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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Teufel auf Reisen 11

Carl von Kessel
Der Teufel auf Reisen
Erster Band
Ein humoristisch-satirischer Roman aus dem Jahr 1870
Drittes Kapitel – Teil 9
Faust und Gretchen

Nun sank er selbst aber auf einen Stuhl und stöhnte tief auf.

»Entflohen, und mit einem solchen Menschen! … Wenn die Sache ruchbar wird! … Mein Ansehen, mein Ruf, meine Ehre! … Was soll ich armer unglücklicher Mann tun? Die sechstausend Gulden sind verloren, aber gern gebe ich noch sechstausend dazu, wenn sich die Sache ausgleichen lässt, ohne dass die Welt davon etwas erfährt!«

Wie wahnsinnig rannte er im Zimmer umher und zum ersten Mal fühlte er Gewissensbisse. »Die Pest über den Krauthuber. Wie konnte ich nur daran denken, an den alten widerlichen Kerl mein lebenslustiges Kind zu verschachern! … Oh, oh, es war eine schwere Sünde und jede Sünde straft sich hart! … Wo finde ich Trost, wo finde ich Beistand? Eine Mutter, die sich bei ihrer Überspanntheit nie um ihre Tochter kümmerte, deren Kopf nur mit Romantik angefüllt ist und welche darüber ihre Pflichten gegen Mann und Kind vergisst! …«

Wieder stürmte er durchs Zimmer und wieder seufzte er tief auf. Plötzlich blieb er stehen und richtete sich ermutigt in die Höhe, als wenn ihm ein rettender Gedanke gekommen wäre.

»Ich kenne nur eine Person, die mir in dieser schweren Stunde einen besonnenen Rat zu erteilen vermag«, murmelte er, »und das ist die Krickel. Die Krickel, mit ihrem klaren, nüchternen Verstand wird mir sagen, was ich tun soll. Die dort oben«, fuhr er mit einer abwehrenden Gebärde fort, »wird das Unglück noch früh genug erfahren, und wer weiß, wer weiß, ob sie dann nicht zur Genüge getan zu haben meint, wenn sie unter Händeringen die Augen verzweiflungsvoll verdreht und in Ohnmacht fällt.«

Er klingelte abermals. »Eile unverweilt zu Fräulein Krickel … (Anmerkung der Redaktion: Seiten 159 bis 160 fehlen im Original) … Bahnhof, als beide abfuhren, aber ich habe ihm den Mund mit zweihundert Gulden gestopft.«

»So hören Sie. Ihre Gemahlin auf das Ereignis vorzubereiten, übernehme ich. Klothilde muss plötzlich gefährlich erkrankt sein. Ihr Hausarzt, ein alter erfahrener ehrenwerter Herr, wird sich nicht weigern, dies zu bestätigen, ohne Sie gerade indiskret auszufragen oder darüber außerhalb Ihres Hauses zu sprechen.«

»Er ist zuverlässig. Seit zwanzig Jahren geht er hier aus und ein und von manchem Familiengeheimnis ist er Mitwisser.«

»Nun, und auf mich können Sie sich vollends verlassen. Oh«, fuhr die Krickel heuchlerisch fort, »warum war es mir gerade in dieser unglücklichen Stunde nicht vergönnt, meiner armen verblendeten Klothilde schützend zur Seite zu stehen!«

»Sie sind ein edles Wesen, lassen Sie mich nur nicht im Stich! Sie sollen mich dankbar finden.«

»So beschleunigen Sie Ihre Abreise. Ich werde inzwischen jeden den Zugang zu Klothildes Zimmer verwehren. Mir dem Arzt nehme ich Rücksprache, Ihre Gattin und ich müssen abwechselnd bei der schwer Erkrankten wachen.«

»Aber wo finde ich die Flüchtlinge in Bremen?«

»Sehen Sie die Fremdenbücher in den ersten Hotels nach, doch vermeiden Sie dabei jedes Aufsehen und auch die Rückreise müssen Sie so einrichten, dass Sie bei Nacht hier ankommen.«

Nach dieser Instruktion beeilte sich Pilz als moderner Odysseus seine Reise anzutreten. Bereits eine Stunde später befand er sich unterwegs.

Fräulein Therese hatte inzwischen die Dame des Hauses aus ihren dichterischen Träumen gerüttelt und ihr diesmal statt der Poesie die nackte Prosa unter die Augen gehalten. Die arme Frau schrie laut auf und in ihrem Schmerz klagte sie sich rücksichtslos als Schuldige an. »Mein armes verblendetes Kind«, rief sie, »wäre es sich weniger selbst überlassen gewesen, hätte ich mich mehr um dasselbe gekümmert, so würde es nimmermehr eine solche Torheit begangen haben! … Ach, diese Anklage lastet schwer auf meinem Gewissen … Wie soll ich vor den Menschen, wie soll ich vor Gott bestehen können! …«

»Vor den Menschen wird die Sache hoffentlich verborgen bleiben«, bemerkte Fräulein Therese, »und Gott können Sie dadurch am besten aussöhnen, wenn Sie die ästhetischen Unterhaltungen mit dem Baron von Schmalhans für immer abbrechen. Oh, wer begreift den Zauber der ersten Jugendliebe!«, fügte sie mit einer sentimentalen Augenverdrehung hinzu. »Ja, es gibt edle weibliche Herzen, welche dem Mann, dessen Bild sie still im Herzen tragen, selbst gewisse begangene Torheiten großmütig zu verzeihen bereit sind. Wäre ich reich, nein, hätte ich nur einige Tausend Gulden …«

»Sie sollen sie haben«, rief die verängstigte Mutter, »Sie sollen sie haben, nur schaffen Sie mir mein Kind wieder herbei.«

»Ei«, tröstete die Krickel, »Klothilde hat einen festen entschiedenen Charakter, und ich stehe Ihnen dafür, dass sie diesen Hasenfuß, den Biland, im Zaum halten wird.«

»Davon bin ich auch überzeugt, sie besaß ja stets Sinn für Ehre, aber deswegen begreife ich eben nicht, wie sie sich so weit vergessen konnte.«

»Nun hoffen wir das Beste. Begeben wir uns jetzt auf unseren Posten, um die schwer Erkrankte zu pflegen.«

Fräulein Krickel wusste alles so geschickt einzurichten, dass die Dienerschaft in Wahrheit an die fingierte Krankheit ihrer jungen Herrin glaubte. Als am anderen Morgen vollends der ins Geheimnis gezogene Arzt mit sehr bedenklichem Gesicht beim Weggehen nochmals dringend Eisumschläge anordnete und die genaue Einhaltung der von ihm gemachten Anordnungen empfahl, verschwand vollends jeder Zweifel, obgleich die Zofe allerdings bedenklich mit dem Kopf schüttelte, als sie für acht Tage zu der vor dem Tor gelegenen Villa geschickt wurde, um dort ein gründliches Reinemachen zu leiten.

Auch der alte Krauthuber erschien, und misstrauisch, wie er war, erkundigte er sich mit einem argwöhnischen Gesicht nach dem Befinden »seines Täubchens«. Er verlangte sogar zu der Kranken gelassen zu werden, indem er behauptete, dass er als halb erklärter Bräutigam ein Recht dazu habe. Fräulein Therese aber wusste den Zudringlichen durch die Bemerkung abzuweisen, dass Klothilde von einem ansteckenden Fieber befallen sei, was den edlen Krauthuber einen solchen Schrecken einflößte, dass er sich schleunigst empfahl. Dass er seinen Freund Pilz ebenfalls nicht zu sprechen bekam, weil der Schmerz diesen für jeden unzugänglich machte, erregte allerdings von Neuem sein Misstrauen. Allein was wollte er machen, der Arzt begegnete ihm auf der Treppe und dieser bestätigte alles, was er bereits gehört hatte.

Inzwischen war Pilz in Bremen angelangt. Unter dem Vorwand, dass er einen Freund suche, von dem er nicht wisse, wo er abgestiegen sei, betrat er einige der ersten Hotels und ließ sich die Fremdenbücher vorlegen.

»Wenn der Patron sich nur keinen falschen Namen zugelegt hat«, murmelte er, als er nach drei vergeblichen Versuchen, die Schwelle des vierten Hotels überschritt.

»Ich suche hier einen Bekannten«, sagte er zu dem ihm entgegentretenden Oberkellner, »logiert hier vielleicht ein Herr Biland?«

»Biland nebst Gemahlin, Rentier aus Frankfurt? Allerdings, mein Herr, Sie werden ihn auf Nr. 20 finden.«

»Der unverschämte Schlingel«, brummte unser Bekannter, »er untersteht sich sogar, meine Tochter als seine Gemahlin im Fremdenbuch aufzuführen.«

Indes war er bei Nr. 20 angelangt. Tief holte er Atem, denn Courage war eben nicht seine Sache und zu einer heftigen Szene würde es doch kommen, das sah er voraus. Noch einmal raffte er sich zusammen, dann legte er seine Hand auf die Türklinke und ohne anzuklopfen trat er ein.

Der liebenswürdige Biland saß eben beim zweiten Frühstück, das er sich schmecken ließ. Kaum gewahrte er den Vater Klothildes, als er aufsprang, diesem einen Schritt entgegeneilte und ganz unbefangen ausrief: »Da sind Sie ja! Na, das ist schön, ich habe Sie schon lange erwartet! Haben Sie meine Depesche erhalten?«

Pilz stand wie versteinert. Er hatte sich vorgenommen, auf den Verführer loszustürzen, ihn beim Kragen zu erfassen und ihm die Worte entgegen zu donnern: »Wie weit kamst du mit ihr? – Bekenne!« Und nun trat ihm Biland mit einer so frechen Unverschämtheit entgegen, als sei nicht das Geringste vorgefallen.

»Sie Taugenichts«, donnerte endlich der Geldmann und schwang seinen schweren Rohrstock, »jetzt ist das Maß Ihrer Sünden voll und Sie sollen den Ihnen gebührenden Lohn erhalten!«

»Echauffieren Sie sich nicht«, bemerkte der Börsenspekulant, lächelnd einen Revolver hervorziehend und zugleich zu der Tür springend und diese abschließend. »So! Nun können wir auf dem Fuß der Gleichheit verhandeln und das Geschäft in aller Gemütlichkeit in Ordnung bringen.«

»Jetzt wollen Sie wohl Ihren Untaten noch einen Mord hinzufügen?«, rief Pilz, ängstlich einen Schritt zurückweichend.

»Fällt mir gar nicht ein«, sagte Biland lachend, »trinken Sie ein Glas Chambertin mit, Papa Schwiegervater?«

»Der Teufel bin ich, aber nicht Ihr Schwiegervater!«, donnerte Pilz. »Wo ist meine Tochter?«

»Hier nebenan, aber alles wohl verschlossen, wie Sie sehen.«

»Sie haben das arme Kind in schändlicher Weise verlockt.«

»Das arme Kind ist ganz freiwillig mit mir gegangen«, entgegnete darauf lachend der andere.

»Ich werde Sie der Polizei überliefern!«

»Das wäre das Einfältigste, was Sie begehen könnten. Setzen Sie sich doch, Schwiegervater, die gnädige Frau wird sich gewiss sehr freuen, Sie zu sehen.«

»Die gnädige Frau? Ich will doch nicht hoffen …«

»Wo denken Sie hin! Haben Sie vielleicht selbst einmal jemand entführt, da Sie so gut Bescheid wissen?«

»Lassen Sie Ihre unzeitigen Späße und legen Sie den Revolver weg.«

»Das kann geschehen«, antwortete Biland, indem er die Waffe von sich schob, »denn eigentlich sind Sie ja mehr in meinen Händen als ich in den Ihren.«

»Wieso?«

»Nun, weil Ihnen doch wahrscheinlich sehr daran liegt, diese heimliche Reise, welche Ihre Fräulein Tochter ohne Ihre Erlaubnis unternommen hat, so wenig wie möglich bekannt werden zu lassen.«

Der arme Pilz sah, dass er einem völlig durchtriebenen Menschen gegenüberstand, der nicht das Geringste mehr zu verlieren hatte. Er spannte daher jetzt gelindere Saiten auf und sagte: »Öffnen Sie die Tür und lassen Sie mich meine Tochter sprechen.«

»Ich selbst werde Sie anmelden.« Er stand auf, trat an die Zwischentür, klopfte an diese und rief: »Mein gnädiges Fräulein, wenn es Ihnen gefällig wäre – Deren Herr Vater wünscht Ihnen seine Aufwartung zu machen.«

Alles blieb still der reiche Mann horchte ängstlich auf.

Plötzlich öffnete sich der vordere Eingang des Zimmers und Klothilde erschien auf der Schwelle. Pilz wollte die Miene des zürnenden Jupiters annehmen, aber sein Blick senkte sich unwillkürlich, als er in das bleiche Antlitz der jungen Dame blickte, die ihren Blick ernst, vorwurfsvoll auf ihn richtete.

»So weit hat es Ihre Grausamkeit gebracht«, sagte sie mehr wie eine Richterin, denn als eine Angeklagte, »dass Sie mich jetzt in dieser zweideutigen Lage sehen.«

Der Krösus versuchte aufzufahren, aber stolz winkte Klothilde mit der Hand.

»Wer fähig war, seine Tochter an ein altes hässliches Ungeheuer zu verschachern, wer aus Geldgier sein einziges Kind …« Zwei dicke Tränen rollten ihr über die Wangen.

»Aber ich bitte dich«, wandte Pilz ein, der sich bereits geschlagen fühlte.

»Blieb ich mir nicht stets selbst überlassen«, fuhr das junge Mädchen vorwurfsvoll fort, »gabst du oder die Mutter sich jemals Mühe meine Erziehung zu leiten? … Du meintest genug getan zu haben, wenn du mich mit äußerem Glanz umgabst und alle meine Wünsche erfülltest! …«

»So dankst du meiner Liebe?«

»Oh, mein Vater, als Sie diese Liebe wirklich gegen mich zeigen sollten, verleugneten Sie dieselbe. Bisher war ich ein Werkzeug Ihrer Eitelkeit gewesen, jetzt sollte ich auch ein Werkzeug Ihres Willens werden. Kapital wollten Sie auf Kapital häufen und mich glaubten Sie dabei ohne Weiteres benutzen zu können. Wundern Sie sich nun noch, dass ich entfloh, um mich so unwürdigen Fesseln zu entziehen? Wer stand mir bei, wenn ich nicht selbst den Mut hatte, mir zu helfen!«

»Also du bist wirklich hier mit diesem Menschen entflohen?«

»Ich habe mich unter seinen Schutz gestellt«

»Ein schöner Schutz! Er ist seinen Gläubigern durchgebrannt, und noch vorhin hat er mir die Pistole auf die Brust gesetzt.«

»Sie war nicht geladen, Papa«, rief Biland. »Übrigens sein Sie vernünftig, breiten Sie Ihre Arme aus und segnen Sie den Bund unserer Herzen.«

Klothilde trat dazwischen. »Davon ist nicht die Rede«, sagte sie, »es gibt noch ein anderes Mittel, eine Ausgleichung herbeizuführen.«

»So nenne es, du Unbesonnene.«

»Zunächst darf von einer Verbindung zwischen mir und Krauthuber nie mehr die Rede sein.«

Pilz krümmte sich. »Ich müsste ihm dann sechstausend Gulden Reugeld zahlen.«

»Nun, so geben Sie mich auf, erklären Sie öffentlich, dass Sie sich von Ihrer Tochter lossagen, die Ihnen durchgegangen sei, tragen Sie diese Schande mit der Ruhe eines Philosophen und trösten Sie sich dafür mit dem Bewusstsein, sechstausend Gulden gerettet zu haben.«

»Genug«, rief der Rentier, »genug, von Krauthuber soll also nie mehr die Rede sein!«

»Dann bedinge ich mir aus, dass wegen dieser Reise nie ein Vorwurf über Ihre Lippen kommt. Sie kennen mich und wissen, dass ich Energie genug besitze, meine Ehre zu wahren, also ist auch in diesem Fall kein Grund vorhanden, daran zu zweifeln.«

Der schwache Vater, welcher bisher immer gewohnt gewesen war, sich dem Willen seiner Tochter zu fügen, gestand auch diese Bedingung zu.

»Schließlich«, sagte diese, indem sie auf Biland einen Blick der Geringschätzung warf, »werden Sie sich mit diesem Herrn wegen des Lohnes, den er für die mir geleisteten Dienste fordert, zu einigen haben.«

»Was?«, rief Pilz, »dafür, dass dich dieser leichtfertige Mensch entführte, soll ich ihn auch noch bezahlen?«

»Er entführte mich nicht«, erwiderte Klothilde mit einem zweiten Blick der Verachtung, »er begleitete mich nur.«

»Aber er hat sich im Fremdenbuch als »Biland nebst Frau« eingeschrieben.«

»Das ist eine Unverschämtheit, die ohne mein Wissen hinter meinem Rücken geschah.«

»Durchaus nicht unverschämt«, bemerkte der Börsenspekulant, »nur Vorsicht, um dem Geschäft einen besseren Nachdruck zu geben.«

»Nun, was verlangen Sie denn für Ihre … für Ihre Bedienstetendienste?«, fragte Pilz mit einem sauren Gesicht.

»Bedienstetendienste? Drücken Sie sich höflicher aus, Sie alter Grobschmied. Hier dieses junge Dämchen, so stolz es auch den Kopf in den Nacken wirft, ließ sich von mir entführen. Ein Wort von mir und ihr Ruf ist für immer vernichtet!«

»Na, na«, bemerkte der Vater ängstlich, »es war nicht so schlimm gemeint … wie komme ich mit Ihnen auseinander?«

»Großmütig verzichte ich auf die Hand Ihrer Tochter«, sagte Biland prahlerisch, »ich bin nicht der Mann, welcher sich einer Dame aufdrängt. Dagegen werde ich mir erlauben, einen kleinen Aderlass mit Ihnen vorzunehmen.«

»Lassen Sie diese unpassenden Späße und sagen Sie Ihre Bedingungen.«

»Gut.« Biland zog ein bereits ausgefülltes Wechselformular hervor, »wollen Sie die Gewogenheit haben, Ihren Akzept hier herunterzusetzen.«

»Was? Viertausend Gulden? Herr, glauben Sie, dass ich meinen Verstand zu Hause gelassen habe!« Der Rentier fuhr von seinem Sitz in die Höhe.

»Nicht ein Kreuzer geht davon ab«, sagte Biland ruhig, »ich bestehe wie Shylock auf meinem Schein.«

»Und ich lache Ihnen geradezu ins Gesicht.«

»Das Lachen wird Ihnen schon vergehen. Noch hat es mit meiner Abreise keine solche Eile. Ich kehre mit Ihnen zurück und morgen weiß die ganze Stadt, dass Fräulein Pilz mit dem kleinen Biland durchgegangen ist.«

»Vater«, sagte Klothilde, sich stolz emporrichtend, »Du besitzt eine halbe Million, willst du wegen viertausend Gulden die Ehre deines Hauses preisgeben?«

»Sechstausend und viertausend macht zehntausend … Ich bin für immer ruiniert«, rief der Geldmann.

»Wie Sie wollen«, sagte der Börsenspekulant ruhig, »es bleibt also dabei, wir reisen zusammen wieder zurück.«

»Nehmen Sie fünfhundert.«

Biland lachte höhnisch.

»Tausend.«

»Machen Sie ein Ende, mein Vater«, rief seine Tochter, »oder Sie treiben mich zum letzten Schritt der Verzweiflung. Dieser Herr verlässt Europa für immer, er geht nach Amerika … er wird nie mehr zurückkehren.«

Der feste Gesichtsausdruck Klothildes, welcher einen Entschluss ankündigte, der das Schlimmste fürchten ließ, jagte dem reichen Mann doch Furcht ein. Stöhnend ergriff er die Feder, setzte seine Unterschrift auf den Wechsel und sank dann erschöpft in die Lehne eines Stuhles.

»Ich bin ruiniert«, jammerte er, »total ruiniert! Sechstaufend und viertausend macht zehntausend!«

Klothilde trommelte an den Fensterscheiben, kalt blickte sie auf die Straße herab.

Biland aber ergriff seinen Hut, trat zu Pilz heran und sagte spöttisch: »Leben Sie wohl und halten Sie mich in freundschaftlicher Erinnerung, so wie auch ich Ihrer liebevoll gedenken werde!«

»Hol’ Sie der Kuckuck!«, rief der Rentier, plötzlich aus seiner Lethargie auffahrend und dem Davoneilenden drohend eine Faust machend.

Noch immer stand Klothilde stumm ihrem Vater gegenüber.

»Nun«, rief dieser ingrimmig, »bist du nun zufrieden, dass du mich zum Bettler gemacht hast?«

Diese zuckte geringschätzend mit den Achseln. »Etwas mehr Stolz hätte ich Ihnen doch zugetraut.«

»Stolz? Der Schlingel hat mich gehörig angezapft, das verdanke ich Dir!«

»Mein Vater«, bemerkte die Tochter entschlossen, »jetzt entscheiden Sie sich. Entweder Sie vergeben und vergessen vollständig oder Sie verlieren neben den viertausend Gulden auch noch Ihr Kind. Sie haben meine Willenskraft so oft bewundert, wollen Sie diese jetzt kennenlernen?«

Es lag etwas so Drohendes in den Blicken und Worten der jungen Dame, dass der geizige, selbstsüchtige Mann von Furcht ergriffen wurde.

»Na«, brummte er, »ich werde mich für mein Geld doch noch aussprechen dürfen.«

»Sie verzeihen also von Herzen?«

»Was kann ich anderes tun, du bist ja mein einziges Kind!«

Daraufhin stürzte das junge Mädchen an die Brust ihres Vaters und schluchzte laut auf. »Dank, Dank, für dieses Wort, ich werde es Ihnen künftig durch verdoppelte Liebe zu vergelten suchen! Ich spreche mich gewiss nicht von Schuld frei, aber der Krauthuber … oh sehen Sie der Krauthuber! … Eher hätte ich mich ins Wasser gestürzt, als diesem meine Hand gereicht!«