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Die Ritter vom schwallenden Wasser

Während der Zeit der Völkerwanderung im 5. Jahrhundert zog der größte Teil der Sachsen nach Britannien. Dadurch begünstigt strömte das Volk der Thüringer in das ehemalige Sachsenland ein und baute dort seine Herrschaft aus. Zwischen dem König Thüringens, Herminafried, und dem Frankenkönig Theuderich flammten die alten Familienfehden wieder auf. Es kam, wie es kommen musste. Im Jahre 531 zog ein gewaltiges Heer unter Führung der Merowingerkönige Theuderich I., dessen Sohn Theudebert I. und Chlothar I. gegen die geschwächten Thüringer und vernichteten sie.

Nach Runibergun – Vom Königreich der Thüringer schließt Autor Michael Kirchschlager mit seinem Jugendroman Die Ritter vom schwallenden Wasser lückenlos an die Geschehnisse des Jahres 531 an und gibt dem jungen Leser einen Einblick in das Leben und die Abenteuer der edlen Herren von Schwallungen.

Mein Herz wiegt schwer hör ich den Nordwind klagen
Komm Barde spiel auf von unseren besseren Taten
Allen Edlen schenkt mir Gehör von dem was einst geschah
Gewaltiger Sturm der Heerscharen tritt
von Westen her Theoderich.

Mit großem Heer ritt gegen Thuringia’s Schar
Der Speere so viele – Brünnen als ob man sie gebar
Zog tausendfach auf die Frankenschar
Wir standen fest – wir zeigten kein Zagen
Die Gewissheit war da, das Abendrot nicht zu erleben
Aber Furcht und Angst, der Feind nie wird von uns sehen
Klagt nicht Weiber und Barden liegt der Held auch da
Durchbohrt mit dem Ger
Lasset den Feind nicht an euren Tränen laben

Lasst ihn schüren den mächtigen Schicksalsfaden
Die Krieger werden heut mit Allvater beraten

So stürmte Herminafried in des Feindes Schar
wie brausender Sturm den Edlen voran
Folgt mir treue Schar in den Tod
Nicht Angst, noch Zagheit vor dem Sterben.

Mein Herz wiegt schwer hör ich den Nordwind klagen
Komm Barde spiel auf von unseren besseren Taten
Allen Edlen schenkt mir Gehör von dem was einst geschah
Gewaltiger Sturm der Heerscharen tritt
von Westen her Theoderich.

Menhir: Die letzte Schlacht

Das Buch

Michael Kirchschlager
Die Ritter vom schwallenden Wasser

Kinder- und Jugendbuch, Paperback
Knabe Verlag Weimar, Mai 2013
128 Seiten, 9,95 Euro
ISBN: 9783940442499
Illustrationen: Christoph Hodgson, Arnstadt

Kurzinhalt:
Das Leben auf einer fränkisch-thüringischen Ritterburg kann hart, aber niemals langweilig sein! Auf Drängen seiner Frau und um den Adligen der Umgebung in nichts nachzustehen, beschließt Ritter Brun, einen steinernen Turm zu erbauen. Schnell begreifen die »Swallinger« um Brun und Oheim Egil jedoch, dass so ein Bau seine Tücken hat. Zudem liegen sie in stetem Streit mit dem Burgvogt der Henneburg, Eberhard von Würzburg, dem sie so manchen Streich spielen. Dabei geht es mitunter ziemlich derb zur Sache.

Der Autor

Michael Kirchschlager, Jg. 1966, Studium der Germanistik und Geschichte, arbeitet als Verleger, Historiker und Schriftsteller in Arnstadt. In der DNB sind von ihm über 40 Buchtitel verzeichnet. Neben Sachbüchern, Quellen- und Textsammlungen gibt er die Bibliothek des Grauens, die Historische Kriminal-Bibliothek sowie das Online-Magazin  Kriminalia.de heraus. Zu seinen erfolgreichsten Sachbüchern zählt der Band Historische Serienmörder, der als Reihe fortgesetzt wird. 2006 und 2007 erschienen die Mystery-Thriller Der Crako und der Gierfraß und Der Crako und das Giftmädchen (FESTA). Michael Kirchschlager ist Mitglied im Syndikat, 2012 Träger des Stiftungspreises der Stiftung Deutsche Schrift. Sein historischer Roman Hans Stahl und der Tod der Rosen wurde für den Thüringer Krimipreis nominiert. Von ihm erschien das Kinderbücher Emil aus der Drachenschlucht im Knabe Verlag Weimar.

Leseprobe

Die Sippe vom schwallenden Wasser

Unsere Sippe reicht bis in jene Zeiten zurück, als die Thüringer und Franken miteinander in heftigen Kämpfen lagen, Kämpfe, die schließlich zum Untergang des Thüringer Königreiches führten.1

Im Jahre 531 traf in einer gewaltigen Schlacht an einem Orte namens Runibergun das Heer der Franken mit König Theudebert an der Spitze auf die Thüringer unter König Herminafried. Auf beiden Seiten wurde tapfer gefochten, allein nach drei Tagen sank der Stern der Thüringer. Viele von ihnen wurden erschlagen, ihr Land unter den Franken aufgeteilt. Zu den mutigsten Streitern aufseiten der Franken soll einer unserer Ahnen gezählt haben. Er ließ sich am schwallenden Wasser nieder, den später Werra genannten Fluss, und heiratete die Tochter eines Thüringer Adligen.

Ein weiterer Ahne, von dem mir unser Großvater erzählte, war ein Mann namens Huntolf. Dieser hatte einen Egilolf geheißenen Sohn, und der wiederum einen Sohn mit Namen Helpfolf. Egilolf schenkte im Jahre 795 einen Teil seiner Güter dem Kloster Fulda. Comitissa2Cunihilt vermachte im Jahre des Herrn 874 einen Teil ihrer Güter zu Schwallungen ebenfalls dem Kloster Fulda unter Abt Sigihart.

Aufgrund seiner Treue zum Grafenhaus der Henneberger und deren Treue wiederum zum Königshaus der Franken wurde unserem Ahnen Sigifrid das Recht gewährt, eine Burg auf einer Anhöhe am schwallenden Wasser zu erbauen. Diese Burg aus Buchen- und Eichenholz wurde in den folgenden Jahrhunderten nach und nach durch Steinbauten ersetzt. Im Jahre 1057 schenkte der Edle Sigifrid dem Kloster Fulda unter Abt Eggebert zahlreiche Hofstätten, Hufen, Äcker und dreiundzwanzig Leibeigene.

Sigifrids Treue hielt ihn fortan neben Graf Poppo von Henneberg im Sattel und als wieder einmal die Sachsen während der großen Sachsenkriege3 Schmalkalden und alle umliegenden Höfe und Weiler heimsuchten und verheerten, stellten sich die Anhänger des Königs zur Schlacht.

Darunter befand sich auch Sigifrid in glänzender Rüstung. Er sank als Held neben Graf Poppo am 7. August 1078 ins Gras. Dessen eingedenk war unsere Sippe, die sich die »Swallinger« nannte, fest mit dem Grafenhaus verbunden und nichts und niemand konnte unsere Treue zu den Hennebergern erschüttern. Und als ich, Heinrich von Schwallungen, noch gar nicht geboren war, rettete mein Vater Brun dem Grafen Berthold von Henneberg vor der landgräflichen Runneburg das Leben! Das war im Jahre 1212.4

Ich erzähle all dies, um die Geschichte meiner Ahnen und die Taten unserer Sippe nicht in Vergessenheit geraten zulassen. Zeit meines Lebens war ich kein Mann der Feder, eher ein Mann des Wortes, selten ein Mann des Schwertes. Aber ich komme dem Wunsche meiner Familie nach, die mich nach langen Erzählungen am Kamin bat, all die Mären und Geschichten der Ritter vom schwallenden Wasser aufzuschreiben. Ich bin kein begnadeter oder gar tugendhafter Schreiber. Ich vermag nicht, meine Worte in kunstvolle Reime, Verse oder sonst etwas zu setzen. Vielmehr werde ich meine Geschichte, die Geschichte unserer Sippe so aufschreiben, wie es mir in den Sinn kommt und was mir aufzuschreiben vergönnt ist.

Unsere Familie

In den frühen Jahren meiner Kindheit wuchs ich in dem Holzturm auf, den unser Ahne Sigifrid erbaute. Er thronte auf einem Hügel, an dessen Westseite sich die Werra entlangschlängelte. Hinter der Werra begann sich nach Westen Buchonia zu erstrecken, nach Osten der Thüringer Wald. Im Nordosten lag die Stadt Schmalkalden, im Süden die Stadt Meiningen und die gräfliche Henneburg. Unsere unmittelbaren Nachbarn waren die Herren von Cralach im Norden.

Zu unseren Besitzungen zählten die Burg, das Dorf Schwallungen mit Wald, Holz, Feldern, Bächen und Quellen, Weiden, drei Fischweiden an der Werra, ein Karpfenteich bei Cralach, ein schöner See in Buchonia5 mit allen Fischrechten, Wiesen und Weiden am großen Cralacher See, eine Mühle in Schwallungen und vor Wasungen, dort auch zwei Gärten, ein Hof im Körnbachgrund, das halbe Dorf Zillbach, Äcker in Cralach und AhIes6 und weitere Besitzungen und Zugehörungen in umliegenden Dörfern und Wüstungen, sechsundzwanzig Leibeigene sowie ein Vorwerk in Schmalkalden, ein Hof in Breitungen sowie sieben Kühe, eine Schafherde und einhundertzwanzig Hühner und Gänse.

Unsere Mutter Elisabeth war eine fromme Frau voller Anmut und Schönheit, von edler Herkunft und feiner höfischer Erziehung und eigentlich passte sie überhaupt nicht zu den sie umgebenden Männern aus der Sippe der Swallinger, von meinem Oheim7 Odo vielleicht einmal abgesehen.

Aber sie trug ihr Schicksal, wie sie ihre Lebensumstände immer nannte, mit großer Würde und heute, denke ich an unser Leben am schwallenden Wasser zurück, erfüllt mich diese Würde mit Bewunderung.

Und trotz des Schutzes, fußend auf der Lehenstreue, die die Swallinger durch die Grafen von Henneberg erfuhren, war es unsere Mutter, die so manches Mal durch wärmste Fürsprache bei Graf Poppo8 selbst für unsere Familie eintrat und Schaden abwendete. Unser Vater Brun, der Erbauer des großen steinernen Turmes, war ein stolzer, strenger und umtriebiger Mann mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Dieser brachte ihm nichts als Ärger ein. Er liebte uns über alle Maßen, war fromm und verglich uns stets mit den edlen Falken, die den Turm bewohnten und ihn unentwegt gegen Dohlen, Krähen und andere Räuber verteidigen mussten.

»Seht, ihr Kinder«, sagte er immer und zeigte zur Spitze des Turmes, »wir gleichen diesen Falken. In einem immerwährenden Kampf müssen wir unseren Turm gegen alle möglichen Feinde verteidigen.«

Vater war selbst viele Jahre Falkner, aber als er seinen Lieblingsfalken Pfeil an einen Walduhu verlor, der den schönen Falken bis in eine Scheune verfolgte und dort schlug, brach es Vater fast das Herz und er hängte die Falknerei an den Nagel.

Oheim Egilbert, den wir kurz Ohm Egil nannten, war ein Mann von großer, starker Statur und wurde von allen Rittern der Umgebung gefürchtet, denn er siegte in allen Turnieren und sah darüber hinaus noch furchtbar aus. Während einer Bärenhatz verlor ein Bär sein Leben, Ohm Egil aber eines seiner Augen und so kam unser Onkel als einäugiger Mann daher, mit dem nicht gut Kirschen essen war. Deshalb nannten ihn die Leute auch Egil den Einäugigen. Mit unserer Mutter stand er sich nicht gut, was auf Gegenseitigkeit beruhte. Zu den Frauen hegte er keine sonderliche Neigung, aber er liebte den Trunk, die Geselligkeit und uns Kinder.

Ganz anders war da Ohm Odo, ein feiner, junger und hübscher Herr mit gutem Benehmen, der Liebling unserer Mutter (wahrscheinlich hätte sie lieber ihn als unseren Vater geheiratet, aber Odo war nur der Drittgeborene). Odo galt uns als strahlender Held, der gemeinsam mit Ohm Egil so manchen trefflichen Schabernack veranstaltete.

Und dann darf ich nicht unseren Großvater Heinrich vergessen, der eine Mischung aus allen seinen Söhnen war. Hier sollte ich vielleicht anmerken, dass jeder Sohn einer anderen Frau entspross, was bedeutet, dass alle Brüder Halbbrüder waren. Unser Großvater überlebte alle seine Frauen, die, die er aber am meisten liebte, war unsere Kunigunda. Zu der komme ich gleich.

Ich hatte zwei Brüder, Wölfelin und Betz, sowie eine Schwester Kunigunda, eine ganz neckische Kleine, die den Gerechtigkeitssinn unseres Vaters geerbt zu haben schien, denn von unseren Streichen hielt sie nichts. Ganz im Gegenteil! Mit ihren fünf Jahren drohte sie uns mit drakonischsten Strafen, hatten wir wieder mal etwas ausgefressen.

»Sie werden euch noch einmal die Ohren abschleiden!«, prophezeite sie unentwegt in ihrer kindlichen Sprache. Und wenn es einmal nicht nach ihrem Willen ging, was bei Frauen oft vorkommt, lief sie zu unserem Großvater und wickelte ihn um ihre kleinen Fingerchen. Über alles liebte sie ihre Stoffdocke9, ein abgefranstes, zerkautes, zerflicktes und hässliches Ding, wie wir fanden, aber war das Püppchen »Nunu« einmal nicht auffindbar, liefen die Tränen und brachten die Werra zum Anschwillen.

Meine Brüder waren wie ich, kräftig, rotznasig, flink, etwas jünger zwar, aber allesamt echte Swallinger, und was einen Swallinger ausmacht, das möchte ich nun erzählen.

Veröffentlichung der Leseprobe und der Bilder mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Verlages.

Copyright © 2013

Show 9 footnotes

  1. In der Schlacht bei Runibergun an der Unstrut im Jahre 531 unterlagen die Thüringer den Franken. Das Königreich Thüringen wurde von den Franken zerschlagen und besetzt.
  2. Gräfin.
  3. Blutiger Aufstand der Sachsen gegen König Heinrich IV., einem salischen Franken, von 1073 bis 1075.
  4. Belagerung der Runneburg in Weißensee (Landkreis Sömmerda) durch den Welfenkaiser Otto IV.
  5. Buchonia ist eine alte Bezeichnung des Gebietes der nördlichen Rhön und des Fuldaer Beckens und bedeutet so viel wie Buchenwald.
  6.  Wüstung, verlassenes Dorf oder Anwesen.
  7. Onkel.
  8. Graf Poppo VII. oder Boppo von Henneberg (1181-1245), verheiratet mit Jutta.
  9. Stoffpuppe.