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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Marone – Das Teufelsloch

Der-Marone-Zweites-BuchThomas Mayne Reid
Der Marone – Zweites Buch
Kapitel 23

Das Teufelsloch

An der Seite des Berges, die über das glückliche Tal emporragt, nicht weit vom Jumbéfelsen, befand sich eine starke Quelle, die, während sie in die Schlucht niederströmte, sich mit anderen verband, und hierdurch bald zum Gießbach wurde, der im wilden Lauf schäumend von einem Felsen auf den anderen stürzte.

Ungefähr auf halbem Weg zwischen der Spitze und dem Fuß des Berges lag auf seinem Weg eine tiefe, längliche Höhle, in die der klare Strom sich mit mächtigem Fall hineinstürzte. Diese sonderbare Höhle glich dadurch dem Krater eines erloschenen Vulkans, dass sie inwendig von allen Seiten von einem hohen Abhang umgeben war, der sich steil vom Boden aufwärts zweihundert Fuß hoch erhob. Sie war dabei keineswegs rund, wie Krater gewöhnlich gebildet sind, sondern mehr in Gestalt eines Schiffs, über dessen Hinterteil der Strom hineinstürzte und über dessen Bucht er dann wieder durch eine enge Felsenspalte herausfloss.

Die Ähnlichkeit mit einem Schiff beibehaltend, rann der Gießbach in gerader Richtung von hinten nach vorn und teilte das mehrere Morgen große Tal in zwei Hälften. Infolge eines Hemmnisses seines Laufs beim Ausfluss aus der großen Talhöhe bildete der Wildbach eine Lagune, einen kleinen See, der den vorderen Teil des Tales überflutete, während der mittlere und hintere desselben von einheimischen Baumstämmen bewachsen waren, die der Urwelt anzugehören schienen. Das Wasser floss aus dem See durch einen schwarzen und schmalen Schlund, der auf jeder Seite durch dieselben hervorragenden Felsenmassen beengt wurde, die das ganze Tal umschlossen. Am unteren Ende dieses Schlundes war dann ein zweiter Wasserfall, dessen Strom sich abermals über einen mehr als hundert Fuß hohen Abhang hinabstürzte, dann eine Bergschlucht hinunterfloss und sich zuletzt mit dem Montegofluss vereinte.

Der obere Wasserfall stürzte sich auf ein Lager von düsteren schwarzen Felsen, durch die der schäumende Wasserfall brausend und kochend unten in den See floss.

Über diesen Felsen schwebte beständig eine weiße Dunstwolke, die wie aus einem ungeheuren Ofen oder aus einer Riesenfabrik aufsteigender Dampf aussah.

Schien die Sonne auf diese Seite des Berges, so war ein Regenbogen auf den wolkigen Wasserdünsten zu sehen, doch wohl nur äußerst selten mochte ein menschliches Auge diese wunderbare Naturerscheinung erblicken, denn das Teufelsloch – so wurde der Platz von den Einheimischen genannt – teilte den Ruf des Jumbéfelsens. Wohl nur sehr wenige Schwarze hätten es gewagt, sich demselben oder selbst gar nur dem Rand dieses Höhlenschlunds zu nähern, und noch weniger sich entschlossen, dort wirklich hinabzusteigen.

Hieran hätte sie auch sicher noch anderes, als bloße abergläubische Furcht gehindert, denn ein Niedersteigen in das Teufelsloch schien in der Tat eine wahre Unmöglichkeit zu sein. Die steil aufstrebenden Felsen, die es umschlossen, hinunter war wirklich weder Steg noch Pfad, selbst nicht einmal ein vorstehender Rand, auf dem ein Fuß mit Sicherheit ruhen konnte. Nur an einer einzigen Stelle und zwar, wo die Felsenwand sich unmittelbar aus dem See erhob, konnte man mithilfe einiger in den Felsenspalten wurzelnden und an verschiedenen Stellen einen Absatz und Haltepunkt bildenden, verkrüppelten Bäume hinuntersteigen. Hier vermochte ein gewandter und im Klettern geübter Mann wohl hinunterzukommen, allein das von Felsen eingedämmte, tiefe und dunkle Wasser hätte ihn dann doch verhindert, zu dem hinteren Ende der großen Höhlenschlucht zu gelangen, wenn er nicht hätte schwimmen wollen. Dies aber war durch die Gewalt des nach dem Ausgangsschlund mächtig hindrängenden Wasserstromes höchst schwierig und gefahrdrohend.

Dennoch war es klar, dass jemand dieser Gefahr getrotzt haben musste, denn bei genauerer Untersuchung der an der Felsenwand vereinzelt stehenden Bäume konnte eine Art von Treppe bemerkt werden, der die vorstehenden Stämme und Wurzeln als Stufen dienten, während die nebenstehenden Schlingpflanzen die notwendigste Verbindung bildeten.

Außerdem konnte man auch zuweilen am Tage eine dünne, aus dem Teufelsloch aufsteigende Rauchsäule bemerken, die sich über den Spitzen der hohen Bäume, aus denen sie hervorkam, kräuseln, sich dann ausbreitete, zerteilte und unsichtbar wurde. Nur jemand, der auf dem Felsen gerade dicht darüber stand, hätte diesen Rauch bei ganz aufmerksamer Beobachtung wahrzunehmen vermocht, denn bei nur oberflächlicher Beobachtung hätte man ihn leicht dafür einen bloßen Nebelstreifen halten können, einen Teil des dichten Schaumnebels, der stets über dem Wasserfall ganz nahe dabei schwebte. Wenn man jedoch ganz genau aufmerkte, so musste die blaue Farbe es bald verraten, dass es der Rauch eines Holzfeuers, und zwar eines von Menschenhand angemachten sein müsse.

Jeden Tag war dieser Rauch drei Mal zu sehen, am Morgen, am Mittag und am Abend, gleich als ab das Feuer benutzt würde, um die drei regelmäßigen Mahlzeiten zu kochen.

Diese tägliche Wiederkehr des Rauchs bezeugte unbedingt das Dasein eines menschlichen Wesens, welches, die mit dem Platz allgemein verbundene abergläubische Furcht missachtend, das Teufelsloch zu seinem gewöhnlichen Aufenthalt gemacht hatte.

Bei genauester Durchforschung des ganzen Tals konnten jedoch noch mehrere und sicherere Anzeichen dem Vorhandensein von Menschen aufgefunden werden. Unter den Zweigen eines großen, am Rande des Sees stehenden Baumes, von dem die Gewinde der silbernen Tillandsia auf die Oberfläche des Wassers hinabfielen, konnte man ein kleines, rohgezimmertes Kanu nur wenige Schritte von seinem bemoosten Stamm entfernt, liegen sehen. Eine gedrehte Weidenrute, womit das Boot an dem Baum befestigt war, bezeugte, dass es nicht durch bloßen Zufall hier angetrieben war, sondern dass es hier absichtlich und sicher von jemandem untergebracht sei, der zurückzukehren beabsichtige.

Vom Rand des Sees bis zum oberen Ende des Tals hin war, wie auch schon bereits erwähnt, der Boden dicht von großen und dicken Urwaldbäumen bedeckt. Hier stand die riesige Zeder und ihre Verwandte, die Bastard-Zeder mit ulmenartigen Blättern, die tropische Birke und der allbekannte Mahagonibaum.

An einigen Stellen waren lanzengleiche hohe Bambusrohre noch über die Spitzen hinauf geschossen und bildeten so längs den Felsenspitzen oben eine Art von leichtem Gitterwerk. Dazwischen standen dann Trompetenbäume mit den sonderbaren filzartigen Blättern und mächtigen auf ihnen wachsenden Farrenkräutern, deren zarte seidengleiche Blattzweige an dem blauen Hintergrund des Himmels ein netzförmiges Schnörkelwerk, ähnlich den Verzierungen an gotischen Fenstern, bildeten.

In dem fruchtbaren Talboden wucherte die edle Kohlpalme, die Königin des jamaikanischen Waldes, während an ihrer Seite der Patriarch der westindischen Bäume stand, die wegen der ungeheuren Verhältnisse ihrer Gestalt viel bewunderte Ceiba, von deren weit ausgebreiteten Zweigen das weißliche spanische Moos wie eine einem solchen Riesen angemessener Bart herunterhing.

Jeder Ast hatte seine Schmarotzerpflanzen, nicht nur eine Art, sondern hundert verschiedene von den wunderlichen Bildungen. Einige dieser Schmarotzerpflanzen wanden sich spiralförmig um die Stämme und wie ungeheure Schlangen, andere wuchsen auf den Ästen selbst oder zwischen denselben, und noch andere hatten sich an den höchsten Zweigen aufgehängt und wehten im Wind wie die Wimpel eines Schiffes. Manche von ihnen, die sich von einem Baum zum anderen erstreckten, waren mit Büscheln oder Trauben der glänzenden und prachtvollen Blumen besetzt und verwandelten so den ganzen Wald in ein einziges ununterbrochenes Blütengewebe.

Dicht unter dem Felsenabhang und nahe, wo der Wasserfall von dem hohen Gestein herabstürzte, stand ein besonders bemerkenswerter Baum, eine Ceiba von ganz ungeheurer Größe, mit einem Riesenstamm, der eine Oberfläche von mehr als fünfzig Fuß Durchmesser bedeckte. Dieser kolossale Baum, der sich fast bis oberen Rand des Felsens erhob, breitete sich mit seinen Zweigen über eine Oberfläche aus, auf der fünfhundert Mann bequem hätten lagern können, während das in größter Üppigkeit auf den Ästen wuchernde und überall verbreitete spanische Moos sie noch mehr vor der Sonne geschützt und sie vor den von oben her gerichteten Blicken bewahrt haben würde, als ihr eigenes, etwas dünnes und zerstreutes Laubwerk.

Deshalb war aber dieser Baum keineswegs von den übrigen in den Gebirgswäldern Jamaikas angetroffenen Riesenbäumen ausgezeichnet. Ihn unterschied hauptsächlich nur, dass sich zwischen zwei seiner, großen Wurzelausläufer, die sich dann am Hauptstamm pfeilerartig wie Nebenwände erhoben, etwas befand, das zweifellos die Gegenwart von Menschen bekundete.

Dies war eine in höchst einfacher Weise erbaute Hütte, deren Seitenwände die bereits bezeichneten Nebenwände des Baumes waren, während nach vorn ein Pfahlwerk von Bambusstämmen die Einfassung vervollständigte. In der Mitte des Bambuspfahlwerks war ein schmaler Eingang gelassen worden, der nötigenfalls durch eine sich auf Angeln von Weidenruten drehenden, aus gespaltenen Bambusstöcken gefertigte Tür geschlossen werden konnte.

Das Dach erstreckte sich vom Hauptstamm zwischen den Nebenwänden bis auf die Bambuswand, und seine Sparren mochten etwa sieben Fuß hoch vom Boden sein. Es war in der allereinfachen Weise erbaut, nur wenige Stangen waren querüber befestigt und über diese eine Decke von den langen Federblättern der Kohlpalme gelegt.

Inwendig hatte die Hütte eine dreieckige Gestalt, war keineswegs so sehr klein, da die ihre Seitenwände bildenden und zusammenlaufenden Pfeiler des Riesenbaumes sich volle zwölf Fuß vom Hauptstamm erstreckten. Zweifelsohne war sie für einen Bewohner groß genug, und die schmale, aus Bambusstäben zusammengefügte Bettstelle bewies auch klar, dass nur eine Person die Nacht unter diesem Dach zu verbringen pflege. Diese Person musste ein Mann sein, nach den verschiedenen, auf dem Bambusbett liegenden Gegenständen zu schließen.

Die Möblierung der Hütte war eben so ärmlich wie einfach, denn das erwähnte Bambusbett musste auch als Tisch und Stuhl dienen. Mit Ausnahme eines alten zinnernen Kessels, einiger Schüsseln und Becher aus Kalabassenholz war in dem ganzen Raum schwerlich etwas zu entdecken, das ein Geschirr oder Gerät genannt werden konnte.

Dennoch waren in der Hütte noch mancherlei andere Gegenstände, die weder ganz einfach noch deren Nutzen und Gebrauch so ganz leicht zu begreifen war.

An den Wänden hingen verschiedene, höchst sonderbare Dinge, von denen einige Lachen, andere aber vielmehr Ekel und Abscheu erregen mussten. Unter diesen Letzteren waren vorzüglich bemerkenswert: die Haut der gefürchteten Gallenwespe, die zweiköpfige Schlange, der Schädel und die Hauer eines wilden Ebers, getrocknete Glieder der hässlichen Eidechsen und Molche, ungeheure Fledermäuse mit menschenähnlichen Gesichtern und andere ebenso abschreckende Geschöpfe.

Kleine an den Dachsparren aufgehängte Säcke enthielten noch viel sonderbarere und geheimnisvollere Gegenstände: Kugeln von weißlichem Ton, Klauen der großohrigen Eule, Papageienschnäbel und -federn, Zähne von Katzen, Stücke zerbrochenen Glases nebst vielen anderen nur durch ihre Seltsamkeit und Hässlichkeit bemerkenswerten Dingen.

In einer Ecke stand ein Weidenkorb mit verschiedenartigen Wurzeln und Pflanzen angefüllt, unter denen das gefährliche Caladium, die Savatenenblume und andere verdächtige Kräuter zu bemerken waren.

Ein auf der Insel Jamaika gänzlich Fremder, wenn er die Hütte betreten und die sonderbare Sammlung der darin befindlichen verschiedenartigen, höchst seltsamen Gegenstände betrachtet hätte, würde sicher in Verlegenheit gewesen sein, ihren Zweck und ihre Bedeutung anzugeben, aber nicht so jemand, der mit den Gebräuchen des äthiopischen Schlangendienstes, dem Glauben der Koromantis, bekannt war. Die wunderlichen Gegenstände waren lediglich Symbole des afrikanischen Fetisches, und die Hütte war ein Tempel des Obi, oder richtiger die Wohnung eines Obiahmannes.