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Der Welt-Detektiv Band 6

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Atlantis Teil 6

Klaus Tredrup hatte seinen Besucher zu spät darauf aufmerksam gemacht, dass die Wände jener Wellblechbaracke kaum zwei Millimeter stark waren. Die Agenten und Spione des Kaisers arbeiteten schnell und sicher …

Ein Adjutant rief Guy Rouse zu einer sofortigen Audienz ins Schloss.

Ohne alle Umschweife ging Augustus Salvator auf sein Ziel los.

»Mr. Rouse, ich weiß, dass Herr Uhlenkort, der hamburgische Großkaufmann, im Begriff steht, von hier nach Kapstadt zu fliegen, um sich mit dem Präsidenten der Südafrikanischen Union zu besprechen. Er hat sich hier dreimal vierundzwanzig Stunden aufgehalten. Der Zweck seines Aufenthalts ist nicht ganz durchsichtig.«

»Ich glaube zu verstehen. Euer Majestät wünschen diese Reise nicht. Wünschen, dass Herr Uhlenkort; …«

»Nein, Mr. Rouse. Sie missverstehen mich. Das nicht! Aber es interessiert mich außerordentlich, was Herr Uhlenkort mit dem Präsidenten zu besprechen hat. Bisher sind meine Agenten leider noch nicht dazu gelangt, in das Vorzimmer des Präsidenten zu kommen …«

»Euer Majestät, ich erlaube mir zu sagen, dass ich in dieser Beziehung glücklicher war. Meine Agenten sind tatsächlich schon drin.«

»Ich bewundere Sie, Mr. Rouse. Sie sind … es ist außerordentlich … ich würde Sie …«

»Aber selbstverständlich, Euer Majestät. Es wäre unter allen Umständen meine Pflicht gewesen bei den Interessen, die Afrika und Amerika verbinden. Ich garantiere Euer Majestät genauen Bericht, sofort, nachdem die Unterredung stattgefunden hat.«

»Ich danke Ihnen, Mr. Rouse.«

 

*

 

Kurz vor ein Uhr Mittag betrat Walter Uhlenkort in Begleitung Tredrups den großen Flughafen von Mineapolis. Der Verkehr war hier infolge der Festtage in fieberhaftem Gange. In schneller Folge verließen die großen Düsenmaschinen auf die Minute fahrplanmäßig den Platz nach allen Richtungen der Windrose.

Uhlenkort spürte, wie Klaus Tredrup ihn hinter die Deckung einer großen Fahrplantafel zog und gleichzeitig auf einen soeben angekommenen Kraftwagen deutete.

Guy Rouse entstieg diesem Wagen. Uhlenkort sah, wie er zu einer Person im Innern des Wagens sprach … lange und eindringlich sprach, sich dann verabschiedete und das große Amerikaflugzeug bestieg.

Mit geballten Fäusten, verzerrtem Gesicht starrte Tredrup Rouse nach. Nur bruchstückweise klangen die Worte, die sich durch die zusammengepressten Zähne ins Freie rangen, an Uhlenkorts Ohr.

Das Amerikaflugzeug startete.

»Unsere Rechnung ist noch nicht beglichen, Mr. Rouse! Eines Tages wird sie ins Reine gebracht werden, so wahr ich Klaus Tredrup heiße. Nur den einen Wunsch hätte ich, dabei zu sein, wenn das Schicksal über dich kommt … Aber gehen wir jetzt, Herr Uhlenkort, dort drüben wartet bereits unsere Maschine, gehen wir an Bord.«

Nach einer knappen Viertelstunde befanden sich die beiden Hamburger bereits in voller Südfahrt. Das Flugzeug schoss in bedeutender Höhe über die endlosen Baumwollfelder dahin, welche die Bewässerungstechniker des Kaisers Augustus Salvator hier vor zehn Jahren entstehen ließen. Hervorzauberten aus einer Steppe, die bis dahin nicht einmal eine notdürftige Weide bot.

Uhlenkort und Tredrup betrachteten eine geraume Weile von ihren Sitzen aus das Baumwollfeld tief unter sich.

Uhlenkort brach das Schweigen.

»Augustus Salvator ist ein Herrscher mit großen Zielen. Diese Fruchtbarmachung hier … das Karbidlager heute Früh … es ist erstaunlich!«

»Er denkt und plant auf Jahrzehnte voraus, Herr Uhlenkort. Sahen Sie – Sie haben es wahrscheinlich nicht gesehen – diese immensen Rohranlagen vom Tschadsee nach allen Richtungen hin? Er hat schon genau disponiert, wie er die riesigen Energiemengen nutzen wird, die er hier aus dem Karbid gewinnen kann. Bewässerungsanlagen, die den letzten Fleck der Sahara, soweit sie innerhalb der Grenzen seines Reiches liegt, in blühendes Gefilde verwandeln sollen.«

»Und dann, sobald das geschehen ist, wird er die Grenzen dieses Riesenreiches wieder um ein Stück vorschieben.«

»Vielleicht, Herr Uhlenkort. Augustus Salvator ist jedenfalls ein Mann, dem man – mag man sonst zu ihm stehen, wie man will – die Bewunderung nicht versagen kann. Ein genialer Kopf! Ich sage nicht zu viel. In den Jahren, die ich hier weilte, hatte ich Gelegenheit genug, ihn und sein Werk kennenzulernen, zu verstehen. Das Schlagwort vom Schwarzen Napoleon stimmt nicht, nicht ganz. Die Schattenseiten des Korsen fehlen. Mag sein, dass er auch aus dessen Geschichte gelernt hat. Ein Waterloo wird ihm nicht erblühen. Während der Bauarbeiten war es mir mehrfach vergönnt, mit ihm zu sprechen. Mit jeder Unterredung wurde meine Achtung vor seiner Persönlichkeit höher. Ein seltener Mensch, ein Mann, wie ihn die Weltgeschichte nur selten hervorbringt.

Dagegen dieser Rouse!

Das Gegenteil in allem! Wenn auch seine Macht heute vielleicht ebenso groß ist … ein Pirat, ein Freibeuter, der über Leichen geht, Leichen an seinem Weg hinter sich lässt.«

»Sie sind nicht gut auf Rouse zu sprechen, Herr Tredrup, begreiflicherweise. Immerhin, auch der bleibt ein Mann von übernormalen Ausmaßen.«

»Mag sein, Herr Uhlenkort. Es gibt auch überlebensgroße Schufte. Wie hat der Mensch es fertiggebracht, sich in wenigen Jahren vom einfachen Angestellten zum Präsidenten der New Canal Cy. zu entwickeln?«

»Durch seine Tüchtigkeit, Herr Tredrup.«

»Tüchtigkeit … Tüchtigkeit? Na ja, was man in Wall Street Tüchtigkeit nennt. In dem Sinne war er allerdings riesig tüchtig. Was hat der Mensch nicht alles mit den Aktien der Canal Company und mit denjenigen der mysteriösen Copper Company getrieben? Bald hoch und bald tief. Wie verstand er es, die wichtigsten und gefährlichsten Geheimnisse der Gesellschaft, deren Angestellter er war, zu ergründen und in seiner Gerüchtefabrik auszunützen. Er lenkte den Aktienkurs wie ein guter Kutscher die Pferde. Mit mathematischer Genauigkeit kaufte er, wenn sie am tiefsten – verkaufte er, wenn sie am höchsten standen! In der Tat, Herr Uhlenkort, verflucht tüchtig ist der Mann … und später die Geschichte mit seinen Territorien am Kanal, wo er die Canal Company gegen die Copper Company und die Copper Company gegen die Canal Company ausspielte …«

Uhlenkort lächelte.

»Ich hörte davon, Herr Tredrup. Es scheint allerdings nach unseren Begriffen ein starker Streich gewesen zu sein.«

»Ein starker Streich? Sagen Sie lieber: ein Piratenstück erster Güte. Er hetzte die beiden Gesellschaften aufeinander, verwirrte, schwächte sie. Hatte durch dunkle Machenschaften plötzlich ein wichtiges Gelände von fünftausend Quadratkilometer in eigenem Besitz, wurde von heute auf morgen Präsident der Canal Company, bezahlte das Gelände mit Kanalaktien, die er für ein Butterbrot, noch dazu auf Kredit, gekauft hatte, ließ sich das Gelände in guten Staatspapieren bezahlen, häufte eine Million auf die andere und wurde, was er heute ist.«

»Und was meinen Sie, Herr Tredrup, was er heute ist?«

»Er ist der Koloss von Wall Street. Er beherrscht die amerikanische Wirtschaft – die halbe Weltwirtschaft … noch mehr. Kongress und Senat hat er in raffinierter Weise an seinen tausendfachen Unternehmungen beteiligt. Die Politiker der Vereinigten Staaten müssen ihm in ihrem eigenen Interesse zu Willen sein. Vor hundert Jahren sprach man von einer Korruption in den Staaten. Es war schneeweiße Unschuld gegen das, was Rouse jetzt inszeniert hat. Man munkelt sogar, Herr Uhlenkort, dass der erwählte Präsident des amerikanischen Volkes, Austin Parker, von Guy Rouse abhängig ist, der seine Wahl finanziert haben soll.«

Klaus Tredrup war in wütenden Eifer geraten.

Wieder glitt ein leichtes, überlegenes Lächeln über Uhlenkorts Züge.

»Bis zu einem gewissen Grad mögen Sie recht haben. Es ist uns in Europa nicht unbekannt, dass die Rouse-Gruppe erheblichen Einfluss auf die amerikanische Politik ausübt. Immerhin, der Mann hat den Erfolg für sich, den doch schließlich nur der Tüchtige hat.«

»Tüchtig! Tüchtig … Ich wiederhole Ihnen, Herr Uhlenkort, er ist der größte und ausgesiebteste Schuft auf beiden Hemisphären. Wenn mich etwas freut, so ist es die eine Erinnerung, dass ihm Klaus Tredrup doch mal einen Kinnhaken gelangt hat, an den er heute noch denkt.«

»Den er auch niemals vergessen wird, merken Sie wohl, Herr Tredrup.«

Die Unterhaltung der beiden Reisenden fand ihr Ende, da das Flugzeug sich jetzt anschickte, auf den Hafen von Kapstadt hinunterzugehen. Die Passagiere mussten sich für die Zollformalitäten bereit machen.

In den Wandelgängen des Kongressgebäudes zu Washington herrschte jenes rege Leben, das wichtigen Sitzungen vorauszugehen pflegt. In größeren und kleineren Gruppen standen die Abgeordneten debattierend beisammen. Immer wieder lösten sich hier und dort Einzelne los, um zu einer anderen Gruppe zu treten. Immer wieder schwirrten die Punkte der Tagesordnung durch den Raum. Besonders aber der erste Punkt, der die New Canal Cy. anging und in Verbindung damit der Name Guy Rouse.

Wie sollte man heute stimmen? In einer Viertelstunde musste man sich entscheiden. Die Gruppen in den Wandelgängen begannen sich zu lockern. Die Tische im Lunching Room fanden Gäste.

»Hallo, Miller! Hierher! Illinois zu Ohio!«

Eine lange Gestalt erhob sich hinter dem Bartisch. Zwei Arme wie Windmühlenflügel winkten einem Neuankömmling zu, einer kleinen gebückten Gestalt mit dem gelblichen, grämlichen Gesicht eines gallensüchtigen Hypochonders. Langsam drehte er sich nach dem Rufer um. Die kleinen blinzelnden Augen kniffen sich zusammen. Dann schlurfte er langsam zum Tisch hin.

»Auch hier, Teddington?«

Er wollte noch weitersprechen, als die knochige Riesenfaust Teddingtons seine Rechte packte und wie einen Brunnenschwengel auf und nieder pumpte und ihn auf einen Stuhl drückte.

»Auch hier, Mr. Miller?«, fragte der Riese zurück. »Wie war es doch mit Ihrer Europareise?«

»Europareise?«, knurrte der Grämliche und warf einen schiefen Blick auf den Frager. »Wer will nach Europa?«

»Sie! Sie, mein lieber Miller!«

»Ich? Ich … Wollen Sie mir die fünftausend Dollar geben, die ich für diese Reise brauchte?«

»No, lieber Miller. Selbst wenn ich sie hätte …«

Miller wandte dem Sprecher sein Gesicht zu. Eine Art Lächeln verzerrte es zu einer Grimasse.

»Wenn Sie sie hätten, Teddington, dann würden Sie sich wahrscheinlich die schöne Villa am Ohio River kaufen, auf die Sie schon …«

Die Windmühlenflügel schlugen klatschend auf die langen Schenkel.

»Knock-out, Miller! Gut gegeben! Haha …« Er lachte aus vollem Halse, wobei seine lange Gestalt sich in grotesken Windungen krümmte.

»Villa und Europareise … all gone away … in die Ewigkeit!«

»Sie lachen, Teddington. Ich weiß nicht, was da zu lachen ist. Und dieser Affront! Anders kann ich’s nicht bezeichnen.«

»Affront … Gut gesagt, Miller!«

Von Neuem lachte Teddington auf.

»Sie scheinen heute Ihren heiteren Tag zu haben, Teddington.« Er nahm ein Glas Wasser und nippte daran.

»Gewiss ist es ein Affront, wenn …«

Er machte eine Pause, als suche er nach Worten, um den Satz zu vollenden.

»Sagen Sie nur, Mr. Miller«, seine Stimme dämpfte sich etwas, »es ist ein Affront, wenn man tagelang von morgens bis abends den Geldbriefträger Guy Rouse erwartet … und er kommt nicht.«

»Er kommt nicht«, echote Miller. »Er glaubt, uns nicht mehr nötig zu haben.«

»Glaubt er nicht? Und ich glaube niemals fester auf den Geldbriefträger Rouse rechnen zu können als vor dieser Abstimmung über seine Kanalpläne. Weiß der Teufel!«

Eine untersetzte massige Gestalt stand plötzlich neben ihnen. Überrascht sahen sie auf. Dann freudiges Erkennen. Zwei Hände streckten sich dem Neuen entgegen.

»Ah! In unsere Mitte, Mr. Struck!« kommandierte Teddington. »Texas mitten unter uns! Trotz der schlechten Zeiten noch dicker geworden!«

»Und Sie noch länger!«, erwiderte der Dicke und ließ sich grinsend auf einen Stuhl nieder.

Der eigene Witz schien ihm großes Vergnügen zu machen. Sein stiermäßiges Lachen schütterte durch den Raum. Er hielt inne, als er den ostentativ musternden Blick Teddingtons fühlte.

»Was haben Sie denn? … Was bemerken Sie an mir?«

»Ich bemerke, dass Ihnen zu fehlen scheint, was ich eben suchte.«

»Was?« Der Texasmann starrte ihn mit verständnislosen Blicken an.

»Was?«

»Was? Nun! Mehrere. Zum Ersten die silbernen Pferdesporen, zum Zweiten das herrliche Mexikanerkostüm einschließlich des echten Sombreros – alles in allem: Ich vermisse den Don José Struckio de la grande Hacienda!«

Die Faust des Dicken fuhr auf den Tisch, dass die Gläser wackelten.

»Verdammt! Der Schuft … Der Betrüger!«

»Betrüger! Affront!« lachte Teddington. »Eins schöner wie’s andere. Ein frecher Betrüger, Gentlemen, nicht wahr?« Wie ein Wiehern klang sein Lachen.

»Wer zuletzt lacht, lacht am besten«, stieß der gallsüchtige Mann aus Illinois heraus. »Wir werden ihm heute die Quittung geben. Er soll’s bereuen!«

»Er soll’s! Nieder mit Rouse, dem ausgebliebenen Geldbriefträger!« Teddington ergriff sein Glas und goss es in einem Zug hinunter. Die Glocke unterbrach ihr Gespräch. Sie rief die Kongressmitglieder in den Saal.