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Geisterjäger John Sinclair: Phantom ohne Namen

Geisterjäger John Sinclair: Phantom ohne Namen

John  Sinclair Band 1837: Nacht-Phantom
Autor: Jason Dark
Bastei-Verlag
Erscheinungsdatum: 24.09.2013
Preis: 1,70 €

Nomen est omen – das gilt nicht nur bei Asterix, sondern auch bei John Sinclair. Und klangvolle Namen gibt bzw. gab es in der Serie von Jason Dark nicht wenige: Vincent van Akkeren, Dracula II, der Schwarze Tod, Aristoteles Leonidas, um nur mal einige Dämonen oder schwarzmagisch veranlagte Gestalten zu nennen.
Natürlich ist ein Name nicht alles, wenn man beispielsweise an Charaktere wie Matthias, den Spuk oder Garry Giesen denkt. Aber ein Name macht eine Person interessanter und bedeutet auch, dass der Namensträger einen gewissen Hintergrund besitzt. Und ein durchdachter, Interesse weckender Hintergrund ist sicherlich eine wichtige Komponente, wenn man dem Leser eine Person – insbesondere eine dämonische – näher bringen will.
Andererseits gibt es auch die Möglichkeit, einem namenlosen Charakter durch besondere Fähigkeiten und ein nicht unerhebliches Charisma ein besonderes Eigenleben zu geben.
Nun, im vorliegenden Roman besitzt das titelgebende Nacht-Phantom weder einen Namen noch einen Hintergrund – und ist zu allem Überfluss auch noch völlig uncharismatisch. Einige wenige Male wird eine Justine Cavallo als Begriff einge- und gleich wieder verworfen. Warum diese namenlose Gestalt gerade jetzt auftaucht, warum sie im Gegensatz zu normalen Vampiren Flügel besitzt und in welcher Beziehung zu jener Ruine steht, die in diesem Roman eine wichtige Rolle spielt, wird man wohl nie erfahren. So lässt der Autor den Leser buchstäblich im Regen stehen.
Doch das ist nicht das einzige Problem dieser Story.

Gemeinsam mit seinem Informanten, einem jungen Mann namens Scotty, sucht der Reporter Bill Conolly in einer alten Ruine nahe Forest Hill nach einem fliegenden Vampir, der dort angeblich mit einer Horde Fledermäuse hausen soll. Und tatsächlich – noch in derselben Nacht taucht der Blutsauger mit seinem Schwarm auf.
Während Bill von den Fledermäusen kurzzeitig niedergerungen wird, gelingt es dem Vampir, Scotty das Blut auszusaugen und ihn somit ebenfalls zu einem Untoten zu machen. Bevor er allerdings in seinem neuen Leben erwacht, wird er von Bill mit einer Silberkugel erlöst. Der Vampir selbst kann entkommen, sodass der Reporter zurück nach London reist.
Bereits am nächsten Tag kehrt Bill jedoch mit seinem alten Freund John Sinclair zurück, um den mörderischen Blutsauger zu stoppen, bevor dieser noch mehr Opfer finden kann …

So spannend sich auch die Zusammenfassung lesen mag, der Roman wird dem in keinster Weise gerecht. Eigentlich deckt sie nur die ersten 18 Seiten ab, die zugegebenermaßen auch wirklich als gelungen betrachtet werden können. Die Ruine als Vampir-Unterschlupf bietet ein geradezu klassisches Gruselroman-Setting, dazu kommen ein – zunächst – geheimnisvoller und interessanter Gegenspieler und schließlich der Schock, dass Bills Freund dem Vampir zum Opfer fällt.
Hier fangen allerdings schon die Probleme des Romans an, denn der Reporter überlegt ernsthaft, ob er Scotty nun ins Herz oder in den Kopf schießen soll. Wir erinnern uns: Die Serie heißt Geisterjäger John Sinclair, und Bill Conolly ist fast von Anfang an dabei. Dadurch müsste ihm eigentlich klar sein, dass es völlig irrelevant ist, in welchen Körperteil er seine Silberkugel bei einem Vampir schießt, um diesen zu erlösen.
Nach diesem doch recht annehmbaren Beginn passiert allerdings erst einmal zwanzig Seiten lang nichts, und auch der Vampir taucht bis zu S. 45 nicht mehr auf. Stattdessen müssen sich John und Bill neben sinnlosen Dialogen und langweiliger Autofahrten lediglich einiger blutgieriger Fledermäuse erwehren, die aber nun wirklich keine ernsthaften Gegner darstellen.
Allgemein ist die Idee, dass sich der Vampir mit einem Schwarm dieser Wesen umgibt, alles andere als einfallsreich. Dieses Szenario wurde innerhalb der Serie bereits Dutzende Male durchexerziert, ohne dass von den Fledermäusen jemals eine echte Bedrohung ausging.
Ebenso wenig bedrohlich wirkt im Rest des Romans auch der titelgebende Vampir, der sich zwar zwischenzeitlich einen Schäfer als Opfer aussucht, dabei allerdings von ein paar Hunden vertrieben wird. Schließlich vergreift er sich noch an einem Dorfpolizisten, doch John und Bill machen seinem Treiben auf S. 63 schließlich ein äußerst unspektakuläres Ende.
So bleibt das Nacht-Phantom nichts weiter als ein hintergrundloser 08/15-Vampir, der sich als ziemlich schwach erweist und dem zu allem Überfluss auch noch teils wenig geistreiche Dialoge (»Halt dein Maul.«) in den Mund gelegt werden.
Der Roman lässt sich im Prinzip mit einem Satz beschreiben: Anfang Hui – der Rest Pfui!

Letztlich bleibt die Frage, ob man aus dem Nacht-Phantom nicht viel mehr hätte machen können. Schließlich gehören Vampir-Romane zu den besonderen Stärken von Jason Dark, und ein Blick in die Serienhistorie zeigt, wie viele interessante Blutsauger der Autor bereits in der Vergangenheit erschaffen hat:

Und das sind nur einige Wenige. Andere bekannte Namen unter den JS-Vampiren sind beispielsweise Baron von Tirano, Boris Bogdanovich, die Vampir-Hexe Assunga oder gar Logan Costello und Vincent van Akkeren, die am Ende ihrer Existenzen ebenfalls in Blutsauger verwandelt wurden.
Es müssen aber auch nicht unbedingt mächtige, wiederkehrende Untote sein, die einen Vampir-Roman die besondere Würze geben. Gerade beim vielbeschriebenen Monster of the Week gibt es zahllose Beispiele dafür, dass es auch anders geht als im Falle des Nacht-Phantoms. Charismatische, düstere, furchteinflößende Vampir-Gestalten, die es nie über einen Einzelroman oder Mehrteiler hinaus geschafft haben:

Und dies sind nur einige der zahlreichen Vampir-Gestalten, die trotz ihres kurzen Serienlebens, dank ihrer Kräfte, ihrer Intelligenz, ihres Auftretens in Erinnerung geblieben sind und allein jederzeit das Potential gehabt hätten, als Dauergegner dem Sinclair-Team weiter das Leben schwer zu machen.
Ein wenig rühmliches Beispiel in diesem Reigen ist allerdings der sogenannte Rote Vampir aus Band 1541 – Ball der Vampire. Dort traf das Sinclair-Team auf einen geheimnisvollen neuen Vampir, dessen Hintergrund zwar nicht beleuchtet wurde, der aber allein durch seine enormen Kräfte das Interesse der Fans weckte. Ein Interesse, das teils bis heute, wenn auch meist nur basierend auf beißendem Sarkasmus, immer wieder aufflammt. Sarkastisch deshalb, weil jener mächtige Vampir zwar am Ende des Romans entkam, danach aber nie wieder auftauchte und auch (bis auf einen kurzen Hinweis im nachfolgenden Band 1542) nicht mehr erwähnt wurde. Was der Autor damit bezweckt hat, wird man vielleicht nie erfahren – es sei denn, der Vampir wird tatsächlich noch einmal aus der Mottenkiste ausgegraben. Bei Strigus beispielsweise hat es über zwanzig Jahre gedauert, bis seine Handlung zu einem Abschluss kam. Es darf aber bezweifelt werden, ob in diesem Fall – wenn überhaupt – eine ähnlich lange Zeit vergeht.
Und für was bleibt schlussendlich das Nacht-Phantom in Erinnerung? Zumindest als abschreckendes Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte.

Bildquellen:

(rh)