Heftroman der Woche

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

John Tanner – Das Leben eines Jägers 20

John Tanner
Das Leben eines Jägers
oder
John Tanners Denkwürdigkeiten über seinen 30-jährigen Aufenthalt unter den Indianern Nordamerikas
Erstmals erschienen 1830 in New York, übersetzt von Dr. Karl Andree

Zwanzigstes Kapitel

Wir hielten uns einige Zeit an der Mündung des Assiniboine auf. Es hatten sich viele Indianer um uns versammelt, unter anderen mehrere Verwandte meiner Frau. Ich hatte diese noch niemals gesehen. Unter ihnen war einer ihrer Oheime, ein an allen Gliedern gelähmter Indianer, der schon seit einigen Jahren gar nicht mehr hatte gehen können. Man hatte ihm nur gesagt, dass der Mann meiner Frau ein Weißer sei. Daraus schloss er, dass ich nicht jagen könnte. Da er nun meine Frau sah, hatte er zu ihr gesagt: »Nun, meine Tochter, schießt dein Mann wohl zuweilen ein Stück Wild?«

»O ja«, antwortete sie ihm, »wenn ein Moose- oder Elentier ihm in den Weg kommt, so verfehlt er es nicht jedes Mal.«

»Ist er heute etwa auf die Jagd gegangen? Wenn er etwas schießt, so will ich es holen und herschleppen. Und du kannst mir die Haut schenken, damit Mokassins für mich daraus gemacht werden können.«

Er wollte scherzen und mich etwas verspotten. Ich gab ihm in der Tat die Haut von einem Elentier, das ich am selben Tage erlegt hatte. Überhaupt hatte ich fortwährend Glück auf der Jagd, gab allen Verwandten meiner Frau Fleisch. Und so hörten denn bald die Spötteleien auf.

Einige Zeit danach wurde das Wild seltener. Wir hielten es für zweckmäßig, uns zu verteilen. Ich fuhr eine Strecke von etwa zehn Meilen den Assiniboine hinauf. Wir fanden dort zwei Hütten, die von Indianern bewohnt wurden, welche gleichfalls Verwandte meiner Frau waren. Ihr Oberhaupt war Po-ko-taw-ga-maw (der kleine Teich). Als wir dort ankamen, kochte die Frau des Häuptlings gerade eine Zunge von einem Moosetier für ihren Mann, der noch nicht von der Jagd zurückgekehrt war. Sie gab uns dieselbe ohne Zögern und würde uns wohl noch mehr zugestellt haben, wenn nicht eben ihr Mann heimgekommen wäre. Seit diesem Augenblick reichte sie uns gar nichts mehr, obwohl unsere kleinen Kinder vor Hunger schrien und sie in ihrer Hütte Lebensmittel im Überfluss hatten. Es war schon spät und ich zu ermüdet, als dass ich an jenem Abend noch hätte auf die Jagd gehen können. Dennoch erlaubte ich nicht, dass meine Frauen ihnen Fleisch abkauften. Den Gefallen wollte ich ihnen nicht tun, weil sie darauf warteten.

Als kaum der Morgen heraufdämmerte, nahm ich mein Gewehr, stellte mich vor die Tür meiner Hütte und sprach mit lauter Stimme: »Ist etwa Po-ko-taw-ga-maw der Einzige, welcher Elentiere schießen kann.«

Meine Frau kam auch heraus und reichte mir ein Stück geräucherten Fleisches, das etwa so groß sein mochte wie meine Hand. Sie sagte dabei, ihre Schwester hätte es heimlich weggenommen, um es ihr zu geben. Es waren bereis schon mehrere Indianer aus den Hütten herausgetreten. Ich schleuderte das Stück Fleisch weit weg unter die Hunde und rief dabei: »Kann man solche Nahrung meinen Kindern bieten, wenn in den Wäldern Elentiere so häufig sind?«

Noch ehe es Mittag war, hatte ich bereits zwei fette Elentiere geschossen und war mit einer schweren Last frischen Fleisches zu meiner Hütte zurückgekehrt. Bald danach erlegte ich eine große Anzahl von Bisons. Wir teilten uns auf, um das Fleisch zu räuchern und zu dörren, ehe wir unsere Familien verließen und uns dem Kriegszug gegen die Sioux anschlossen. Darauf gingen wir in die Wälder, um uns gute Moose- und Elentierhäute zu verschaffen, aus denen wir Mokassins machen wollten. Die Häute jener Tiere, die in den offenen Prärien leben, sind zu weich, und geben kein gutes Leder.

Als wir eines Tages über die Prärie gingen und uns zufällig umdrehten, gewahrten wir in einiger Entfernung einen Mann, der mit Gepäck beladen war und zwei große Ta-wa-e-gun-nums oder Trommeln trug, die bei den Feierlichkeiten des Waw-be-no gebraucht werden. Wir suchten eine Erklärung in den Augen unserer jungen Frauen und erkannten bald in dem Reisenden, welcher uns nahe kam, den Pich-e-to, einen der ungastlichen verwandten, welche wir verlassen hatten. Das Gesicht der Schaw-schisch, des jungen Mädchens Bah-we-tig, deutete uns an, dass sie ungefähr wusste, was für Absichten Pich-e-to hatte.

Zu jener Zeit war die Waw-be-no-Religion unter den Chippewa Mode. Die alten Leute aber und die verständigsten Männer haben dieselbe stets für sehr gefährlich und falsch erklärt. Die Zeremonien des Waw-be-no unterscheiden sich wesentlich von denen des Metai und sind gewöhnlich von sehr viel Zügellosigkeiten und Unordnung begleitet. Das Ta-wa-e-gun, das bei diesem Tanz die Stelle der Trommel vertritt, gleicht weder dem Woin-ah-keek noch dem Me-ti-kwaw-keek, die beim Metai gebräuchlich sind. Der Erstere wird aus einem Holzreif gemacht, der wie eine Soldatentrommel auseinandergespannt wird. Der Zweite ist nur ein Stück von einem durch Feuer ausgehöhlten Baumstamm, mit einer Haut überspannt, auf welcher sich die Klapper, Sche-zhe-gwun, befindet. Er unterscheidet sich gleichfalls durch seine Bauart von dem Instrument, welches beim Metai gebraucht wird.

Beim Waw-be-no tanzen und singen Männer und Frauen gemeinschaftlich. Auch wird stark gespielt und allerlei Gaukelei mit dem Feuer getrieben. Die Eingeweihten nehmen Kohlen und im Feuer gerötete Steine in die Hände und zuweilen in den Mund, halten auch wohl in ihrer hohlen Hand, die vorher angefeuchtet worden ist, Pulver, das durch die glühenden Kohlen oder die Steine getrocknet wird und endlich anbrennt und losgeht. Oft hat auch einer der Hauptteilnehmer am Waw-be-no einen Kessel vor sich, der mit Wasser angefüllt ist, und glühheiß aus den Kohlen hervorgezogen wird. Ehe dieser sich abkühlt, taucht der Mann seine Hände tief in das siedende Wasser und zieht den Kopf eines Hundes oder irgendeines anderen Tieres heraus, zerreißt das heiße Fleisch mit seinen Zähnen, singt und tanzt wie ein Narr um den Kessel herum. Ist das Fleisch verzehrt, dann zerbricht er die Knochen und wirft sie weg, fortwährend dabei singend und herumtanzend.

Die Indianer verstehen es, die Wirkungen des Feuers und anderer brennende Dinge unschädlich zu machen und zu verhindern. Den Nichteingeweihten möchten sie gern glauben machen, dass sie übernatürliche Kräfte besitzen. Ihre ganze Zauberkunst beschränkt sich indessen lediglich darauf, dass sie gewisse Kräuter kennen, welche sie zuzubereiten wissen, sodass die Körperteile, welche man damit bestreicht, vom Feuer nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Pflanzen, deren sie sich bedienen, sind Waw-be-no-wusk und Pe-zhe-ke-wusk. Die Erstere wächst in großer Menge auf der Insel Mackinack. Die Bewohner der Vereinigten Staaten nennen es Yarrow (Schafgarbe). Das andere findet man auf den Prärien. Sie mischen beide untereinander und zerstoßen oder kauen sie, um dann Hände und Arme damit einzureiben. Wenn man sich verbrannt hat, so leistet ein Umschlag von Waw-be-no-wusk oder Yarrow treffliche Dienste, und die Indianer bedienen sich desselben sehr häufig. Ein Gemisch aus beiden Pflanzen gibt der Haut und selbst den Lippen und der Zunge eine erstaunliche Fähigkeit, den Wirkungen des Feuers Widerstand zu leisten.

Pich-e-to holte uns endlich ein und machte bei uns Halt. Die alte Net-no-kwa verlor keine Zeit, ihn nach seinen Absichten zu fragen. Er wollte weiter nichts, als das junge Mädchen Bah-we-tig. Jene gab ihre Zustimmung und verheiratete beide ohne weitere Umstände. Am anderen Morgen erlegte Waw-be-be-nais-sa, der nebst Wa-me-gon-a-biew mit mir an der Mündung des Assiniboine war, ein männliches Elentier, und ich schoss ein Moosetier. Damals fing ich an, meine bisherige Art zu jagen gänzlich aufzugeben, und nahm eine andere an. Ich fasste nämlich den Entschluss, stets, und mochte die Anstrengung auch noch so groß sein, wo möglich jedes Mal das erlegte Wild auf einmal heimzuschaffen. Seitdem wurde ich viel bedächtiger und gab niemals früher Feuer, ehe nicht das Tier wirklich in einer bequemen Schussweite war. Das fing ich im Frühjahr an, ging häufig auf die Jagd und erlegte im Sommer eine große Menge Wild. Während der ganzen Zeit schoss ich nur zweimal fehl. Wer Moosetiere schießen will, muss zu jeder Jahreszeit sehr vorsichtig und geschickt zu Werke gehen, vor allen Dingen aber im Sommer.

Da ich nun anfing, für einen sehr guten Jäger zu gelten, so wurde Waw-be-be-nais-sa neidisch auf meinen guten Erfolg. Nicht selten kam er, wenn ich abwesend war, in meine Hütte, bog mir das Gewehr krumm oder lieh es mir ab, unter dem Vorwand, an dem seinen müsse dieses oder jenes gebessert werden. Und wenn er es mir wiedergab, dann war stets etwas daran beschädigt.

In den ersten Tagen des Frühlings brachen heftige Stürme los. Eines Nachts war der Sturm so furchtbar, dass Pich-e-to erschrocken aufstand, dem Donner Tabak opferte und ihn anflehte, er möge doch aufhören zu rollen. Die Chippewa und die Ottawa glauben, der Donner sei die Stimme gewisser beseelter Wesen, welche sie An-nim-me-keeg nennen. Einige betrachten dieselben als Menschen, andere dagegen behaupten, sie hätten weit mehr Ähnlichkeit mit Vögeln. Ich kann nicht bestimmt sagen, ob sie einen notwendigen Zusammenhang zwischen dem Donnerschlag und dem vorhergehenden Blitz annehmen. Sie halten den Blitz für ein Feuer, und viele unter ihnen behaupten, dass man, wenn in dem Augenblick an dem Baum, in welchen der Blitz eingeschlagen hat, nachgesucht werde, in der Erde eine Feuerkugel finden würde. Ich habe oftmals nachgesucht, aber niemals dergleichen gefunden. Ich verfolgte die Spuren des Blitzes dem Stamm entlang, bis an die äußerste Spitze einer großen Wurzel, habe aber da, wo die Spur aufhörte, nie etwas anderes als Erde gefunden.

Am Morgen nach dem letzten Sturm, von welchem ich eben gesprochen habe, sahen wir, dass eine vom Blitz angezündete Ulme noch brannte. Die Indianer haben eine abergläubige Furcht vor einem solchen Feuer, und es wollte keiner von ihnen hingehen, um von dort Feuer zu holen, damit wir das unsere, welches der Regen ausgelöscht hatte, wieder anzünden konnten. Endlich entschloss ich mich dazu und brachte etwas, aber ganz unbefangen war ich doch nicht. Wiewohl ich mich weit weniger fürchtete, als die Indianer. Nachdem wir viel Fleisch geräuchert hatten, machten wir ein Sunjegwun, und legten die zum Unterhalt unserer Familie notwendigen Lebensmittel hinein. So hatten sie während unserer Abwesenheit doch zu leben. Ich war mit meinen Vorbereitungen zur Reise noch nicht fertig, als schon ein aus zweihundert Sioux bestehender Kriegerhaufen über die unseren herfiel, und einige Mann tötete. Eine kleine Gruppe von Assiniboine und Cree hatte sich bereits zum Land der Sioux in Bewegung gesetzt, unterwegs die Spuren jener zweihundert Mann gefunden und waren ihnen so nahe gefolgt, dass sie mehr als einmal den Kranichkopf bemerkten, dessen der Häuptling sich statt der runden Steine beim Ko-sau-bun-zitsch-e-gun oder der nächtlichen Weissagung bediente, durch welche er sich von der Stellung und dem Aufenthalt des Feindes unterrichten wollte. Diese kleine Bande von Cree und Assiniboine hatte nicht Mut genug gehabt, über die Sioux herzufallen, sondern auf einem Seitenweg Boten zu den Chippewa abgeschickt. Diese Männer waren in die Hütte eines Chippewa-Häuptlings gekommen, der allein und seine Leute weit hinter sich lassend, ein Jagdlager hatte, und dabei alle Klugheitsmaßregeln und alles, was die Sicherheit gebot, außer Acht ließ. Wenn er sich ohne weiteres Zögern zum Fort des Handelsmannes zurückgezogen hätte, dann wäre er sicherlich der drohenden Gefahr entgangen. Er traf freilich einige Vorkehrungen zur Abreise. Aber seine ältere Frau, eifersüchtig auf eine jüngere, die bei ihm in mehr Gunst stand, tadelte ihn sehr darüber, dass er dieser Letzteren mehr als ihr gegeben härte.

Er antwortete ihr: »Du verfolgst mich seit langer Zeit mit deinen eifersüchtigen Klagen. Ich will jetzt aber so etwas nicht mehr anhören. Die Sioux sind hier in der Nähe. Ich werde sie erwarten.«

Er blieb also und fuhr fort zu jagen. Eines Morgens früh war er auf eine unweit von seiner Hütte sich erhebende Eiche geklettert, um zu sehen, ob Bisons auf der Prärie wären. Als er aber eben wieder hinabsteigen wollte, wurde er von zwei jungen Sioux getötet, welche sich einen großen Teil der Nacht hindurch hinter den Nussbäumen versteckt gehalten hatten. Wahrscheinlich wäre es ihnen recht gut schon weit früher möglich gewesen, ihn zu erschießen, aber die Furcht hinderte sie daran. Nun indessen hörten sie schon aus weiter Ferne das Stampfen der Pferdehufe. Als kaum die Indianer, welche in des Häuptlings Hütte wohnten, aus derselben hervorgestürzt waren, kamen schon zweihundert berittene Sioux vor der Tür an. Einer jener Späher war Wah-ne-tah, der ein wohlbekannter Häuptling der Yankton ist. Sein Vater führte den Zug an. Wah-ne-tah war gleichfalls bei jener Expedition. Er hatte aber bei Weitem noch nicht die Berühmtheit, welche er später erwarb. Das Gefecht dauerte fast den ganzen Tag hindurch. Alle Chippewa – es waren ihrer zwanzig – wurden getötet, ausgenommen des Häuptlings Bruder, Aisanse, zwei Frauen und ein Kind, die mit dem Leben davonkamen.

Herr H., Handelsmann zu Pembina, gab den Chippewa ein zehn Gallonen umfassendes Fass Pulver und dazu noch hundert Pfund Kugeln, damit sie gegen jene Sioux, welche den Häuptling, seinen Schwiegervater, getötet hatten, in den Kampf ziehen möchten. Nun rückten vierhundert Mann ins Feld, nämlich hundert Assiniboine, dreihundert Cree und Chippewa nebst einigen Muskogee. Schon am ersten Tag nach unserer Abreise von Pembina rissen etwa hundert Chippewa aus, in der folgenden Nacht taten viele Assiniboine dasselbe und stahlen obendrein noch eine Menge Pferde, von denen mir und Wa-me-gon-a-biew vier Stück gehörten. Dieser Verlust war für mich sehr schmerzlich, denn ich hatte gehofft, den ganzen Kriegszug zu Pferde machen zu können, und deshalb nur sieben paar Mokassins bei mir. Ich ging zu Pe-schau-ba, dem Häuptling der Ottawabande, welcher ich mich angeschlossen hatte, und sagte ihm, dass ich an den wenigen Assiniboine, welche noch bei uns geblieben waren, Vergeltungsrecht ausüben würde. Er wollte das aber nicht leiden und stellte mir vor, dass, wenn ich auf solche Weise Streitigkeiten in unserem Lager anfangen wollte, eine Uneinigkeit die Folge sein müsste, die alle unsere Absichten vereiteln würde.

Ich sah wohl ein, dass er ganz recht hatte, was das Allgemeine betraf. Aber meinen persönlichen Beschwerden war dadurch nicht abgeholfen. Darum wandte ich mich abwechselnd an jeden Einzelnen der Ottawa und der Chippewa, welche ich für meine Freunde hielt, und bat sie, mir behilflich zu sein, denn ich wollte den Assiniboine Pferde wegnehmen. Aber keiner mochte sich darauf einlassen, einen jungen Menschen ausgenommen, der Gisch-kau-ko hieß, und ein Verwandter des gleichnamigen Mannes war, der mich von meinen Eltern weg in die Gefangenschaft geführt hatte. Dieser wollte mir die dreizehn Assiniboine, welche noch bei uns geblieben waren, bewachen und gelegentlich die Pferde wegnehmen helfen. Bald nachher bemerkte ich eines Morgens, dass acht Assiniboine noch sehr spät auf ihrem Lagerplatz waren. Ich schloss daraus, dass sie die Absicht hätten, auszureißen. Daher rief ich Gisch-kau-ko herbei, damit er sie gleichfalls beobachte. Als die Mehrzahl der Chippewa sich in Bewegung gesetzt hatte und vorwärts gezogen war, setzten sich jene auf ihre Pferde und jagten ihrer Heimat zu.

Sie waren gut bewaffnet, und wir folgten ihnen unbewehrt, weil wir mit Gewalt unmöglich ihre Pferde wegnehmen konnten. Da hielt einer von ihnen an, ließ die Übrigen vorausreiten und stieg vom Pferd, um mit uns zu reden. Sie waren aber alle wohl auf der Hut, und wir fanden keine Gelegenheit, unseren Vorsatz auszuführen. Daher legten wir uns aufs Bitten. Als auch das nichts half, sagte ich zuletzt, dass die fünf noch bei unserem Zug befindlichen Assiniboine nur nicht glauben möchten, dass sie vor mir sicher wären. Diese Drohung machte aber keinen guten Eindruck. Sie schickten vielmehr eilig einen Boten ab, der diese Leute warnte, sie möchten sich ja vor mir in acht nehmen.

Wir beiden gingen also zu Fuß zu unseren Kriegsgefährten zurück. Ich nahm die erste beste Gelegenheit wahr, um jene fünf Assiniboine zu besuchen. Sie waren aber von unserer Absicht unterrichtet und machten sich mit ihren Pferden aus dem Staub. Bei einem See, unweit vom Red River, fanden wir im Wald den Körper eines jungen Sioux, des roten Donners, aufgehängt. Damals waren wir einer Abteilung des Feindes auf der Spur. Sie zog sich zurück, nachdem sie unseren Anführer getötet hatte, und dieser junge Mensch hatte zu ihr gehört. Die Chippewa warfen die Leiche auf die Erde, schlugen sie mit Fäusten, traten mit dem Fuß darauf und zogen ihr endlich die Schädelhaut ab. Allein Pe-schau-ba verbot allen seinen jungen Kriegern, an dieser Handlung teilzunehmen, und erklärte sie für eine Untat, die wahrer Männer durchaus unwürdig wäre. Etwas weiter entfernt trafen wir auf einen Galgen, an welchen unsere Feinde mehrere Gefangene gehängt hatten. Wir sahen also, dass sie mehrere der unseren lebendig in ihre Gewalt bekommen hatten. Die Spuren des Pfades, welchen die Sioux genommen hatten, erschienen noch frisch. Wir konnten höchstens einige Tagesreisen weit von ihnen entfernt sein.

Bei der Ankunft am Lake Traverse waren unserer im Ganzen nur noch einhundertundzwanzig beisammen. Unter diesen befanden sich drei halbblütige Assiniboine, etwa zwanzig Cree, eben so viele Ottawa. Die Übrigen bestanden aus lauter Chippewa. Viele unserer Gefährten waren durch ungünstige Weissagungen entmutigt, namentlich aber durch Pe-schau-ba gleich in der ersten Nacht nach unserem Aufbruch von Pembina. Er sagte damals, er habe im Traum gesehen, dass die Augen der Sioux wie Sonnen glänzten. Sie wären überall gewesen und hätten stets die Chippewa entdeckt und aufgespürt, ehe diese so nahe gekommen wären, dass sie hätten handgemein werden können. Auch habe ihm geträumt, dass unsere Abteilung wohlbehalten und ohne einen Skalp eingebüßt zu haben, davongekommen wäre. Aber auf der linken Seite des Lake Traverse, welche dem Weg, den wir eigentlich zu nehmen hätten, gegenüberlag, habe er einzeln stehende Hütten der Sioux bemerkt, und zu diesen wolle er seinerseits hinziehen.

Gerade westlich von diesem See, und etwa zwei Tagesreisen von ihm entfernt, erhebt sich ein Gebirge, O-ge-ma-wud-ju (das Hauptgebirge) genannt, und neben demselben das Dorf, zu welchem die Bewaffneten gehörten, deren Spuren wir verfolgten. Als wir uns dem Gebirge näherten, hielten wir uns mehr und mehr auf unserer Hut, gingen nur in der Nacht vorwärts, und blieben am Tag in den Wäldern versteckt. Endlich waren wir bis auf wenige Meilen herangekommen, machten mitten in der Nacht Halt, und warteten auf die Dämmerung, denn gewöhnlich werden um diese Tageszeit die Überfälle und Angriffe gemacht. Als die Nacht schon weit vorgerückt war, nahm ein sehr angesehener Krieger, genannt die schwarze Ente, sein Pferd beim Zaum, ging auf das Dorf zu und versprach, mich zu begleiten. Bei Tagesanbruch erreichten wir den kleinen Hügel, der es unseren Feinden unmöglich machte, uns zu bemerken. Die schwarze Ente hob den Kopf behutsam empor und bemerkte, dass unfern von ihm zwei Männer umhergingen. Darauf stieg er den Hügel wieder etwas hinunter, schwenkte seine Decke in der Luft und gab auf diese Weise das mit den Chippewa verabredete Zeichen.

Sogleich rissen diese alle Kleidungsstücke herunter, und nach wenigen Augenblicken stand die ganze Gruppe völlig nackt neben der schwarzen Ente. Darauf schritten die Krieger lautlos aber schnell bis auf den Kamm des Hügels vorwärts und blieben dann im Angesicht des Dorfes stehen. Als die beiden Männer das sahen, flohen sie nicht etwa, sondern kamen ruhig auf uns zu und blieben vor unseren Häuptlingen stehen. Bei unserer letzten Rast hatten sie uns nämlich verlassen, ohne jemandem auch nur ein Wort zu sagen, um die Stellung des Feindes auszukundschaften. Allein sie fanden, dass das ganze Lager seit vielen Stunden schon verlassen war. Als wir ankamen, waren sie eben damit beschäftigt gewesen, zum Zeitvertreib die Wölfe, welche in den verlassenen Wohnungen nach Fraß suchten, zu verjagen.

Bei dem Anblick der Männer hatte die ganze Schar das Sas-sah-kwi oder Kampfgeschrei angestimmt. Dasselbe ist scharf und durchdringend, schüchtert die Schwachen noch mehr ein und macht sie mutlos, während es die tapferen Krieger noch stärker zum Kampf anreizt. Auch übt es einen wunderbaren Einfluss auf die Tiere aus, wie ich dessen mehr als einmal selbst Zeuge gewesen bin. Ich habe gesehen, wie es einen Bison dermaßen in Furcht jagte, dass es kraftlos zu Boden fiel und nicht den geringsten Widerstand versuchte. Die Bären werden davon nicht selten so erschrocken, dass sie in ihre Höhle fliehen oder vom Baum herabfallen und gar nicht ans Entrinnen denken.

Die Häuptlinge, welche unsere Anführer waren, wollten indessen noch immer ihre Pläne nicht aufgeben, und wir folgten einen Tag, wie den anderen, den Spuren der Sioux. An den Stellen, wo sie gelagert hatten, fanden wir immer ihr Ko-sau-bun-zitsch-e-gun und sahen aus demselben, wie gut sie fortwährend von unserem Zug unterrichtet waren. Eben damals hatte unter unseren jungen Kriegern der Hang auszureißen, mehr als je um sich gegriffen. Die Häuptlinge suchten das Entweichen dadurch zu verhindern, dass sie zuverlässige Leute im Lager und während des Marsches aufstellten. Aber diese Maßregel, die man so häufig anwendet, sichert insgemein keinen wünschenswerten Erfolg. Ja, sie ist vielleicht gerade die Ursache, dass jenes Ausreißen noch mehr überhandnimmt, weil die jungen Krieger sich keinerlei Zwang antun lassen wollen. Sie wurden daher auch jetzt immer unruhiger, besonders seitdem wir, stets den Sioux nachsetzend, uns jenseits der Quelle des Minnesota River befanden. Am oberen Lauf dieses Flusses haben die Handelsleute eine Niederlassung, wohin die Sioux sich geflüchtet hatten. Als wir noch eine Tagesreise von diesem Ort entfernt waren, bemerkte ich, dass Zaudern und Furcht sich unserer gesamten Gruppe bemächtigt hatte. Die Häuptlinge wollten junge Krieger aussenden, um von der Lage und Stellung des Feindes sich zu unterrichten. Allein kein junger Krieger trat vor, um sich anzubieten.

So blieben wir eine Weile liegen und gingen weder vor- noch rückwärts. Diese Gelegenheit wurde benutzt, um denen aus der Not zu helfen, welchen es an Mokassins oder anderen notwendigen Erfordernissen mangelte. Jeder, dem es auf einem Kriegszug an Mokassins, Pulver und Kugeln fehlt, oder an irgendeiner anderen gleich unentbehrlichen Sache, nimmt eine Probe des Gegenstandes, der ihm ausgegangen ist, in die Hand. Will er Mokassins haben, dann zieht er nur einen an und lässt den anderen Fuß unbedeckt. So geht er im Lager umher und bleibt ein Paar Minuten bei dem stehen, welcher seiner Ansicht zufolge imstande ist, ihm aus der Verlegenheit zu helfen. Er braucht kein Wort zu sagen, denn insgemein teilen die, welche Vorrat haben, gern. Bekommt er aber nichts, so geht der Anführer von Mann zu Mann, und nimmt das, was jener braucht, denen ab, welche am reichlichsten damit versorgt sind. Bei solchen Gelegenheiten erscheint der Anführer in vollständigem Kriegerschmuck und hat zwei oder drei junge Krieger als Begleiter.

Nachdem wir zwei Tage unweit von der Niederlassung des Handelsmannes still gelegen hatten, kehrten wir endlich um, gaben aber unsere Absichten doch noch nicht völlig auf, sondern zogen uns in die Nähe des Hauptgebirges, in der Hoffnung, dort auf einige unserer Feinde zu stoßen. Wir hatten eine so große Anzahl von Pferden, und unsere jungen Krieger trieben sich so sorglos und geräuschvoll umher, dass wir gar nicht hoffen durften, ihnen nahe zu kommen. Deshalb hielten wir uns auch nicht lange mehr auf. Während unseres Rückzuges bemerkten wir, dass wir auf der Ebene von einer etwa hundert Mann starken Siouxschar verfolgt wurden.

Am Ufer des Gaunenoway, eines beträchtlichen Flusses, der im Hauptgebirge entspringt, und sich in den Red River ergießt, hatte Pe-schau-ba in einer mehrere Tagesreisen vom Lake Traverse entfernten Gegend, Streit mit einem Chippewa, namens Ma-me-no-guaw-sink, wegen eines Pferdes, das ich den Cree weggenommen hatte, welche Freunde des Chippewa waren. Jene hatten mir, wie gesagt, vor längerer Zeit mein Roß gestohlen. Der genannte Mann, welcher einmal einen Cree ums Leben gebracht hatte, suchte jetzt Gelegenheit, sich Freunde unter diesem Volk zu erwerben. Als ich eines Tages mit Pe-schau-ba unweit von der Hauptmasse unseres Zuges entfernt war, und das Pferd, dessen ich mich bemächtigt hatte, führte, kam Ma-me-no-guaw-sink mit einigen seiner Freunde heran und forderte die Herausgabe des Tieres. Pe-schau-ba aber schlug sein Gewehr an, hielt ihm den Lauf gegen die Brust und schüchterte ihn durch Tadel und Drohungen dermaßen ein, dass er von seinem Begehren Abstand nahm. Die Ottawa, es waren ihrer zehn, machten Halt, und stellten sich, den Pe-schau-ba an der Spitze in der Hinterhut auf, um jeden ferneren Streit dieses Pferdes wegen zu verhindern. Keiner von ihnen riet zur Wiederherausgabe des Pferdes.

Vier Männer, die zu unserem Zug gehörten, gingen in vier Tagen vom Hauptgebirge nach Pembina. Die Hauptmasse aber brauchte dazu zehn Tage, obschon wir größtenteils beritten waren. Einer von jenen vieren war ein alter Ottawa, Wau-gun-uk-kezze, oder der krumme Baum. Als ich bei Pembina ankam, wurde mir mitgeteilt, dass meine Familie zu der Mündung des Assiniboine abgereist sei. Unsere Gruppe hatte sich jetzt fast ganz zerstreuet, fast alle meine Freunde hatten mich bei Pembina verlassen, und mein Pferd war mir während der Nacht gestohlen worden. Ich wusste recht gut, wer es mir genommen hatte. Der Mann, welcher es getan hatte, lagerte unweit von mir, und deshalb machte ich mich früh am Morgen, gut bewaffnet, auf den Weg, um mein Pferd wieder wegzunehmen. Allein unterwegs traf ich Pe-schau-ba, der ohne mich gefragt zu haben, begriff, was ich wollte, und mir ausdrücklich verbot, einen Schritt weiter zu gehen.

Pe-schau-ba war recht gut und hatte auf die Gruppe einen großen Einfluss. Zwar hätte ich seinem Gebot nicht zu folgen gebraucht, ich wollte es aber tun und kehrte mit ihm um. Ich hatte keine Mokassins mehr und war über den Verlust meines Pferdes so betrübt, dass ich nichts essen konnte. Als ich zwei Tage nach meinem Aufbruch von Pembina bei den meinen, die ich ganz abgehungert fand, ankam, waren meine Beine aufgeschwollen und geschunden. Drei Monate hatte meine Abwesenheit gedauert, drei lange Monate voller Beschwerlichkeiten, und ohne irgendein Ergebnis.

Ich musste unverzüglich auf die Jagd gehen, und doch hatten meine Füße dermaßen gelitten, dass ich die peinlichsten Schmerzen duldete, wenn ich nur aufrecht stehen wollte. Glücklicherweise schoss ich bald, nachdem ich aus der Hütte gegangen war, ein Moosetier. Es war am Tag nach meiner Ankunft, und ein Paar Stunden nachher fiel zwei Fuß tief Schnee, sodass ich nun Wild in Menge erlegen konnte.