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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Kommandant des Tower 40

Der Kommandant des Tower
Band 2
Historische Erzählung von W. Harrison Ainsworth
Verlag von Christian Ernst Kollmann, Leipzig, 1863
Drittes Buch
Der Lordgroßadmiral von England
Dreizehntes Kapitel

Wie des Admirals Leidenschaft für die Prinzessin Elisabeth wieder erwacht

Durch seine Heirat mit der Königin wuchs des Admirals Ansehen bedeutend, obwohl es Anstoß erregte, dass die Verbindung sobald nach des Königs Tod war geschlossen worden. Die Königin fand jedoch vielfach Entschädigung. Man begriff, wie elend ihr Dasein während der letzten Lebenszeit Heinrichs gewesen sein musste. Man kannte seine unerträgliche Tyrannei und konnte sie kaum tadeln, dass sie von ihrer Freiheit einen so baldigen Gebrauch gemacht hatte. Auch sprach zu ihren Gnnsten, dass sie die Anhänger des reformierten Glaubens unterstützt und sich deshalb selbst der Gefahr ausgesetzt hatte. So wurde ihr Betragen in möglichst günstigem Licht angesehen. Obwohl die Eile, des Königs Andenken zu vergessen, für den Verstorbenen eben nicht sehr schmeichelhaft war, so begriffen es doch die Lebenden. Hatte Heinrich nicht selbst das Beispiel so schleuniger Heiraten gegeben? Kein Wunder also, dass seine Witwe sich wieder verheiratete, sobald sie Gelegenheit fand.

Der Admiral fuhr in seiner großartigen Lebensweise fort. Catharina aber, die des Glanzes genug gehabt hatte, hielt sich nicht viel in Seymour House, sondern meist auf ihrem eigenen Landsitz auf. Lady Jane Grey lebte jetzt bei ihr, und sie gewann dieselbe bald so lieb, als wäre sie ihre eigene Tochter gewesen. Lady Jane erwiderte diese Zärtlichkeit. Janes Wesen sagte Catharina sehr zu. Sie war selbst fromm, den Studien ergeben und bewunderte in dieser Beziehung ihre junge Pflegebefohlene.

Der Einladung seines Oheims folgend war der junge König ein häufiger Gast in Chelsea Manour House, indem er sich entweder in seiner Barke dorthin begab oder zu Pferde in Begleitung des Admirals. Aber die häufigen Besuche beunruhigten bald den Lordprotektor und er machte denselben ein Ende.

Obwohl der Admiral dermaßen mit seinen ehrgeizigen Plänen beschäftigt war, dass kaum für einen anderen Gedanken Raum schien, und obgleich es seine Pflicht gewesen wäre, ein solches Gefühl nicht aufkommen zu lassen, so quälte ihn doch die unselige Leidenschaft für Elisabeth. Es ist wahr, er machte gewaltsame Anstrengungen, ihrer Herr zu werden, aber unabweislich drängte sich ihm der Vergleich auf zwischen ihrer jugendlichen Schönheit und den schwindenden Reizen der Königin. Catharinas ernstes und ruhiges Wesen wurde durch Elisabeths Lebhaftigkeit in den Schatten gestellt. Die goldigen Flechten der Prinzessin, die er so bewundert hatte, fesselten ihn gerade wie früher. Kurz, er fing an, sich klar zu werden, dass er die Königin niemals wirklich geliebt, dass er mit ihr sich verheiratet habe, während er die Leidenschaft für Elisabeth im Herzen trug. Es dünkte ihn, als ob die Prinzessin immer schöner würde. Ihr Auge schien glänzender, ihr Antlitz strahlender und ihre Blicke sonniger denn je.

Glücklich im Besitz des Gatten, den sie liebte, hatte Catharina längst ihre Eifersucht auf Elisabeth vergessen. Als der Admiral ihr vorschlug, die Prinzessin nach Chelsea einzuladen, ging sie bereitwillig auf den Vorschlag ein. Elisabeth kam.

Mistress Ashley begleitete sie. Wenn die Königin das Vergangene vergessen hatte, schien Elisabeth wenigstens nicht daran zu denken. In Wahrheit aber gedachte sie dessen nur zu wohl. Sie war nicht besser imstande gewesen, ihre Liebe zu dem Admiral zu beherrschen, als er seinerseits vermutete, die Leidenschaft unterdrücken zu können, die sie ihm eingeflößt hatte. Aber wenn es so mit ihrem Herzen stand, warum dann sich der Gefahr aussetzen? Ja, warum? Fragt die Motte, warum sie sich in die verzehrende Flamme stürzt!

Elisabeth war nicht mehr Herrin ihrer selbst wie das törichte Insekt. Sie redete sich ein, dass ein intimer Verkehr mit dem Admiral das beste Mittel sei, um gegen ihn gleichgültig zu werden, und so ging sie nach Chelsea.

Die Folgen eines so unklugen Schrittes blieben nicht aus. Anstatt, dass ihre Leidenschaft für den Admiral sich abkühlte, fand dieselbe nur neue Nahrung, und Seymour wurde rasender in sie verliebt, als er je gewesen war. Bei dem häufigen Verkehr war es unmöglich, dass ihre beiderseitigen Gefühle ihnen verborgen bleiben konnten. Wieder wie in vergangenen Tagen, als noch keine heiligen Bande ihn fesselten, fing der Admiral an, Liebesworte zu der Prinzessin zu reden, und das Unrecht vergessend, was sie damit einer anderen antat, lieh Elisabeth ihm Gehör.

Catharina sah nicht, was um sie vorging, sah nicht, dass sie ihr eigenes Glück untergraben ließ, und förderte unbewusst seine gefährliche Vertraulichkeit, dass sie in den Aufmerksamkeiten, die ihr Gemahl der Prinzessin erwies, nichts Übles sah.

Aber wenn die Königin selbst blind arglos war, so gab es doch andere, die besser sahen, wie die Sachen standen. Unter diesen war Ugo Harrington, der es wagte, seinem Herrn über die gefährliche Leidenschaft, der er sich hingab, Vor­stellungen zu machen. Er meinte, wenn der Liebesgeschichte kein Ende gesetzt werde, so müsse die Königin dieselbe entdecken, und die unseligsten Folgen würden daraus entstehen.

»Ich wollte, ich könnte ungeschehen machen, was ich tat, Ugo!«, rief der Admiral aus. »O, dass ich noch einmal frei wäre! Auf deinen Rat heiratete ich so rasch die Königin. Narr, der ich war, dass ich darauf hörte!«

»Dennoch war der Rat gut, und ich will ihn vertreten«, antwortete Ugo. »Eure Hoheit steht weit besser, wenn Ihr die Prinzessin geheiratet hättet. Die Königin hat Euch Reichtum, Macht und eine Stellung gegeben, die Prinzessin würde Euch wenig mehr als ihre persönlichen Reize zugebracht haben. Nein, sie hätte sogar Euren Sturz veranlassen können.«

»Aber ich liebe sie so rasend, dass ich fast meine Seele verpfänden würde, um sie zu gewinnen«, entgegnete Seymour. »Sie beherrscht all meine Gedanken und verdrängt all meine Pläne. Wohin ich mich wende, ihr Bild steht vor mir. Meine Liebe zu ihr macht mir Catharina verhasst.«

»Ihre Majestät könnte wohl andere Gefühle in Eurer Brust wecken. Sie ist eine gute und liebevolle Frau.«

»Ich sage kein Wort gegen sie, aber sie steht meinem Glück im Wege, und darum wünsche ich sie beseitigt.«

»Beseitigt!«, erwiderte Ugo, »dahin ist es schon gekommen! Kaum sechs Monate verheiratet und Ihr wünscht frei zu sein! Ihr seid Eurer Gemahlin ebenso bald müde geworden, wie König Heinrich der seinen, aber er hatte Mittel, ihrer loszuwerden, die Eure Hoheit schwerlich anzuwenden imstande ist. Deshalb müsst Ihr Euch den Umständen fügen und Eure Ketten so leicht tragen, wie Ihr könnt. Ich muss mir die Freiheit nehmen, Euch zu sagen, dass Ihr der Prinzessin viel zu viel Macht über Euch einräumt. Ihr seid zu viel in ihrer Gesellschaft. Gebt Euch Euren Geschäften wieder mit der früheren Energie hin. Zerreißt diese seidenen Fäden, die Euch umschlingen, und seid wieder Ihr selbst!« »Du hast recht, Ugo!«, rief der Admiral. »Ich bin verzaubert. Das einzige Rettungsmittel ist, die Zaubererin zu entfliehen. Aber es wird eine furchtbare Anstrengung kosten.«

»Es koste, was es wolle, die Anstrengung muss gemacht werden. Tröstet Euch mit dem Gedanken, dass späterhin eine Zeit kommen mag, wo Ihr die Prinzessin heiraten könnt. Ein unvorhergesehenes Ereignis kann eintreten – die Königin kann plötzlich dahingerafft werden. In Italien machen es unsere Fürsten anders als der verstorbene König. Sie führen ihren Streich nicht mit der Axt, aber der ihre ist nicht minder sicher und wird geheimer geführt.«

»Ich verstehe deine dunkle Andeutung«, sprach der Admiral, »aber ich will mit deinen italienischen Bräuchen nichts zu tun haben.«

»Nein, Mylord, ich will Euch auch kein Gift anraten, aber wenn Ihr des Wartens müde werdet …«

»Kein Wort mehr davon!«, unterbrach ihn Seymour streng, »oder du hast meine Gunst verwirkt!«

»Ich bitte Eure Hoheit, mir zu verzeihen, wenn ich Euch beleidigt habe, und es meiner Ergebenheit anzurechnen.« »Geh!«, rief Seymour heftig. Du hast die Furien in meiner Brust geweckt. Ich will allein sein!«

Schweigend verbeugte sich Ugo und ging. Aber indem er zur Tür hinaustrat, warf er einen Blick auf den Admiral und sah, wie er sich in einen Sessel warf und das Gesicht mit beiden Händen bedeckte.

»Trotz seines angeblichen Abscheues vor der Tat wird er sie dennoch begehen«, murmelte er.