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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die sechs schlafenden Jungfrauen 6

Die sechs schlafenden Jungfrauen oder: Der schreckliche Zweikampf
Eine furchtbare Ritter- und Geistergeschichte von Wilhelm Bauberger erzählt
Kapitel sechs

Das Turnier

Als Ritter Alfred auf solche Art seine Feinde losgeworden und der Friede in seine Gauen zurückgekehrt war, zog ihn oft sein Herz nach der trauten Stelle, wo er Adelgunde, Ritter Urachs Tochter, zuerst erblickt hatte. Und er fand sich nie vergebens ein, denn seiner Liebe war die innigste Erwiderung geworden. Im stillen Waldesgrund, wo nur das Reh sie belauschte und liebliche Blumen sie umdufteten, hatten ihre Herzen sich einander erschlossen und den Bund ewiger Liebe und Treue beschworen.

In diesem seligen Traumleben störte ihn die Erscheinung des Ritters Unko von Waldstein, welcher ihn eines späten Abends mit schmerzlichem Flehen an sein gegebenes Wort erinnerte. »Nein, Geist Unkos von Waldstein, du hast dich nicht in mir getäuscht«, rief der Jüngling feurig. »Binnen eines Monats will ich die Reise antreten, wenn du mir die schlafenden Jungfrauen gezeigt hast!«

Mittlerweile hatte der Graf von Sondershausen ein großartiges Turnier angeordnet und auch den edlen und tapferen Ritter Alfred von Steinkopf hierzu eingeladen. Von zwölf Knappen begleitet traf dieser im Schloss des Grafen am letzten Abend vor dem Turnier ein, wo er herzlich willkommen geheißen und ihm ein kostbares Zimmer angewiesen wurde. Von der Reise ermüdet schlief er bald ein, doch der Jubel froher Zecher weckte ihn bald wieder auf. Er sprang vom weichen Lager empor, öffnete ein Fenster und starrte zum hell erleuchteten Rittersaal, wo ausgelassene Fröhlichkeit herrschte. In seiner Seele aber herrschte wehmutsvolles Sehnen. Er gedachte der fernen Geliebten, von welcher er schon ein paar Wochen getrennt war, indem sie mit ihrem Vater eine Reise angetreten hatte. Wohin? Wusste er nicht. Erst spät suchte er wieder sein Lager auf und erwachte nicht eher, bis die Trompeten aus der Warte des Schlosses schmetterten.

In bunter Reihe wogten bereits Ritter und Knappen im Schlosshof umher. Schnell ließ sich Alfred wappnen und eilte dann auch dahin, wo er einige Bekannte antraf. Als das Glöcklein der Kapelle ertönte, ordneten sich Grafen und Ritter mit ihrem Gefolge nach der Vorschrift des Schlossvogtes für den Zug zum Turnierplatz. Voran ritten die Musikanten, dann folgten diejenigen Knappen, welche das Panier ihres Herrn trugen. Hierauf folgten auf schneeweißen Rossen zwei ehrwürdige Kampfrichter. Sie waren ganz weiß gekleidet. Hohe weiße Mützen, lange Bärte und ein langer Stab, halb weiß, halb schwarz, den jeder trug, gaben ihnen das Ansehen höherer Wesen. Hierauf kamen vier Grieswärtel oder Wappenbeschauer. Sie trugen rote Harnische und rote Helme mit weißen Federn. In der rechten Hand trug jeder einen langen Stab, an dem lieblich tönende Glöcklein befestigt waren. Ihnen folgte auf weißem Ross ein Knabe. Er war ganz grün gekleidet und trug vor sich die zwei Preise für den besten Kämpfer, nämlich ein Paar goldener Sporen und einen silbernen Helm mit drei Federn von verschiedener Farbe als blau, rot und grün, gleichsam ein Symbol der hoffnungsvollen treuen Liebe. Danach kam der Graf von Sondershausen in Begleitung seiner zahlreichen Vasallen und dann die Grafen und Ritter mit ihren Knappen. Es gewährte wirklich einen herrlichen Anblick, als sich die Morgensonne in den glänzenden Rüstungen spiegelte.

Unter dem Jauchzen des Volkes hielt endlich der Zug vor den Schranken des Turnierplatzes, wo jeder Ritter sein Schild an den Grieswärtel abgeben musste, welches sogleich aufgehangen wurde. Nachdem sie alle richtig befunden wurden, öffnete der Schließer die Schranken, wo ein Ritter nach dem anderen mit seinem Gefolge den Turnierplatz umritt. Die zwei Damen, welche die Preise austeilten, saßen unter seidenen Baldachinen und waren köstlich gekleidet. Alfred, dessen schöne Gestalt allgemeine Bewunderung erregte, blickte bei seinem Umritt in die Höhe nach den ihm unbekannten Damen und neigte tief die Lanze zum Zeichen des Grußes. Wer malte aber sein freudiges Erstaunen, als er in der einen Dame seine Adelgunde zu erblicken glaubte? Und doch glaubte er nachher wieder, er habe sich getäuscht.

Als die üblichen Vorbereitungen zum Zweikampf vorüber waren, wurde das Zeichen zum Angriff gegeben, und wie Löwen auf ihre Beute stürzten alsbald die Kämpfer mit den Lanzen gegeneinander. Unter ihnen war ein besonders riesiger Däne auf seinem starken großen Hengst, welcher alle Gegner entweder bügellos machte oder in den Sand streckte. Da sprengte Alfred von Steinkopf auf wildem Ross auf den Kampfplatz. Einem wilden Orkan gleich stürmte der deutsche Jüngling gegen den Dänen. Die starken Lanzen zersplitterten, ohne dass einer wankte. Neue Lanzen wurden gereicht, und freundlich lächelnd sahen die Damen auf den schönen Jüngling. Da erkannte Alfred die Teuerste seines Herzens. Sein Auge schaute zu der Herrlichen empor, die ihm zitternd eine blaue Busenschleife herabwarf. Mit einem Blicke dankend befestigte er sie an seinem Helm. Die Lanzen wurden eingelegt, mit aller Kraft rannten sie gegeneinander und der Däne hing bügellos auf dem Ross. Ein allgemeines Jauchzen ertönte und Beifallklatschen erschallte. Ziemlich gelassen stieg der Däne vom Ross und zog sein gewichtiges Schwert. Auch Alfred tat dies, doch kündigten in demselben Moment die Kampfrichter das Ende des Turniers an.

Der Däne reichte Alfred die Hand, indem er sprach: »Ihr seid ein wackerer Kämpfer, deutscher Rittersmann!«

»Ihr aber noch weit wackerer«, entgegnete Alfred.

Die Trompeten schmetterten wieder und in bunter Reihe zogen die Ritter zum Schloss zurück.

Den Tag beschloss ein großes Bankett, welches beinahe dem Ritter Alfred von Steinkopf und Adelgunde das süße Verständnis ihrer Herzen gekostet hätte. Denn der übermütige Sohn des Grafen von Sondershausen bewarb sich sichtlich um das Fräulein von Heckeburg, sowie Elfriede, des jungen Grafen Schwester, eine üppige Buhlerin, mit Aufgebot aller ihrer Reize dem schönen Ritter Alfred Schlingen zu legen bemüht war. Sie lud am zweiten Morgen vor dem Turnier den Ritter zu sich ein, welcher der Höflichkeit gemäß sich zu ihrem Zimmer begab. Dort umwickelte sie mit einem großen rosenfarbenen Band fast den ganzen Helm des Ritters, sodass Adelgundes Busenschleife kaum mehr zu sehen war. Alfred konnte so unlieb es ihm war, Elfriedes Farbe zu tragen, nichts dagegen sagen.

Elfriede hatte sich besonders kostbar und üppig gekleidet. Sie wollte den Ritter um jeden Preis fesseln. Er war im Begriff, sich zu entfernen. Elfriede bat ihn mit feurigen Blicken so herzlich zu bleiben, und wurde so zärtlich ihm gegenüber, dass er sich vergessend seinen Arm um ihren vollen Nacken schlang und einen langen brennenden Kuss auf ihre Lippen drückte. In selbem Augenblick flog die Tür auf und Adelgunde von Heckeburg trat gleich einem Engel herein. Bei dem Anblick dieser Szene erstarrte sie fast zur Salzsäule. Der unendliche Schmerz in ihrer Brust verschlug ihr die Sprache. Alfred, um seine Verlegenheit zu verbergen, sprang auf, drückte den Helm tief in den Kopf und stürzte fort.

Es schien beim Turnier dieses Tages, dass die innere Aufregung Alfreds Körperkraft gesteigert habe, so wütend drang er auf die Gegner ein, so entschieden brachte er alle zu Fall. Elfriede überschüttete ihn mit Bändern und Schleifen, von Adelgunde bekam er keine Schleife, keinen Blick. Zu tief war sie von seiner vermeintlichen Untreue darniedergebeugt. In kurzer Zeit hatte Alfred zwanzig Ritter in den Sand geworfen und noch mehrere, darunter auch Adelgundes Vater Urach von Heckeburg, der unserem Ritter den Triumph nicht gönnte, bügellos gemacht. Einstimmig erkannte man am Ende des Turniers Alfred den ersten Preis und dem Dänen den zweiten zu. So kam es, dass Alfred aus Elfriedes Händen den silbernen Helm und der Sitte gemäß von ihren Lippen den Minnekuss erhielt, der Däne aber – was jenen am meisten schmerzte – den Preis aus Adelgundes Hand und von ihrem Purpurmunde den Kuss empfing.

Abends nach aufgehobener Festtafel tanzte Alfred wie üblich zuerst mit Elfriede, der Dankausspenderin. Ihm folgte der Däne mit Adelgunde und dann die übrigen Ritter. Um jeden Preis suchte Alfred mit seiner Geliebten sprechen zu können, um sie zu beruhigen. Da erschien mit weinrotem Gesicht der wilde Sohn des Grafen von Sondershausen, fasste Adelgunde gar unsanft an und raste mit ihr tanzend durch den Saal, bis sie fast atemlos niedersank. Dann nahm er sie in übermütiger Frechheit auf die Arme und tanzte so, ziemlich zur allgemeinen Belustigung, mit ihr herum. Dieser ungeziemende Scherz empörte Alfred, er gebot dem Wildfang das Fräulein in Ruhe zu lassen. Jener zog in der Hitze des Weines sein Schwert, und schon wollte auch Alfred dies tun. Allein man drängte ihn zurück und suchte den wütenden Grafen zu besänftigen.

Diese Szene hatte den Erfolg, dass Adelgunde noch am selben Abend aus Alfreds Mund die Versicherungen seiner innigsten Liebe und Treue vernahm, nachdem der alte Graf von Sondershausen auf die Mitteilung von dem fabelhaften Benehmen seines Sohnes diesen für den Abend aus dem Kreis der Ritter verwiesen hatte. Leider war dieses Vorkommnis aber auch für den über Alfreds Teilnahme an der Angelegenheit mit dem jungen Grafen höchst aufgebrachten Urach eine hinreichende Veranlassung, des anderen Tages in frühester Stunde mit Adelgunde und den Knappen abzureisen.

Sofort war auch Ritter Alfred von Steinkopf nur mehr wenige Stunden der Gast des Grafen von Sondershausen, und Elfriede bot vergebens alle ihre Freundlichkeit auf, ihn länger festzuhalten. Beim Abschied überreichte sie ihm ihre Halskette zum Andenken und beteuerte ihm ihre heiße Liebe. Als er auf seinem mutigen Ross von der Höhe der Burg herabritt, blickte er sich noch einmal um, und sah Elfriede auf der Warte, die ihm mit ihrem Tränentüchlein ein Lebewohl zuwinkte. Auch er neigte sich, murmelte so etwas wie Buhldirne und sprengte dann rasch der Heimat zu.