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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Skalpjäger – Das Programm

Thomas Mayne Reid
Die Skalpjäger

Zweiter Teil
Siebentes Kapitel

Das Programm

Ich hatte mich kurz darauf zur Cavallada begeben, um nach meinem Pferd zu sehen, als plötzlich der Klang des Hornes zu mir herüber erschallte. Es war ein den Leuten gegebenes Signal, um sie zusammenzurufen, und ich kehrte zum Lager zurück.

Als ich es wieder betrat, stand Seguin noch immer mit dem Horn in der Hand vor seinem Zelt. Die Jäger sammelten sich um ihn.

Sie waren bald alle beisammen und erwarteten, in Gruppen beieinanderstehend, dass der Anführer sprechen möge.

»Kameraden«, sagte Seguin, »morgen brechen wir dieses Lager ab, um einen Zug gegen den Feind zu unternehmen. Ich habe euch zusammengebracht, damit ihr meine Pläne erfahren und mich mit eurem Rat unterstützen mögt.«

Ein Beifallsmurmeln folgte dieser Ankündigung. Das Abbrechen eines Lagers ist stets eine gute Nachricht für Leute, die sich den Krieg zum Handwerk gemacht haben. Es schien eine gleiche Wirkung auf diese bunte Gruppe von Guerilleros zu üben.

Der Anführer fuhr fort: »Es ist nicht wahrscheinlich, dass ihr viele Kämpfe zu bestehen habt. Unsere Gefahren werden die der Wüste sein, aber wir wollen uns bemühen, uns auf die bestmögliche Weise gegen sie zu verwahren.

Ich habe von zuverlässiger Seite gehört, dass unsere Feinde eben jetzt im Begriff sind, einen großen Zug zu unternehmen, um die Städte von Sonora und Chihuahua zu plündern.

Es ist ihre Absicht, wenn sie nicht auf Regierungstruppen stoßen, ihre Streifzüge bis nach Durango selbst auszudehnen. Beide Stämme haben sich zur Bewegung verbunden, und es ist anzunehmen, dass alle Krieger nach Süden gehen und ihr Land unbeschützt zurücklassen.

Ich gedenke daher, sobald ich ermitteln kann, dass sie fort sind, in ihr Gebiet einzudringen und mich zu der Hauptstadt der Navajo zu begeben.«

»Bravo! Bravo! Bueno! Hurra! Trés-bien! So gut wie Weizen!« und zahlreiche andere Ausrufe begrüßten diese Erklärung.

»Einige von euch kennen die Absicht, in welcher dieser Zug unternommen werden soll, anderen ist sie unbekannt. Ich will sie euch mitteilen. Er geschieht also, um …«

»Um eine gute Quantität von Skalpen zu holen – was sonst?«, unterbrach ein rauer brutal aussehender Bursche den Anführer.

»Nein, Kirker!«, erwiderte Seguin, indem er sein Auge mit einem zornigen Ausdruck auf den Mann heftete. »Das ist es nicht. Wir erwarten, bloß auf Frauen zu stoßen. Es darf kein Einziger ein Haar auf dem Haupt eines indianischen Weibes berühren, ich werde keinen Weiber- oder Kinderskalp bezahlen.«

»Wo wird dann unser Profit sein? Wir können sie nicht gefangen mitnehmen. Ich denke mir, dass wir selbst genug damit zu tun haben werden, wieder durch die Wüste zurückzukommen.«

Die Frage schien die Gefühle anderer Mitglieder der Schar auszudrücken, und dieselben murmelten ihre Beistimmung.

»Ihr sollt nichts verlieren, alle Gefangene, die ihr macht, sollen an Ort und Stelle gezählt werden und ein jeder bei unserer Rückkehr nach seiner Zahl Vergütung erhalten. Dafür sorge ich.«

»O, das ist billig genug!«, riefen mehrere Stimmen.

»Nun, es ist also ausgemacht – weder Frauen noch Kinder! Die Beute, welche ihr macht, ist unseren Gesetzen nach euer Eigentum. Aber es darf kein Blut vergossen werden, wenn es möglich ist, es zu schonen. Es klebt so schon genug an unseren Händen. Macht ihr euch alle dazu verbindlich?«

»Ja, ja! Oui, oui! Alle! Todos! Todos!«, riefen eine Menge von Stimmen, indem jeder in seiner Muttersprache antwortete.

»Diejenigen, welche nicht einwilligen, mögen sprechen.«

Diesem Vorschlag folgte eine tiefe Stille. Alle machten sich verbindlich, dem Wunsch ihres Anführers zu gehorchen.

»Es freut mich, dass ihr einstimmig seid. Ich will jetzt meine Absichten ausführlicher darlegen. Es ist nicht mehr als Recht, dass ihr sie sogleich erfahrt.«

»Ja, lasst uns dies wissen«, grollte Kirker, »wenn wir nicht ausziehen sollen, um Skalpe zu holen.«

»Wir gehen also, um unsere Freunde und Verwandten zu suchen, die seit Jahren bei den wilden Feinden gefangen gehalten werden. Es gibt unter uns viele, welche Angehörige – Frauen, Schwestern und Töchter – verloren haben.«

Ein beistimmendes Gemurmel, welches hauptsächlich von Männern in mexikanischem Kostüm ausging, bewies die Wahrheit dieses Ausspruches.

»Ich selbst gehöre zu dieser Zahl«, fuhr Seguin mit bebender Stimme fort. »Ja, vor Jahren, langen Jahren bin ich von den Navajo meines Kindes beraubt worden. Ich habe vor Kurzem erfahren, dass es noch am Leben ist und sich nebst vielen anderen weißen Gefangenen in der Hauptstadt befindet. Wir werden kommen, um sie zu befreien und ihren Freunden und ihrer Heimat zurückzugeben.«

Die Menge ließ ein Beifallsgeschrei und die Ausrufe »Bravo! Wir wollen sie wieder holen! Vive le Kapitän – Viva el Gese!« vernehmen.

Als die Stille wieder hergestellt war, fuhr Seguin fort: »Ihr kennt unsere Absicht. Ihr habt sie gebilligt. Ich will euch jetzt mit dem Plan bekanntmachen, welchen ich zu ihrer Ausführung gefasst habe, und euren Rat anhören.«

Hier schwieg der Anführer einen Augenblick, während die Leute seine weiteren Mitteilungen erwarteten.

»Es gibt drei Pässe«, fuhr er endlich fort, »über die wir von dieser Seite in das Indianerland dringen könnten. Erstens die Straße des westlichen Puerto. Diese würde uns direkt zu den Navajostädten führen.«

»Und warum sollten wir diese Straße nicht einschlagen?«, fragte einer von den Jägern, ein Mexikaner. »Ich kenne sie bis zu den Puercosstädten vollkommen.«

»Weil wir nicht an den Puercosstädten vorüberkommen könnten, ohne von Navajospionen gesehen zu werden. Es gibt dort stets eine Anzahl von ihnen. Ja, noch mehr«, fuhr Seguin mit einem Blick fort, der einen verborgenen Sinn verkündete. »Wir würden am Rio del Norte nicht weiterkommen können, ohne dass die Navajo unsere Annäherung erführen. Wir haben näher zu Hause auch Feinde.«

»Carrai, das ist wahr«, bemerkte ein Jäger in spanischer Sprache.

»Wenn sie etwas von unserer Annäherung erführen, selbst wenn die Krieger südwärts gegangen wären, so seht ihr ein, dass unsere Reise vergeblich sein würde.«

»Sehr wahr! Sehr wahr!«, schrien mehrere Stimmen.

»Aus demselben Grund können wir nicht durch den Pass von Pelvidera gehen. Überdies ist in dieser Jahreszeit nur wenig Wild auf einem von diesen Wegen zu erwarten. Wir sind bei unseren gegenwärtigen Vorräten auf keinen längeren Zug gerüstet. Wir müssen durch eine Gegend ziehen, in welcher es Wild gibt, ehe wir in die Wüste dringen können.«

»Das ist wahr, Cap’tain. Aber wenn wir über das alte Bergwerk gehen, so wird ebenso wenig Wild anzutreffen sein. Welche andere Straße könnten wir aber einschlagen?«

»Es gibt noch eine Straße, welche mir besser als alle anderen zu sein scheint. Wir wollen südlich gehen und uns dann in westlicher Richtung quer über die Llanos zur alten Mission begeben. Von dort können wir nördlich in das Apachenland ziehen.«

»Ja, ja! Das ist der beste Weg, Kapitän.«

»Wir werden eine lange Reise haben, aber diese wird durch andere Vorteile aufgewogen. Wir werden die Büffel von Llanos finden. Überdies können wir uns überzeugen, dass unsere Zeit gut angewendet ist, da wir uns in den Pinnonhügeln, die die Aussicht auf den Kriegsweg der Apachen gewähren, verstecken und unsere Feinde vorüberkommen sehen werden.

Wenn sie nach Süden gegangen sind, können wir über den Gila setzen und uns am Azul oder Prieto aufwärts halten. Wenn der Zweck unserer Züge erfüllt ist, so werden wir auf dem nächsten Wege zu unserer Heimat zurückkehren.«

»Bravo! Viva! Das ist recht, Cap’tain! Das ist offenbar der beste Plan!«, riefen die Jäger.

Keine einzige Stimme widersprach ihm. Das Wort Prieto erklang wie Musik in ihren Ohren. Es war ein magisches Wort, der Name des weit berühmten Flusses, an dessen Ufern die Trapperlegenden schon seit langer Zeit das Eldorado, das weltberühmte Goldland, verlegt hatten. Bei den Lagerfeuern der Trapper waren häufig genug Geschichten erzählt worden, welche alle darin übereinstimmten, dass das Gold hier klumpenweise auf der Erdoberfläche liege und die Flüsse mit seinen glänzenden Körnern erfüllt seien. Oftmals hatten die Trapper von einem Zug zu diesem unbekannten Land gesprochen und es hieß, dass kleine Scharen wirklich hineingedrungen seien, dass aber keiner von den Abenteurern je wieder zurückgekommen wäre.

Die Jäger sahen jetzt zum ersten Mal die Aussicht, mit Sicherheit in diese Gegend zu dringen vor sich, und ihr Geist erfüllte sich mit wilden romantischen Visionen. Nicht wenige von ihnen hatten sich Seguins Schar in der Hoffnung angeschlossen, dass dereinst gerade dieser Zug unternommen und der Goldberg erreicht werden würde. Man denke sich also die Gefühle, womit sie die Mitteilung Seguins aufnahmen, dass es seine Absicht sei, an den Prieto zu gehen. Bei der Nennung desselben lief ein Summen von eigentümlicher Bedeutung durch die Menge und die Leute wendeten sich mit zufriedenen Mienen zueinander.

»Morgen wollen wir also marschieren«, fügte der Anführer hinzu. »Geht jetzt und trefft eure Vorbereitungen. Wir brechen bei Sonnenaufgang auf.«

Sobald Seguin geschlossen hatte, entfernten sich die Jäger, um nach ihrem Gepäck zu sehen, eine Pflicht, die bald erfüllt war, da sich diese rauen Jäger nur wenig mit Lagergepäck schleppten.

Ich setzte mich auf einen umgestürzten Baumstamm und beobachtete eine Zeitlang die Bewegungen meiner wilden Gefährten und horchte auf ihre raue, in einer babylonischen Sprachverwirrung geführte Unterhaltung.

Endlich ging die Sonne unter und zu gleicher Zeit brach die Nacht herein.

Die Feuer wurden mit frischen Klötzen genährt, sodass sie hoch aufloderten. Die Leute lagerten sich um dieselben, kochten, aßen, rauchten, sprachen laut und lachten über Geschichten, welche ihre wilden Gewohnheiten betrafen. Der rote Feuerschein fiel auf die gebräunten scharf markierten Gesichter, welche von dem Feuer des Cottonholzes ein noch wilderes Aussehen erhielten.

Die Bärte sahen jetzt dunkler aus und die Zähne schimmerten weißer unter ihnen hervor. Die Augen schienen tiefer eingesunken und ihre Blicke funkelnder und dämonischer geworden zu sein. Es war eine malerische Szene – Turbane, spanische Hüte, Federn und bunte Gewänder, an die Bäume gelehnte Escopetten und Büchsen, hohe, auf Baumstämmen und Stümpfen ruhende Sättel, von Ästen über uns herabhängende Zügel, Streifen von gedörrtem Fleisch, welche vor den Zelten Girlanden bildeten, und noch dampfende und blutende Wildbrettkeulen trafen überall das Auge.

Der auf die Stirn der indianischen Krieger gemalte Zinnober schimmerte im nächtlichen Licht wie Blut. Es war ein zugleich wildes und kriegerisches Gemälde, besaß aber eine Beimischung von Grausen, welches das gefühlvolle Herz zum Zurückschaudern zwang. Es war ein Bild, wie man es nur in einem Biwak von Guerilleros, von Räubern, von Menschenjägern erblicken konnte.