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Gold Band 2 – Kapitel 01.4

Friedrich Gerstäcker
Gold Band 2
Ein kalifornisches Lebensbild aus dem Jahre 1849
Kapitel 1
Ein Abend im Paradies
Teil 4

Je weiter der Abend dabei vorrückte, desto mehr Gäste sammelten sich, und die Tische waren schon fast vollständig besetzt. Da kamen noch zwei Deutsche herein und zwar ein kleiner Bursche mit einem riesigen feuerroten Bart und einer viereckigen Pelzmütze, ein Apotheker Kulitz, und hinter ihm derselbe Mann in den Wasserstiefeln, der heute Morgen dicht vor der Flat das junge Eselfüllen totgeschossen hatte.

»Guten Abend, Kulitz – wie geht es«, rief ihm Fischer entgegen. »Hierher, Mann, Ihr kommt gerade zur rechten Zeit, noch ein Glas Sprühgeist mitzutrinken – wen habt Ihr da? Einen frischen Landsmann?«

»Jawohl, einen Schiffsgefährten«, sagte Kulitz, etwas verlegen lächelnd. »Er ist eine Zeit lang in San Francisco gewesen, und will jetzt auch sein Glück in den Minen versuchen.«

»Dann soll er sich aber eine andere Gesellschaft suchen wie die unsere!«, rief Binderhof, von seiner Bank aufstehend. Die Übrigen sahen bald ihn bald den so Empfohlenen erstaunt an.

»Donnerwetter ja!«, rief aber jetzt auch der Justizrat. »Das ist ja der nämliche Kerk, der heute Schläge bekommen hat – Kutscher!«

»Ach, lasst die alte Geschichte«, sagte Lamberg dazwischen. »Jeder fege hier vor seiner Tür. Was geht das uns an!«

»Was das uns angeht?,« rief aber Binderhof, »das geht mich so viel an, dass ich wenigstens mit dem Lump nicht an einem Tisch sitzen will.«

»Hallo, was ist denn da vorgefallen? Was gibt es?«, riefen die Deutschen untereinander.

Der mit den Wasserstiefeln wartete aber eine weitere Erklärung nicht ab. »Geht zum Teufel!«, brummte er zwischen den zusammengebissenen Zähnen durch, drehte sich auf dem Absatz herum und verließ das Zelt, während Binderhof jetzt mit kurzen Worten den heutigen Vorgang und die gemeine Grausamkeit des Menschen schilderte.

»Der Lump!«, schrie da Fischer mit der Faust auf den Tisch schlagend, dass die Gläser in die Höhe sprangen, »und der wagt es noch zu Landsleuten in ein Zelt zu treten? Ein Hundsfott, wer mit dem Kerl umgeht, und für vogelfrei sollte man einen solchen Schuft erklären.«

»Nanu«, sagte aber Erbe, der sich die Sache nicht so schwarz vorstellen mochte. »Was ist denn da nun weiter, wenn er auch einen Esel gekilled hat?«

»Herr Erbe, wenn Sie sich mit ihm einlassen«, rief aber Fischer, noch in gerechter Entrüstung über die rohe Handlung, »so war dies das letzte Glas, das Sie mit uns getrunken haben. Darauf können Sie sich verlassen.«

Erbe schüttelte, wie verwundert, mit dem Kopf, sagte aber kein Wort weiter, denn die Drohung war zu deutlich gewesen, und er wollte sich einer solchen Möglichkeit nicht durch die weitere Verteidigung eines überdies wildfremden Menschen aussetzen.

Der Einzige, der bei diesem ganzen Empfang des Fremden und der späteren Aufregung seine vollkommene und durch nichts gestörte Ruhe bewahrte, war gerade der, der ihn hier eingeführt und als einen Freund vorgestellt hatte – Kulitz. Als ob nicht das Gerinste vorgefallen wäre oder der so Zurückgewiesene ihn nicht das Geringste anginge, hatte er seinen Platz eingenommen, forderte vom Wirt ein Glas Likör, holte dazu eine Tafel Schokolade und ein in Papier eingeschlagenes Stück holländischen Käse aus seiner eigenen Tasche und verknusperte die beiden, doch eigentlich nicht recht zusammenpassenden Gegenstände, ohne auch nur ein Wort in die Debatte hineinzureden.

Zu dem Wirt an den Schanktisch war indessen ein langer Amerikaner getreten, hatte sich ein Glas Brandy und Wasser geben lassen und mit dem Wirt dann heimlich gesflüstert.

Dieser, der etwas Englisch sprach, schien auf das, was ihm jener vorschlug, nicht recht eingehen zu wollen. Endlich zuckte er die Achseln und sagte: »Meinetwegen – wenn Sie spielen wollen, habe ich nichts dagegen. Dort an dem Tisch ist gerade noch eine Ecke frei.«

»Dank Euch«, sagte der Amerikaner, drehte sich von ihm ab und schritt der bezeichnten Stelle zu, an der er sich mit einem höflichen Gruß gegen die Deutschen niederließ.

»Hol’s der Teufel«, flüsterte da Fischer dem neben ihm sitzenden Graf Beckdorf zu. »Das ist der nämliche Halunke, der neulich den Indianer verwundet oder gar umgebracht hat, und hinter dem der Häuptling heute her war. Einer dieser nichtsnutzigen betrügerischen amerikanischen Spieler. Was will denn der an unserem Tisch?«

»Gentlemen«, wandte sich da der Amerikaner, sie nicht lange über seine Absichten in Zweifel lassend, an die Gesellschaft, »wenn Sie nichts dagegen haben, können wir ja wohl ein Spielchen machen? Die Abende sind lang, und man weiß wahrhaftig manchmal nicht, wie man die Zeit totschlagen soll, denn im Dunklen lässt sich nun einmal leider kein Gold waschen.«

Mit den Worten nahm er ein Spiel spanischer Karten aus seiner Seitentasche, legte sie vor sich hin und hob dann einen bis dahin unter dem Mantel gehaltenen ziemlich gewichtigen Beutel auf den Tisch.

»Ah vortrefflich!«, rief Johnny, der keine Karte sehen konnte, ohne augenblicklich den Spielteufel in sich zu fühlen. »Jetzt kommt Leben in die Sache.«

»Das bezweifle ich, Napoleon«, sagte Fischer ruhig, »denn wenn du den Betrügern dein Geld in den Hals jagen willst, wirst du wahrscheinlich wo andershin gehen müssen.«

»Wo andershin? Und weshalb?«, rief der Kleine. »Hier ist alles fix und fertig, und jetzt sollt ihr einmal sehen, wie ich dem Herrn da die Unzen aus dem Beutel ziehe.«

»Das sieht vielleicht ganz hübsch aus, Johnny«, erwiderte Fischer, »aber wenn die übrigen Landsleute meiner Meinung sind, so dulden wir hier kein Spiel. Ich denke, die Franzosen da drüben haben dieselbe Ansicht.«

»Hinaus mit dem Spieler!«, sagte da auch Graf Beckdorf. »Diese Pest des Landes soll da bleiben, wohin sie gehört – bei den Amerikanern.«

Fischer hatte zugleich einige Worte mit den ihm nächsten Franzosen gewechselt, und diese, rasch auffahrend, stimmten ihm ebenfalls bei, in diesem Zelt das Spiel nicht zu dulden. Da aber zugleich eine Anzahl von ihnen aufgestanden war, glaubte Mr. Smith wahrscheinlich, dass sie jetzt zu ihm kommen und pointieren wollten, mischte deshalb lächelnd seine Karten, ließ sie ein paar Mal durch die Finger gleiten und sagte dann, das Spiel dem ihm zunächst sitzenden Erbe hinüberschiebend: »Be so kind to cut, Sir!«1

»Cut yourself!2«, antwortete ihm aber Erbe, ohne seine Hände aus den Taschen zu nehmen, und mit dem Doppelsinn des Wortes.

Fischer indessen, ohne sich weiter mit dem Spieler einzulassen, war zum Wirt getreten und hatte hier, von den Franzosen kräftig dabei unterstützt, seinen festen Entschluss ausgesprochen, dass sie alle das Zelt verlassen und nicht wiederkommen würden, wenn er es zu einer Spielhölle machen wollte. Dieser hätte nun vielleicht ganz gern gesehen, dass in seinem Zelt dann und wann gespielt wurde, denn die Leute blieben da später in die Nacht hinein sitzen und tranken mehr. Seine Gäste wollte er sich aber natürlich nicht damit vertreiben, und ging deshalb zu dem Amerikaner, ihm deren Entschluss mitzuteilen.

»Mister«, sagte er dort, »die Herren wollen nicht spielen. Packen Sie Ihre Karten wieder ein.« »Wollen nicht spielen?«, rief aber Johnny auf Englisch, der gar nicht daran dachte, seine Aussicht auf Gewinn aufzugeben. »Wer sagt Euch das, Bockfeld? Gewiss will ich spielen.«

»Nun, wer nicht spielen will, lässt es bleiben«, sprach der Amerikaner lächend und Johnny zunickend. »Wir beide fangen indessen an. Hier, Sir, liegt drei und Ass – und hier fünf und neun – auf welche?«

»Es soll hier in dem Zelt nicht gespielt werden, Sir«, mischte sich aber Fischer in das Gespräch, »ich glaube, das wird Euch deutlicher sein. Ihr habt uns doch nun verstanden?«

»Ist dies Euer Zelt, Sir?«, fragte der Amerikaner trotzig zurück.

»Die Sache geht dich gar nichts an, Fischer«, rief auch Johnny.

»Halt’s Maul, Napoleon«, sagte aber Fischer ruhig, »du bist überstimmt und kannst nichts machen. Dies ist allerdings nicht mein Zelt, aber es gehört dem Mann, der Euch eben gesagt hat, dass hier nicht gespielt werden soll. Seid also so gut und packt Eure Lockvögel wieder ein. Wir Ausländer haben mehr Verstand, als uns damit fangen zu lassen.«

»Ihr seid der Dolmetscher von heute, nicht wahr?«, sagte der Amerikaner und maß ihn mit einem boshaften Blick von oben bis unten.

»Jawohl«, sagte Fischer, »und wenn wir hier Recht und Gerechtigkeit in den Minen hätten oder einen anderen Menschen zum Richter als diesen Holzkopf von Major, so säßet Ihr jetzt fest in Eisen, anstatt hier mit Eurem Goldbeutel herumzulaufen.«

»Das ist Eure Meinung von der Sache?«, gab der Amerikaner lachend von sich. »Schade, dass Ihr nicht Alkalde seid.«

»Für Euer Gelichter ein Glück«, brummte der Deutsche, »und nun seid so gut und räumt den Tisch hier. Wir brauchen den Platz für eine ehrlichere Unterhaltung – für Flaschen und Gläser.«

»Sir!«, rief der Amerikaner mit kaum verbissener Wut.

»Fort mit den Karten – fort mit dem Gold!«, schrien ihn aber auch jetzt die Franzosen und Deutschen an, während Johnny noch einen letzten Versuch machen wollte, und mit einem Messieurs – Messieurs auf die Bank sprang. Lachend und schreiend wurde er aber wieder heruntergezogen, und die Leute drängten jetzt so nahe um den Tisch herum, auf dem der Goldsack stand, dass es der Amerikaner doch für geraten fand, sich zurückzuziehen. Er schob rasch wieder die schon ausgebreiteten Karten zusammen und in seine Tasche, raffte seinen Beutel wieder auf und sagte: »Gentlemen, ich will Ihnen denn selber nicht länger im Wege sein. Erfreuen Sie sich noch der kurzen Zeit, die man Ihnen erlauben wird, in Kalifornien zu bleiben, so gut Sie können. Es wird so nicht mehr lange dauern.«

»Versucht’s uns hinauszutreiben!«, rief aber einer der Franzosen, der Englisch verstand und sich nach ihm durchzudrängen suchte. Die anderen hielten ihn aber zurück.

»Lass den Lump laufen. Er ist ärgerlich, dass wir ihn heimschicken.«

Der Wirt, der das größte Interesse dabei hatte, dass in seinem Zelt keine Gewalttätigkeiten vorfielen, sprang gleichfalls dazwischen und bat den Amerikaner, sich keinen weiteren Unannehmlichkeiten auszusetzen. Mr. Smith war das übrigens gar nicht willens, und wie er nur den Eingang frei sah, schob er sein Gold unter den Arm nnd verließ damit rasch das Zelt.

Hiermit war aber Iohnny nicht zufriedengestellt.

»Messieurs«, schrie er, sprang auf die Bank und drehte den Hut auf seinem Kopf mit einem grimmigen Ruck so weit herum, dass die Broche mit dem blauen Stein hintenhin zu sitzen kam. »Wir sind hier in einem freien Land, wo jeder treiben kann, was ihn freut und wozu er Lust hat!«

»Jawohl, Johnny – jawohl, Rapaleon!«, rief ein Teil der Leute.

»Messieurs«, fuhr aber Johnny erbittert fort, »Sie haben den Herrn hinausgejagt, mit dem ich spielen wollte. Dazu haben Sie kein Recht. Dieses Zelt ist ein Wirtshaus – daran bin ich Miteigentümer, solange ich meine Zeche bezahle. Und wer mir in meine Rechte greift, greift mir an mein Leben, und das brauche ich mir nicht gefallen zu lassen.«

»Bravo, Johnny, bravo«, rief und lachte es von mehreren Seiten.

»Messieurs«, schrie aber der kleine Bursche, darüber nur noch erboster, »ich schüttle den Staub hier von meinen Füßen und werde nie an einen Ort zurückkehren, wo ich gemisshandelt worden bin.«

Damit fuhr der dreieckige Hut wieder herum, Johnny sprang von der Bank hinunter und wollte ohne Abschied das Zelt verlassen. Der Wirt und Fischer versuchten ihn jetzt zurückzuhalten, aber der kleine Bursche war ganz außer sich, riss sich von ihnen los und stürmte hinaus ins Freie.

Show 2 footnotes

  1. »Seien Sie so gut und heben Sie ab.«
  2. to cut – abheben und auch ein Slang für: machen, dass jemand fortkommt; sich drücken