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Schwäbische Sagen 26

Schwäbische-Sagen

Der wilde Mann
Eine mündliche Überlieferung aus Waltensburg

Im Graubündener Oberland, in Waltensburg, droht man Kindern, die sich auf gefährliche Felsen begeben, um wilde Lilien und Steinnelken zu suchen, mit dem wilden Mann.

Auch gibt es ein gewöhnliches Kinderspiel, das »der wilde Mann« heißt. Die Spielenden ziehen ans, um Blumen zu suchen. Der wilde Mann überfällt sie. Wer sich fangen lässt, wird eine Zeitlang vom Spiel ausgeschlossen.

Man stellt sich den wilden Mann als einen furchtbar aussehenden Riesen vor und erzählt sich von ihm, dass, wenn die Menschen ihn verfolgten, er sich auf den Gipfel von hohen Tannen flüchte und in kurzer Zeit die stärksten Bäume gleich einer Weide zu einer Schnur zusammendrille, um seine Verfolger damit festzubinden. Andere sagen, er reiße eine große Tanne aus und drehe sich dann eine Schnur aus derselben.


Fünftes Kapitel

Schrettele, Hexen, Zauberei

Das Schrettele

1.

Im Lautlinger Tal, in Laufen, ferner in Tieringen, Ebingen, auf dem Heuberg, in Friedingen und sonst in Oberschwaben, in Konstanz, nennt man die besondere Art von Hexen, die das Albdrücken hervorbringen »Schrettele« oder »Schrettle«. Sie legen sich dem Menschen über die Brust oder auf den Hals, sodass es ihm angst und beklommen wird und er um Hilfe rufen will. Aber er kann keinen Laut von sich geben. Nur wenn ihn jemand bei seinem Namen ruft, weicht das Schrettele von ihm und er erwacht. Man sagt dann: Das Schrettele war bei mir! oder Das Schrettele hat mich wieder gedrückt.

In manchen Gegenden, zum Beispiel im Filstal, im Lenninger und Neidlinger Tal heißt es bloß das »Drückerle«. In Hohenstaufen daneben auch wohl das »Nachtmännle«.

2.

Die Schrettle quälen nicht bloß Menschen, sondern auch Tiere, namentlich die Pferde. Sie flechten ihnen den »Kranz«, d. i. die Mähnen sowie den Schweif in unauflösliche Zöpfe, und das geschieht oft in einer Nacht, worauf die Pferde des Morgens am ganzen Leibe schwitzen und vor Angst zittern.

3.

Die Schrettle sind unsichtbar, doch will man schon ihre Fußtritte gehört haben, wenn sie aufs Bett heraufgestiegen oder zur Tür hinausgegangen sind. Winters sieht man auch zuweilen ihre Tritte im Schnee. Sie sehen etwa aus wie der Abdruck einer Menschenhand. Auch gibt es Steine, die man »Schrettelesfüße« nennt, darauf befindet sich eine Figur, die einer menschlichen Hand mit ausgestreckten Fingern ähnlich sehen soll.

Wenn man einen oder noch besser drei Schrettelesfüße über die Tür zeichnet, so kann kein Schrettle und keine Hexe ins Zimmer kommen. Ein solcher Fuß besteht aus drei ineinander verschlungenen Dreiecken, die zusammen ein Fünfeck bilden und mit einem Zuge ohne Absatz gezeichnet werden müssen. (Drudenfuß, Albfuß.) Bei Tübingen nennt man diese Füße auch »Krottenfüße« (Krötenfüße).

4.
Eine mündliche Überlieferung aus Meratzhofen und Tettnang

In Meratzhofen bei Leutkirch gibt es Steine mit einem runden natürlichen Loch. Man nennt sie »Schrattensteine« und legt sie des Nachts zum Schutz gegen das Schrettle unters Kopfkissen.

5.
Eine mündliche Überlieferung aus Langnau

In Langnau, zwei Stunden von Tettnang entfernt, plagte das Schrettle einen Mann gar sehr und sog so lang an seiner Brust, bis dass er Milch gab. Ebenso soll das Schrettle oft die Brüste ganz kleiner Kinder drücken, dass sie aufschwellen wie der Busen von erwachsenen Mädchen.

Ein Müllersknecht aus der Gegend von Langnau wurde ebenfalls lange Zeit von einem Schrettle heimgesucht. Da atmete er einmal in der Nacht so schwer und brachte so bange Töne hervor, dass sein Schlafkamerad erwachte und schnell ein Licht anzündete. Da lag quer über dem Bett ein Strohhalm, den sie nahmen und verbrannten.

Als der Müllersknecht am anderen Tag in das Hans seiner Nachbarin kam, hatte sie Brandwunden an Händen und Füßen. Er aber war seitdem vom Druck des Schrettle frei.

6.

In Bühl, Wurmlingen, Horb und sonst sagt man »Schrecksele« anstatt Schrettele (aus Schretzele entstanden). Bei Dinkelsbühl, Nördlingen und weiter im Bayrischen soll man »Rettele« sagen. Man versteht aber überall darunter die geisterhaften, unsichtbaren Wesen oder eine eigentümliche Art von Hexen, die das Albdrücken verursachen.

In Bühl sagt man: Die Schrecksele kommen durchs Schlüsselloch und drücken die Menschen, dass sie schwer atmen und sich nicht regen können und elend werden, bis sie »dagegen tun.« Besonders gern kommen sie zu Wöchnerinnen und legen sich in Gestalt von Katzen und anderen Tieren auf die kleinen Kinder und drücken diese oft dergestalt, dass sie ausgewachsene Mutterbrüste bekommen und Milch geben.


Die Trute
Eine mündliche Überlieferung aus Heubach

In Heubach und Unterböbingen wird dasselbe von der »Trute« erzählt, was man sonst von dem Schrettele sagt. Namentlich soll die Trute an den Brüsten kleiner Kinder saugen, dass sie ganz dick werden. Zum Schutz gegen diese Art von Hexen macht man »Trutenfüße« über die Tür und an die Kornsäcke.


Hexen

1.

Hexen sind in der Regel Weiber, die sich dem Teufel verschrieben haben, dass sie Schaden stiften wollen. Ose vererbt sich auch die Hexerei in gewissen Familien, indem die Mütter ihre jungen Kinder, besonders die ungetauften, dazu anhalten und sie zum Beispiel schon tanzen lassen. So sollen namentlich die ältesten Töchter in den meisten Familien Hexen sein. Eine Hexe ist auch nach dem Tod dem Teufel verfallen und zieht im Mutesheer mit ihm durch die Luft. Während ihres Lebens hat sie keine Ruh und Rast, sondern ist beständig getrieben, Menschen und Tiere zu quälen und Früchte und Felder zu verderben, soviel sie kann. Dazu aber hat sie vom Teufel übermenschliche Macht erhalten. Eine Hexe kann Frost, Sturm und Gewitter hervorbringen, kann Krankheiten und Tod bewirken, kann sich schnell an jeden Ort hinzaubern, wohin sie will, indem sie auf Katzen oder auf Besen und Ofengabeln durch die Luft reitet.

Namentlich reiten alle Hexen so zu ihren wöchentlichen und jährlichen großen Versammlungen, die auf gewissen Bergen gehalten werden. Hier müssen sie dem Teufel Bericht erstatten über das, was sie ausgeführt haben und bekommen neue Aufträge. Zugleich wird getanzt, geschmaust und aus Kuh- und Pferdehufen getrunken.

Von dem Hexenritt werden die Katzen oft ganz mager und krank. Schneidet man ihnen dann aber ein Stück vom Ohr oder vom Schwanz ab, so sind sie untauglich zu dem Ritt und erholen sich wieder.

2.

Wenn eine Hexe jemanden quälen oder wie man auch sagt »reiten« will, so verlässt sie nachts als Geist ihren Körper und schlupft als Maus zum Mund heraus. Der Leib liegt dann wie tot auf dem Rücken, indem der Mund geöffnet ist. Würde man sie umkehren und mit dem Gesicht aufs Kissen legen, so müsste sie ersticken, weil die Seele nicht wieder hineinziehen kann. So machte es einst ein Bursche, der nachts zu seinem Mädchen stieg und es nicht wecken konnte. Er legte es auf den Bauch. Da kamen aber sogleich eine Menge Katzen und kratzten und bissen ihn, bis er das Mädchen wieder auf den Rücken legte.

3.

Die Hexen fahren zum Kamin oder Schornstein hinaus und kommen auf demselben Wege auch wieder in ihr Haus. Sind sie aber morgens vor der Betglocke nicht da, so stürzen sie durch den Kamin herunter. Auf dem nämlichen Weg ziehen sie auch in fremde Wohnungen ein und aus. In der Zeit von der Betglocke abends bis zur Betglocke morgens ist man den Einwirkungen der Hexen ganz besonders ausgesetzt. Trägt man während dieser Zeit Milch über die Straße, ohne dass man einige Salzkörnchen hineingeworfen hat, so können sie den Kühen beikommen und sie beschädigen. Sehr häufig reiten sie nachts auch die Pferde und flechten die Hals- und Schwanzhaare in Zöpfe zusammen. Dann zittern die Pferde des Morgens und schwitzen am ganzen Leib.

4.

Die Hexen können durch bloßen Blick ein Kind krankmachen. Namentlich bewirken sie, dass ganz kleine Kinder Brüste bekommen, die Milch geben und säugen können.

Oft zwingen sie auch Kindern gewisse Speisen und Getränke auf, von denen sie krank werden und nachher allerlei seltsame Sachen ausbrechen, zum Beispiel Haare, Knöpfe, große Nägel und dergleichen.

5.

Der Veitstanz kommt bloß von den Hexen her. Ebenso das Albdrücken.

6.

Die Hexen stehlen auch gern ungetaufte Kinder und bringen sie um, um ihnen die Hände abzuschneiden. An einer solchen Hand kann man alle fünf Finger anzünden und die gebraucht man beim Stehlen. Dringt nämlich einer nachts in ein Haus, steckt die Hand an und alle Finger brennen, so ist das ein Zeichen, dass alle Hausbewohner schlafen. Brennt ein Finger nicht, so wacht noch jemand. Brennen zwei nicht, so sind noch zwei Menschen wach usw.

Andere sagen, aus den Fingern ungetaufter Kinder werde Hexenbrei gekocht. Sie sollen auch ungetauft verstorbene Kinder ausgraben, um ihnen einen Finger abzuschneiden. Noch andere sagen: Die Spitzbuben machten Pfeifen aus solchen Fingern.

7.

Hexen können sich beliebig in verschiedene Tiere verwandeln, namentlich in Katzen, Schweine, Pferde, auch in Vögel, zum Beispiel in Gänse, Elstern usw. Am leichtesten aber in Schweine.

8.

Die Hexen erhalten gewöhnlich wenig Lohn für ihre Untaten. Doch werden manche auch reich dadurch, indem sie zum Beispiel Milch aus einer Handzwehle melken und Hexenbutter verkaufen.

9.

Hat eine Hexe oder ein Hexenmeister ein Stück Vieh beschädigt oder umgebracht, so kann man sie zur Strafe ziehen. Man steckt in das Herz des toten Tieres drei Nägel und drückt diese täglich etwas tiefer hinein, so muss die betreffende Person absterben, wenn sie nicht kommt und um Erbarmen bittet und man die Nägel herauszieht. Ebenso stirbt eine Hexe an der Schwindsucht, wenn man ihre Fußtritte ausschneidet und in den Kamin hängt.

10.

In der Christnacht und Karfreitagnacht halten die Hexen einen großen Umzug. An diesen beiden Tagen kann man durch gewisse Mittel in der Kirche erkennen, welche Frauen Hexen sind. Sonst erkennt man die Hexen auch daran, dass sie am Samstagabend spinnen. Ferner blinzeln alle Hexen. Sieht man einer Hexe aber in die Augen, so blickt das Bild verkehrt heraus.

11.

Berüchtigt und gefürchtet sind die Hexen mancher Orte, zum Beispiel die von Gomaringen und Pfrondorf, in der Nähe von Tübingen.

Als die stärkste Verwünschung betrachtet man den Fluch, »dass dich das beste Paar Hexen von Gomaringen (oder Pfrondorf) reiten tät!« Saulgau in Oberschwaben heißt in der ganzen Umgegend wegen seiner vielen Hexen das »Hexenstädtle«.

Das Wiesensteiger Tal heißt das »Hexenthäle« oder »Gaisthäle«.

In Möhringen auf den Fildern, sagt man, seien sechs Hexen mehr als Milchhäfen im ganzen Ort.

12.

Bei heftiger Hitze sagt man wohl: »Heut ist es so heiß, dass man eine Hexe auf dem Sims (am Fenster) »bräckeln«, d.i. braten könnte.«

13.

Es gibt verschiedene Schutzmittel gegen die Hexen. Stellt man einen Besen aufwärts hinter die Stubentür, so kann keine Hexe hereintreten. Ebenso kann sie es nicht, wenn man drei »Krottenfüße« oder »Trotenfüße« (Drudenfüße) über die Tür zeichnet. Auch an Kornsäcke und Krippen malt man oft solche Zeichen. Ferner kann keine Hexe einem Schlafenden beikommen, wenn die Schuhe mit der Spitze gegen das Bett gerichtet sind.

14.

Ein Pferdehuf über der Stalltür festgenagelt, schützt das Vieh vor Hexen.

15.

Wenn man zum Melken aus dem Haus über die Straße gehen muss, so soll man immer etwas Salz in den Melkkübel streuen, um die »bösen Leute« abzuhalten. Auch beim Butterstoßen wirft man etwas Salz und Brot ins Fass zum Schutz gegen Hexen.

16.

Wenn eine Hexe einen Menschen »rettet« und ihn drückt, dass er kaum atmen kann, so darf man ihn nur dreimal beim Vornamen rufen, dann muss die Hexe von ihm weichen.

17.

Hat man seine Notdurft verrichtet, namentlich sein Wasser gelassen, so soll man dreimal ausspeien, dann können einem die Hexen nicht bei.

18.

Messer mit drei Kreuzen versehen, schützen gegen Hexen.

19.

Man darf keiner Hexe irgendetwas leihen.

20.

Freitags (auch mittwochs) ist es besonders gefährlich von Hexen zu reden, weil sie es dann hören können, wenn man nicht hinzufügt: »Dreck vor d’Aure!« (Ohren)

21.

Begegnet man einer Hexe, so soll man dreimal sagen: »In Gottes Namen!«

22.

Um Hexen zu vertreiben, gebraucht man »Steinöl«.

Um die Kühe vor ihnen zu schützen, streicht man denselben »Katharinenöl« um die Nase und an die Krippe.

23.

Legt man »Neunfingerleskraut« unters Kopfkissen oder trägt Asche von verbrannten Erlen und »Sevenblätter« (Juniperus Sabina) bei sich, so können die Hexen einem nicht bei.

24.

Schlägt man einer Hexe mit dem Rücken der Hand ins Gesicht, dass es blutet, und wischt das Blut mit einem Tuch ab und verbrennt dies, so muss die Hexe sterben. Oft kommt sie dann während des Verbrennens und bittet, dass man sie verschone.

25.

Anstatt Hexen soll man immer sagen »böse Leut’«, sonst hören sie es und rächen sich, namentlich, wenn man am Mittwoch und Freitag von ihnen spricht, ohne dass man vorher dreimal sagt: »Dreck vor die Ohren!« Sagt man dies aber, so hören sie nichts.

26.

In Ställen muss man das Spinnengewebe sitzen lassen, sonst beschädigen einen die »bösen Leut’«. In Wohnzimmern aber muss man das Spinnengewebe immer von unten herauf wegnehmen, nie von oben herab, sonst bekommt man böse Finger.