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Der Welt-Detektiv Band 6

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Jacob von Molay, der letzte Templer 25

Franz Theodor Wangenheim
Jacob von Molay, der letzte Templer
Zweiter Teil
Herr und Knecht
Verlag von Joh. Fr. Hammerich, Altona, 1838

Zwölftes Kapitel

Durch die nächtliche Stille, wie man sie in Paris gewohnt war, wenn ein Tag von dem anderen scheidet, drang der heisere Gesang wilder Zecher. Ein nicht unscheinbares Haus war der Sitz der Freude. Und wie sie hier in dem dunstigen Gemach versammelt waren, von einer flackernden Ampel erhellt, so hätte man mutmaßen können, dass die vier Zecher die Zeit mit dem Genuss verdoppeln wollten, denn Zug um Zug leerte einer wie der andere den großen Becher, welchen er mit der rechten Hand stets festhielt. Die Linke ruhte an dem Griff einer riesigen Kanne, aus welcher dem Becher stets neue Nahrung zuströmte. Jeder von den vier Männern hatte eine Seite des Tisches eingenommen. Da saß denn der Prior von Montfaucon seinem Freund Nosso Dei gegenüber. Ihre Gesellschafter waren Guillaume Pisdoue und Rene Bourdon, zwei von des Königs Dienern, welche stets um ihn selbst beschäftigt waren, und seine Geheimschreiber vorstellten. Wie es mit dem Waffenschmied von Beziers ergangen war, so erging es auch hier, nur in vergrößertem Maßstab, der geistigen Überlegenheit der beiden Abtrünnigen zufolge. Von des Königs Geld wurde geschwelgt, seine köstlichsten Weine dienten nur dazu, den Prior und den Italiener in einem steten Taumel zu erhalten. Die Gesellschaft der beiden königlichen Diener war das beste Mittel, die Verräter von jedem anderen Umgang zurückzuhalten. Und so ging es denn in Saus und Braus, bis die erschöpften Lebensgeister den Dienst aufkündigten, gänzliche Trunkenheit die Säufer zu Boden warf. Dass hier zuweilen die Vorsicht aus den Augen gesetzt wurde, das war keinem Zweifel unterworfen. Manches allzu rasche Wort flog über die dienstwilligen Lippen, nur allzu treue Verkündiger der Herzensmeinung, wenn der Wein seine Herrschaft geltend macht. Heute überschritt die Lust der Trunkenbolde alle Grenzen der Vorsicht. Ihr Gesang konnte

füglich ein rohes Brüllen genannt werden. Die Worte des Liedes mussten anderen Worten weichen, entnommen aus dem Hass gegen den Orden der Tempelherren. Jeder prüfte seinen Witz an diesem Gegenstand und wusste vielleicht selbst nicht, wie große Schmach er über den Orden daherstieß. Sich selbst priesen NossoDei und der Prior als die Rächer des christlichen Glaubens, der so fürchterlich verhöhnt worden war. Zu jeder Strophe welche der eine oder der andere sang, gaben die übrigen drei den Chor ab, dessen Text aus einer Lobpreisung des Königs bestand. Nun sang der Prior:

Saufet, Brüder!
Singet Lieder!
Tempelherren sind bei Euch.
Was geblieben?
Saufen, Lieben,
von dem Tempelherrenreich.

Und der Chor hängte die Strophen daran:

Doch der Kirche bester Sohn,
rächend wahren Glaubenshohn,
schwingt die Faust zur Strafe schon.

Auf diese Weise hatte der Rundgesang schon ziemlich lange gedauert, da plötzlich erschienen zwei fremde Gestalten, unerwartet, und die Zechenden erschreckend. Sie waren der Dauphin von Auvergne und Montroyal. Der Abtrünnigen und der königlichen Diener Blicke hafteten im verschiedensten Ausdruck auf den beiden kräftigen Rittern, die mit Schwert und Dolch bewaffnet mehr als dreist nahe zu den Zechenden hingetreten waren. Der Prior war der Erste, welcher der Rede wieder mächtig wurde, und fragte trotzig: »Was führt Euch her, Ihr Ritter vom Tempel? Was untersteht Ihr Euch unsere gute Gesellschaft so zudringlich zu stören? Wie mögt Ihr Euch unterfangen, als ungeladene Gäste in ein fremdes Haus zu dringen? Ich denke, in Paris wird man vor dem Übermut des Ordens sicher sein!«

»Schweigt, Prior von Montfaucon!«, hinderte Montroyal die weiteren Worte desselben. »Das Fragen ist an uns – Ihr und Nosso Dei sollt uns Rede stehen.«

»Beim Teufel! Ihr sprecht derb!«, entgegnete der Prior, mit Mühe sich vom Sitz erhebend. »Ich soll Euch Rede stehen? Ich soll Euch Rede stehen! Bedenkt, Herr, dass wir in Paris sind, nicht in Jerusalem oder auf Zypern. Des Königs Gnade schützt …«

»Keinen Verräter.«

»Ha! Das Wort …«

»Passt für Euch! Betrüger seid Ihr, Abtrünnige des Ordens, die sich von den Früchten des Verrats mästen. Die da schwelgen von der traurigen Erkenntlichkeit eines betrogenen Königs. Wir sind nicht hierher gekommen, um zur Kurzweil Euch zu sagen, was Ihr seid; nein, nein! Der Rache des Ordens seid Ihr verfallen in dieser Mitternacht! Und folgt Ihr nicht willig hin zum Tempel, so rötet Euer verbrecherisches Blut diesen Boden!«

Montroyals Bewegung entblößte nicht sowohl sein eigenes Schwert, sondern auch das des Dauphins entflog der Scheide. Die Flamme der Ampel spiegelte sich in dem hellen Stahl, der tödlich den beiden Abtrünnigen drohte. Auf flogen die königlichen Diener, auf flog Nosso Dei, um sich weit genug vor den beiden Rittern zurückzuziehen.

Nur der Prior hielt Stand, und mit aller Kälte eines Ruchlosen setzte er Montroyal die Worte entgegen: »Meiner Treu! Das ist ein ritterliches, edles Betragen! Wehrlose überfallen in der Stunde unschuldiger Lust und Freude. Ei, sagt mir doch, Herr, welcher Meister Euch solches gelehrt hat?«

»Welcher Meister, du sündiger Hund! Dein Mund ist nicht wert, nur eine Silbe seines Namens auszusprechen, dein Ohr zu schlecht, aus meinem Mund seinen Namen zu hören. Und nun von dannen, oder ich renne dich durch und durch!«

Da reckte sich der Prior hoch und drohend empor und donnerte ihm die Worte zu: »Wage es, Tempelherr, Hand an einen Christen zu legen! Kennst du die Regel nicht? Wisse denn, dass ich mit der Kirche ausgesöhnt und Christ wieder bin, gleich Dir! Sieh doch, wie du das Schwert wieder sinken lässt. Tore seid Ihr, dass Ihr Euch Tempelherren schimpfen lasst und erbärmliche Knechte der Regel seid. Geht nach Hause, sagt Eurem Meister, mit roher Gewalt ließe sich in Frankreichs Hauptstadt nichts ausrichten. König Philipp sei Herr in Paris. Was sich zum Orden auch bekennen möge, Knechte sind sie alle, gleich uns.«

Der Dauphin folgte Montroyals Beispiel. Der unterdrückte Zorn begleitete die beiden durch die Tür, und überdies noch der höhnische Gesang:

Saufet, Brüder!
Singet Lieder!
Tempelherren sind bei Euch.
Was geblieben?
Saufen, Lieben,
von dem Tempelherrenreich.

Ende des zweiten Teils