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Gold Band 2 – Kapitel 01.5

Friedrich Gerstäcker
Gold Band 2
Ein kalifornisches Lebensbild aus dem Jahre 1849
Kapitel 1
Ein Abend im Paradies
Teil 5

Durch diesen Zwischenfall war die Gesellschaft in eine allgemeine Verwirrung geraten, und selbst der Justizrat von seinem Platz aufgestanden. Nur Erbe blieb, unbekümmert um den ihn umwogenden Sturm ruhig sitzen und war sogar so zerstreut, dass er sich aus seines Nachbarn Flasche sein Glas füllte, und dann wieder, wie gewöhnlich, auf einen Zug leerte.

»Ach, lieber Herr Justizrat«, flüsterte da Korbel und fasste den würdigen Mann vertraulich unter den Arm. »Ich möchte Sie wohl um etwas ersuchen.«

»Jawohl – recht gern«, erwiderte dieser mit dem eben erlangten Resultat, wie es schien, außerordentlich zufrieden und guter Laune zu sein. »Erst, bitte … beantworten Sie mir aber mal eine Frage.«

»Mit dem größten Vergnügen.«

»Wer ist der … der Herr da im Frack … komische Idee das … hier in Minen Frack.«

»Oh, das ist ein Tenorist aus Deutschland«, antwortete der Aktuar lachend. »Er scheint seinen Urlaub verlängert zu haben, um einmal in der Geschwindigkeit hier in den Minen ein paar Tausend Dollar auszugraben.«

»Tenorist? Alle Wetter«, sagte der Justizrat erstaunt. »Hätte sollen zu Hause bleiben. Tenoristen verdienen schmähliches Geld bei uns … kriegen so viel wie Minister.«

»Ih, nun«, sagte der Aktuar, »es wird wohl keiner von den Allerersten sein …- wissen Sie so einer, der die Alphönser in den Opern singt … aber, um was ich Sie bitten wollte. Ich bekomme heftige Zahnschmerzen und will lieber nach Hause gehen, habe aber ganz in Gedanken meinen Geldbeutel im Zelt liegen lassen. Wären Sie wohl so freundlich, mir bis morgen früh eine halbe Unze zu borgen, meine Zeche damit zu bezahlen.

»Halbe Unze?«, sagte der Justizrat, dem das etwas viel vorkommen mochte. »Sind acht Dollar.«

»Ja, bloß acht Dollar«, sagte der Aktuar. »Ich möchte aber nicht gern, ohne zu bezahlen, fortgehen – nur bis morgen früh, wenn ich bitten darf.«

»Hm … ja … jawohl … mit … mit Vergnügen«, erwiderte der Justizrat, »zu gutmütig, die Bitte abzuschlagen. Überdies war es ja auch nur bis morgen früh. Er griff deshalb in die Westentasche und gab dem Aktuar einen, zur Vorsicht in Papier gewickelten halben Adler (ein Fünfdollarstück) und drei einzelne Silberdollars, die dieser ohne Weiteres in die Tasche steckte.

»Danke schön, Herr Justizrat«, sagte er dabei. »Morgen habe ich jedenfalls wieder das Vergnügen, Sie zu sehen, und dann mache ich es mit Dank ab.«

»Bitte … gar keine Eile …«, brummte der Justizrat, während sich der Aktuar bis zum Wirt durchdrängte, diesem ein paar Worte zuflüsterte und dann rasch das Zelt verließ. Fast unwillkürlich war ihm der Justizrat dabei mit den Augen gefolgt, eigentlich nicht aus Misstrauen, sondern mehr aus Neugierde, zu sehen, wie der junge Mann nun die eigene Zeche mit seinem Geld bezahlen würde. Er sah aber nichts Derartiges. Hatte er ihm das Geld vielleicht heimlich in die Hand gedrückt? Andere drängten sich übrigens jetzt zwischen ihn und den Wirt kommend und gehend, und nur die Deutschen nahmen größtenteils ihre Plätze wieder ein.

»Kommen Sie her, Herr Justizrat«, rief diesen da Fischer an. »Setzen Sie sich noch ein wenig her zu uns.«

»Danke für heut’ Abend«, erwiderte aber dieser. »Müssen mich entschuldigen … verdammt Kopfweh … früh zu Bette gehen.«

»Bett? Glücklicher Mensch, hat der ein Bett«, rief Fischer. »Aber bleiben Sie nur da, wir singen jetzt noch ein paar Lieder. Können Sie mit einhelfen, Herr Binderhof?«

»Wenn ein zweiter Tenor fehlt …«

»Ah, ganz vortrefflich … der fehlt immer … einen ersten haben wir schon und für zweiten Bass … Donnerwetter, wo ist denn der Komet hin? Ist der durchgebrannt?«

»Der Komet?«, fragte Lamberg lachend. »Wen nennen Sie so?«

»Nun unsere Gerichtsperson, unseren Aktuar. In allen Minenstädten geht er nach einer Weile durch und hinterlässt einen ganzen Schwanz von Schulden, deshalb hat er den Namen Komet bekommen. Was dem heute durch den Sinn gefahren sein muss. Ob seine Zeit hier vielleicht auch um sein mag?«

»Er ist am Ende mit Johnny zum Spielen gegangen«, sagte Graf Beckdorf.

»Oh bewahre, dazu hat er kein Geld«, entgegnete Fischer lachend. »Ja, wenn ihm noch jemand etwas borgte. Johnny selber hütet sich aber vor ihm.«

»Wohnt weit von hier?«, sagte der Justizrat, dem die eben gehörten Neuigkeiten gerade nicht besonders angenehm waren.

»Gar nicht – etwa fünfzig Schritt von hier steht das Zelt, unter dem er mit dem Apotheker Kulitz dort schläft. Alle Wetter, Kulitz, bei der wievielten Tafel Schokolade sind Sie jetzt eigentlich? Sie müssen sich ja eine ganze Kiste voll mitgebracht haben. Also Sie wollen wirklich nicht länger bleiben, Herr Justizrat?«

»Danke … Hause gehen«, sagte dieser, trat zu dem Wirt, dem er seine Zeche zahlte, grüßte noch einmal im Vorbeigehen die Landsleute durch ein einfaches Nicken, nahm die Mütze gegen die Franzosen zu ab und verließ dann das Zelt, sein eigenes Lager aufzusuchen.

Nun fehlte aber dem Justizrat der Sinn, den man im gewöhnlichen Leben Ortssinn nennt, vollkommen. So hatte er auch jetzt gar keine bestimmte Idee, in welcher Richtung sein Zelt eigentlich liege.

Er wusste nur, dass sie es, einige Hundert Schritt von der »Stadt« entfernt auf einem kleinen Hügel errichtet hatten, und schlenderte deshalb vollständig unbekümmert die Straße aufwärts, statt abwärts, zwischen den noch meist erleuchteten Zelten hin.

Komet! Der Name gefiel ihm nicht, und er fühlte einige Besorgnis für seine etwas leichtsinnig geopferte halbe Unze. Der arme Teufel hatte übrigens fest versprochen, morgen früh zu zahlen, und lag jetzt jedenfalls mit heftigen Zahnschmerzen in seinem Zelt.

Unterwegs passierte er eine amerikanische Trink- und Spielbude, die sich in nichts von den übrigen Wohnungen als vielleicht durch ihre Geräumigkeit auszeichnete. Außerdem hing aber noch an dem vordersten Mittelpfosten, der das Zeltdach trug, von einer Lampe hell beschienen, ein kleines, gemein obszönes Bild, das seinen Zweck vollkommen erfüllte. Anständige Leute wollte man dort gar nicht im Inneren haben, nur solche, die spielten und tranken, und die erfreuten sich auch wohl an solcher Sudelei.

Der Justizrat hatte nur einen flüchtigen Blick eben im Vorübergehen hineingeworfen, als er des Deutschen und sogenannten Johnny Stimme zu erkennen glaubte. Jedenfalls war der jenem, in dem deutsch-französischen Zelt hinausgewiesenen Spieler gefolgt und verlor hier sein Geld – oder gewann auch vielleicht? Der Justizrat war neugierig ge-worden und wollte sich wenigstens durch den Augenschein überzeugen.

»Sauvolk!«, brummte er aber vor sich hin, als er an dem Bild vorüberging, und musste sich dann mit einiger Mühe durch eine Anzahl müßig dort umherstehender Menschen drängen, einen Blick über das Innere zu bekommen.

Vier Tische standen hier, an denen gespielt wurde, und an dem einen saß sogar ein Frauenzimmer – eine jener verworfenen mexikanischen Dirnen, die sich hier und da schon in den Minen herumtrieben und von irgendeinem der Spieler als Lockvogel unterhalten wurden. Des Justizrats Blick fesselte aber bald die linke Tafel, an der er augenblicklich den langen Amerikaner und Johnny wiedererkannte, und hinter Johnny stand – der Komet!

»Donnerwetter«, murmelte der Justizrat leise vor sich hin. »Dachte, der hätte Zahnschmerzen!«

Johnny hatte ein rotes erhitztes Gesicht und sah starr auf die Karten vor sich nieder. Korbel jedoch, der für den Augenblick nicht zu spielen schien, überflog ein paar Mal die Umstehenden mit dem umherschweifenden Blick und war auf einmal spurlos wie in den Boden hinein verschwunden. Hatte er den Justizrat vielleicht erkannt? Dieser wusste es nicht. Obwohl er aber eine Viertelstunde auf seiner Stelle stehen blieb und dann durch das ganze Zelt ging, konnte er den Kometen nicht wieder entdecken. Er war fort, und ließ sich nicht wieder blicken.

Dieses kleine Intermezzo diente natürlich nicht dazu, des Justizrats Laune zu verbessern, denn ein unbestimmtes Gefühl sagte ihm, dass er jetzt mit zu dem Schweif des Kometen gehöre, und vielleicht als Stern dritter oder vierter Größe darin prange. Für den Augenblick ließ sich aber doch nichts weiter daran tun, und er beschloss nur, jetzt so rasch wie möglich nach Hause zurückzukehren, und morgen bestimmt auf die Rückgabe seines Geldes zu dringen oder mit den Gerichten zu drohen.

Rasch setzte er seinen Weg, die Zeltstraße hin, fort, die hier an ihrem Ende viel stiller und öder wurde. Die Spiele und Trinkzelte lagen fast alle in der Mitte derselben, und die Handelsleute und Goldwäscher hatten, was zu Hause geblieben war, schon ihr Lager gesucht, und ihre Lichter ausgelöscht.

Hier nun musste nach rechts der Hügel liegen, und der Justizrat bog dahin ein. Der Boden wollte aber nicht höher werden, sondern lief eben fort. Hier und da stolperte er sogar über einige aufgeworfene Erdhaufen und wäre ohne das matte Sternenlicht beinahe in eine der ziemlich tiefen Gruben hinabgestürzt. Hier draußen war es dabei so still und öde. Dem etwas ängstlichen Justizrat wurde ganz unheimlich zumute. Immer aber noch in der festen Meinung, dass ihr Zelt hier in der Gegend liege, wollte er nicht in die Stadt zurückkehren und entdeckte jetzt, etwa hundert Schritt weiter voraus, ein Lagerfeuer, an dem er nun beschloss, Erkundigungen einzuziehen.

Dorthin zu gelangen war immer noch mit einigen Schwierigkeiten verbunden, denn überall hatten die Goldwäscher wenigstens versucht, Gold zu finden, einzelne tiefe Löcher zu dem Zweck gegraben, und dann den Platz wieder aufgegeben. Vorsichtig jedoch mit dem Fuß vorher jeden Schritt untersuchend, gelangte er näher und näher zu dem Feuer, bis er eine, wie es schien, davor auf- und abgehende Gestalt erkennen konnte. Es sah beinahe aus, als ob da jemand Schildwacht stände. Nichtsdestoweniger kam der Justizrat, wie es schien, vollkommen unbemerkt an den Mann heran und sagte, als dieser vielleicht noch zwei Schritt von ihm entfernt war: »Guten Abend! Können Sie …«

»Halt! Wer da!«, schrie da plötzlich der Posten, denn ein solcher schien es in der Tat zu sein, mit lauter, fast kreischender Stimme, indem er ein paar Schritt zurückprallte.

Der Justizrat hörte ein doppeltes Knacken, als ob Gewehrhähne gespannt würden.

»Na, beunruhigen sich nicht «, sagte er aber abwehrend. »Setzen Sie verdammt Gewehr ab. Gut Freund!, wollte ich sagen.«

»Na ja, das is nicht übel«, sagte da die Schildwacht mit echt preußischem Dialekt, »kommt der da bei Nacht und Nebel heranjeschlichen wie eine Schlange, und dann sagt er: Jut Freund!«

»Was gibt’s, Schildwacht?«, fragte da von dem Feuer her eine feine Stimme, als ob sie einem Knaben von vierzehn Jahren gehöre.

»Ein Deutscher«, erwiderte die Schildwacht, das Gewehr dabei noch immer im Anschlag, »der an mich anjekrochen ist, un Jut Freund sagt.«

»Arretiert ihn und bringt ihn ins Hauptquartier«, lautete die Antwort.

»Stehn bleiben, oder ich schieße«, drohte im nächsten Augenblick, dem Befehl gehorsam, die Schildwacht und setzte dann hinzu: »Arrestant vortreten – Achtung! Vorwärts – marsch – linke Schulter vor! Halt!«

»Aber Donnerwetter!«, fluchte der Justizrat, der sich aus Furcht vor dem auf ihn gerichteten Gewehr dem Befehl ohne Widerrede unterzog. »Will ja nur …«

»Maul halten!«, herrschte ihn aber der Posten, ein kleiner untersetzter Bursche mit dunklem Rock und einem weißen Gürtel oder einer Binde um den Leib an. »Hier ist ein Graben – ‘nüber springen – eins – zwei – drei!«

»Aber ich will ja nur …«

»Eins!«, zählte aber die Schildwacht noch einmal barsch und hob das Gewehr an den Backen, »zwei …«

Der Justizrat machte einen Satz über den Graben hinüber und hielt sich drüben mit Händen und Füßen an. Auf das Feuer war aber indessen trockenes Holz geworfen worden, dass es hoch aufloderte und den Platz hell erleuchtete. Der Gefangene sah, dass er sich an einer, wie es schien, frisch aufgeworfenen und mit einem etwa drei Fuß breiten Graben umgebenen Schanze befand. Die Erde aus dem Graben hatte man dann gleich zu dem Wall benutzt, in dessen Inneren, vielleicht zehn Schritt im Durchmesser haltenden Raum, ein einzelnes weißes Zelt stand. Vor dem Zelt war das Feuer, vor dem der Justizrat noch vier Bewaffnete erkennen konnte.

»Hinaufklettern!«, lautete jetzt der Befehl der unerbittlichen Schildwacht, die immer noch mit dem Gewehr im Anschlag hinter ihm stand. »Eins!«

»In drei Teufels Namen«, schrie der Justizrat jetzt ärgerlich gemacht. »Komme ja schon … so … jetzt hab ich meinen Pfeifenkopf verloren.«

»Zwei!«

»Verfluchter Kerl!«, brummte er zwischen den Zähnen durch. Das angelegte Gewehr machte ihn aber behände. Mit einem wahrhaft verzweifelten Satz schwang er sich auf den Rand des Dammes und sah sich hier plötzlich einem wahren Riesen von einem Mann gegenüber, der ebenfalls mit gefälltem Gewehr ihn erwartete.

»Juten Abend!«, sagte der Riese aber, und der Justizrat fand jetzt zu seinem Erstaunen, dass ihm die feine Stimme gehörte. »Was wollen Sie eigentlich hier bei Nacht und Nebel?«

»Ich?«, rief aber der Gefangene ärgerlich, denn ein unbestimmtes Gefühl sagte ihm, dass er hier für seine eigene Person wohl kaum etwas zu fürchten habe, »kuriose Erkundigung … fragen Ihre Schildwacht … eins, zwei, drei! … Auch Manier, auf Leute mit Gewehr zu zielen?«

»Die Schildwacht hat nur ihre Schuldigkeit jetan«, versetzte aber trocken der Riese, ebenfalls in rein preußischem Dialekt. »Zu wem wollen Sie?«

»In mein Zelt«, antwortete der Justizrat, »Dunkelheit verlaufen … weiß der Teufel, wo bin.«

»Wo steht Ihr Zelt?«

»Wenn ich’s wüsste, wär’ ich nicht hier«, brummte der Gefangene. »Heute erst gekommen.«

»Heute? So? Schultze!«, sagte der Riese.

»Hier!«, rief einer der Kleinen in seiner Begleitung.

»Vortreten!«

Schultze kam, Gewehr an, mit zwei langen Schritten vorgetreten und machte Front.

»Schultze, du bist heute auf Kundschaft ausjesandt jewesen. Weißt du, ob heute Landsleute hier einjetroffen sind?«

»Ja«, sagte Schultze, »vier Stück, ein Stück und drei Stück!«

»Wir sind unserer vier«, rief der Justizrat rasch.

»Wo steht deren Zelt?«

»Auf der anderen Seite vom Paradies, etwa zweihundert Schritt entfernt auf einem kleinen Hügel. «

»Auf der anderen Seite der Stadt?«, rief der Justizrat erstaunt, »das ist ja gar nicht möglich.«

»Schultze abtreten!«, sagte der Riese lakonisch. Schultze machte dem zufolge rechts umkehrt, zwei Schritte wieder ab, und Front, und der Anführer sagte: »Sein Sie jetzt nun so jefällig und jehn Sie man den Weg wieder zurück, den Sie jekommen sind, dann werden Sie wohl Ihr Zelt finden.«

»Hm, hm, hm, hm«, brummte der Justizrat vor sich hin und schüttelte mit dem Kopf, denn er konnte sich noch gar nicht denken, dass er am ganz verkehrten Ende herausgekommen wäre. »Und auch noch Pfeifenkopf verloren.«

»Wo?«, fragte der Anführer.

»Hier im Graben.«

»Schultze vortreten! Nimm einmal einen Lichtstummel und suche dem Herrn seinen Pfeifenkopf.«

»Danke schön – guten Abend.«

»Juten Abend! Jewehr bei Fuß! Auseinander!«

Oben die Garnison löste sich auf, während der Justizrat wieder in den Graben hinunterkletterte.

Den weißen Pfeifenkopf fand er aber augenblicklich wieder, und er steckte ihn an.

»Haben Sie ihn?«

»Ja … danke … gute Nacht …«

»Schön Dank, mein Herr!«

»Gute Nacht, Schildwacht!«

»Jute Nacht – Halt – Parole!«

»Ach, geht zum Teufel«, sagte der Justizrat ärgerlich, warf einen grimmigen Blick auf das Lager zurück und tappte jetzt wieder durch Nacht und Nebel den einzelnen, noch hellen Zelten der Stadt zu. Diesmal fand er auch seinen Weg und erreichte endlich, todmüde von der ungewohnten Anstrengung und Aufregung, sein Zelt. Es war aber auch indessen spät geworden, und die übrige Gesellschaft hatte schon lange ihr Lager gesucht. Selbst Hufner schlief. Wie der Verirrte aber in das Zelt hineintappte, dessen innere Einrichtung er noch nicht kannte, rief ihn Binderhof an.

»Sind Sie das, Justizrat?«

»Ja – wo ist mein Bett?«

»Ei ei, ei, ei, Justizrätchen«, sagte aber der Lange, sich auf seinem Lager umdrehend, ohne die Frage zu beantworten. »Sie heimlicher Nachtschwärmer, Sie. Drückt sich da fort, sagt, er will schlafen gehen, und schleicht in der Dunkelheit in der Stadt umher. Justizrätchen, Justizrätchen, bei Ihrer Jugend den Verführungen eines solchen Ortes preisgegeben.«

»Ach, Dummheiten! Wo ist mein Bett?«

»Ja, Dummheiten«, fuhr der unverwüstliche Binderhof fort, »wer weiß, welches verliebte Abenteuer Sie indessen bestanden haben.«

»Gehen Sie zum Teufel – wo ist mein Bett?«

»Warten Sie, Herr Justizrat«, sagte jetzt, während Binderhof lachte, der indessen munter gewordene und stets gefällige Hufner, »ich werde Ihnen gleich Licht machen!« Dabei tappte er im Dunkeln nach den Schwefelhölzern umher, die er endlich fand und entzündete.

»Morgen müssen Sie uns aber die Geschichte erzählen, Justizrat«, sagte Binderhof.

Der Justizrat murmelte einen Fluch zwischen den Zähnen durch, zog seine Stiefel und seinen Rock aus und kroch dann auf sein Lager, das ihm Hufner ordentlich hergerichtet hatte.

»Soll ich das Licht wieder ausblasen, Herr Justizrat?«

»Wenn Sie nicht noch im Bett lesen wollen, Herr Hufner«, antwortete statt dessen Binderhof.

»Unausstehlicher Mensch«, murmelte der Justizrat.

Das Licht erlosch, und wenige Minuten später lagen die sämtlichen Bewohner des Zeltes in süßem Schlummer.