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Der Welt-Detektiv Band 6

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Jacob von Molay, der letzte Templer 4

Franz Theodor Wangenheim
Jacob von Molay, der letzte Templer
Erster Teil
St. Jean d’Angeli
Verlag von Joh. Fr. Hammerich, Altona, 1838

Viertes Kapitel

Auf der Veste Roucy entsetzte man sich über die gewaltsame Befreiung des einen Gefangenen, zumal der Ritter selbst, da er sich den Brief von Wilhelm von Paris durch den Burggeistlichen hatte vorlesen lassen. So angelegentlich war ihm noch nie ein Gefangener anempfohlen worden. Bei des Königs Zorn, schrieb Wilhelm, sollte er ja darauf achten, dass keiner von diesen dreien entkäme. Es musste daher etwas gar Großes dahinter sein, denn der Burggeistliche mochte kaum mit den Worten heraus, der mächtige Priester, der Beichtvater des Königs, werde binnen Kurzem auf Roucy selbst eintreffen. Was sollte der Ritter beginnen? Hier war guter Rat teuer. Doch sein Pater versuchte ihn zumindest scheinbar zu beruhigen. Er wollte nämlich an den Beichtvater des Königs schreiben, dass nur zwei von den Gefangenen abgeliefert worden wären, das Entkommen des dritten könne man dem Ritter nicht zur Last legen. Damit der Brief nicht unterschlagen würde, sollte er durch zwei von des Ritters eigenen Leuten an Ort und Stelle gebracht werden, denn, wer stände dafür, meinte der Pater, dass nicht die Königlichen aus Furcht vor Strafe in die weite Welt gingen. Mit all diesen Anordnungen zufrieden, beherzigte er auch den anderen wesentlichen Inhalt des Briefes. Strenge Bewachung der Gefangenen war ihm vorgeschrieben, sie sollten jedoch keinen Kerker haben, dessen feuchte Luft ihrer Gesundheit nachteilig werden könnte, auch Speise und Trank so gut des Ritters eigene Küche und eigener Keller vermochten. Sie sollten nicht voneinander getrennt werden, nur sollte der Ritter verhüten, dass jemals ein Geistlicher zu ihnen käme.

So sehr diese Punkte auch der Einrichtung auf der Veste im Betreff der Gefangenen widersprachen, so blieb dem Ritter doch keine Wahl übrig. Er hieß dem Geistlichen sich zu entfernen, rückte seinen großen Sessel von Eichenholz zurecht und ließ die beiden Gefangenen vor sich bringen. Das Gefängnis in Paris, die qualvolle Reise hierher, auch wohl die ausgestandene Todesangst bei der Hinrichtung der dreißig hatten die Gesichtszüge dieser beiden Verbrecher scheußlich entstellt, doch schien der eine von ihnen dem Ritter bekannt. Er prüfte ihn lange mit fragendem Blick.

Der aber erwartete seine Anrede nicht und sprach mit geläufigem Mund: »Ihr kennt mich schon lange, edler Herr, seid schon öfters in meiner Werkstatt in Beziers gewesen …«

»Nicht möglich! Du bist Florian, der Waffenschmied. Mensch, was hast du begangen, dass man dich zum Tode verdammte?«

»O, nichts, Herr Ritter – oder doch nur eine Kleinigkeit. Seht, ich habe mich gemüht mein Leben lang, habe zusammengescharrt und geschabt, habe gedarbt, um meinem Töchterchen einst ein Stück Geld hinterlassen zu können oder eine ansehnliche Mitgift meiner Margot zu geben, wenn sich eine passende Heirat für sie noch bei meinen Lebzeiten fände. Für mein Kind tat ich alles. Denn die Mutter starb ihm früh, und ich war schon über die vierzig hinaus, als ich mir ein Weib nahm. Seht wohl selbst ein, edler Herr, dass mir nicht gar viel Zeit übrig blieb, denn jetzt ist meine Margot achtzehn Jahre alt, und wenn man sechzig hinter sich hat, so muss man schon an den Himmel denken. Ich hatte ein artiges Sümmchen bar für das Kind liegen, zugleich einen Gesellen, den ich meiner Margot zum Mann und mir zum Eidam wünschte. Der Balthasar hatte aber keine Augen, und wie ich auch manchen Wink fallen ließ, er bemerkte es nicht …«

»Ist deine Margot schön?«, unterbrach ihn der Ritter.

»Herr, wie ein sonnenheller Maitag.«

»Dann war aber der Balthasar recht dumm.«

»Das just nicht, edler Herr, das nicht … hört nur weiter. Eines Tages – wir hatten eben das Frühmahl eingenommen – dachte ich so bei mir: Ein tüchtiger Schlag mit gutem Hammer und kräftigem Arm tut besser, als zwanzig und dreißig matte Schläge. Denn das muss ich Euch sagen, edler Herr, das Eisen mag noch so schön glühend sein, es verkühlt wieder unter den vielen matten Schlägen und wird nie was Rechtes draus geschmiedet. Das weiß ich aus Erfahrung. Genug, Margot hatte eben den Tisch abgeräumt, Balthasar und die andern Gesellen standen schon wieder bei Esse und Amboss, das Mädchen setzte sich nicht weit von mir nieder und ließ die Kunkel schnurren. Ich rückte drei-, viermal meine Lederkappe von einem Ohr zum anderen, wollte sprechen und konnte nicht, da fragte mich Margot, ob mir etwas fehle, und wie der Blitz war ich bei der Hand, führte den kräftigsten Schlag, indem ich sie urplötzlich fragte, ob sie nicht zu heiraten gedächte. Edler Herr, man kann darüber hinsterben, ehe man auf diese Frage ein Ja oder Nein von einem Mädchen herauskriegt. Aber jedenfalls gibt es Wahrzeichen, nach denen man sich so ungefähr richten kann, z. B. Zittern, die Augen niederschlagen … Meine Margot ließ die Kunkel fallen, schlug die Augen nieder und zitterte – alles zugleich. Ha, dachte ich, der Schlag war gut! Nun noch einen frisch darauf! Ich nannte also den Namen Balthasar. Nun war ich meiner Sache ziemlich gewiss, wartete bis zum Sonntag. Da nahm ich denn meinen Balthasar allein, führte ihn zu meiner Truhe, und sprach: ›Balthasar, magst du meine Margot leiden?‹ Er wurde rot im Gesicht, denn am Sonntag wäscht er sich vom Ruß rein, und antwortete: ›Ja, Meister, wenn Ihr’s erlaubt?‹

›Höre, Balthasar, ich erlaube das, ich sehe es sogar gern, und nun noch eine Frage. ›Willst du meine Margot zum Weibe haben?‹

›Meister, wie kann ich?‹, stotterte er.

›Sei kein Tor, Balthasar, bist fünfundzwanzig Jahre alt, hast es in der Waffenschmiedekunst ziemlich weit gebracht und kannst alle Tage als Meister bestehen.‹

Da wandte er denn ein, er sei arm; und das wollte ich nur. Ich öffnete die Truhe, zeigte ihm ein gutes Teil blanken Goldes und sagte, dass ich dafür schon gesorgt hätte. Er fiel mir zu Füßen, ich rief meiner Margot und legte beider Hände ineinander.«

»Da warst du freilich auf einmal am Ziel.«

»So dachte ich auch, edler Herr – aber hört nur, wie es kam. Alle Anstalten waren getroffen, die Hochzeit war vor der Tür – da kommt ein Ausschreiben vom König, welches mir befiehlt, mein Geld nach Paris in die Münze zu tragen. Des Königs Majestät wollte es umschlagen lassen. Man weiß aber recht gut, dass es gar schwer hält, auch nur einen Teil von dem wiederzubekommen, was man dort hingegeben hat. Ungehorsam wollte ich nicht erscheinen, doch mich auch nicht leichtsinnig von dem Ersparten trennen. Geraden Weges machte ich mich auf nach Paris. Sehen und hören, dachte ich, sollst du, was alle tun, das tust du auch. Das Pariser Volk aber war eben so wenig wie ich geneigt, des Königs Befehl zu gehorsamen. Es murrte laut und meinte, man müsste der königlichen Gewalt die Volksgewalt entgegensetzen. Ohne weiteres Bedenken schloss ich mich dem Haufen an, der fest entschlossen schien, den König zur Zurücknahme seines Edikts zu zwingen. Den Hergang, wie der König im Tempel belagert worden war, wisst Ihr vielleicht besser als ich. Aber ich weiß leider nur, dass ich ergriffen wurde, ins Gefängnis gebracht, zum Tode verurteilt und nun vor Euch stehe, mein ferneres Schicksal erwartend.«

»Ei, ei, ei«, schüttelte der Ritter den Kopf, »ein so alter Meister, und begehst noch einen so dummen Streich! Schließe deine Rechnung, Florian, denn von des Königs Gnade bleibt dir kein Hoffen. Schwerer denn mancher andere musst du dich vergangen haben, sonst würdest du jetzt schon deine Strafe mit allen Übrigen erlitten haben und nicht hierher geschickt worden sein, um einer anderen Strafe aufgespart zu werden. Du dauerst mich, Florian, um deiner Margot willen – das arme Kind!«

»Ja, edler Herr, das nagt mir auch am Herzen. Man sagte mir schon in Paris, mein Hab und Gut sei des Königs Schatz verfallen. Nun wird meiner Margot nichts übrig bleiben. Sie hat keinen Vater mehr, der sie ernährt, und Balthasar zieht wieder in die weite Welt hinaus, eine neue Werkstatt zu suchen, da meine Esse nicht mehr sprüht. Wenn Ihr nach Beziers schickt, so lasst ihr doch sagen, ihr Vater sei hier. Sie sollte nicht an Gott verzweifeln, nicht an dem gnädigen Herzen unseres Königs. Und wenn sie herkommt, gnädiger Herr, ihren Vater noch einmal zu sehen, werdet Ihr’s nicht dulden?«

»Ich verspreche nichts, Florian, gar nichts«, wies ihn der Ritter ab. Und um ferneren Bitten vorzubeugen, wandte er sich schleunigst an den Mitgefangenen. »Wer bist du? Trotz deines dürftigen Wesens erkenne ich kriegerischen Anstand, und – was sehe ich! Trägst du nicht ein Unterkleid des Tempelherrenordens?«

»Ihr habt es erraten, Herr Ritter«, versetzte der Gefangene tiefen Tones. »Ich bin Matthias, der Prior von Montfaucon.«

»Unglücklicher«, fuhr der Ritter von seinem Sessel auf. »Du bist es, der in des Königs Hand gefallen ist? Du?«

»Warum erschreckt Ihr so heftig? Ihr seht, ich erschrecke nicht. Mögen sie Qualen erdenken, dass Enkel und Urenkel noch mit Schaudern davon erzählen. Das Ende aller Qualen ist ja doch nur der Tod. Ich weiß recht gut, Ihr tragt das Johanniterkreuz. Von jeher waren sich unsere Orden nicht hold, denn einer wollte den anderen überflügeln. Darum heißt es auch in der Regel der Tempelherren: So einer aus dem Orden treten will, er darf in jeden anderen, nur nicht in den von St. Johann. Zum Überfluss hat man hinzugefügt: Er soll in einen strengeren Orden treten, als der der Tempelherren sei.«

»Auf strenge Ordnung«, verteidigte der Ritter heftig, »hält Vulco von Villaret wohl eben so gut und wohl noch besser als Jacob von Molay!«

»Mag sein, Herr Ritter, kann sein, ich will nicht widersprechen, denn … einem Gefangenen steht das schlecht an. Aber«, knirschte der Prior durch die Zähne, »sie haben mich verbannt, das Kleid zu lassen, und eigennützig meinen Arm gewählt. Sie haben mich aus dem Orden gestoßen, den schmählichsten Strafen anheimgegeben und den Flüchtigen doch endlich nach Paris gesandt, um an des wütenden Pöbels Spitze den König zu zwingen, dass er das Edikt zurücknehme, welches die Güter des Ordens antastete. Ihr habt doch wohl recht, Herr Ritter.«

Dieser sann eine Weile nach, dann fragte er plötzlich: »Wie hieß dein Unglücksgefährte? Wer war es, den die Köhler befreiten?«

»Er war Tempelherr, wie ich, aus Florenz gebürtig, sein Name Nosso Dei. Gleiches Schicksal hatte ihn mit mir betroffen, und gleich wie mich brauchten ihn die Provinzen …«

»Welche Provinz hat Euch gedungen?«

»Die Provinz Normandie.«

»Der Großprior ist aber nicht in Frankreich. Er ist, wie ich meine, in Zypern.«

»Die Brüder selbst taten es im Kapitel. Man schmeichelte uns mit der Hoffnung, wenn wir an diesen großen Vorteil des Ordens Leib und Leben setzten und es glücklich zu Ende führten, so wollte sich das Kapitel bei dem Großmeister verwenden, dass wir nach einer harten Pönitenz mindestens das Kleid eines dienenden Bruders zurückerhielten …«

»Ihr Verblendeten!«

»Freilich, freilich wohl verblendet, Herr Ritter! Und um so klarer sehe ich jetzt, sehe gar zu deutlich, wie mich die Brüder im Stich gelassen haben und die Klage von sich zurückweisen werden, dass Tempelherren an dem Aufruhr teilgenommen haben. Nicht Ausgestoßene werden sie uns nennen, sondern Abtrünnige; um die Ehre des Ordens willen.«

»Was aber war Euer Vergehen, deines und des Nosso Dei?«

»Davon ist just nicht viel zu erzählen … und Mensch ist Mensch. Wir beide gingen eines Tages aus. Wir hatten unsere Mäntel um, und ich erblickte an dem Fenster eines Hauses ein schönes Weib. ›Lieber Bruder‹, sagte ich zu Nosso Dei, ›wir sind ziemlich weit von der Komturei entfernt, und wenn du denkst wie ich, so klopfen wir bei diesem Weib an. Überdies bin ich Prior und gar zu leicht folgt mir keiner der anderen Brüder auf Tritt und Schritt.‹ Nosso Dei dachte wie ich, denn auch ihm war das Gelübde der Keuschheit gar sehr drückend. Gesagt, getan, und wo der Teufel einen Teufelsstreich spielen will, da braucht er ein Weib. Mich wundert’s auch gar nicht mehr, dass Adam so dumm gewesen war, das Paradies zu verscherzen. Hätte es damals Gelehrte gegeben, sie würden unserem Herrgott gar arg zugesetzt haben. Kurz, das Weib war unseren Wünschen hold. Der Tag schwand hin und die Nacht. Mit dem anbrechenden Tag aber klopfte es an der Tür des Hauses. Wir öffneten nicht – die Tür wurde eingebrochen, und vier Brüder traten herein. Das war nun freilich eine saubere Geschichte. Wort gab Wort, von Worten kam es zu Tätlichkeiten. Ich riss einem Bruder die Mantelschnur entzwei – und das wisst Ihr ja wohl, Herr Ritter, ein Verbrechen reicht dem anderen die Hand, gerade wie die Worte in den Psalmen folgen – zwei von den Brüdern wurden mit den Schwertern durchrannt, die anderen flohen.«

»Man fing Euch aber dennoch?«

»Dass wir Narren gewesen wären, uns fangen zu lassen! Auf und davon! war die Losung. Wir flohen, ohne zu wissen, wohin. Nun denkt aber: Tempelherren und nicht mehr als vier Dreier in der Tasche. Denn sorgsamer als über diesen Punkt wird über keinem gewacht, damit Reichtum sich zu Reichtum schlage, und der Besitz von mehr als vier Dreier wird schon als Raub am Ganzen betrachtet. Ihr wolltet wissen, Herr Ritter, womit wir uns an dem Orden vergangen haben, das habe ich Euch erzählt. Was ferner geschah, davon lasst mich schweigen.«

»Auch will ich es nicht wissen«, nahm der Ritter mit finsterem Stirnrunzeln das Wort. Darauf schritt er zur Tür, rief die Wachen und wies den beiden ein Gefängnis an, welches den Befehlen des Königs entsprach.

Lange Zeit schritt er allein im Gemach auf und nieder. Er dachte so manches und konnte doch nicht zu einem festen Entschluss kommen. Der Ritter war von jenen Männern einer, welche wohl geeignet sind, gemessene Befehle richtig auszuführen, aber was drüber ist, das können sie kaum denken, viel weniger die Folgen, welche sich daran knüpfen könnten, nur halbwegs berechnen. Und dennoch fuhren ihm so manche Gedanken durch den Kopf, denn der Orden, welchem er angehörte, hatte stets mit dem Tempelherrenorden um den Vorzug gebuhlt. Dieser wie jener übten Geheimniskrämerei, wie es Sitte ist bei allen neuen Sekten, bei allen neuen Verbrüderungen. Unschlüssig, was er tun sollte – denn gerade diejenigen Leute, welche nichts tun sollen, quälen sich am meisten mit der Wahl – ließ er den Pater kommen, teilte ihm mit einem Anstrich von Eigendünkel dasjenige mit, was er aus den beiden herausgefragt haben wollte, und meinte, er würde sich beim König sehr beliebt machen, wenn er ihm das alles mitteilte.

Der Pater hingegen bedeutete ihm, dass man in Paris schon früher davon unterrichtet gewesen sei, offenbarte ihm zugleich, dass er alle Aufmerksamkeit auf diese Gefangenen verwenden müsste, denn eine große, große Absicht des Beichtvaters des Königs würde durch sie in Erfüllung gehen.

»Dann wisst Ihr ja mehr als ich, Pater«, stieß der Ritter verdrießlich hervor, »und ich denke doch, dass ich auf Roucy befehle!«

»Das stelle ich auch nicht in Abrede, Herr Ritter. Aber bedenkt, was der Beichtvater des Königs an mich schreibt, das kann er an Euch nicht schreiben.«

»Warum nicht? Was habt Ihr mit dem Beichtvater des Königs zu schaffen?«

»Er mag so hoch stehen, soviel er wolle«, blieb der Pater bei seinem Ton, »er bleibt dennoch nur ein Jünger des heiligen Dominikus wie ich …«

»Also er hat an Euch geschrieben? Und davon weiß ich nichts? Wie ist es möglich, es kommt ein Brief an auf meiner Veste, und ich weiß es nicht!«

Der Pater merkte nun wohl, dass er zu vorlaut gewesen war. Er kannte den Ritter, kannte seinen Jähzorn, der selbst zuweilen sein heiliges Gewand nicht verschonte, und wusste kein anderes Mittel, die Sache in Güte beizulegen, als dass er sich den Ritter wieder befreundete, jedoch auch gegen Wilhelm von Paris sich sicher stellte. Drum sprach er mit tiefem Ernst und so heimlich, dass ein geringerer Neugieriger wie Blancas wohl auch in die Falle gegangen wäre: »Euer ritterliches Wort, Herr, dass Ihr von dem, was ich Euch anvertrauen werde, niemals auch nur eine Silbe laut werden lasst.

Der Ritter gab sein Wort und die Hand dazu, und nun zog der Pater aus dem weiten Ärmel seines Gewandes einen Brief hervor, spähte bedächtig ringsum, ob auch niemand da wäre, der ihn belauschen könnte, winkte dann dem Ritter, mit ihm in die entfernteste Fensterbrüstung zu treten.

Dort erst las er das Handschreiben Wilhelms von Paris, an ihn gerichtet, vor:

Geliebter Bruder in Christo,
Gott ist der Anfang von allem, ist der Atem, welcher alles bewegt, und die Welle, so das Mühlrad wälzt für und für, an dessen Bewegung das Schicksal einer Welt hängt. Wir, mein geliebter Bruder in Christo, wir sind das auserwählte Mittel, durch welches der Herr aller Himmel Gut und Bös verkündet. So verkünde ich dir dann, dass eine große Umwälzung geschehen werde. Freue dich, mein Bruder in Christo, dass auf dich und mich die Wahl gefallen ist, den göttlichen Willen zu vollstrecken. Ich werde den Staub von meinen Füßen schütteln, in zwei Tagen dich begrüßen. Du wirst Sorge tragen, dass alles, was zur Leibesnotdurft gehört, vorhanden sei, und nicht der Mangel desselben den treuen Diener des Herrn in der Erfüllung seiner Pflicht störe. Pax tecum!

In diesem Brief stand nun so eigentlich gar nichts. Der mystische Eingang desselben aber machte doch, dass der Ritter bedenklich den Kopf schüttelte und einen so hoch ehrenden Besuch mit aller ihm zu Gebote stehender Aufmerksamkeit aufzunehmen versprach. Ja, in diesem Augenblick schon entfernte er sich, um Anstalten dazu zu treffen. Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, so lachte ihm der Pater nach. »Es ist doch gut, dass unsere Herren Ritter nichts anderes als Reiten und Fechten lernen – denn könnten sie lesen und schreiben – bei St. Dominikus! Es stände schlecht um uns.«