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Der Kommandant des Tower 32

Der Kommandant des Tower
Band 2
Historische Erzählung von W. Harrison Ainsworth
Verlag von Christian Ernst Kollmann, Leipzig, 1863
Drittes Buch
Der Lordgroßadmiral von England
Fünftes Kapitel

Wie König Edward vom Tower zum Palast von Whitehall ritt

Edwards Krönung war auf den Sonntag vor Fastnacht an­gesetzt und sollte mit großem Pomp vollzogen werden. Jedoch sollten verschiedene Observanzen und Förmlichkeiten un­terbleiben, weil – wie eine Order des Conseils angab – die ermüdende Dauer derselben den König angreifen und vielleicht Seiner Majestät bei noch so zartem Alter nachtei­lig sein würden. Ebenso seien manche Einzelheiten der Krönungsfeierlichkeiten der Art, dass die augenblicklichen Gesetze des Königreichs sie nicht gestatten.

Diese Veränderungen und Auslassungen, die sich hauptsächlich auf die Suprematie des Papstes bezogen, waren von Cranmer beantragt und vom Lordkanzler, Tunstal, Bischof von Durham, den Grafen von Arundel und St.-John und anderen Anhängern der römischen Kirche im Conseil leb­haft bestritten, aber nach vielen Beratungen und Diskussionen eventuell zugegeben worden. Verschiedene Abweichungen waren in der Tat unerlässlich, da Edward der erste Monarch war, dem die Krone nach Abschaffung der päpstlichen Obergewalt überliefert wurde.

Edwards außerordentliche Jugend verlieh dem Schau­spiel noch ein besonderes Interesse sowie auch der Umstand, dass er der erste protestantische Monarch war, der gekrönt wurde. Letzteres führte zu vielen Diskussionen mit denjenigen, die andersgläubig waren, und die vorgeschlagenen Neuerungen wurden auf das Lebhafteste besprochen.

Ein Akt der Gnade sollte die neue Regierung eröffnen. Deshalb wurde eine allgemeine Amnestie erlassen, von der jedoch zwei hervorragende Persönlichkeiten, der Herzog von Norfolk und Kardinal Pole sowie einige andere von gerin­gerem Ansehen wie Edward Courtenay, Graf von Devonshire, Thomas Pate, Archidiaconus von Lincoln, und zwei Edelleute, namens Fortescue und Throckmorton, sämtlich unter der vorigen Regierung des Hochverrats angeklagt, aus­geschlossen wurden. Der Lordprotektor hatte Grund, die Freilassung des Herzogs von Norfolk, Cranmer die des Kardinals Pole zu hintertreiben.

Da Edwards Absicht, sich am Tag vor der Krönung zum Palast Whitehall zu begeben, bekannt geworden war, trafen die Bürger Londons große Vorbereitungen, um ihn bei seinem Zug durch die Stadt festlich zu begrüßen. Glücklicherweise war das Wetter günstig. Der Tag wurde als Feiertag betrachtet und mit freudigem Glockengeläut und Kanonendonner begrüßt.

Im Tower wurde frühzeitig das Zeichen gegeben, sich bereitzuhalten, und die Ehrenwache mit den Bogenschützen und Arkebudierern, welche den König begleiten sollten, standen auf dem Rasen gegenüber des Palastes. Unter den Ersten, die aufbrachen, war die Königin Catharina, welche mit ihren Damen sich zu Wasser nach Whitehall begab. Die Herzogin von Somerset, die Marquise von Dorset und an­dere folgten auf demselben Wege.

Genau um die Mittagsstunde brach Edward auf. Als er aus dem Portal des Palastes trat, wurden die Kanonen des White Tower abgefeuert. Seinen milchweißen Zelter schmückte eine Decke von Golddamast mit Hermelinbesatz. Seine eigene Kleidung war nicht minder prächtig. Er hatte die Trauer abgelegt und trug jetzt ein Kleid von karmoisinrotem Samt mit Hermelin verziert, eine Jacke mit aufliegenden Goldblumen, ein Brustschild mit vielen Diamanten, Smarag­den, Rubinen und Perlen und eine ebenso besetzte Goldkette um seine Schultern. Die weiße Feder des Hutes wurde durch eine Agraffe vou Diamanten festgehalten. Ein Thron­himmel von Goldstoff, den vier in Scharlach gekleidete Barone trugen, erhöhte die Pracht des Aufzuges.

Eine Wache schritt vorauf, um Bahn zu machen, dann setzte sich die königliche Kavalkade in Bewegung. An der Spitze ritt der Herzog von Somerset, gekleidet in Goldstoff, den Hosenbandorden um die Schulter. Der Putz seines Pferdes war von hochrotem Samt, der in eigentümlicher Weise mit Gold und Silber durchwebt war. Dem Herzog folgten die neun Ehrenknaben. Sie waren in blauen, mit goldenen Lilien übersäten Samt gekleidet und trugen goldene Ketten um den Hals. Ihre Pferde waren reich aufgezäumt und jedes trug den Namen einer der Besitzungen des Königs, wie Frankreich, Guyenne, Normandie, Anjou, Wales, Cornwall und Irland, auf der Satteldecke.

Dann kam der Marquis von Dorset, der bei dieser Ge­legenheit zum Generalissimus von England ernannt worden war und das Schwert trug. Er ritt einen großen, prächtig aufgeputzten Renner. Zu seiner Rechten, aber ein wenig hinter ihm, ritt der Graf von Warwick, jetzt Lordkämmerer, zeitweilig aber anstelle des Herzogs von Somerset als Graf­marschall fungierend.

Dann folgte der König auf seinem Zelter unter dem Thronhimmel, der schon beschrieben worden ist.

Hinter dem König ritt der Stallmeister Sir Anthony Brown, reich im Goldstoff gekleidet. Er führte des Königs gesatteltes und prächtig geschirrtes Reservepferd.

Darauf folgte der Lordgroßadmiral Lord Seymour von Sudley, strahlend von Gold, Samt und Edelsteinen. Sein Pferd funkelte von Silber und war mit goldenen Fransen geschmückt. Ohne alle Frage war Lord Seymour die präch­tigste Erscheinung des ganzen Zuges und erregte allgemeine Aufmerksamkeit.

Dann kam eine lange Reihe von Edelleuten, Rittern, Knappen und Dienern; alle wohl beritten und prächtig gekleidet in Gold-, Silber- und Samtstoffen. Eine Abteilung Arkebusiere bildete den Nachtrab. Bei Letzteren befanden sich die drei Riesenwächter.

Zu seinem unendlichen Entzücken hatte Xit die Erlaubnis erhalten, an dem Zug teilzunehmen. Er ritt ein Pony, etwa so groß wie Paulets Pferd, womit er so entsetzliches Unglück gehabt hatte. Das kleine Tier war genau wie ein großes Pferd geschirrt und passte ganz vortresslich zu seinem Reiter, der voller Kniffe und Pfiffe war. Xit war unter denjenigen Dienern, denen es oblag, die Ordnung des Zuges aufrechtzuerhalten. Er war überall, und die Art, wie er sich ein Ansehen zu geben versuchte, erregte allgemeine Heiterkeit.

Am Tor des Byward Tower machte Edward einen Augenblick Halt und richtete einige gnädige Worte an Sir John Gage, Sir John Markham und andere Beamte der Festung, welche daselbst in Reih und Glied standen.

»Wir danken Euch von Herzen, getreuer Kommandant,« sprach er, »und Euch, geehrter Lieutenant, sowie auch Euch, meine Herren, für die Aufmerksamkeiten, die Ihr Uns wäh­rend Unseres Aufenthaltes im Tower erwiesen habt. Euch, Sir John, sagen Wir nicht Lebewohl, da Ihr Uns nach Whitehall begleiten werdet. Aber von Euch, Sir John Markham, und von Euch, meine Herren, nehmen wir hiermit auf einige Zeit Abschied und lassen die Festung unter Eurer Obhut.«

Darauf erwiderte er anmutig die Verbeugungen der Herren und ritt weiter, während Sir John Gage ein reich geschirrtes Pferd, welches ein Knappe für ihn bereithielt, bestieg und seinen Platz im Zug an Lord Seymours Seite einnahm.

Indem Edward seine Blicke umherschweifen ließ, bemerkte er plötzlich unter der Menge das abschreckende und nnheil­verkündende Gesicht Maugers, und mit einer unwillkürlichen Gebärde des Entsetzens wandte er sich augenblicklich ab. Die Bewegung war so auffallend nnd deren Ursache so zweifellos, dass einige der hier aufgestellten Gardisten lachten und einer derselben zu dem Scharfrichter sagte: »Dein Anblick gefällt Seiner Majestät nicht, Gevatter.«

»Ich kann nichts dafür,« entgegnete Mauger grämlich. »Ich kann mein Gesicht ihm zu Gefallen nicht ändern. Aber wenn er sich auch jetzt voll Abscheu von mir abwendet, so wird er doch später meine Hilfe in Anspruch nehmen. Zwei der Stolzesten von denjenigen, die gerade vorbeigeritten sind, werden eines Tages Towerhill besteigen, und zwar in einem ganz anderen Aufzug, als worin sie heute paradierten.«

»Hör auf mit deinem Krächzen, dn Unglücksrabe!«, rief der Gardist bei seinen Worten schaudernd aus.

»Da geht ein Dritter!«, rief Mauger, ohne sich um die Bemerkung des anderen zu kümmern.

»Was! Das ist der Lordgroßadmiral von England, Seiner Majesiät Lieblingsonkel!«, entgegnete sein Gefährte.

»Was will das heißen? Größere als er haben den Tod durchs Beil erlitten. Ich sage dir, er wird auf Tower­hill sterben. Wenn du lange genug lebst, so wirst du sehen, wie meine Worte in Erfüllung gehen.«

Ohne eine finstere Ahnung in Betreff seiner Zukunft, im Gegenteil, voll stolzer und ehrgeiziger Hoffnungen, ritt Seymour an der Seite des Kommandanten. Sein heiteres Aussehen, sein freundliches Wesen und prachtvoller Anzug kontrastierte seltsam mit der ernsten Haltung und dem strengen Antlitz des anderen.

Auf den Festungsmauern und den großen Schiffen, die im Fluss vor Anker lagen, wurden, als der König aus dem äußeren Tor trat, die Kanonen gelöst, und die versammelte Menge ließ ein betäubendes Jubelgeschrei ertönen. In allen Straßen, durch welche der Zug sich bewegte, waren Ketten gezogen, um das Andrängen der Menschen zu verhindern. Die Erde war mit Saud bestreut, damit die Pferde nicht ausglitten. Auf den öffentlichen Plätzen waren förmliche Schranken errichtet.

Nachdem die Kavalkade die Tower Street entlang geritten war, bog sie zur Rechten in die Gracechurch Street ein und er­reichte dann durch die Lombard Street Cornhill. Die Häuser waren ebenso wie bei Edwards erstem Einzug in die Hauptstadt mit Teppichen und dergleichen behangen. Besonders in der Lombard Street, wo fast lauter reiche Goldschmiede wohnten, war eine große Pracht an Gold-, Silber- und anderen Stoffen entfaltet.

Für die verschiedenen städtischen Zünfte waren Tribünen errichtet. Die Führer und Festordner trugen Uniform. Die meisten Zünfte hatte Sänger bei sich. Am Besten nahm sich aber die Goldschiede-Innung aus, denn sie hatte eine Schar schöner, junger, weiß gekleideter Mädchen, die silberne Zweige mit brennenden Wachskerzen trugen, vorn auf ihrer Tribüne aufgestellt. Auch führte diese Zunft ein Schauspiel auf, welches den jungen Monarchen höchlich zu ergötzen schien.

Es war nämlich Folgendes: Auf einer Plattform, die an die eben genannte Tribüne stieß, saß St. Dunstan, der Schutzpatron der Zunft, gekleidet in ein Gewand von weißer feiner Leinwand, über welchem ein Überwurf von schimmern­dem Goldgewebe bis auf die Erde herabfiel. Auf seinen weißen Locken trug der Heilige eine goldene, mit Topasen, Rubinen, Smaragden, Amethysten und Saphiren besetzte Mitra. In der Linken hielt er ein goldenes Kreuz, in der Rechten eine große, ebenfalls goldene Goldschmiedezange. Dem Platz gegenüber, wo St.-Dunstan saß, befand sich eine Schmiede, woselbst ein Geselle mit einem gewaltigen Blasebalg arbeitete. Daneben hämmerten andere Silbergeschirr auf dem Amboss, während eine dritte Abteilung mit dem Schmieden goldener und silberner Geräte beschäftigt war. Im Hintergrund befanden sich ein offener Schanktisch voll glänzender Becher und Gefäße und daneben ein Gestell, worauf Klumpen edlen Metalls aufgetürmt lagen. Dann waren da Metallgießer und Modellierer und endlich Beelzebub selbst, der, nachdem er mit den Gesellen einige ergötzliche Späße getrieben hatte, von St. Dunstan mit seiner goldenen Zange bei der Nase gepackt und einige Zeit festgehalten wurde, wobei Beelzebub gewaltig brüllte.

Aber das war nicht das einzige Schauspiel, welches man zum Amüsement des jungen Königs bereitet hatte.

In Cheapside, nicht weit von dem Kreuz, wo der Lord Mayor und die Aldermen standen, um ihre loyalen Gesinnungen und ihre Ergebenheit an den Tag zu legen, befand sich ein gol­dener Berg und darauf ein Baum, mit Früchten bedeckt, etwa so, wie die Poeten den Baum der Hesperiden schildern. Als Edward sich näherte, tat sich dieser goldene, auf einer hohen Bühne errichtete Berg auf und eine sylphenartige, in dünne Gazestoff gehüllte Gestalt, in Begleitung vieler kleinerer, fantastisch aufgeputzter Geister, kam heraus. Die Elfen führten einen heiteren Tanz auf der Bühne auf und verschwanden dann mit ihrer Königin wieder in dem Berg, der sich über ihnen schloss.

Und so gab es noch mehr spaßhafte und seltsame Dinge, aber wir können nicht so lange bei ihnen verweilen, um sie einzeln zu schildern. Die Menge war in heiterer Stimmnng, denn durch die Herolde waren reichliche Geschenke ausgeteilt worden. Wer Lust hatte, konnte auf des Königs Gesundheit trinken, denn aus den Wasserröhren strömte Wein statt Wasser. Enthusiastische Lebehochs begleiteten den jungen Monarchen auf seinem Zug und Segenswünsche strömten auf sein Haupt hernieder.

Endlich, nach wiederholtem Aufenthalt, näherte die Kavalkade sich der St.-Paulskirche, in damaliger Zeit ein edles gotisches Gebäude, womit die moderne Kathedrale durchaus nicht verglichen werden kann. Abgesehen von seiner Größe und Schönheit besaß der alte Dom den höchsten Turm in ganz Europa. Derselbe war vom Erdboden an fünfhundertundzwanzig Fuß und vom Dach an zweihndertundsechszig Fuß hoch. Der obere Teil war aus Holz aufgeführt und wurde später unter Elisabeths Regierung vom Feuer zerstört. Von der Höhe dieses Turmes erklangen jetzt Töne, die man wohl seraphische nennen durfte. Der wohlgeschulte Domherr hatte sich dorthin begeben, und die Töne des Gesanges schwebten hernieder zum Entzücken aller Hörer.

Als der Gesang beendet war, wurde das große Tor der Kirche geöffnet, man vernahm die tiefen Klänge der Orgeln und hervor trat der Bischof von London im vollen Ornat, um dem König Weihrauch darzubringen. Ihm voran wurde das Kreuz getragen, und hinter ihm kamen der Dechant, die Canonici und Kaplane mit Chorrock und Stola.

Nachdem die Räucherzeremonie vorbei war, kam eine Szene ganz anderer Art. Wir haben noch nicht gesagt, dass von den Zinnen des hohen Turmes bis an die Mauer des Dekanats ein Seil gespannt war. Als nun Edward, entzückt von der himmlischen Musik, die er vernommen hatte, aufwärts blickte, als ob er noch mehr dergleichen zu hören erwartete, sah er, wie ein Mann den schwindelerregenden Turmrand betrat, in jeder Hand ein seidenes Fähnchen haltend, womit er der Versammlung unten zuwinkte. Die Erscheinung dieses Menschen in solcher Höhe glich den grotesken Steinfiguren des Gebäudes und wurde von den Zuschauern mit lautem Jubelgeschrei begrüßt.

In diesem Augenblicke schrie Xit, dem es gelungen war, sich bis zum König durchzuarbeiten: »Es ist Pacolet, Sire, ich erkenne ihn selbst in dieser Entfernung.«

Gerade als diese Worte gesprochen wurden, warf sich der Seiltänzer – denn er war es – mit der Brust auf das Tau. Indem er die Hände mit beiden Fahnen aus­streckte, schoss er blitzschnell herunter, erreichte aber glücklich den Boden. Die Geschwindigkeit dieser Fahrt versetzte den Zuschauern den Atem. Aber kaum war Pacolet auf sicherem Grund, als ein gewaltiger Beifallssturm losbrach. Dieser steigerte sich noch, als der Seiltänzer, trotz seiner eben über­standenen gefährlichen Heldentat, gewandt am Seil wieder hinaufkletterte, und nachdem er eine seiner Absicht ent­sprechende Höhe erreicht hatte, verschiedene, gewagt anssehende Kunststücke zum Besten gab. Von all den Tausend Zuschauern war aber vielleicht keiner mehr entzückt als Xit. Er kreischte vor Freuden wie ein Kind, und sein Jubel war vollständig, als der König ihn anwies, dafür Sorge zu tra­gen, dass dem kühnen Seiltänzer ein Dutzend Mark Silber ausbezahlt wurden.

Die Kavalkade zog nun weiter. In Ludgate aber wurde wieder ein kurzer Halt gemacht, denn hier gab es eine neue Vorstellung.

Von diesem Teil der älteren Stadtwälle aus gesehen, bot die Prozession einen wundervollen Anblick, indem sie erst von der St. Paulskirche herankam und dann sich Ludgate Hill heraufbewegte. Man sah, wie die lange Reihe prächtig gekleideter Reiter über die schmale Brücke ritt und dann langsam die Fleet Street heraufkam. Auch in anderer Hinsicht war die Aussicht von hier aus überraschend. Wenn man westwärts schaute, so erhob sich die herrliche Kathedrale in ihrer ganzen Größe. Näher, am Fuß des majestätischen Turmes, St. Pauls Cross, wo jetzt beständig Messen gelesen wurden.

Wandte man sich nach der entgegengesetzten Richtung, so sah man auf den damals stark geneigten Ab­hang von Ludgate Hill und den offenen bewässerten Grund; darüber hinaus in die engen, aber malerischen Straßen, fast bis Temple Bar.

In diesem Viertel lagen einige der ältesten und seltsamsten Häuser der Hauptstadt. Die Straßen waren eng, die Häuser hoch, mit spitzen Dächern und geschnitzten Gie­beln. Jedes Stockwerk ragte über das andere hinaus, sodass die Bewohner des obersten sich mit ihren gegenüberwohnenden Nachbarn die Hände schütteln konnten. Aber trotz dieser und vieler anderer Einwendungen, die mit Recht gegen jenen alten Baustil erhoben werden können, gewährten diese Häuser doch ohne Zweifel einen höchst malerischen Anblick, und ein Künstler würde das London des sechszehnten Jahrhunderts gewiss dem heutigen vorziehen.

Die prächtige Kavalkade kam nun Ludgate Hill mit seinen zum Himmel emporstrebenden und sich oben fast be­rührenden Häusern – wie wir bereits beschrieben haben – herunter und bewegte sich über die Fleet Bridge, während das Ufer auf beiden Seiten dicht gedrängt voller Menschen stand.

Hier war die Szene wiederum überraschend und male­risch. Das alte London zeigte sich von höchst vorteilhafter Seite. An den Ufern der Themse, zur Linken, stand der alte Palast von Bridewell. Zur Rechten, inmitten zierlicher, alter Gebäude, stand das große und düstere Gefängnis, das seinen Namen von dem kleinen Fluss entlehnte, der seine Mauern bespülte.

Bei Temple Bar verabschiedeten sich der Lord Mayor und die Aldermen, die den Zug von Cheapside aus begleitet hatten, und die Kavalkade zog etwas schnelleren Schrittes weiter.

Überall begrüßten neue Menschenhaufen den jungen Fürsten in ebenso herzlicher und enthusiastischer Weise, wie ihn die Hauptstadt begrüßt hatte. Obwohl die Häuser nicht so reich geschmückt waren wie die der reichen Londoner Goldschmiede, fehlten die Dekorationen auch hier nicht – und der Teppiche und bunten Fahnen gab es genug.

So erreichte der junge König Charing Cross, und in­dem er durch das schöne Tor von Whitehall ritt, welches damals eben erst erbaut worden war, stieg er gleich darauf vor dem Haupteingang des Palastes ab.

Etwas ermüdet von dem Ritt, der infolge des mehrmalingen Anhaltens ungefähr vier Stunden gedauert hatte, und darauf bedacht, seine Kräfte für den folgenden Tag aufzusparen, ging Edward in sein Gemach und erschien an diesem Tag nicht wieder vor der Menge.