als fünf Kameraden des Hiesel, die Verwegensten der ganzen Bande, von dem berüchtigten Sattler angeführt, in das Haus eindrangen, welches Hiesel von außen mit sieben anderen gegen einen Überfall deckte.

Als der Obervogt, der Leute kommen hörte, eben die Tür öffnete, um nachzusehen, und seine Frau aus dem Nebenzimmer trat, fielen die Räuber wütend über beide her und forderten Geld unter Androhung des augenblicklichen Todes bei dem geringsten Widerstand.

Vergebens stellte ihnen der Obervogt vor, dass er bereits am Vortag alle Amtsgelder abgeliefert habe, alles Baargeld aber, was sein Eigentum sei, keine vier Gulden betrage, die er ihnen gerne geben wolle, indem er sein monatliches Gehalt noch nicht bezogen habe.

Die Räuber antworteten nun mit Schimpf und Drohung und plünderten, was sie fanden – Geld und Geldeswert, Silbergeschmeide, Gewehre, Uhren und so weiter.

Nun verlangten sie die Schlüssel zum Pult. Der Obervogt verweigerte sie mit ernstem Ton, indem im Pult herrschaftliche Papiere seien, die leicht in Unordnung gebracht oder vernichtet werden könnten, wobei seine Dienstehre in Gefahr käme.

Allein diese Vorstellungen fruchteten nicht. Die Räuber zogen Brecheisen hervor, um das Pult aufzusprengen.

Als ein ehrlicher Beamter, seiner Pflicht eingedenk, glaubte sich der Obervogt verbunden, dagegen aufs Äußerste zu protestieren und selbst mit Gewalt sich zu widersetzen.

Die Waffen waren schon in den Händen der Räuber, welche zuvor ringsumher an den Wänden hingen. Nur ein altes Henkersschwert, auf welchem die Anzahl seiner Opfer stand, zierte eine Ecke des Zimmers. Der Obervogt sprang darauf hin und riss es zur Verteidigung der anvertrauten Gelder in dem Augenblick herab, als Hiesel in das Zimmer trat, dessen Gefährten dem Obervogt gleich in die Arme fielen.

»Hiesel«, begann der würdige alte Mann, »ich habe dich bisher als einen kühnen Wildschützen gefürchtet, denn dein Mut hat sich bei vielen Gelegenheiten als ein solcher erwiesen, desgleichen nicht leicht einer gefunden wird. Jetzt aber fürchte ich dich nicht mehr, weil ich dich verachte, als einen ganz gemeinen Räuber. Von nun an wirst du dein Unwesen nicht lange mehr treiben, gedenke meiner Weissagung! Siehe hier das rächende Schwert des Gerichtes, das deine Gesellen nicht zu berühren wagten, das der Zufall in meine Hände gab, gerade als du in das Zimmer tratest. Das ist eine Warnung des Himmels, Hiesel, sei nicht taub gegen seine Stimme! Denn wahrlich, ich sage dir, der Arm der Gerechtigkeit wird dich bald erreichen, und ich werde jenen Tag deines schimpflichen Todes erleben, wenn mir Gott auch nur noch ein einziges Jahr vergönnt. Ich bin ein alter, kraftloser Mann. Meine Haare sind in Ehren grau geworden, und ich will meine Pflicht erfüllen, gehe es auch, wie es wolle. Zurück also, ihr Räuber, oder dies Schwert soll euch früher treffen, als der Henker es zum letzten Streich über euch schwingen wird!«

Er wollte seine Drohung zur Wahrheit machen, allein die Räuber fassten ihn und rissen ihm das Schwert aus der Hand.

Hiesel aber, welchen die im prophetischen Ton gesprochenen Worte des Obervogts und der Anblick des blutdunklen Henkerschwertes mit innerem Schauder erfüllten, wendete sich gegen ihn und sprach: »Es freut mich, dass ihr ein rechtschaffener Beamter seid, und dass ihr tut, was ihr müsst. Ich tue eben auch, was ich muss. Die Verfolgungen meiner Feinde haben mich gezwungen, meine Bande zu vermehren. Was ich aus dem erlegten Wild löse, reicht nicht hin, mich und meine Kameraden zu füttern und zu kleiden. Was bleibt mir also übrig, als bei anderen zu holen, was mir fehlt? Das wird euch einleuchtend sein, Obervogt, weil es ganz natürlich ist.«

Das Pult wurde aufgebrochen, und alles Geld herausgenommen.

Die Frau des Obervogts war so ergrimmt über diesen Raub, dass sie einem der Räuber eine Schüssel mit Geld aus der Hand reißen wollte, was ihr jedoch bald das Leben gekostet hätte, denn sie setzten ihr das gespannte Gewehr auf die Brust, den blanken Hirschfänger an den Hals und ängstigten sie so fast eine Viertelstunde lang. Sie musste beten und von ihrem Mann Abschied nehmen, als ginge es zum Tode. Endlich entfernte sich die ganze Bande mit ihrem Raub, der dem Obervogt einen eidlich erhärteten Schaden von 2102 Gulden zufügte.

 

***

 

Dies war der erste eigentliche Raub, dessen sich Hiesel schuldig machte, und der weit und breit das größte Aufsehen erregte. Sehr wahr hat Hiesel dem Obervogt selbst den Grund angegeben, der ihn zum Raub bewog: Der Erlös aus dem geschossenen Wild reichte nicht mehr hin. Das ist aber für Hiesel keine Entschuldigung, denn das Wildschießen ist verboten. Streifen gegen Wildschützen sind eine natürliche Folge, und wenn diese sich in größerer Anzahl zum Widerstand vereinen, so ist auch dies ein Verbrechen, das durch den Raub, welchen es vollenden soll, nur noch verdoppelt wird.

Wie mancher, auch ohne ein Wildschütz zu sein, hilft sich durch Raub, wenn sein Erwerb nicht mehr hinreicht! Allein das Ende ist stets traurig. Im Zuchthaus gehen ihm dann erst die Augen auf, und er bereut zu spät, was er getan hat. Dort seufzt er dann, getrennt von Verwandten und Bekannten, seiner Ehre beraubt: »Hätte ich doch dies nicht getan! Könnte ich es ungeschehen machen, wie gerne wollte ich mit schwarzem Brot und Kartoffeln mich begnügen. Darum seid mäßig und genügsam! Macht keinen Aufwand, der euer Einkommen übersteigt! Duldet euren Frauen und Töchtern keine eitle Putzsucht, die sie oft mit ihrer weiblichen Ehre oder mit dem Krebsgang des häuslichen Wohlstandes bezahlen müssen! Betet, aber heuchelt nicht Andacht, wenn ihr sie nicht im Herzen habt! Ein Scheingebet kann Gott nicht wohlgefällig sein. In allem, was ihr tut, denkt an das Ende dessen, was ihr tut, und vergesst nie, dass ehrlich am längsten währt. In diesen Gesinnungen erzieht auch eure Kinder!