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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Freibeuter – Die beiden Kameraden

Der-Freibeuter-Zweiter-TeilDer Freibeuter
Zweiter Teil
Kapitel 13

Des Sommers grünes Haar färbte sich herbstlich bunt, als aus dem Göthaborger Hafen täglich eine Schaluppe auslief, westlich herüber um die äußerste Spitze von Jütland herum und dann mehrere Meilen weit in die Nordsee hinabging , aber abends wieder in den Hafen einlief, ohne dass man wissen konnte, weshalb sie diesen vergeblichen Weg so oft wiederholte. Der Befehlshaber dieses Bootes war Lord Palmerston, der die Kleidung eines schwedischen Seeoffiziers trug. Mit düsterem Verlangen streifte sein Auge über die Fläche des Meeres südwärts, und sobald es ein Segel erblickte, zuckte ein wenig Leben in seinem sonst toten Gesicht. Er griff nach einem Fernrohr und spähte, bis er sich getäuscht sah. Dann schwebte wohl auch sein trüb gewordener Blick nach der Gegend hinab, wo ein dunkler Streif am Horizont die Insel Seeland bezeichnete.

Endlich stieg eines Tages ein majestätisches Schiff mit seinen schlanken Spieren, flatternden Wimpeln, Masten und Rahen aus den Wellen hervor und lenkte den Lauf zur schwedischen Küste. Palmerstons Auge drang durch das scharfe Glas von der Schaluppe hinab nach dem höher und höher aufsteigenden Koloss, in dessen von der Sonne bestrahlter Flagge er mit Freude das schwedische Wappen erkannte. Nicht lange, so hob sich der breite Rumpf des Schiffes, das sich durch seine Gestalt den Seglern auf der Schaluppe als eine Fregatte kundgab, und ging nun in seiner ganzen Größe mit allen Segeln über den Wasserspiegel.

Der Lord hatte mit Aufmerksamkeit das Schiff beobachtet. Plötzlich ließ er das Glas fallen und rief: »Er ist es, der lang ersehnte Graf Mörner! « Nun gab er Befehl, der Fregatte entgegen zu rudern und sich ihr vor den Wind zu legen. Das Schiffchen flog auf das stolze Wasserhaus zu, gewann ihm den Wind ab und neigte zum Gruß seine Flagge, mit einem Schuss aus dem Mörser, der zu diesem Zweck mitgenommen worden war. Die Fregatte erwiderte den Gruß, und als der Donner des Geschützes verhallt war, erschien der Kapitän auf dem Verdeck und rief durch das Sprachrohr: »Lieutenant Flaxmann, ich bin erfreut, Euch wiederzusehen. Bemüht Euch herüber, ich habe Euch Dinge von Wichtigkeit mitzuteilen.«

Zugleich wurde von der Fregatte ein kleines Boot herabgelassen, ein junger Matrose eilte das Fallreep hinab in dasselbe, um es der Schaluppe zuzuführen, und der Lord, als schwedischer Dienstmann Lieutenant Flaxmann, erkannte in dem dienstfertigen Burschen, mit einer Freude, wie sie seiner Seele fast fremd geworden war, den flinken Juel Swale. Als er in das Boot hinabsprang und von dem munteren Schiffsjungen freundlich begrüßt wurde, wäre er dem Burschen fast um den Hals gefallen.

»Es scheint, als gingt Ihr wieder mit gutem Wind, Herr«, sagte Juel. »Als wir vor acht Wochen ausliefen, glaubt ich Euch nicht wiederzusehen. Euer Takelwerk war übel mitgenommen und an Euerm Rumpf sah es aus wie lauter Breschen. Ihr habt gut auskeilen und ausstopfen lassen, dass Ihr Euch über dem Wasser habt halten können. Nun, Gott führ Euch noch lange mit günstigem Wind!«

»Ich danke dir, Junge!«, rief der Lieutenant froh und drückte dem Burschen ein Geldstück in die Hand.

Nach wenigen Ruderschlägen hielten sie an der Treppe. Flaxmann stürmte hinauf und fiel dem oben seiner harrenden Norcroß an die Brust.

»Seid mir tausendmal gegrüßt, mein Freund, mit erneuten Ansprüchen auf das Leben ausgestattet!«, rief Norcroß und küsste seinen Landsmann auf Stirn und Wange. »Ach, mir bangte, ich möchte zu spät gekommen sein, um Euch noch einmal die Freundeshand zu reichen. Umso froher bin ich, dass Ihr mich hier auf unserem Element, auf offener Meerflut, mit Eurem Willkommen überrascht.«

»Ihr seid lange geblieben, Kapitän«, entgegnete der andere. »Als Ihr gingt, lag ich noch hoffnungslos darnieder. Aber kaum war die Last der Krankheit von mir gewichen, als mein Herz voll Sehnsucht nach Euch ward. Dies Verlangen wuchs mit meiner zunehmenden Kraft, aber Euer unbegreifliches Ausbleiben hätte mich fast wieder auf das Siechbett geworfen. Ich glaube, ich wäre gestorben, wenn ich nicht von einem Seemann erfahren hätte, dass Ihr in Frankreich Widerwärtigkeiten zu bestehen gehabt.«

»So ist es, mein Freund«, versetzte der Kaperkapitän. »Und da Ihr auf keinen Fall ausführlich von meinem Schicksal unterrichtet sein könnt, so mache ich mir eine Freude daraus, Euch alles mitzuteilen. Doch sagt mir zuvor, wie befindet sich des Königs Majestät? Ist meine junge Frau munter und gesund? Wie leben meine Freunde und Anverwandten?«

»Der König erfreut sich des besten Wohlseins und rüstet ein großes Heer, womit er den im vergangenen Winter aufgegebenen Plan, in Norwegen einzufallen, Friedrichshall zu nehmen und das ganze Land zu besetzen, wieder aufnehmen und ausführen will. Übrigens spricht man nicht nur in Stockholm, sondern in allen Seestädten Schwedens stark vom Frieden mit Russland.«

»Ich weiß davon«, unterbrach Norcroß den Lieutenant.

»Euer Weibchen blüht täglich schöner auf, doch quält sie Sehnsucht nach Euch, und das ist kein Wunder. Zwei Monate wart Ihr ihr Gatte, als Ihr abreistet, und zwei Monate seid Ihr schon abwesend. Das ist einem jungen Ehemann nicht zu verzeihen.«

»Soll ich Euch an den Spruch erinnern: Erst Herrendienst, dann Frauendienst!«, konterte darauf Norcroß lächelnd. »Die widrigsten Umstände hielten mich zurück, wie Ihr bald hören sollt. Und unter uns: Ich liebe meine Frau herzlich , aber diese Reise hat mich über mich selbst aufgeklärt. Ich sehne mich, mein Herz in Eure Freundesbrust auszuschütten. Kommt mit mir in die Kajüte. Meine Offiziere warten darauf, Euch begrüßen zu dürfen. Der Kapitänlieutenant Gad hat Euch noch nicht im schwedischen Seemannskleid gesehen. Schont den armen Teufel. Es ist ihm einmal nicht auszureden, dass Ihr mehr versteht als andere Leute. Meine Burschen werden Euch dafür desto herzlicher willkommen heißen.«

Lieutenant Flaxmann ging an der Hand des Freundes über das Verdeck. Die Offiziere des Schiffes, welche vollzählig waren, standen in einer Reihe, den Kapitänlieutenant Gad an der Spitze, und begrüßten den Fremden mit einer gewissen scheuen Ehrerbietung, die zur Genüge zeigte, dass Gad und der Schiffschirurgus ihre Ansichten über den rätselhaften Engländer in müßigen Stunden des Breitern auszusprechen nicht verfehlt hatten. Meister Habermann wartete an der Treppe, machte einen tiefen Bückling und sagte: »Ew. Hochwohlgeboren wird es einen armen Schiffschirurgen nicht für eine Unbescheidenheit auslegen, wenn derselbe, hocherfreut über dero frische Gesundheit, mit Verlaub, die untertänigste Bitte nicht zurückhalten kann, ihn endlich mit der geheimen Kenntnis der Waffensalbe und des sympathetischen Wundwassers zu beglücken.«

»Euren Wunsch soll endlich die Erfüllung krönen, Meister Habermann«, versetzte der Begrüßte. »Gebt mir dafür das Rezept Eurer dauernden Gesundheit.«

»Das ist bald hergesagt, mit dero Verlaub, die Rumflasche und das Pöckelfleischfass sind die Apothekerbüchsen, aus welchen ich die Ingredienzien zu meiner Arznei hole.« Der Chirurgus belachte seinen Witz herzlich, während die beiden Freunde in den hintersten Verschlag der Kajüte hinabstiegen.

Hier nahmen sie Platz. Der Schiffskoch brachte zwei dampfende Becher Grog, und nachdem sie dieselben auf ihr gegenseitiges Wohl geleert hatten, fuhr Kapitän Norcroß fort: »Das menschliche Herz ist voll Widersprüche, Eigensinn und Wunderlichkeit. Je mehr man darüber nachdenkt, desto unerklärlicher wird es einem. So viel ist gewiss, dass das meine die Herrschaft des Kopfes nicht erkennen will. Ihr wisst, ich habe leidenschaftlich geliebt, die duftende Purpurblüte dieser Blume ist abgeblüht, und ich glaube mein Herz für die Empfindungen heißer Liebe erkaltet. Eine stille sanfte Neigung zu meinem Weib hatte mich erfüllt, ich hoffte und wünschte, diese Neigung möchte mich beglücken, sie würde mein Leben mit den bescheidenen Kränzen häuslicher Zufriedenheit schmücken.

Da raubte ich auf Euern Wunsch jenes weibliche Wesen, über dessen hohe Eigenschaften wir wohl gleich anerkennend denken. Ich gestehe Euch jetzt, Lieutenant, sie machte einen unauslöschlichen Eindruck auf mich.

Mein schlafendes Herz erwachte und überzeugte mich, dass ich mich über sein Wesen getäuscht habe. Aber ich gestand es mir nicht selbst. Ich wollte, ich durfte seine Stimme nicht hören. Ich war mit einem liebenswürdigen Mädchen, der Verwandten vornehmer und angesehener Leute, verlobt, durch die mein Glück in Schweden begründet wurde. Ich gedachte mich fest zu klammern an dies Schwedenreich, denn ich war heimatlos. Ich fühlte innige Hochachtung und eine sanfte Regung für meine Braut. Durfte ich die törichten Zuflüsterungen meines Herzens hören? Aber denkt Euch meinen Kampf, Kamerad, als ich nur zu deutlich des Fräuleins von Gabel Leidenschaft für mich wahrnahm! Ich hatte zu Euren Gunsten ein gefährliches Spiel mit Herzen getrieben. Die Sünde rächte sich an mir. Obendrein kannte ich Eure Liebesglut für das Fräulein und durfte nichts anderes erwarten, als dass sie Eure Gattin werden würde. Nichts konnte mich damals irremachen, selbst Euer eignes Zureden nicht. Ich erheuchelte Kälte für Friederike. Ich hütete mich wohl ernsthaft über mich selbst nachzudenken. Aber seit ich durch die Bande der Ehe gefesselt bin, haben jene unterdrückten Stimmen lauter gesprochen, und auf dieser Reise hat sich meiner eine so glühende Leidenschaft für das Fräulein von Gabel bemächtigt, die der Eurigen gewiss nicht nachsteht.«

»Armer Mann!«, sagte Flaxmann. »Und Ihr werdet wieder geliebt. Ihr habt durch das, was Ihr Männlichkeit oder Charakterfestigkeit nennt, zwei Herzen unglücklich gemacht. Armer Freund! Arme Freundin! Ihr ward einander wert!«

»Wohlan! Ich habe Euch den Kummer meiner Seele entdeckt. Es gilt nun, das Unabänderliche männlich zu ertragen, mein gutes Weib zu lieben, meine Pflicht zu erfüllen und den Kampf des Lebens nicht zu scheuen. Lasst uns von Eurer Person reden!

Ihr seid nunmehr fest entschlossen, Euch dem schwedischen Seedienst zu widmen?«

»Ich bin’s. Der Mensch muss doch etwas tun und treiben, muss sich eine Welt wählen oder die, in welche ihn das Schicksal wirft, erfassen, um sie nach Kräften auszufüllen. Auf dem stets bewegten Element ist mir jetzt allein wohl. Es gleicht meinem Leben. Sobald ich die mir noch mangelnden Kenntnisse des Seewesens erlangt habe, werde ich eine Fregatte führen, die mir der König bestimmt hat.«

»So sind wir denn noch inniger verbunden!«

»Mein Wunsch ist, bis dahin unter Euren Kommando zu dienen, Kamerad. Der Durst nach Rache treibt mich eben so stark wie Freundschaft und Anhänglichkeit an Eure Person auf Euer Schiff. Sagt mir nun zuvörderst, habt Ihr den Baron Görz gesprochen?«

»Ich war zwei Tage lang in seiner Nähe und bin über alle unsere Interesse erregenden Angelegenheiten von ihm unterrichtet worden.«

»Billigt er unseren kühnen Plan?«

»Er billigt ihn nicht nur, er belobt ihn sogar. Diese dänischen Schelme, sagte er, hätten es nicht nur am König von Schweden, sondern auch an unserer Sache und an Eurer Person verdient, dass wir mit einem kühnen Streich dem ganzen Tanz ein Ende machten. Europa wird staunen, die staatsklugen Perücken werden zusammenfahren, dass Staubwolken aus ihnen aufsteigen, aber König Karl wird triumphieren und auch unsere Sache ist gewonnen. Die Klugheit treibt uns, die Rache fordert uns auf, denn wisst, auch des Barons Gefangennahme in Holland rührt von den Dänen her. Ein dänisches Schiff hat seine Briefe aufgebracht.«

»Ich bitte Euch, erzählt!«, rief Flaxmann begierig. »Wie war es möglich, dass die Generalstaaten sich an der Person des Barons vergreifen konnten? Die Sache ist mir bis jetzt ein Rätsel geblieben.«

»Das Geheimnis ist gelöst. Der Baron hat durch seine Kundschafter alles herausgebracht. Gegen Ende Januar ist ein schwedisches Schiff von einem dänischen Seefahrer genommen worden. Der dumme Mensch hat einige Briefe des Baron Görz an den schwedischen Gesandten in London, Graf Karl Gyllenborg und einige schottische Barone bei sich, aber statt die Briefe ins Meer zu werfen oder zu verschlucken, wie ihm der Baron, sobald er in Gefahr komme, geraten, lässt er sie ruhig in seinem Proviantschrank liegen. Der Däne schickte die Briefe nach Kopenhagen, der König sendet einen Schnellsegler nach London, und am 9. Februar wurde Graf Gyllenborg, der sich keines Überfalls versah, gefangen genommen. Da fanden denn die edlen Hannoveraner in seinen Papieren, die er nicht Zeit behielt, beiseite zu schaffen, den ganzen Plan des Barons Görz weitläufig und mit allen näheren Angaben. Sogleich ließ der Kronendieb Georg, oder Kurfürst von Hannover – ich werde ihn nie als König von England anerkennen – einen außerordentlichen Gesandten an die Generalstaaten abgehen und die hochmögenden Herren ersuchen, den Baron Görz anzuhalten und dessen Papiere mit Beschlag zu belegen. Darauf wurde der Baron am 21. Februar zu Arnheim gefangen genommen, während es Euch gelang, Euch mit den Euch selbst betreffenden Papieren zu retten.«

»Und wo und wie befindet sich der Baron jetzt? Was habt Ihr mit ihm verhandelt?«

»Dass er durch seine Beredsamkeit und kluges Benehmen die Staaten von Geldern für sich gewann und überzeugte, wie unrecht sie daran täten, ihn in einer Sache festzuhalten, die auch nicht im Entferntesten die Generalstaaten beträfe, zumal da er als Privatmann unter ihnen lebe und nicht einmal schwedischer Untertan, geschweige schwedischer Bediensteter überhaupt, noch Abgesandter des Königs von Schweden insbesondere sei. Dass er deshalb am 1. April wieder auf freien Fuß gesetzt wurde, wird Euch bekannt sein. Ihr habt ohne Zweifel in Kopenhagen, wo man dem Baron gern das ewige Leben gegönnt hätte, davon gehört. Von da reiste unser Görz sogleich nach Versailles und bearbeitete den Regenten, das Geschäft der völligen Aussöhnung unseres Königs Karl mit dem Zar zu übernehmen. Der Herzog von Orleans zeigte sich bereitwillig, dann zauderte er. Endlich, nachdem Görz schon mehrere Wochen am französischen Hof zugebracht hatte, versprach der Herzog-Regent seinen Einfluss auf die beiden Monarchen zu ihrer Vereinigung anzuwenden. Nun trat der Baron mit seinem eigentlichen Plan hervor und forderte Frankreich auf, dem König Karl zu seinen verlorenen deutschen Provinzen zu verhelfen. Der Herzog-Regent fing darauf an, sich mit politischer Zweideutigkeit zu benehmen. Es schien dem Baron, dass dänischer Einfluss im Spiel sei. Als er abermals einige Monate mit leeren Verhandlungen zugebracht hatte und auf eine bestimmte Erklärung drang, so machte der Regent die Ausflucht, es sei seine Pflicht, für die Tilgung der Schuldenlast Frankreichs zu sorgen und seinem königlichen Mündel die Regierung in einer völligen Beruhigung des französischen Reichs zu übergeben. Deshalb könne und dürfe er sich in keinen Krieg einlassen, sondern müsse vielmehr sich bestreben, nur Friedens- und Freundschaftsbündnisse abzuschließen. Infolge dieser Erklärung schloss der Regent auch eine Defensivallianz mit dem Zar und dem König von Preußen. Da aber – wie Ihr wisst – der Letztere ein dicker Freund Dänemarks ist, so konnte man daraus sehen, woher der Wind blies. Auch versprach der Regent in diesem Bündnis ausdrücklich, sich auf keine Weise in den nordischen Krieg zu mischen. Der Baron sah nun ein, dass er in Frankreich nichts mehr zu tun hatte, und beeilte sich, das letzte und kräftigste Mittel anzuwenden, um Dänemark zu demütigen und unseren Stuart auf den Thron seiner Väter zu heben. Er reiste zum Zar nach Loo, wurde von Peter mit Achtung aufgenommen und behandelt, und beide kamen überein, binnen drei Monaten den russisch-schwedischen Frieden bis zum Abschluss in Ordnung zu bringen. Dort habe ich den Baron gesprochen und ihm die Briefe unseres Königs übergeben. Er wird noch einige Zeit in der Nähe des Zars verweilen und arbeitet bereits am Frieden. Hocherfreut war er über meinen Vorschlag und versprach mir, sobald derselbe glücklich ausgeführt sei, die höchste Gnade des Königs nebst einer bedeutenden Stelle bei der Admiralität. Und denkt Euch, Kamerad, welche Aussichten uns überdies aus der Ausführung unseres Plans erblühen! Haben wir den naseweisen Burschen, dann gibt ihn König Karl nicht eher wieder heraus, bis Jacob Stuart König von England ist.«

Flaxmanns bleiches Gesicht überzuckte bei diesen Worten eine glührote Flamme.

»Drauf und dran denn!«, jubelte er, »lasst uns keine Stunde verlieren, Kamerad! Das Geratenste ist, Ihr besteigt meine Schaluppe mit, wir lavieren an der schonischen Küste hin, gleichsam als wären wir ein großes Fischerboot, und stechen in der Nacht hinüber auf die Kopenhagener Reede.«

»Doch erst müssen wir unsere Spione ausschicken«, warf Norcroß ein. »Wir können nicht aufs Geradewohl nach Seeland gehen und die Ausführung unseres Plans dem Zufall überlassen. Nein, mein Freund, wir müssen vorher genau vom Tun und Treiben des Kronprinzen unterrichtet sein, ehe wir etwas unternehmen.«

»Aber wen gedenkt Ihr als Spion auszuschicken, Kapitän? Könnte ich die Züge meines Gesichts unkenntlich machen, so taugte niemand besser dazu als ich selbst.«

»Da dies unmöglich ist, und weder Eure Lage noch Euer Gesundheitszustand gestatten, dass Ihr Euch solcher Gefahr aussetzt, so passt niemand auf dem Schiff besser dazu als ich und mein Juel. Ja, wenn Ihr Euren Courtin noch bei Euch hättet, der wäre der geschickteste Mann zu diesem Geschäft. Doch wie? Sagtet Ihr mir nicht, dass er unter Tordenschild Dienste genommen hat?«

»So ist es.«

»So kann er uns nützlich werden, wenn er im Hafen ist. Und seit seinem Angriff auf Göthenborg und Strömstadt verhält sich Tordenschild ziemlich ruhig. Ihr gebt mir einen Brief an Courtin.«

»Mit Freuden, und dass mir die gute Haut noch ebenso treu ergeben ist, wie sonst, leidet wohl keinen Zweifel. Doch da Ihr eben Tordenschilds Angriff auf Göthenborg erwähnt habt, so erzählt mir doch von diesem tollkühnen Unternehmen etwas Näheres. Es fand kurz vor meiner Flucht aus Kopenhagen statt, und ich hörte nur Unzusammenhängendes davon erzählen. Auch war ich viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt, um einer anderen Angelegenheit als der meinen gehörige Aufmerksamkeit schenken zu können. Ihr wisst, in welchem Zustand ich nach Stockholm kam, und doch habe ich gemerkt, dass Ihr einst an meinem Lager saßet und von einem Überfall des dänischen Tollkopfes erzähltet. Das Fieber hat mich den Sinn Eurer Worte nur halb fassen lassen. auch habt Ihr, so viel ich mich erinnere, nicht ausführlich berichtet. Ferner seid Ihr mir auch die freundschaftlichen Erörterungen über Eure eigene Person auf Eurer Reise schuldig, und ich bitte Euch höflich darum.«

»Wie gern erfülle ich Euren Wunsch, Lieutenant«, entgegnete der Kaperkapitän freundlich, »denn es gewährt einem mutigen Herzen. Und ich denke, dieser Name wird Euch nicht als gemeines Selbstlob klingen – zum Genuss, schwerbestandene Gefahren und gewaltige Lebensmomente in die Erinnerung heraufzubeschwören und mit dem Worte wieder zu beleben. Sobald wir unser Mahl eingenommen haben, wollen wir den Tag mit gegenseitiger freundlicher Mitteilung zubringen, von der Vergangenheit reden und an die Zukunft denken. So bringen wir bis zum Abend zusammen auf der Fregatte zu und lassen sie hernach in den Göthaborger Hafen einlaufen, während ich mich mit Juel in englischer Matrosentracht von Meister Ebbe Reetz in einem kleinen Boot an die seeländische Küste bringen lasse. Reetz ist ein Däne und kann mir nützlich sein. Ihr aber geht in Eurer Schaluppe nach Schonen, streicht an der Küste hin und haltet im Hafen von Karlskrona an. In der morgigen Nacht aber stecht hinüber nach Kopenhagen zu und legt Euch unter die Brücke bei Güldenlund. Dort werde ich entweder selbst sein oder Euch Nachricht von mir geben. Unterdessen werde ich das Nötige ausgekundschaftet haben.«

»Um eins bitte ich Euch, Kamerad, vergesst nicht, dass mein Herz dort seinen Ankergrund hat. Es gibt Euch den Auftrag, nach Christine von Ove zu fragen und ihr einen Gruß zu bringen.«

»Ich werde Euer Liebesbote sein. Ich muss ja ohnedies in das Haus des Vizestatthalters, denn ich sehe nicht gut ein, wie wir unseren Plan ohne Friederikes Beistand ausführen sollten.«

»Rechnet nicht auf sie, Kapitän! Sie liebt ihr Vaterland zu sehr, um sich zu einem Schritt zu verstehen, der sie vielleicht später den Vorwürfen ihres eigenen Gewissens bloßstellte.«

»Auch werde ich Ihr nicht unklug den ganzen Umfang unseres Planes enthüllen. Sie hasst den Kronprinzen, wie Ihr mich selbst versichert habt, ja, sie hasst den ganzen dänischen Hof und wird gern die Hand bieten, Euch Gelegenheit zur Rache zu verschaffen, zu der sie selbst Euch antrieb. Von dieser Seite fass ich sie.«

»Ein Mittel bleibt Euch immer, sie zu allem zu bewegen, was Ihr wünscht. Ihr werdet aber keinen Gebrauch davon machen.«

»Im äußersten Fall von jedem.«