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Im Gespräch mit Stefanie Mühlsteph

Die 1987 in Hessen geborene Stefanie Mühlsteph gewann 2006 den »Jugend forscht«-Wettbewerb für ihre Schule und zog nach dem Abitur nach Darmstadt, um Elektro- und Informationstechnik zu studieren. Kein klassischer Weg für eine Autorin, doch länger noch als die Physik war das Schreiben schon ihre Leidenschaft. 2010 erschien im noch jungen Aavaa-Verlag dann ihr Debütroman Hexentochter.
Im Zentrum dieses Fantasyromans mit Road Novel-Touch für Kinder und jüngere Teenager stehen die junge Hexe Selen und ihr Seelentier Inuki. Von ihrer Umgebung und der Gesellschaft gehasst und gefürchtet starten sie eine unfreiwillige Odyssee quer über den Inselkontinent Thulien. Unterstützt werden die dabei von Freunden wie dem Hexer Axes oder der Drachenbändigerin Keena. Doch die geheimnisvollen und erbarmungslosen Schatten machen Jagd auf die Kinder, deren Odyssee sie zu einer Prophezeiung führt, deren Inhalt Selens Leben komplett umkrempeln wird.


Geisterspiegel: Guten Tag, Frau Mühlsteph. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Interview nehmen.

Stefanie Mühlsteph: Immer gerne, ich habe Ihnen zu danken für die nette Einladung.

Geisterspiegel: Können Sie sich den Lesern, denen Sie noch kein Begriff sind, zunächst einmal kurz vorstellen?

Stefanie Mühlsteph: Gerne. In erster Linie kann ich mich selbst wahnsinnig schlecht beschreiben. Aber ich habe gehört, dass ich eine chaotische bis quirlige Person sein soll, die gerne lacht und oft mit den Gedanken auf den Wolken spazieren geht. Jedoch, wenn ich mich in mein stilles Kämmerchen verziehe – oder in der Bahn sitze – und dabei schreibe, kann es auch vorkommen, dass man von mir stundenlange keinen Laut hört. Mein Mitbewohner hat es sogar einmal geschafft mich so zu erschrecken, dass ich geschrien habe. Für mich stand er plötzlich neben dem Schreibtisch, aber er meinte, dass er sehr laut gewesen sei und versucht hätte, mit mir zu reden. Überhaupt bin ich nicht multitaskingfähig, besonders wenn ich schreibe. Dann atme ich Buchstaben und bewege mich in Gedanken an völlig anderen Orten oder Zeitepochen.

Geisterspiegel: Sie studieren Elektro- und Informationstechnik, haben außerdem 2006 den »Jugend forscht«-Wettbewerb gewonnen. Ein eher ungewöhnlicher Hintergrund für eine Fantasyautorin. Wie kamen Sie zum Schreiben und zur Fantasy?

Stefanie Mühlsteph: Ich kam durch den gleichen Grund zur Fantasy, wie auch an die Elektrotechnik. Die Schuld trägt alleine mein Vater, der mir als Kind jeden Abend ein Märchen vorlas. Von den Gebrüdern Grimm bis zu modernen Kindererzählungen wie zum Beispiel Wo die wilden Kerle wohnen ging es kreuz und quer durch die Bücherlandschaft. Jedoch entfachte erst Cornelia Funke 1997 meine Liebe zur Phantastik mit Drachenreiter. Das erste längere Buch, das ich alleine gelesen hatte. Und Frau Funke ist der Grund, warum ich zu schreiben anfing. Mir fehlte in Drachenreiter nämlich ein für mich damals essentieller Teil: ein Mädchen in der Geschichte. Und so schrieb ich zu Drachenreiter meine erste sogenannte Fanfiction – sie war damals mit 7 Seiten mein ganzer Stolz.
Und man möchte es kaum glauben, doch Elektrotechnik erfordert auch sehr viel Fantasie und Vorstellungskraft – besonders wenn es um Felder geht, die man mit den Augen nicht wahrnehmen kann.

Geisterspiegel: Gibt es andere Autoren, Mythen oder auch Filme, die Sie in Ihrer bisherigen Arbeit inspiriert haben?

Stefanie Mühlsteph: Meine größten Inspirationsquellen sind seit Ostern 2010 die Mitglieder des Tintenzirkels – denn niemand versteht die Problemchen und Nöte einer Autorenseele besser als andere Autoren.
Es gibt jedoch auch viele Autoren, die mich inspiriert haben und auch weiterhin inspirieren. Anne Rice, Trudi Canavan, Joanne K. Rowling und Scott Westerfeld sind Autoren, deren Bücher ich gerne gelesen habe und immer noch gerne zur Hand nehme. Natürlich kommen auch immer mehr Quellen hinzu – bis mein Bücherregal oder die DVD-Wand wieder einen Anbau braucht.
Bei Mythen, speziell für den Roman Hexentochter, bin ich bis ins alte Griechenland zurückgekehrt, um meinen Hexenstämmen würdige Wurzeln zu verschaffen. Allerdings musste ich dabei aufpassen, dass sich die Wurzeln nicht zu breitflächig auffächerten. Denn je weiter ich in eine Materie vorstoße, umso spannender und inspirierender finde ich das Thema.

Geisterspiegel: Im Sommer letzten Jahres ist Ihr Debütroman Hexentochter erschienen. Können Sie seine Entstehungs- und Veröffentlichungsgeschichte schildern? Wie kam es zum Kontakt mit dem Verlag Aavaa?

Stefanie Mühlsteph: Die Idee zu Hexentochter ist weitaus älter als das Werk, nämlich fast 10 Jahre. Selens Vorgängerin hieß damals Éanna. Sie war jedoch keine Hexe, sondern eine Dämonin. Jedoch war die Chemie zwischen Protagonistin und Autorin nicht stimmig, also verlief sich die Geschichte im Sand und Éanna verschwand in der Schublade – und mit ihr der Plot. Erst nach meinem Umzug 2007 fand ich das Skript wieder und die Grundgeschichte nicht gänzlich unspannend. Selen trat nur wenige Tage später in mein Leben und mit sich brachte sie nicht nur Inuki, sondern auch Axes und Odys [Axes‘ Seelentier]. Danach folgten Recherchen über Heilkräuter, ein mögliches Gesellschaftssystem, bis hin zu Götterglauben und Mythen. Mir erschloss sich peu á peu eine neue Welt – Selens Welt.
Wenn mir jemand 2007 gesagt hätte, dass 2010 genau dieser Roman veröffentlicht werden würde, hätte ich mich über ihn lustig gemacht. Denn geschrieben habe ich schon immer, aber richtig veröffentlichen kam für mich nicht in Frage. Davor hatte ich zu große Ehrfurcht. Bis mein Mitbewohner Ende 2008 den Ausdruck eines Kapitels im Papierkorb fand und mich darauf ansprach. Natürlich war die erste Reaktion ein purpurnes Gesicht und Gestotter meinerseits. Er ermutigte mich jedoch, ein Kapitel bei Fanfiction.de online zu stellen, um zumindest die Reaktionen darauf zu sehen – und das tat ich.
Zu meiner Überraschung gab es Leute, denen Selen schon nach wenigen Seiten ans Herz gewachsen war und die nach mehr verlangten – mein Ehrgeiz war geweckt. Ich schrieb regelmäßiger, tummelte mich in Autorenforen herum und versuchte meinen Stil immer weiter zu verbessern. September 2009 war der Roman fertig und ich hatte das Gefühl, dass sich vielleicht ein Verlag für meine Hexe erwärmen könnte. Aber wie es nun mal ist, kam nach der Euphorie schnell eine Abkühlung – Absagen. Eine Freundin machte mich dann auf den damals neu gegründeten Aavaa Verlag aufmerksam und kaum, dass ich dem Verleger mein Konzept vorgestellt hatte, durfte ich das Probekapitel einreichen und schließlich den gesamten Roman. Mir wurde nach Abschluss des Vertrags mitgeteilt, dass die Frau des Verlegers von meiner Hexe begeistert war. Also habe ich schlussendlich ihr zu verdanken, dass Selen ein Zuhause gefunden hat.

Geisterspiegel: Sowohl von den Charakteren und der Geschichte, als auch vom Sprachstil her wirkt der Roman sehr kindgerecht. Worin liegen für Sie der Reiz und die Vorteile dieser Zielgruppe?

Stefanie Mühlsteph: Ich würde es eine Herausforderung nennen. Kinder sind sehr anspruchsvolle Leser, besonders was den Inhalt betrifft. Entweder muss das Kapitel lustig oder actionreich sein – aber niemals langweilig. Langwierige Dialoge oder Umgebungsbeschreibungen lassen die kleinen Leser eher einschlafen, anstatt den Teddy vor Anspannung zu erdrücken. Ich wollte außerdem Mädchen und Jungen ansprechen – eine zusätzliche Hürde, weil Mädchen andere Geschmäcker haben als Jungs. Aber schlussendlich scheine ich meine Idee passabel umgesetzt zu haben, denn mir wurde von einer Mutter mitgeteilt, dass ihre Tochter und ihr Sohn Lieblinge hatten und sich teilweise sogar stritten, wer nun cooler ist.
Kinder sind nicht einfach zu begeistern, aber wenn eine Geschichte ihre Augen zum Leuchten bringen kann, dann hat der Autor gute Arbeit geleistet.

Geisterspiegel: Thulien, das Land, in dem Hexentochter spielt, zeigt sich von seinen Völkern her sehr vielseitig. Von Drachen über Elfen bis hin zu Dämonen gibt es kaum ein Volk, das man als Fantasyfan vermissen würde. Warum diese Vielfalt?

Stefanie Mühlsteph: Weil es langweilig wäre, auf Fantasyvölker zu verzichten, nur weil es zu viele wären. Es muss eine gesunde Mischung sein. In Hexentochter habe ich eine Trennung durch die Einteilung in Menschenartige und Tierartige geschaffen – wie Aesop in seiner Fabel vom Krieg zwischen den Tieren und den Vögeln.
Menschen jagen Dämonen, weil sie tierartig sind, aber verbünden sich mit Elfen. Es geht mir hierbei um die Ähnlichkeit und die Unterschiede zwischen den Völkern. Mir fiel schon früh auf, dass sich Menschen nur mit anderen zusammentun, wenn sie sich ähnlich sind. Andersartige – und möge es auch nur vom Charakter her sein – werden strikt ausgegrenzt. Auch wenn die Vielfalt der Völker in Hexentochter hoch ist, so haben sie doch immer einen Ursprung und jagen sich auch gegenseitig nach diesem Prinzip.
Was die Halbdämonen angeht, so sind sie weder richtig Mensch, noch Dämon und als solche von beiden Seiten verstoßen – wie die Fledermaus in der Fabel von Aesop.

Geisterspiegel: Ein recht ungewöhnliches Bild entwerfen Sie in Hexentochter von den Dämonen. Diese tauchen als Tiermenschen auf, denen mit Vorurteilen begegnet wird, die aber nicht eindeutig »böse« oder »düster« agieren, wie man es von Dämonen gemeinhin erwarten würde. Wie sind Sie zu diesem Bild gekommen?

Stefanie Mühlsteph: Das Bild des in dem Sinne untypischen Dämons erschloss sich mir, als ich die Charaktere und die Hintergrundgeschichte erstellte. Erwachsene Dämonen haben etwas Düsteres an sich. Man fürchtet sie, verfolgt und tötet sie. Aber das stellte sich mit eine essentielle Frage: Was ist mit den Kindern? Hinter aller Bösartigkeit steht immer auch eine Kindheit und ich weigerte mich zu glauben, dass diese Kinder vom Charakter her anders sind als menschliche Kinder. Sie werden von ihrer Umwelt geprägt und entwickeln sich individuell – wie menschliche Kinder.
Ich habe außerdem versucht, nicht alle Dämonen gleich darzustellen, sondern deutlich zu machen, dass sie alle eigene Interessen haben, die sie verfolgen und als Individuum handeln, anstatt nach einem vorgezeichneten Schnittmuster. Gut und Böse liegen hierbei im Auge des Betrachters.

Geisterspiegel: Wenden wir uns nun mal der Zukunft zu. Das Ende von Hexentochter ist zwar rund, doch es gibt noch einige offene Fragen, die auf Fortsetzungen hindeuten. Kann man mit solchen bald rechnen?

Stefanie Mühlsteph: Ich hatte Hexentochter als Trilogie angelegt. Die Fortsetzung ist zur Hälfte fertig, jedoch liegt die Veröffentlichung der Fortsetzung nicht in meinem Entscheidungsbereich, sondern im Ermessen des Verlags. Deswegen kann ich leider keine Aussage darüber treffen, wann die Fortsetzung erhältlich sein wird.

Geisterspiegel: Wird es auch ein Wiedersehen mit alten Bekannten geben – abgesehen natürlich von Selen?

Stefanie Mühlsteph: Ich kann und darf sagen, dass der Citrolenspieler, Marius der Magier und der Herr der Diebe in der Fortsetzung noch eine erhebliche Rolle spielen werden. Außerdem werden auch Antworten gelüftet, die im ersten Teil nur am Rande angeschnitten wurden. Mit Axes und Keena wird es vorerst kein Wiedersehen geben, da Selen die Feuerakademie der Magier besucht, aber auch dort wird es genug Spannungspotential geben. Schließlich ist sie eine naturverbundene Hexe in einem Haufen von hochnäsigen Magiern.

Geisterspiegel: Ihrer Homepage ist zu entnehmen, dass Sie derzeit an Projekten arbeiten, die der Steamfantasy zuzuordnen sind. Worin liegt für Sie der Reiz an diesem Genre, das im Moment ja kräftig im Kommen ist? Spielt hier vielleicht auch Ihr technisch-naturwissenschaftlicher Hintergrund eine Rolle?

Stefanie Mühlsteph: Steampunk oder auch Steamfantasy sind für mich nicht sonderlich neu. Der mittlerweile nicht mehr so kleine Kleinverlag Feder&Schwert ist schon seit Jahren in dem Genre unterwegs und einige Romane habe ich im heimischen Bücherregal stehen. Allerdings muss ich zugeben, dass erst mein Studium und ein Bekannter aus Trier das Interesse für technisch-fantastische Spielereien in mir weckten. Ich finde es interessant, wie Autoren Historik, Technik und Phantastik miteinander verweben und daraus etwas Neues kreieren. Da das Genre oder Setting (wie man es betrachten will) des Steampunks noch relativ neu ist, ist es auch dementsprechend ohne feste Regeln und noch sehr flexibel, was die Eckdaten angeht. Das freut natürlich das Spielherz eines Autors. Denn nichts ist interessanter, als ein Genre anders auszulegen oder Elemente einzupflegen, die man sonst nur in anderen Literaturgattungen findet.
Da ich Elektrotechnikerin bin, habe ich auch den Drang, immer etwas Spannung einfließen zu lassen und aus diesem Grund wird mein neues Projekt wohl auch etwas Teslapunk enthalten. Der Reiz hierbei liegt für mich darin, dem Leser eine Technik nahe zu bringen, die es in der Art und Weise nicht gibt – oder vielleicht niemals geben wird.

Geisterspiegel: Sind darüber hinaus weitere Projekte in der Planung? Können Sie schon ein paar inhaltliche Hinweise geben?

Stefanie Mühlsteph: Derzeit interessiert sich ein bekannter Verlag mit gesteigertem Interesse für ein Manuskript von mir und wird es auch mit recht hoher Wahrscheinlichkeit bringen.
Soviel sei allerdings vorweg verraten, dieser Roman wird kein Kinderbuch und keine High Fantasy. Es ist Urban Dark Fantasy und etwas für Leserinnen, die Action und kleine Liebeszwists mögen.
Außerdem schreibe ich momentan an einem humoristischen Roman für einen bekannten deutschen Verlag, der personalisierbare Romane verlegt.
Ansonsten plotte ich gerne neue Ideen, doch in der nächsten Zeit wird mich nur das Steampunk-Projekt begleiten – ich schreibe ungerne parallel an mehreren Romanen.

Geisterspiegel: Gibt es noch etwas, das Sie ihren (potenziellen) Lesern gerne auf den Weg mitgeben würden?

Stefanie Mühlsteph: Über nichts in der Welt freut sich ein Autor mehr, als über Kontakt zu seinen Lesern. Als ich damals im Internet veröffentlicht hatte, war der Leserkontakt sehr intensiv. Intensiver als jetzt. Und obwohl ich über die Veröffentlichung glücklich bin – und das Gefühl, den eigenen Roman zwischen zwei Buchdeckeln in der Hand zu halten, unbeschreibbar ist -, so ist der Wehmutstropfen, nicht mehr mit den Lesern unmittelbar in Kontakt treten zu können, doch sehr groß.
Deswegen, wer mit mir in Kontakt treten möchte, der soll das ruhig tun. Ich würde mich freuen!

Geisterspiegel: Vielen Dank für das Gespräch.

Stefanie Mühlsteph: Vielen Dank für das Interesse.


Biographie- und Bildquellen:

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