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Die Macht der Drei – Teil 52

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Die beiden großen amerikanischen Parteien der Sozialisten und der Plutokraten waren durch den Staatsstreich der Patrioten in gleicher Weise überrumpelt worden. Die ersten Tage nach dem Sturz Cyrus Stonards herrschte lähmende Überraschung und Verblüffung in ihren Reihen. Die Revolution war von einer dritten, viel jüngeren und, wie sie meinten, viel schwächeren Partei gemacht worden. Aber sie mussten sehen, dass die Masse des Volkes diese Revolution gut hieß, mussten mit der Macht der Tatsachen rechnen.

Es war den Führern der Linken klar, dass eine Revolution von ihrer Seite den schärfsten Widerstand der Rechten finden würde, dass sie sich nur nach blutigen Bürgerkämpfen behaupten könnten. Genau so lagen die Dinge aber auch, wenn die Rechte einen neuen Staatsstreich unternahm. Und man wusste nicht, wie die unbekannte Macht sich zu blutigen Konflikten stellen würde.

So waren die Patrioten in der Lage, ihr eigenes Programm ohne nennenswerte Widerstände durchzuführen. Viel glatter, schneller und besser, als es eine der anderen Parteien jemals gekonnt hätte.

Die amerikanische Presse aller Schattierungen erging sich in Reminiszenzen an frühere glückliche Zeiten im neunzehnten Jahrhundert, in denen Amerika das wahre Land der Freiheit gewesen war, der Patriotismus allein den Ausschlag für alle politischen Handlungen gegeben hatte. Mit wenigen Ausnahmen wurden auch die Nachrufe für Cyrus Stonard dem gestürzten Diktator gerecht. Sie achteten seine Größe und gaben der Meinung Ausdruck, dass er das Beste des Landes gewollt hatte, wenn auch seine Mittel nicht immer die richtigen waren.

In der neuen Regierung übernahm Dr. Glossin das Portefeuille des Äußeren. Er erhielt es wegen seiner Verdienste um die Durchführung der Revolution und seiner genauen Kenntnis der bisher getriebenen äußeren Politik der Vereinigten Staaten. Aber er fühlte vom ersten Tage seiner Amtsführung an, dass er auf unsicherem Boden stand. Die Patrioten hatten Cyrus Stonard stets bekämpft. Dr. Glossin war erst in der zwölften Stunde von ihm abgefallen, nachdem er so lange Jahre sein williges Werkzeug gewesen war. Das brachte ihn in den schlimmen Ruf eines Renegaten, heftete seinem Namen einen schweren Makel an. Nur ein glänzender Wahlsieg konnte ihn in seiner Stellung festigen. Deshalb hatte er sich in New York im Trinity Church District aufstellen lassen. Dort hatte er seine Anhänger, und dort hoffte er durch geschickte Verhandlungen mit den Führern der Roten auch die Stimmen dieser Partei für sich zu gewinnen.

Es war ein gefährlicher Boden, auf den er sich wagte. Nur die raffinierte Schlauheit eines Dr. Glossin konnte es wagen, die Stimmen einer fremden Partei im geheimen Einverständnis mit deren Führern zu erlisten. Er unternahm es, weil er darin die einzige Möglichkeit sah, sich in der Regierung zu halten.

Der allzu Schlaue vergaß, dass es noch eine plutokratische Partei gab, die sich nach den Ereignissen des siebenten August von ihm düpiert fühlte und deren Spione die Vorgänge innerhalb der radikalen Linken sehr genau beobachteten. Er war von dem Ergebnis seiner letzten Besprechung mit den Führern der Linken befriedigt, als sein Kraftwagen ihn in der Abendstunde des zwanzigsten August über den Broadway fuhr.

Eine neue Ausgabe der Abendzeitungen fesselte seine Aufmerksamkeit. Das Blatt der New Yorker Konservativen . Er sah auf der ersten Seite ein Porträt, hörte, wie die Zeitungsboys die Überschriften ausriefen: »Aus dem Vorleben unseres Außenministers!«

Er ließ das Auto halten, um ein Blatt zu kaufen. Hörte, während er es erstand, aus dem Geschrei der Boys eine Fülle anderer Überschriften »Bekommt von England nicht genug! … Die Millionen aus Japan! … Doppelspiel vom ersten Tage! … Englischer Abkunft! … Amerikanischer Bürger! … Japanischer Spion! … Der Bravo des Diktators! … Er verrät weiter! … Wen verrät er? … Das amerikanische Volk!«

Die Zeitungsboys hatten ihn nach dem Porträt erkannt und machten sich den Spaß, ihm die einzelnen Überschriften des Artikels zuzuschreien, bis der Kraftwagen ihn außer Hörweite brachte. Auf der Fahrt zum Flugplatz hatte er Zeit, den Aufsatz ganz zu lesen. Den kleingedruckten Text zwischen den fetten Überschriften .

Der Mann, der das geschrieben hatte, musste ihn und sein ganzes Vorleben unheimlich genau kennen. Da war keiner seiner schlimmen Streiche vergessen, keine seiner Verrätereien und Meinungsänderungen ausgelassen. In schlichter Sprache legte der Verfasser das Treiben Glossins vom ersten Tag seiner Tätigkeit in San Francisco bis zu seinem letzten Doppelspiel mit den Führern der Roten dar. Er deckte den Artikel mit seinem vollen Namen. Der konservative Politiker MacClaß genoss auch in den Kreisen seiner Parteigegner allgemeine Achtung.

Dr. Glossin verließ seinen Wagen auf dem Flugplatz. Was tun? Eine neue Revolution versuchen? Offen mit den Roten zusammengehen? Er verwarf den Gedanken so schnell, wie er ihm gekommen war.

Jetzt gerade nach Washington und den anderen die eiserne Stirn gezeigt! Hatte er nicht allein die Revolution gemacht? Was waren die anderen ohne ihn? Nie hätten sie zur rechten Zeit losgeschlagen Nie wäre es ihnen gelungen, zur Macht zu kommen! Ihm verdankten sie alles. Mit ihm mussten sie weiter durch dick und dünn gehen, wenn sie an der Macht bleiben wollten.

Was hatte schließlich ein Zeitungsartikel im Wahlkampf zu bedeuten?

Mit festem Schritt betrat er das Sitzungszimmer im Weißen Haus. Kühle Worte und kühle Mienen. Es war klar, dass der Artikel von MacClaß hier bereits bekannt war. Deshalb zog er das Blatt aus der Tasche und warf es auf den Tisch.

»Den Wisch kaufte ich vor einer Stunde auf dem Broadway. Schwindel natürlich! Alles Schwindel!«

Drückendes Schweigen folgte seinen Worten. Bis William Baker die Frage stellte: »Alles …?«

Das war der kritische Moment. Mit eiserner Stirn musste Glossin sofort ein einziges Wort sagen: »Alles!«

Als er den geraden durchdringenden Blick William Bakers auf sich ruhen fühlte, versagten ihm für einen Augenblick Entschlossenheit und Mut. Als sie ihm wiederkamen, war es für diese kurze knappe Antwort zu spät. Er musste viele Worte machen. Den Gekränkten und Entrüsteten spielen.

»Mr. Baker, ich hoffe, dass Sie diese Unterstellungen nicht für wahr halten. Ich bin bereit, mich von jedem Verdacht zu reinigen.«

»Es wäre im Interesse des Ansehens der Regierung sehr erwünscht, wenn Sie das könnten.«

William Baker sprach die Worte langsam, während er eine Mappe ergriff, aufschlug und vor Glossin hinschob.

Der Doktor warf einen Blick darauf, und der Herzschlag stockte ihm.

Die Korrespondenz, die er bis in die letzten Tage drahtlos mit England geführt hatte. Chiffriert natürlich. Ein Dechiffrierer von Gottes Gnaden hatte den geheimen Schlüssel rekonstruiert und alles entziffert. Hier standen die Depeschen, wie er sie aufgegeben und empfangen hatte. Daneben der wahre Sinn, der vernichtend für ihn war. Dann weiter seine Verhandlungen mit den Roten von Trinity Church. Dr. Glossin blätterte mechanisch weiter. Ein Bericht eben jenes MacClaß an den Beauftragten des amerikanischen Volkes William Baker.

Dr. Glossin ließ sich auf dem nächsten Stuhl nieder. Er fühlte, dass sein Spiel verloren war. Wie aus weiter Ferne klangen die Worte William Bakers an sein Ohr.

»Ihre Haltung bestätigt mir die Richtigkeit der Anklagen. Wir wollten nicht handeln, ohne Sie gehört zu haben. Was haben Sie zu sagen?«

Dr. Glossin schwieg.

»Wir haben unsere Maßnahmen getroffen. Sie können aus diesem Zimmer als Untersuchungsgefangener des Staatsgerichtshofes hinausgehen … oder … als freier Mann, um sofort ein Flugschiff zu besteigen und die Union für immer zu verlassen. Wofür entscheiden Sie sich?«

Dr. Glossin blickte um sich mit den Augen eines gehetzten Tieres. Von irgendeiner Stelle erwartete er Beistand … Hilfe … zum geringsten Mitleid. Und fand überall nur starre, abweisende Blicke. Er entschloss sich zur Antwort: »Für das Letztere.«

William Baker drückte auf einen Knopf. »Herr General Cole, lassen Sie Herrn Dr. Glossin zum Schiff bringen.«

Der General nahm den Auftrag entgegen. Er winkte dem Arzt. Uniformen wurden sichtbar, als er die Tür zum Vorzimmer öffnete. Die Leute des Generals umringten den Doktor.

General Cole ging zehn Schritte voraus. Er mied die Nähe des Verbannten. Mit schnellen Schritten erreichte er das Flugschiff und stand abseits, während seine Leute die Einschiffung Glossins überwachten. Anders als die Abfahrt Cyrus Stonards vollzog sich die Dr. Glossins.