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Der bayerische Hiesel – Teil 22

Der-bayerische-HieselFriedrich Wilhelm Bruckbräu
Der bayerische Hiesel
Wildschützen- und Räuberhauptmann, landesverrufener Erzbösewicht

Der Ball

Hiesel ging auf dem Heimweg von Therese noch eine Stunde Weges seitwärts, um mit einem Bauer für die folgende Woche einige Fuhren Wild zu verabreden. Er fand die freundlichste Aufnahme. Gutes Bier, Nudeln und Schnaps wurden ihm aufgetischt. Die ganze Familie setzte sich im Kreis um ihn herum und bat ihn, von seinen Abenteuern zu erzählen, wobei sie ihn mit Lob über seinen Mut und seine Geschicklichkeit im Schießen überhäuften, was er außerordentlich gerne hörte.

Vom Trüffelhund erzählte er nichts, um nicht den Glauben an sein eignes Vorherwissen zu schwächen. Auch kam ihm dieser Freund selbst schon nach und nach so unheimlich vor, dass er gern dieser Bekanntschaft ein Ende gemacht hätte, wäre nicht seine Selbsterhaltung auf dem Spiel gestanden.

Auf Hiesels Frage, wie er denn mit seiner Gutsherrschaft zufrieden sei, antwortete der Bauer: »Mit dem alten Herrn sehr gut. Der ist ein wahrer Vater seiner Untertanen. Auch die alte gnädige Frau und Fräulein Justine sind herzensgute Leute. Wird jemand krank bei uns im Dorf, flugs ist Justine mit der Hausapotheke der Mama bei der Hand und spendet Hilfe. Dann schickt die Alte auch gute Fleischsuppe, gedünstete Hühner, ein Gläschen alten Wein zur Stärkung und so allerlei. Jetzt aber übergibt der alte Herr, der Baron, seinem Schwiegersohn, einem jungen hochmütigen Herrn von, der selbst ein armer Teufel, aber dennoch ein wahrer Tyrann ist. Nun, der wird uns Bauern nicht wenig schinden, wenn er einmal die einzige Tochter weggefischt hat. Heute wird drüben im Schloss das Versprechen gehalten und mit Tafel und Tanz lustig gefeiert. O, der Alte ist steinreich, der kann schon etwas tun!«

»Ist’s weit hinüber ins Schloss?«

»Gleich da neben dem Haberbrunnen führt der Weg hin. Es ist vielleicht zwei Büchsenschüsse von hier.«

»Da muss ich auch hin!«

»Was fällt Euch ein, Hiesel! Ihr begebt Euch ja in augenscheinliche Gefahr!«

»Warum nicht gar? In meiner Jagdtasche habe ich einen vollständigen Anzug als Weinhändler. Ich habe ihn zu Augsburg machen lassen, um dem Baron Racknitz, auf den ich schon lange ein Auge hab, einen Besuch abzustatten. Den kann ich jetzt gleich probieren.«

Die Bitten und Warnungen des Bauers und seines Weibes halfen nichts. Hiesel verkleidete sich und ließ den Stutzen und Hirschfänger sowie seinen Tiras, der durch seine Größe und Wildheit bei allen Jägern weit und breit nur zu gut bekannt war, in dem Haus zurück, mit dem Auftrag, im Falle der Bauer einen Schuss hören sollte, den Hund sogleich hinauf zu lassen.

Der Bauer führte den Hiesel bis zum geschlossenen Gartengitter des Schlosses, dessen sämtliche Fenster reich beleuchtet waren, und wünschte ihm alles Glück.

Es war schon 10 Uhr nachts vorbei, kein Sternchen flimmerte am Himmel. Vom Saal tönte rauschende Tanzmusik durch die offenen Fenster in die finstere Nacht hinaus, und Hiesel sah deutlich die Köpfe der tanzenden Paare.

Er schellte an der stark dröhnenden Gartenglocke. Bald trat aus einem Seitenhäuschen ein Mann mit einem klirrenden Bund Schlüssel an die Pforte und fragte, wer so spät noch Einlass begehre.

»Ich bin ein reisender Weinhändler von Augsburg«, antwortete Hiesel, »dem die Räuber vor einer Stunde im Wald Pferde und Geld nahmen, und bitte um ein Obdach bis zum anbrechenden Morgen, sei es auch nur in einer Scheune.«

»Das muss ich zuvor dem gnädigen Herrn melden; bis dahin Geduld!«

Es währte bis zum Ende des Tanzes, bis der Pförtner mit zwei Jägern und zwei Bediensteten, alle vier von oben bis unten bewaffnet, am Gittertor erschienen, welches nun dem Hiesel geöffnet, aber sogleich wieder hinter ihm sorgfältig geschlossen wurde.

Wie einen Gefangenen führten sie ihn durch den Garten über eine Treppe hinauf in ein Vorzimmer, in welches gleich darauf der alte Herr mit seinem Schwiegersohn trat.

»Ich bedaure«, begann der Baron,  »dass ein so unangenehmer Vorfall Sie zwingt, in meinem Schloss einzusprechen. Doch bei mir herrscht Gastfreundschaft. Seien Sie mir herzlich willkommen.«

Hiesel benahm sich sehr anständig und bescheiden, dankte für die gütige Aufnahme, und bat nur um ein Glas Wasser und um irgendein Bedienstetenzimmer, da er sehr ermüdet sei und sich nach Ruhe sehne.

»Daraus wird heute nichts«, erwiderte der Alte, »wir feiern ein Familienfest, wobei Sie unser Gast sein müssen. Sehen Sie hier meinen Eidam, den Herrn von D…, den ich Ihnen vorzustellen die Ehre habe. Meine Frau und Tochter werden das Vergnügen haben, später Ihre Bekanntschaft zu machen, wenn wir zur Tafel gehen. Bei dieser Gelegenheit können Sie mir gleich Ihre Meinung über meine Weine sagen. Kommen Sie, mein lieber Gast, Kommen Sie!«

Mit diesen Worten fasste der Baron den Hiesel beim Arm, führte ihn sogleich in den Saal und stellte ihn der ganzen Gesellschaft vor.

Hiesels Adleraugen schweiften durch die ganze Versammlung, ob kein bekanntes Gesicht ihn etwa mochte verraten können. Er kannte niemand. Die hübsche Braut unterhielt sich lange mit ihm über Augsburgs Leben und Treiben, worüber jedoch Hiesel nur nach den Berichten seiner Kameraden, von denen viele dort längere Zeit verweilt hatten, Aufschluss geben konnte. Bei der Tafel saß er dem Baron gegenüber, der ihm wacker zutrank. Hiesel trank gewöhnlich wenig Wein, daher er ihm bald in den Kopf stieg.

Endlich, da eben ein Rehbraten aufgetragen und von unserem Gast als delikat gepriesen wurde, fand der Alte Gelegenheit, von der Jagd zu sprechen, und bitter über die Jagdzüge der Wildschützen zu klagen.

»Schade ist’s um den Hiesel«, fuhr er fort, »aus dem, wie ich höre, etwas Rechtes hätte werden können, dass er sein Leben jetzt so in die Schanze schlagen mag. Denn früher oder später wird sein Unwesen doch ein Ende nehmen, und gewiss für ihn ein trauriges. Man trägt den Krug so lange zum Brunnen, bis er bricht.«

»Dafür will ich schon sorgen, Papa«, fiel der Bräutigam in das Wort, »bin ich nur einmal einheimisch bei Ihnen, so soll es keine 14 Tage anstehen, und er muss in meiner Gewalt sein.«

Hiesel lächelte mitleidig, indem er einen messenden Blick auf den mageren jungen Herrn warf, der mit der Brille auf der Nase so gut in die Zukunft sah.

»Die Soldaten und Jäger haben eine übertriebene Furcht vor ihm. Es ist zu viel Aberglauben unter diesen Menschen. Ich werde einen förmlichen Feldzugsplan gegen diesen Hiesel entwerfen. Ich wette 100 gegen 1, dass ich ihn innerhalb von 4 Wochen fange.«

»Es gilt!«, sagte Hiesel. »So viel ich schon von ihm gehört habe, scheint es mir unmöglich. Der Mensch ist ja so verwegen, dass er Streifen von 12 bis 15 Mann ganz allein entgegen geht.«

Hiesel war damals der Held des Tages. Überall sprach man nur von ihm. Natürlich wurde nun auch von der ganzen Gesellschaft, die so recht gemütlich den Freuden der Tafel sich hingab, diese Äußerung des Gastes begierig aufgefasst und in eine lange Besprechung ausgesponnen. Hiesel musste alle ihm bekannten Abenteuer des gefürchteten Räuberhauptmanns zum Besten geben. Wer konnte dies besser, als er selbst? Er gefiel sich nicht wenig in dieser Rolle und bot allem auf, die Neugierde seiner Zuhörer zu befriedigen, die mit offenem Mund an seinen Lippen hingen.

Es kam auch zur Sprache, was wohl zu tun wäre, wenn das Schloss jetzt von Hiesel und seiner Bande überfallen würde.

Der Baron meinte, dies sei nicht zu erwarten, da Hiesel sich nicht zum Räuber herabwürdige, jedenfalls aber könne er sich auf seine mutige und ergebene Dienerschaft verlassen.

»Die ich persönlich den Räubern entgegen führen würde«, fiel das Brillenherrchen in die Rede. »Wie glücklich würde ich mich schätzen, angebetete Justine, wenn ich Ihnen durch meine Hingebung beweisen könnte, wie sehr ich Sie liebe, und wie innig ich Ihre teuersten Eltern verehre.«

Justine, die einen jungen Gutsbesitzer in der Nachbarschaft liebte und ihren Bräutigam sich nur aus Liebe zu ihren Eltern hatte aufschwatzen lassen, sagte ihm einige verbindliche Worte, die aber nicht aus dem Herzen zu kommen schienen.

Tanzen und Trinken wechselten ab. Schon war es 1 Uhr, und Hiesel tanzte eben mit Justine, als er, neben der offenen Tür in der Reihe ausruhend, den Trüffelhund über den hellerleuchteten Vorplatz gehen und in ein Nebenzimmer treten sah.

Unbewaffnet, wie er war, mitten in einer zahlreichen Gesellschaft, in der Nähe einer entschlossenen Dienerschaft, konnte er diese Warnung nicht mit seiner gewöhnlichen Gleichgültigkeit hinnehmen. Allein was wollte er tun, ohne Aufsehen zu erregen? Er vertraute seinem Glück.

Am Gartentor wurde dreimal geschellt, und bald darauf dem Baron der kommandierende Offizier einer Streife gemeldet, auch sogleich vorgelassen. »Verzeihen Sie, Herr Baron«, begann der artige junge Mann, als er in den Saal trat, »dass ich einen Augenblick Ihr Vergnügen störe. Ich habe erfahren, dass der berüchtigte Räuber und Mörder, der Schwarze Martin, in der Gegend sich herumtreibt. Man will noch in der Nacht zwei Kerle von seiner Bande, wovon der eine die Laterne trug, gesehen haben, die sich Ihrem Schloss näherten. Hält sich kein Verdächtiger im Umkreis Ihres Schlosses und der Wirtschaftsgebäude auf?«

»Niemand, Herr Leutnant! Ich danke Ihnen übrigens für Ihre wachsame Sorgfalt. Ist es Ihnen vielleicht gefällig, ein Stündchen in unserer Mitte zu verweilen?«

»Leider muss ich diese schmeichelhafte Einladung ablehnen, da mich meine Pflicht augenblicklich abruft, denn bis 4 Uhr morgens muss ich mit einer anderen Streife an einem bestimmten Ort zusammentreffen, um gemeinschaftlich einen Angriff auf den bayerischen Hiesel und seine Bande zu unternehmen, der dem Vernehmen nach an der nahen Grenze herabzieht.«

»Ei, da hätte ich jetzt bald vergessen, Ihnen das Abenteuer meines Gastes zu erzählen«, sprach der Baron.

Hiesel, der, einige Schritte seitwärts stehend, auf jedes Wort lauerte, hielt es fürs Beste, jetzt gleich selbst zu sprechen, um keinen Verdacht zu erregen. »Nun weiß ich doch, Herr Leutnant, wem ich es zu verdanken habe, dass ich vor wenigen Stunden im nahen Wald ausgeplündert wurde.«

Kaum erblickte ihn der Offizier, als er verwundert und fast ängstlich einen Schritt zurücktrat, und den Hiesel mit scheuem Blick betrachtete. Nach der überall bekannten Personalbeschreibung des Hiesel musste ihm die außerordentliche Ähnlichkeit auffallend sein. Er fragte ihn also genau über alle Umstände aus, und Hiesel wusste seine Antworten mit solcher Ruhe und Fassung zu geben, dass er den Offizier zufrieden stellte, der einige Gläser Wein trank und dann abzog.

Hiesel atmete leicht auf, als diese Gefahr überstanden war. Doch kaum hatte die Schlossuhr 2 geschlagen, als eine viel ernstere Gefahr heranschlich.

In einem kleinen Seitenzimmer öffnete Hiesel ein Fenster, um frische Luft zu schöpfen. Da hockte auf den letzten Sprossen des Weinstockgeländers der Trüffelhund, und flüsterte ihm zu: ,,Hiesel, mach dich schnell gefasst. Der Schwarze Martin mit seiner Bande sägt mit englischen Feilen hinter der Einsiedlerhütte im Garten drei eiserne Stangen ab, um einzubrechen, zu rauben und zu morden. Versäume keinen Augenblick!«

Rasch sprang Hiesel durch den Saal in das Vorzimmer, wo die Jäger und Bediensteten zum Auftragen der Speisen und Getränke versammelt waren, und rief ihnen hastig zu: »Schnell das Schlosstor verrammelt und alle Lichter ausgelöscht, alle Gewehre und Pistolen in den Saal mit Pulver und Blei. Die Räuber brechen in den Schlossgarten!«

Erschreckt, jedoch entschlossen, stoben sie nach allen Seiten auseinander.

Mit wenigen Worten zeigte nun Hiesel der Gesellschaft die drohende Gefahr an. Alle verloren die Köpfe.

»Nur ruhig, wir wollen schon damit fertig werden! Herr Baron, sorgen Sie, dass sämtliche Damen schnell in den Keller geführt werden. Bleiben Sie bei ihnen. In einer halben Stunde ist der ganze Spaß vorüber. Aber nur schnell, um Gottes willen, schnell, ehe der Tanz losgeht!«

Weinend und jammernd folgten die Damen dem alten Herrn in die Tiefe der Erde. Der prahlerische Bräutigam kroch in den welschen Kamin.

Die Jäger konnten sich über die Fassung und den Mut des vermeintlichen Weinhändlers nicht genug wundern. Seine Anordnungen waren ebenso schnell wie zweckmäßig.

Die Lichter im Saal erloschen, nur ein einziges spendete spärliches Licht, hell genug, um die Gewehre laden zu können.

Die Räuber nahten sich leisen Schrittes und versuchten die innere Gartentür mit Schlüsseln und Dietrichen zu öffnen. Vergebens ! Sie war bereits verrammelt, und die mit festen Eisenstäben verwahrten Fenster des Erdgeschosses vereitelten jeden Versuch des Eindringens.

Hiesel ließ ganze Gebinde Flachs bringen, anzünden und zum Fenster hinauswerfen, um gleichsam wie mit Leuchtkugeln das feindliche Lager zu erhellen. Erkennbar, wie am hellen Tag, standen nun die Kerle vor ihm unten im Garten, und er begann sein wohlgezieltes Feuer. Jeder Schuss traf seinen Mann. In weniger als zehn Minuten vernahm Hiesel das wütende Gebell seines Hundes, den der Bauer, nach Hiesels Auftrag, beim ersten Schuss losgelassen hatte. Seinen Herrn vermissend und doch dessen Nähe witternd, wütete Tiras im Rücken der Feinde wie ein rasendes Ungeheuer. Das laute Geschrei der von ihm zu Boden Gerissenen und Zerfleischten tönte weithin. Hiesel schrie ihm zu, und entflammte ihn durch Hetzen immer noch mehr. Obgleich an mancher Hiebwunde blutend, rasteten doch seine mörderischen Fangzähne nicht.

Der Schwarze Martin vermutete Hiesels Widerstand, weil er seinen Hund kannte, und den stets treffenden Schützen erriet. Seine Wut stieg also umso mehr, und er beschloss, um jeden Preis sich der Person seines größten Feindes zu bemächtigen. Schon lagen 7 Tote und 13 Verwundete auf dem Platz, und längeres Beharren auf diesem Angriffsplan hätte seine ganze Bande aufgerieben, deren Kugeln wirkungslos in die Decke des Tanzsaales schlugen.

Hiesel tat alles. Die Jäger hatten vollauf zu tun, um nur immer die Gewehre zu laden.

Endlich war es dem Schwarzen Martin gelungen, durch das Treibhaus, dessen Ofen er zertrümmern ließ, in das Innere des Schlosses zu dringen und die Treppe zu erreichen, über welche er mit mehr als 30 Mann hinauftobte.

Hiesel ließ die Tür von vier Jägern und Dienten festhalten, dann plötzlich aufreißen, und dann sämtliche Bewaffnete feuern. Allein, die Räuber stürzten mit Gewalt in den Saal. Hiesel und die Übrigen zogen die Hirschfänger, und jener versetzte dem Schwarzen Martin einen so gewaltigen Hieb über das linke Auge bis zur Wurzel des rechten Ohres, dass er besinnungslos zusammenstürzte. Die Hälfte seiner Kameraden deckte seinen Rückzug, während die andere noch weichend kämpfte. Durch diesen Erfolg mit neuer Kraft beseelt, feuerte Hiesel unaufhörlich auf sie und trieb so die ganze Bande unter fortwährendem Schießen durch die selbstgebahnte Gitteröffnung in die Wälder zurück.

Niemand aus dem Dorf war zu Hilfe geeilt. Ein solcher Schrecken vor Hiesel und dem Schwarzen Martin hatte allen Mut der Landbewohner gelähmt.

Hiesel blutete aus vier eben nicht bedeutenden Wunden, die er sich mit Schießpulver gleich selbst verband. Sein Hund war wie in Blut gebadet, doch nicht gefährlich verletzt. Nun ließ er wieder alle Lichter anzünden, und ging an der Spitze seiner Tapferen in den Keller hinab, um die geflüchtete Gesellschaft wieder heraufzuholen.

Der Baron staunte nicht wenig, als er von seinen Leuten die Beweise des ausgezeichnetsten Mutes vernahm, womit Hiesel sich verteidigte, und die von Kugeln ganz durchlöcherte Decke des Saales erblickte.

»Mein Herr«, sprach der Baron in Gegenwart seiner Gäste, »ich habe Ihnen die Rettung meines Lebens, des Lebens meiner Familie und werten Gäste sowie meines Eigentumes zu verdanken. Ohne Sie wäre alles verloren gewesen. Mein ganzes Vermögen ist noch zu wenig, was ich Ihnen dafür bieten kann. Sagen Sie mir aufrichtig, womit ich Ihnen meine Schuld auch nur in einiger Beziehung abtragen kann.«

»Durch die Erfüllung einer einzigen Bitte«, antwortete Hiesel.

»Und die ist?«

»Gehen Sie Ihr Fräulein Tochter nicht dem elenden Hasenfuß, dem Herrn von D…, zur Gattin, der noch immer dort im Kamin versteckt ist, dem Helden, der den bayerischen Hiesel fangen will, und schon bei der ersten Nachricht vom Einbruch der Räuber sich verkroch. Ein Mann ohne Mut ist kein Mann, und verdient keine Frau, weil er sie nicht beschützen kann.«

»Gut, ich werde die Wahl meiner Justine nicht beschränken. Herr von D… hat meine Achtung durch sein feiges Benehmen verloren und kann mein Eidam nicht mehr werden.«

Herr von D… kroch aus dem Kamin hervor und stotterte beschämt leere Entschuldigungen. Mit Entrüstung wendete sich jedermann von ihm ab, und er schlich unbeachtet auf sein Zimmer.

Später erhielt Justine den Gutsbesitzer, den sie so herzlich liebte, wirklich zum Mann.

Hiesel war vom Kampf ziemlich erschöpft und sprach nun der Flasche fleißig zu. Die Gesellschaft gewann nach und nach wieder Muth und fühlte sich nach überstandener Gefahr wieder heiter gestimmt.

Der Baron stand auf und lud die ganze Gesellschaft ein, auf das Wohl ihres tapferen Retters zu trinken.

Alle Gäste schwangen freudig die gefüllten Gläser.

»Darf ich um Ihren Namen bitten?«, fragte der Baron.

»O«, mein Name lebt in jedem Munde. Ich bin der bayerische Hiesel!«

Wie vom Blitz gelähmt sanken die Arme nieder, und lautlose Stille herrschte im weiten Saal.

»Sie scheinen bestürzt«, fuhr Hiesel fort, »ich verarge Ihnen dies nicht. Der Ruf hat mich so schwarz gemalt wie den Teufel. Ich bin aber im Grunde ein guter Kerl. Zwar schieße ich gerne das Wild und hasse Jäger und Soldaten. Ich bin aber kein Räuber und Mörder und beleidige niemand, der mich in Ruhe lässt. Wohl fühle ich, dass ich von nun an nicht mehr in diese vornehme Gesellschaft passe, aber es wird mir stets eine angenehme Erinnerung bleiben, die Dankbarkeit derselben verdient zu haben.«

Anfangs mit Scheu, dann aber mit wachsendem Vertrauen näherte sich einer nach dem anderen von den Gästen und drückte ihm die Hand. Der Baron bezeigte noch besonders sein Bedauern, dass ein so tapferer Mann seinen Arm nicht der Verteidigung des Vaterlandes weihe.

Hiesel verteidigte nun die Wahl seiner Lebensart, so gut er konnte. Die Damen aber sagten ihm geradezu, dass sie von nun an nur mit dem schmerzlichsten Gefühl alles Widrige, was ihm begegnen könnte, vernehmen würden.

Endlich nahm er herzlichen Abschied, versicherte den Baron, dass er den strengsten Befehl erteilen werde, sein Jagdgehege zu schonen, und manches schöne Auge füllte eine Träne des dankbaren Mitleids, als er, den treuen Hund zur Seite, jede angebotene Belohnung verschmähend, das Schloss verließ, um seine Bande wieder aufzusuchen.