Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Ein Kaiser als Mönch im Kloster zu Prüm

Vom frischen Quell
Sagen, Legenden und Geschichten aus der Eifel
Jung und Alt in neuer Fassung dargeboten von Rektor Jos. Schiffels
Verlag Georg Fischer. Wittlich. 1912
Erstes Bändchen

Ein Kaiser als Mönch im Kloster zu Prüm

Es war im Jahre 855 an einem trüben Septemberabend. Stille und Dunkelheit herrschten ringsum. Zwei verhüllte Reitergestalten kommen in langsamem Ritt daher. Vor der verschlossenen Pforte des Klosters zu Prüm, das in stillem Frieden dalag, machen sie Halt. Ungeduldig pochen sie, Einlass begehrend, an das Tor.

Wer mag zu solch später Stunde noch die Stille dieses Hauses stören wollen?, denkt der aufgeschreckte Pförtner und geht, seines Amtes zu walten. Er fragt die ihm unbekannten Fremden, wie es Brauch und Pflicht ist, nach Namen und Begehr. Die erwartete Auskunft wird ihm nicht gegeben.

»Führe mich unverzüglich zu dem Abt. Dem allein will ich mich offenbaren und Rede stehen über das, was mich hierher treibt.« So spricht mit gedämpfter Stimme der Ältere der beiden Reiter. Der Pförtner zögert zunächst, diesem auffälligen Ansinnen zu entsprechen. Sein Auge erblickt das blitzende Schwert des jüngeren Besuchers, das dieser drohend ergreift. Das schüchtert den Pförtner ein, und dieser geleitet die ungestüm drängenden Gäste durch die weiten Hallen des Klosters zur Wohnung des Abtes. In gebeugter Haltung tritt der Ältere in dessen Gemach ein, während der Jüngere mit dem Pförtner zurückkehrt. Der Abt ist nicht wenig überrascht, als er den späten Eindringling sieht, der ihm anfangs unkenntlich war. Der Besucher legt seinen Mantel ab, und vor Überraschung und Schrecken ruft der ehrerbietig zurückgewichene Abt: »Der Kaiser!« Dieser bestätigt durch leichtes Nicken mit dem Kopf die Annahme des Abtes.

»Verstoßt mich nicht«, so hob der Kaiser an, »und lasst mich hier endlich die Ruhe und den Frieden finden, die mich bisher beharrlich geflohen. Mit schwerer Schuld ist meine Seele beladen. Die Geister jener Opfer, die meine Regierung gefordert hat, verfolgen mich unablässig als ungerufene Ankläger. Ich habe deshalb die Krone niedergelegt, um hier nach einem wechselvollen Leben meine Schuld zu sühnen und mein Gewissen zu beruhigen. Daher bitte ich demütig um Aufnahme in Euer friedliches Kloster, in dem mein zerrissenes Herz hoffentlich auch wieder gesundet und Frieden findet.«

Tränen stürzen dem flehenden Kaiser aus den Augen, und reuevoll wirft er sich dem Abt zu Füßen. Dieser tröstet ihn liebevoll und weist hin auf die Barmherzigkeit Gottes, die jedem Sünder Verzeihung verheißt, der ernstlich Buße tut. Von Neuem bat der etwas beruhigte Kaiser: »Nehmt mich auf unter die Zahl Eurer Mönche. Ihnen will ich gleich sein im Gebets- und Bußeifer und dem Dienst Gottes den Rest meines Lebens weihen. Versagt mir nicht den Aufenthalt an dieser geweihten, friedenbringenden Stätte!«

Solch innigem Bitten kann der Abt nicht entgegen sein, und er erfüllt des Kaisers heißen Wunsch. Der jüngere Begleiter nimmt vom Kaiser wehmütig Abschied, und bald trägt dieser das Kleid des heiligen Benediktus.

So erzählt die Sage.

Lothar, ein Enkel Karls des Großen, hatte seinen Vater Ludwig den Frommen gefangen genommen und zur Abdankung genötigt, auch mit seinen Brüdern lange Zeit Krieg geführt, und es ist erklärlich, dass er nach einem Leben voller Wirrnisse und Kämpfe sich, an Leib und Seele leidend, nach Ruhe und Frieden sehnte, die er in einem Kloster zu erlangen hoffte. Gleich seinen Vorgängern machte er dem Kloster Prüm reiche Schenkungen und brachte auch kostbare Kirchengeräte und viele Reliquien dahin mit. Aber schon nach sechs Tagen starb er eines erbaulichen Todes und wurde im Chor der alten Kirche beigesetzt.

Seit 1874 ruhen seine Gebeine an der Epistelseite des Hochaltars der 1721 neu erbauten Kirche unter einem würdigen Grabdenkmal aus Marmor. Die Grabschrift, die ihm sein ehemaliger Lehrer, der Erzbischof Rhabanus Maurus von Mainz, gesetzt haben soll, lautet in deutscher Übersetzung also: »Diese Grabstätte umschließt die Gebeine des ruhmeswerten Kaisers Lothar, des mächtigen und frommen Fürsten, der einst über Franken, Italiener und Römer geherrscht hat. Aber allem hat er entsagt und ist als Armer von hier geschieden. Sechzig Jahre hat er erreicht, bis er als Mönch sich bekehrt hat und hier eines guten Todes gestorben ist.«