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Die Trapper in Arkansas – Band 1.11

Gustave Aimard (Olivier Gloux)
Die Trapper in Arkansas Band 1
Erster Teil – Treuherz

Kapitel 7 – Der Überfall

Die Vereinigten Staaten haben von England ein System der Verdrängung und beständigen Usurpation geerbt, welches einer der Hauptzüge im britischen Charakter ist.

Kaum war die Unabhängigkeit Nordamerikas proklamiert worden und der Frieden mit dem früheren Mutterlande wieder hergestellt, als jene Männer, welche so laut gegen die Tyrannei und Bedrückung eiferten und sich gegen die Eingriffe in ihre Menschenrechte, denen sie, wie sie sagten, sie zum Opfer gefallen waren, wehrten, mit der unerschütterlichen Kaltblütigkeit, welche sie ihrer Abstammung verdanken, eine Jagd auf die Indianer organisierten. Nicht allein in ihrem großen Land wollten sie herrschen, sondern, unzufrieden mit dem weiten Gebiet, welches urbar zu machen und zu verwerten, die Bevölkerung trotz ihres Fleißes nicht hinreicht, wollten sie sich beider Ozeane bemächtigen, indem sie die Stämme der Eingeborenen von allen Seiten einschließen und zurückdrängen, bis sie, nach der bitteren, trostlosen Prophezeiung eines alten Indianerhäuptlings, noch vor lauter Treulosigkeit und Hinterlist im Stillen Ozean ertrinken werden.

In den Vereinigten Staaten, über deren Ruf der Vortrefflichkeit man anfängt, die Meinung bedeutend zu ändern, die aber viele, entweder falsch unterrichtete oder eigensinnige Leute noch immer als den klassischen Boden der Freiheit zu schildern lieben, findet man die abscheuliche Anomalie, wie zwei Völkerschaften zum Vorteil einer dritten beraubt werden, welche Letztere sich auch noch das Recht über Lebens und Tod anmaßt und ihre Opfer nur wie ein Schlachttier betrachtet.

Diese beiden, das Interesse aller Aufgeklärten und der wahren Freunde des Menschengeschlechts würdigen Völker, sind die schwarze und rote Bevölkerung.

Auf der anderen Seite ist es wahr, dass die Vereinigten Staaten, um zu zeigen, in welchem Grad sie menschenfreundlich gesinnt sind, seit dem Jahr 1795 einen Friedens- und Freundschaftsbund mit den Raubstaaten geschlossen haben, welche ihnen bedeutend größere Vorteile boten, als der Malteserorden, der gleichfalls mit ihnen unterhandeln wollte.

Dieses Bündnis ist von den Regierungen von Algier und Tripolis bestätigt und es heißt darin ausdrücklich: »Die Regierung der Vereinigten Staaten ist in keiner Weise auf die christliche Religion begründet.«

Denjenigen, denen dies ein wenig zu arg vorkommen könnte, antworten wir, dass es logisch ist, und dass die Amerikaner, was die Gottheit anbetrifft, nur einen Gott kennen, den Gott Dollar, welcher von den Seeräubern aller Länder stets als der Einzige verehrt worden ist.

Man sehe selbst, was daraus folgen muss.

Die Squatter, jene land- und heimatlosen Menschen, die weder Recht noch Gesetz kennen, die von allen Völkern verleugnet werden, und die der Abschaum und die Schmach der nordamerikanischen Bevölkerung sind, rücken unablässig nach Westen vor, und suchen durch immer neue Ansiedlungen die Indianerstämme aus ihrem letzten Zufluchtsorte zu vertreiben.

Nach den Squattern rücken fünf bis sechs Soldaten, ein Tambour, ein Trompeter und irgendein Offizier, der eine Fahne mit einem Sternenbanner trägt, ein.

Die Soldaten errichten mithilfe einiger Baumstämme ein Fort, pflanzen die Fahne auf diesem auf und erklären, dass die Grenzen der Vereinigten Staaten sich so weit erstrecken.

Nun werden einige Hütten in der Umgebung der Feste erbaut, in welchen sich ein Volk von Bastarden, eine heterogene Mischung von Weißen, Schwarzen, Roten, Kupferfarbigen usw. niederlassen, und damit ist eine neue Stadt gegründet, welcher man einen wohlklingenden Namen, wie Utika oder Syrakus, Rom oder Karthago, gibt. Einige Jahre später, wenn die Stadt zwei bis drei steinerne Häuser zählt, wird sie von Rechtswegen zur Hauptstadt eines neuen Staates erhoben, welcher noch gar nicht existiert.

Auf diese Weise wird in jenem Land verfahren, und das ist, wie man sieht, sehr einfach.

Einige Tage nach den Ereignissen, welche wir im vorhergehenden Kapitel erzählt haben, ereignete sich eine seltsame Szene in einer, seit kaum zwei Jahren errichteten Besitzung, welche an den Ufern des Canadian an einem reizenden Punkt am Fuß eines grünen Hügels lag.

Diese Besitzung bestand aus ungefähr zwanzig Hütten, welche unter dem Schutz eines unbedeutenden, mit vier kleinen Kanonen versehenen Forts, welche den Lauf des Flusses beherrschten, unregelmäßig nebeneinanderlagen.

Das noch so junge Dorf hatte, dank der außerordentlichen amerikanischen Tätigkeit, schon die Wichtigkeit einer Stadt erlangt. Zwei Wirtshäuser waren mit Trinkern überfüllt, drei Kirchen dienten eben so viel verschiedenen Sekten für ihre Versammlungen.

Die Einwohner gingen hier und da herum und hatten das gedankenvolle Ansehen von Leuten, welche ernstlich arbeiten und ihre Geschäfte besorgen.

Zahlreiche Kähne befuhren den Fluss, und Wagen mit Waren beladen, strebten in allen Richtungen, ächzten auf ihren rostigen Achsen und zogen tiefe Furchen in den Boden.

Aber trotz dieser Geschäftigkeit, oder vielleicht wegen dieser, konnte man leicht sehen, dass eine große Unruhe in dem Dorf herrsche.

Die Einwohner fragten sich untereinander, man versammelte sich auf den Türschwellen, und mehrere, auf kräftigen Pferden reitende Männer eilten als Boten in allen Richtungen, nachdem sie die Befehle des Captains, der im Fort kommandierte, entgegen genommen hatten. Dieser wandelte in voller Uniform, mit einem Fernrohr in der Hand und die Arme auf den Rücken gekreuzt, mit großen Schritten auf den Wällen der kleinen Feste auf und ab.

Nach und nach kehrten die Kähne an das Ufer zurück, die Wagen wurden abgespannt, die Zugtiere in Korrale eingepfercht, und die ganze Bevölkerung versammelte sich auf dem Marktplatz des Dorfes.

Die Sonne sank schnell am Horizont, die Nacht musste bald einbrechen, die in die Umgegend ausgesandten Reiter waren alle zurückgekehrt.

»Wie ihr seht«, sagte der Captain zu den versammelten Einwohnern, »haben wir nichts zu befürchten, es war ein falscher Alarm, ihr könnt friedlich in eure Wohnungen zurückkehren. Man hat im Umkreis von 20 Meilen keine Indianer gesichtet.«

»Hm!«, meinte ein alter Jäger, ein Mestize, auf seine Flinte gelehnt, »die Indianer brauchen nicht lange, um zwanzig Meilen zurückzulegen.«

»Das kann sein, Weißauge«, antwortete der Kommandant, »aber sei versichert, dass ich nur zu dem Zweck so gehandelt habe, um die Einwohnerschaft zu beruhigen. Die Indianer werden nicht wagen, sich zu rächen.«

»Die Indianer rächen sich stets, Captain«, sagte der alte Jäger mit Überzeugung.

»Du hast zu viel Whiskey getrunken, Weißauge. Er ist dir in den Kopf gestiegen und du träumst mit offenen Augen.«

»Wollte Gott, dass Sie recht hätten, Captain. Aber ich habe mein ganzes Leben in den neuen Ansiedelungen zugebracht. Ich kenne die Sitten der Rothäute, während Sie erst seit zwei Jahren an der Grenze sind.«

»Das ist hinreichend«, unterbrach ihn der Captain peremptorisch.

»Aber die Indianer sind, mit Ihrer Erlaubnis, Menschen, und die beiden Comanchen, welche gegen alles Menschenrecht hinterlistig ermordet worden sind, waren in ihrem Stamm angesehene Krieger.«

»Weißauge, du hast gemischtes Blut, du hängst den Rothäuten noch zu sehr an«, sagte der Captain ironisch.

»Die Rothäute«, antwortete der Jäger stolz, »sind ehrlich. Sie morden nicht aus reinem Gefallen am Blutvergießen, wie Sie es vor vier Tagen an den beiden Kriegern getan haben, die harmlos in ihren Kähnen vorüberfuhren, und an denen Sie, wie Sie sagten, eine neue Flinte, die Sie aus Acropolis erhalten hatten, ausprobieren wollten.«

»Schon gut! Genug! Verschone mich mit deinen Bemerkungen, Weißauge, du hast mir keine Lehren zu erteilen.«

Der Jäger verbeugte sich linkisch, warf seine Flinte über die Schulter und entfernte sich, indem er murmelte: »Gleichviel, das vergossene Blut schreit nach Rache. Die Rothäute sind Menschen, sie werden das Verbrechen nicht ungerächt lassen.«

Der Captain kehrte in das Fort zurück. Er war von dem, was ihm der Mestize gesagt hatte, sichtlich verstimmt. Die Einwohner gingen auseinander, nachdem sie sich eine gute Nacht gewünscht hatten, und schlossen sich mit der Sorglosigkeit, die denjenigen Menschen, welche daran gewöhnt sind, ihr Leben jeden Augenblick zu wagen, eigen ist, in ihre Häuser ein.

Eine Stunde später war die Nacht vollständig hereingebrochen. Das Dorf, dessen Einwohner, von der harten Arbeit des Tages ermüdet, sorglos ruhten, war von dicker Finsternis umgehen.

Die am Ende des Tages von dem Captain ausgesandten Boten hatten ihre Pflicht schlecht erfüllt oder waren an die List der Indianer noch nicht gewöhnt, sonst würden sie durch ihre Berichte den Ansiedlern nicht ein trügerisches Vertrauen eingeflößt haben.

Kaum eine Meile vom Dorf entfernt warteten unter dichtem Gestrüpp und den ineinander geflochtenen Zweigen der Bäume des Waldes, dessen Rand durch das unermüdliche Beil der Ansiedler bereits gelichtet war, verborgen zweihundert Comanchen-Krieger vom Stamm der Schlange, welche von mehreren angesehenen Häuptlingen angeführt wurden, unter denen sich auch Adlerkopf befand, der, obgleich verwundet, an dem Überfall hatte teilnehmen wollen. Sie harrten mit der Geduld der Indianer, die durch Nichts abgeschreckt werden kann, auf den günstigen Augenblick, um sich wegen der ihnen zugefügten Beleidigung blutig zu rächen.

Auf diese Weise verstrichen mehre Stunden, ohne dass das geringste Geräusch das Schweigen der Nacht unterbrochen hätte.

Die Indianer warteten, unbeweglich wie eherne Statuen, ohne die geringste Ungeduld zu zeigen.

Gegen elf Uhr ging der Mond auf und erhellte die Landschaft mit silbernem Schein.

Zur gleichen Zeih vernahm man zweimal hintereinander das Geheul eines Hundes.

Hierauf verließ Adlerkopf den Baum, hinter dem er sich verborgen gehalten hatte, und begann mit außerordentlicher Geschicklichkeit und Schnelligkeit in Richtung des Dorfes zu kriechen.

Als er den Rand des Waldes erreicht hatte, hielt er inne und ahmte, nachdem er einen forschenden Blick um sich geworfen hatte, das Wiehern eines Pferdes mit solcher Vollkommenheit nach, dass zwei Pferde aus dem Dorf ihm darauf antworteten.

Nach einigen Augenblicken des Wartens vernahm das geübte Ohr des Häuptlings ein beinahe unhörbares Geräusch im Laub. In geringer Entfernung ließ sich das tiefe Gebrüll eines Ochsen vernehmen. Daraufhin richtete sich der Häuptling auf und wartete.

Zwei Sekunden später trat ein Mann zu ihm. Dieser Mann war Weißauge, der alte Jäger.

Ein unheimliches Lächeln spielte um seine schmalen Lippen.

»Was machen die Weihen?«, fragte der Häuptling.

»Sie schlafen«, antwortete der Mestize.

»Wird mein Bruder sie mir ausliefern?«

»Eine Hand wäscht die andere.«

»Ein Häuptling hat nur ein Wort. Die bleiche Frau und der Graukopf?«

»Sind hier.«

»Werden sie mir gehören?«

»Alle Bewohner des Dorfes sollen meinem Bruder übergeben werden.«

»Oeh! Der Jäger ist nicht gekommen?«

»Noch nicht.«

»Er wird zu spät kommen.«

»Das ist wahrscheinlich.«

»Was sagt mein Bruder setzt?«

»Wo ist das, was ich vom Häuptling verlangt habe«, sagte der Jäger.

»Die Felle, Flinten und das Pulver sind, von meinen jungen Leuten bewacht, zurückgeblieben.«

»Ich verlasse mich auf dich, Häuptling«, antwortete der Jäger, »aber wenn du mich hintergehst …«

»Ein Indianer hat nur ein Wort.«

»Gut! Nun, wenn du also willst.«

Zehn Minuten später waren die Indianer Herren des Dorfes, dessen gesamte Einwohnerschaft, einer nach dem andern geweckt und ohne Widerstand gefangen worden war.

Das Fort wurde von den Comanchen eingeschlossen, die, nachdem sie Baumstämme, Wagen, Geräte und alle Ackergerätschaften der verzweifelnden Einwohner am Fuße der Mauern angehäuft hatten, nur noch auf ein Zeichen ihres Anführers warteten, um den Angriff zu beginnen.

Plötzlich erhob sich eine undeutliche Gestalt auf der Höhe des Forts und der Schrei des Wassergeiers erschallte.

Die Indianer steckten den Scheiterhaufen, den sie errichtet hatten, in Brand und rannten gegen die Palisaden, indem sie alle zugleich jenen entsetzlichen gellenden Kriegsruf erhoben, welcher ihnen eigen ist und welcher an der Grenze stets das Zeichen zum Morden gibt.