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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Teufel auf Reisen 48

Der-Teufel-auf-Reisen-Dritter-BandCarl von Kessel
Der Teufel auf Reisen
Dritter Band
Ein humoristisch-satirischer Roman aus dem Jahr 1870
Zehntes Kapitel – Teil 3
Ein gebesserter Haustyrann

Eines Tages trat aber seine Schwester Barbara mit langsamen und feierlichen Schritten in sein Zimmer. Sie trug ein Portefeuille unter dem Arm, blieb einen Augenblick vor ihrem Bruder stehen und blickte ihm ernst und strafend ins Gesicht.

»Nun, was willst du hier?«, polterte dieser in seiner üblichen Weise.

»Den letzten Versuch zu deiner Besserung machen«, lautete die kalte Antwort.

»Zu meiner Besserung? Dummes Zeug! Geh und entferne dich, ich will es!«

»Gemach, gemach«, erwiderte die alte Dame. »Weder deine durchbohrenden Blicke noch der grobe Ton deiner Stimme schrecken mich! Kennst du dieses?«, fragte sie, auf das Portefeuille zeigend. »Albernheiten! Lass mich mit diesen Geschichten in Frieden, geh!«

»Glaubst du wirklich, ich ließe mich so abweisen?«

»Nun so sprich, aber fasse dich kurz.«

»Gut. Hier in diesem Portefeuille befinden sich die

Verschreibungen von dir, im Wert von zwanzigtausend Talern. Dein Haus, dein Hof, dein Land, alles gehört mir.«

»Besser dir als einem anderen«, brummte Bärbeiß.

»So weit hat dich deine Leidenschaft fürs Börsenspiel gebracht«, fuhr Barbara fort. »Bisher spieltest du den Tyrannen gegen uns alle – den groben Poltron, welcher jede Rücksicht beiseite setzte. Das hat aber nun sein Ende erreicht und ich will nun auch einmal meinen Willen durchsetzen.«

Herr Barnabas brach in ein helles Gelächter aus.

»Ich habe beschlossen, eine Reise zu machen«, fuhr die Schwester fort.

»Deshalb also die lange Einleitung? Wer hindert dich denn daran?«

»Ich wünsche aber, dass deine Frau und Tochter mich begleiten. Du sollst mit Herrn Waldhorn hier allein zurückbleiben. Du hast uns alle so oft zum Kuckuck gewünscht. Nun soll dein Verlangen erfüllt werden.«

»Viel Vergnügen«, rief Bärbeiß, »reist wohin ihr wollt, ich kann euch ganz gut entbehren.«

Nun, das wird sich ja finden. Wir gehen nach Dresden, und während unserer Abwesenheit wird Herr Waldhorn hier in meinem Namen als Bevollmächtigter handeln.«

»Ich glaube gar, du willst mich unter Vormundschaft stellen?«, sagte mitleidig mit den Achseln zuckend der Bruder.

»Nimm es wie du willst. Die Hauptsache ist, dass der Zweck dieser Reise erreicht wird.«

Barbara verließ bei diesen Worten das Zimmer und stellte es Bärbeiß anheim, über den dunklen Sinn nachzudenken.

Nachdem die Frauen abgereist waren, versuchte unser Held sich selbst einzureden, dass für ihn nun erst ein rosiges Leben beginne. Er rieb sich vergnügt die Hände und erklärte dem Stabstrompeter, dass er sich erst jetzt innerlich so recht wohl fühle und dass sich, um mit dem Dichter zu reden, ein neuer Frühling in seinem Herzen zu gestalten beginne.

Auch gegen Schwefelkorn und Schwalbe äußerte er sich in demselben Sinne.

»Ei, mein verehrter Herr Bärbeiß «, sagte der Erstere, »Sie haben ja alle Ihre Damen auf Urlaub geschickt.«

»Allerdings. Ich fühle mich wie neugeboren, seitdem diese Plagegeister fort sind. Nun wird doch endlich einmal der Ärger ein Ende haben. Ich kann mich ungestört meinen philosophischen Betrachtungen überlassen, ich werde ein Leben wie im Paradies führen.«

Aber schon nach wenigen Tagen änderte sich der Stand der Dinge.

Was die Frauen bisher im Stillen auszugleichen gewusst hatten, das verdarb jetzt die polternde Grobheit unseres Helden nach allen Seiten hin. Zuerst kam Friedrich an die Reihe.

Herrn Barnabas Bärbeiß wurde die Zeit lang, und in einem Augenblick, wo Waldhorn abwesend war, beschloss er den Mangel an Stoff zur Unterhaltung dadurch zu ersetzen, dass er mit dem Faktotum des Hauses anzubinden versuchte. Ein Vorwand hierzu war bald gefunden. Friedrich sollte sich in der letzten Zeit nachlässig und faul gezeigt haben, und jetzt zitierte der helle Ton der Klingel denselben vor den Richterstuhl des Gestrengen.

»Hier bin ich schon«, sagte dieser eintretend.

»Das sehe ich, dass du hier bist«, antwortete Bärbeiß mit einem zornigen Blick. »Für die Zukunft gewöhne dir eine andere Sprache an.«

»Na, ich spreche ja das reinste Berliner Deutsch«, antwortete das Faktotum.

»Du sollst nicht räsonieren.«

»Das tue ich och nicht.«

»Du räsonierst inwendig.«

»Und Sie auswendig.«

»Unverschämter Mensch, noch so ein Wort und du bist entlassen!«

»Na, mir och recht«, antwortete Friedrich trocken.

»Packe sofort deine Sachen. Dein Lohn wird dir ausgezahlt werden, in einer Stunde verlässt du mein Haus.«

»Wie Sie darüber denken«, bemerkte Friedrich lakonisch und verließ das Zimmer.

»Auch die Köchin, die Christine, werde ich fortschicken«, brüllte Bärbeiß ihm nach, »seit einigen Tagen ist das Essen nicht mehr zu genießen.«

»Schön, ich werde es bestellen«, erwiderte mit einem spöttischen Grinsen das Faktotum und verschwand.

So rot wie ein Hummer und mit rollenden Augen schritt unser Held in der Stube auf und ab. Er hatte sich wieder in den Zorn geredet und einen treuen Diener, der bisher alle seine Launen geduldig ertragen hatte, ohne Grund entlassen. Das fühlte er auch , aber er war zu eigensinnig, um ein begangenes Unrecht wieder gut zu machen. Und als er den Kopf emporhob, stand auch die Christine vor ihm.

»Was will Sie?«, donnerte er diese an.

Aber Christine hatte eine Zunge, die an Geläufigkeit ihres Gleichen suchte.

»Was ich will?«, rief sie und stemmte dabei den Arm in die Seite. »Sagen will ich Ihnen bloß, dass ich noch heute den Dienst quittiere, dass ich auf der Stelle gehe, dass ich mir nicht vorschreiben lasse, wie ich kochen soll, dass ich bisher alle Herrschaften befriedigt habe, dass ich überall wieder eine Stelle finden kann. Ja, das wollte ich Ihnen nur sagen und nun wissen Sie’s!«

»Will Sie schweigen, will Sie endlich Ihre Plappermühle halten!«, rief Bärbeiß.

»Nein, ich will nicht schweigen«, fuhr die Köchin mit unübertrefflicher Geläufigkeit fort. »Ich will meine Plappermühle nicht halten – ich lasse mir nicht kujonieren – ich muss mir verdefendieren – ich muss sprechen, dafür hat mir Gott ene Zunge gegeben und nun ist’s gut! Ich gehe und jetzt können Sie sich Ihr Essen allene kochen, wissen Sie das!« Sprachs und schwenkte in herausfordernder Stellung ab, während Herr Barnabas ihr im sprachlosen Erstaunen mit offenem Mund nachblickte.

Er ahnte freilich nicht, dass sowohl Friedrich als auch Christine im engen Einverständnis mit Waldhorn handelten und dass dieser beiden gesagt hatte, sie möchten nur die Kündigung annehmen. Es würde nicht lange dauern, bis sie wieder ins Haus zurückkehrten.

Als der Husar jetzt zu Bärbeiß eintrat, nahm der Letztere natürlich die Miene an, als sei er der leidende Teil.

»Es ist mit den Dienstboten jetzt gar nicht mehr auszuhalten«, rief er, »sie sind ungehorsam, widerspenstig, kurz und gut, ich habe mich soeben genötigt gesehen, den Friedrich und der Christine den Dienst aufzukündigen.«

»Das ist schlimm«, entgegnete der Stabstrompeter trocken. »Sie werden sich nun selbst Ihre Röcke ausklopfen müssen.«

Bärbeiß lachte hell auf. »Es ist kein Mangel an solchen Leuten, ich werde mir noch heute einen neuen Diener mieten. Doch der Austritt hat auch das Gute, dass er mir Appetit machte. Ich habe Hunger wie ein Wolf, kommen Sie und lassen Sie uns zu Tisch setzen.«

»Ja, haben Sie denn etwas zu essen?«, fragte der Husar.

»Wie?«, bemerkte Bärbeiß ganz erstaunt.

»Nun, Christine empfing ja von Ihnen ebenfalls den Laufpass. Sie hat bereits das Haus verlassen.«

Der alte Rentier blickte ziemlich trostlos um sich.

»So schaffen Sie Rat! Was fangen wir nun an?«

Waldhorn lachte. »Was wir anfangen? Nun, des ist ganz einfach: Wir hungern so lange, bis uns der liebe Gott etwas zu essen schickt.«

Bärbeiß geriet wieder in Zorn. Er stampfte mit dem Fuß und mit herausfordernder Stimme rief er: »Ich glaube, Sie wollen mich auch noch zum Besten haben! Das ist ja offenbar ein mit aller Berechnung gegen mich angelegtes Komplott. Aber Geduld, noch bin ich der Mann, welchen man nicht ungestraft beleidigen darf!«

»Sie irren«, entgegnete ironisch der Husar, »ich fühle nur Mitleid mit Ihnen. Indessen wenn die Not am größten, ist oft die Hilfe am nächsten. Vielleicht schickt der Himmel uns Rettung.«

Der Haustyrann brummte einige unverständliche Worte vor sich hin.

»Still!«, rief Waldhorn, »hören Sie nichts?«

In der Tat wurde in diesem Augenblick mit irgendeinem Gegenstand heftig an die Tür gepocht.

»Es wird wohl die Christine sein, wahrscheinlich empfindet sie Reue. Sie kommt, um Abbitte zu tun, und so erhalten wir doch noch etwas zu essen.«

Ein neuer heftiger Schlag folgte unmittelbar diesen Worten.

Nun wollte der Rentier schon wieder zornig auffahren, allein er unterdrückte seinen Ärger, denn seine Aufmerksamkeit nahm in diesem Augenblick eine dritte Person in Anspruch, welche inzwischen das Zimmer betreten hatte.