Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Die Trapper in Arkansas – Band 2.4

Die-Trapper-in-Arkansas-Band-2Gustave Aimard (Olivier Gloux)
Die Trapper in Arkansas Band 2
Erster Teil – Treuherz

Kapitel 13 – Die Bienenjagd

Die Sonne war kaum am Himmel erschienen, als der General, dessen Pferd gesattelt dastand, aus der von Rohr erbauten Hütte trat, die ihm als Schlafgemach diente, und sich anschickte, fortzureiten. In dem Augenblick, als er den Fuß in den Steigbügel setzte, hob eine kleine Hand den Vorhang des Zeltes auf, und Donna Luz erschien.

»Ei! Ei! Schon aufgestanden?«, sagte der General lächelnd, »desto besser, liebes Kind, so kann ich dich küssen, ehe ich mich auf den Weg mache. Das wird mir vielleicht Glück bringen«, fügte er, einen Seufzer erstickend, hinzu.

»Du wirst nicht so davonreiten, lieber Onkel«, antwortete sie und bot ihm ihre Stirn, auf welche er einen Kuss drückte.

»Warum das, Señorita?«, fragte er heiter.

»Weil ich etwas für dich bereitet habe und will, dass du es genießt, ehe du aufsitzt. Du wirst es mir nicht abschlagen, nicht wahr, mein guter Onkel?«, sagte sie mit dem einschmeichelnden Lächeln, welches verzogenen Kindern eigen ist und das Herz der Greise erfreut.

»Gewiss nicht, liebes Kind, aber unter der Bedingung, dass das Frühstück, welches du mir so freundlich anbietest, nicht auf sich warten lässt, denn ich bin in Eile.«

»Ich bitte dich nur um wenige Minuten«, antwortete sie und kehrte in das Zelt zurück.

»Sei es um wenige Minuten«, sagte er, ihr folgend.

Das junge Mädchen klatschte vergnügt in die Hände. Das Frühstück stand im Augenblick bereit, und der General setzte sich mit seiner Nichte zu Tisch.

Das junge Mädchen bediente ihren Onkel und trug die größte Sorge, dass es ihm an nichts mangelte. Hierbei sah sie ihn zuweilen verlegen von der Seite an, und zwar auf so auffallende Weise, dass es der alte Soldat bemerkte.

»Heraus damit«, sagte er innehaltend. »Du hast eine Bitte an mich, Lucita. Du weißt ja, dass ich dir nie etwas abschlage.«

»Das ist wahr, Onkel. Aber dieses Mal fürchte ich, wird es schwer sein, dich dazu zu bewegen.«

»Ach was!, sagte der General vergnügt, »es ist wohl etwas recht Wichtiges?«

»Im Gegenteil, Onkel. Aber ich gestehe doch, dass ich fürchte, Du könntest es mir abschlagen.«

»Rede nur immer, mein Kind«, antwortete der alte Soldat, »sprich ohne Furcht. Wenn du mir gesagt haben wirst, um was es sich handelt, werde ich dir antworten.«

»Nun wohl, Onkel«, sagte das junge Mädchen errötend, indem es sich ein Herz fasste, »ich muss dir gestehen, dass der Aufenthalt im Lager nicht besonders angenehm ist.«

»Das begreife ich sehr gut, mein Kind, was kann ich aber dagegen tun?«

»Alles!«

»Wieso?«

»Ja, siehst du, Onkel, wenn du da wärst, so hätte es nichts zu sagen, dann hätte ich dich bei mir.«

»Was du mir da sagst, ist sehr freundlich. Aber du weißt, dass, da ich jeden Morgen wegreite, ich nicht im Lager bleiben kann.«

»Ja, das ist es eben.«

»Allerdings!«

»Aber, wenn du nur wolltest, so wäre das leicht zu beseitigen.«

»Glaubst du?«

»Ich bin davon überzeugt.«

»Ich sehe nicht recht ein, auf welche Weife. Ich müsste dann bei dir bleiben, und das ist unmöglich.«

»Oh! Es gibt ein anderes Mittel, welches alles ausgleicht.«

»Wirklich!«

»Ja, lieber Onkel, und ein recht Einfaches noch dazu.«

»So! So! Und was ist das für ein Mittel, mein Herz?«

»Nicht wahr, du wirst mich nicht ausschelten, lieber Onkel?«

»Närrchen! Als ob ich dich jemals ausgescholten hätte!«

»Das ist wahr! Du bist so gut.«

»So rede denn, kleine Schmeichelkatze.«

»Also, lieber Onkel, das Mittel …«

»Nun, das Mittel?«

»Ist, dass du mich jeden Morgen mit dir nimmst.«

»Oh! Oh!«, sagte der General und zog die Brauen zusammen, »was verlangst du da, liebes Kind!«

»Nun, etwas sehr Natürliches, lieber Onkel, wie es mir scheint.«

Der General antwortete nicht, er sann nach. Das junge Mädchen beobachtete auf seinem Gesicht ängstlich die flüchtige Spur seiner Gedanken.

Nach einiger Zeit hob er den Kopf.

»Es wird am Ende das Beste sein«, murmelte er. Danach heftete er einen durchdringenden Blick auf das junge Mädchen und sagte: »Es würde dir also wohl viel Vergnügen machen, mich zu begleiten?«

»Ja, Onkel«, antwortete sie.

»So mache dich fertig, liebes Kind. Von nun an wirst du mich auf meinen Streifen begleiten.«

Das junge Mädchen sprang auf, umarmte ihren Onkel mit Wärme und gab Befehl, ihr Pferd zu satteln. Eine Viertelstunde später verließen Donna Luz und ihr Onkel mit zwei Lanzeros, unter der Führung Schwätzers, das Lager und die Gesellschaft ritt in den Wald hinein.

»Welche Richtung wollt Ihr heute einschlagen, General?«, fragte der Führer.

»Führt mich zu den Hütten der Trapper, von denen Ihr gestern spracht.«

Der Führer verneigte sich zum Zeichen des Gehorsams. Die kleine Truppe drang langsam und mit Mühe auf einem kaum gebahnten Pfad vorwärts. Die Pferde verwickelten sich bei jedem Schritt in die Lianen oder stolperten über Baumwurzeln, die aus der Erde hervorragten.

Donna Luz war glücklich. Vielleicht konnte sie auf diesen Streifzügen Treuherz begegnen.

Schwätzer, der einige Schritte voranging, stieß plötzlich einen Schrei aus.

»Nun«, sagte der General, »Meister Schwätzer, was ficht Euch an, dass Ihr Euch entschließt, den Mund aufzumachen?«

»Bienen sind hier, Euer Gnaden.«

»Wieso Bienen! Gibt es denn Bienen hier?«

»Ja, erst seit Kurzem.«

»Was, seit Kurzem?«

»Ja. Ihr wisst, dass die Weißen die Bienen nach Amerika gebracht haben.«

»Das ist wahr. Wie geht es denn aber zu, dass man hier Bienen findet?«

»Ganz einfach: Die Bienen sind die Vorposten der Weißen. Je mehr die Weißen allmählich in das Innere vordringen, ziehen die Bienen voraus, um ihnen den Weg zu zeigen und ihnen die Stellen für ihre Ansiedlungen anzudeuten. Ihr Erscheinen in einer unbewohnten Gegend verkündigt immer die Ankunft einer Kolonie von Squatter.«

»Das ist merkwürdig«, murmelte der General, »und wisst Ihr das, was Ihr mir da sagt, gewiss?«

»Ja, ganz gewiss, Señor, es ist eine Tatsache, die alle Indianer kennen, und dass die sich nicht irren, könnt Ihr versichert sein, denn sobald sie die Bienen kommen sahen, ziehen sie sich zurück.«

»Das ist in der Tat sehr merkwürdig.«

»Dieser Honig muss gewiss sehr gut sein«, sagte Donna Luz.

»Ausgezeichnet, Señorita, und wenn Sie es wünschen, ist nichts leichter, als ihn zu erlangen.«

»So tut es«, sagte der General.

Der Führer, der seit einiger Zeit eine Lockspeise für die Bienen auf das Gebüsch gelegt hatte, in welchem sein scharfes Auge deren einige hatte herumfliegen sehen, gab denen, die ihm folgten, ein Zeichen, ruhig stehen zu bleiben.

Die Bienen hatten sich auch wirklich über die Lockspeise hergemacht und beuteten sie gründlich aus. Als sie genug Vorrat eingesammelt hatten, stiegen sie sehr hoch in die Luft, dann flogen sie in gerader Richtung mit der Schnelligkeit einer Kugel davon.

Der Führer beobachtete genau die Richtung, die sie einschlugen, gab dem General ein Zeichen und er folgte in Gesellschaft der ganzen Gruppe ihrer Spur, indem er sich zwischen dem Gestrüpp, den ineinander geschlungenen Wurzeln und umgestürzten Bäumen einen Weg bahnte, wobei er immer die Augen gen Himmel gerichtet hielt.

Auf diese Weise verloren sie die beladenen Bienen nicht aus den Augen und sahen sie, nachdem sie ihnen eine Stunde lang gefolgt waren, in ihrem Stock ankamen, der sich im hohlen Stamm eines abgestorbenen Ebenholzbaumes befand. Sie drangen, nachdem sie eine Weile gesummt hatten, durch ein Loch, das sich mehr als achtzig Fuß über dem Boden befand, hinein.

Nun begann der Führer, nachdem er seine Begleiter angewiesen hatte, sich in ehrerbietiger Entfernung zu halten, um vor dem Sturz des fallenden Baumes und der Rache seiner Bewohner gesichert zu sein, den Fuß des Stammes mit kräftigen Axthieben anzugreifen.

Die Bienen schienen über die Beilhiebe keineswegs erschrocken zu sein. Sie fuhren fort aus- und einzuschwärmen und sich ihrem Fleiß zu überlassen. Ein heftiges Krachen, welches das Abbrechen des Stammes verkündete, konnte nicht einmal ihre Geschäftigkeit unterbrechen.

Endlich stürzte der Baum mit fürchterlichem Krach um und spaltete sich seiner ganzen Länge nach, wodurch die angehäuften Schätze der Gemeinde zutage kamen.

Der Führer fasste augenblicklich nach einem Bündel Heu, welches er in Bereitschaft gehalten hatte, und brannte es an, um sich vor den Bienen zu schützen.

Aber sie griffen niemanden an. Sie versuchten nicht, sich zu rächen. Die armen Tiere waren verblüfft, sie liefen und siegen nach allen Richtungen, um ihr zerstörtes Reich herum, ohne an etwas anderes zu denken, als zu versuchen, sich die Katastrophe zu erklären.

Nun machten sich der Führer und die Lanzeros ans Werk und holten mit Löffeln und Macheten den Honig heraus, um ihn in Schläuche zu füllen.

Ein Teil desselben war dunkelbraun und alt, ein anderer schön weiß, und der Zellenhonig war beinahe flüssig.

Während man sich beeilte, den besten Honig auszubeuten, kamen aus allen Himmelsgegenden Schwärme von Bienen herbei, die sich über die zerstörten Zellen hermachten und sich beluden, indessen die früheren Besitzer des Stockes stumm und entsetzt der Plünderung zusahen und nicht den geringsten Teil ihres Honigs zu retten suchten. Die Bestürzung der Bienen, die während der Katastrophe abwesend waren und allmählich mit ihrer Beute heimkehrten, ist nicht zu beschreiben. Sie beschrieben in der Luft Kreise, um die Stelle, wo der Stamm gestanden hatte, und wunderten sich, sie leer zu finden. Endlich schienen sie ihr Unglück zu begreifen und versammelten sich in Gesellschaften auf dem verdorrten Ast eines benachbarten Baumes, von wo aus sie den umgestürzten Stamm zu betrachten und die Zerstörung ihres Reiches zu betrauern schienen.

Donna Luz wurde unwillkürlich von dem Kummer der armen Insekten gerührt.

»Jetzt bereue ich, dass ich gewünscht habe, Honig zu essen, meine Gelüste haben zu viele unglücklich gemacht.«

»Vorwärts, wir wollen ihnen den kleinen Rest lassen«, sagte der General lächelnd.

»Oh! Den wird das Gezücht bald aufgezehrt haben«, sagte der Führer achselzuckend.

»Was für Gezücht? Von welchem Gezücht redet Ihr?«, fragte der General.

»Oh, Waschbären, Opossums und besonders die Bären.«

»Die Bären?«, fragte Donna Luz.

»Ja! Señorita, das ist das geschickteste Gezücht von der Welt, um einen Baum mit Honig zu entdecken und ihn auszubeuten.«

»So lieben sie wohl den Honig?«, fragte das junge Mädchen neugierig.

»Sie sind ganz wie toll darauf, Señorita«, erwiderte der Führer, der aufzutauen schien, »stellen Sie sich vor, dass sie naschhaft sind, dass sie einen Baum wochenlang benagen, bis es ihnen gelingt, ein Loch zu machen, das groß genug ist, um ihre Tatzen hineinzustecken, worauf sie den Honig samt den Bienen davontragen, ohne sich die Mühe zu machen, beides voneinander zu trennen.

»Nun wollen wir unseren Ritt fortsetzen und zu den Trappern gehen.«

»Bei denen werden wir bald sein, Euer Gnaden«, antwortete der Führer, »dort, wenige Schritte von uns entfernt, fließt der Canadian. Die Trapper haben sich an seinen Ufern niedergelassen.«

Die kleine Gesellschaft machte sich wieder auf den Weg.

Die Bienenjagd hatte dem jungen Mädchen unbewusst ein Gefühl von Traurigkeit hinterlassen, das sie nicht überwinden konnte. Die armen kleinen, sanften, fleißigen Tierchen, die um einer Laune willen zugrunde gerichtet worden waren, taten ihr leid und machten sie, ohne dass sie sich dessen bewusst war, nachdenklich.

Ihr Onkel bemerkte ihre Verstimmung.

»Was ist mit dir vorgegangen, liebes Kind«, sagte er zu ihr. »Du bist nicht mehr so heiter wie bei unserem Aufbruch. Woher kommt diese plötzliche Veränderung?«

»Lieber Onkel, bekümmere dich nicht deshalb. Ich bin wie alle jungen Mädchen ein wenig töricht und fantastisch. Die Jagd, von der ich mir so viel Vergnügen versprach, hat mir ein Gefühl der Traurigkeit hinterlassen, das ich nicht los werden kann.«

»Glückliches Kind«, murmelte der General, »das sich noch über eine so geringfügige Sache grämen kann. Gebe Gott, mein Herz, dass du noch lange so bleiben mögest, und dass dich nicht größere und tiefere Schmerzen treffen.«

»Bei dir, mein lieber Onkel, werde ich ja immer glücklich sein!«

»Wer weiß, liebes Kind, ob mir der Himmel noch lange vergönnen wird, über dich zu wachen.«

»Sprich nicht so, Onkel, hoffentlich werden wir noch viele Jahre zusammen verleben.«

Der General antwortete nur mit einem Seufzer.

»Findest du nicht, lieber Onkel«, fuhr das junge Mädchen fort, »dass der Anblick der großartigen und herrlichen Natur, die uns umgibt, etwas Ergreifendes hat, was die Gedanken veredelt, den Geist erhebt und den Menschen besser macht? Wie glücklich müssen diejenigen sein, die in dieser unermesslichen Wildnis leben!«

Der General blickte sie verwundert an. »Wie kamst du auf solche Gedanken, liebes Kind«, sagte er zu ihr.

»Ich weiß nicht, Onkel«, antwortete sie schüchtern, »ich bin nur ein einfältiges junges Mädchen, deren kurzes Leben bis jetzt sanft und friedlich an deiner Seite verflossen ist. Nun! Es gibt Augenblicke, wo ich mir vorstelle, dass es mich glücklich machen würde, in dieser ungeheuren Einöde zu leben.«

Der General, den die unbefangene Offenheit seiner Nichte überraschte und zugleich erfreute, schickte sich an, ihr zu antworten, als der Führer sich ihm plötzlich näherte, durch ein Zeichen Schweigen gebot und mit kaum vernehmbarer Stimme flüsterte:

»Ein Mann …!«