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Die Macht der Drei – Teil 13

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Doktor Glossin saß im Gebäude der englischen Admiralität vor einem dickleibigen verstaubten Aktenstück und wendete Blatt um Blatt.

Da lag auf vergilbtem Papier, von seiner eigenen Hand geschrieben, die kurze Mitteilung, durch die er damals die Aufmerksamkeit des englischen Distriktkommissars auf Gerhard Bursfeld lenkte. Das Briefchen hatte von dort den Weg zu den nebligen Ufern der Themse gefunden und hatte seine Wirkung getan. Die folgenden Schriftstücke sprachen davon.

Der Bericht eines anderen Distriktkommissars an den Oberkommissar, dass eine Bande räubernder Eingeborener den Ingenieur Bursfeld entführt hätte. Mitteilungen über die Mobilmachung von Militär. Eine Expedition zur Befreiung des Entführten. Nebenher die Mitteilung, dass das Sommerhaus Bursfelds bei der Entführung in Flammen aufgegangen wäre. Ein Bericht, dass man den Wiedergefundenen an Bord des kleinen Kreuzers Alkyon gebracht habe, dass seine Gattin und sein Kind nirgends aufzufinden seien. Bis dahin konnten die Berichte in jeder Zeitung stehen. Die englische Regierung spielte darin die Rolle des Befreiers, und nichts verriet, dass der Überfall bestellte Arbeit gewesen war. Dann wurden sie ernsthafter und waren nicht mehr für die Öffentlichkeit geeignet.

Die Überführung Bursfelds in den Tower. Seine erste Vernehmung über seine Erfindung. Seine Weigerung, irgendetwas zu sagen. Wiederholte Vernehmungen im Laufe der nächsten vier Wochen. Stets das gleiche negative Ergebnis.

Dann kam das letzte Schriftstück im Bündel. Die Mitteilung, dass man Gerhard Bursfeld in der fünften Woche seiner Gefangensetzung tot auf seinem Lager gefunden habe. Nach einem Gutachten des amtierenden Arztes am Herzschlag verschieden.

Dr. Glossin atmete auf. Die Last einer dreißigjährigen Vergangenheit fiel ihm vom Herzen. Gerhard Bursfeld war tot. Er war gestorben, ohne dass die englische Regierung etwas von seinem Geheimnis erfahren hatte. Dr. Glossin suchte in seiner Erinnerung das wenige zusammen, was er seinem Freund damals entlockt hatte: Die Behauptung der theoretischen Möglichkeit, an einem Ort erzeugte Energie ohne materielle Verbindungen an einer beliebigen anderen Stelle zu konzentrieren. Ein kleiner Versuch, bei welchem eine fünfhundert Meter entfernte Dynamitpatrone explodierte, als Bursfeld mit einem kleinen Apparat ein paar Manöver ausführte. Die strikte Weigerung des Freundes, irgendetwas Weiteres zu sage.

Die beiden Worte »Telenergetische Konzentration« hämmerten dem Doktor in den Schläfen. Gerhard Bursfeld hatte die Worte gebraucht. Er war einem Geheimnis auf der Spur gewesen, welches dem besitzenden Staat die Weltherrschaft sicherte. Jedes Sprengstofflager konnte man mit diesem Mittel aus der Ferne sprengen. Die Patrone im Flintenlauf des einzelnen Soldaten ebenso gut explodieren lassen wie das Riesengeschoss in den großen Rohren der Flottengeschütze.

Ein großes, gelbes Kuvert bildete den Schluss des Aktenstückes. Es enthielt die wenigen Papiere, die man bei der Leiche des Inhaftierten gefunden hatte. Seinen Pass und ein kleines Notizbuch mit Bleistiftaufzeichnungen. Mit einem Schauer blickte Dr. Glossin auf die ihm so vertrauten Schriftzüge. Kurze Notizen über den damaligen Dienst in Mesopotamien. Abgerissene Worte über den Überfall und die Entführung. Dann die Tragödie im Tower. Das weiße Papier des Notizbuches war zu Ende, und Gerhard Bursfeld hatte die letzten Mitteilungen in deutscher Sprache zwischen die gedruckten Zeilen des Kalendariums gekritzelt. So waren sie wohl der Aufmerksamkeit seiner Wächter entgangen.

»Donnerstag, den 16. Mai. Sichere Nachricht, dass Rokasa und Silvester tot sind.«

»Sonnabend, den 16. Mai. Sie versuchen, mir meine Erfindung durch Hypnose zu entreißen.«

»Sonntag, den 16. Mai. Ich habe heute Nacht im Schlaf gesprochen … Zeit, ein Ende zu machen. Ich entrinne ihnen doch. Eine Luftblase in eine Vene geblasen, ich bin frei … Heute noch, bevor die Nacht kommt. Rokasa … Silvester … ich sehe euch wieder.«

Damit brachen die Mitteilungen ab.

Dr. Glossin überlegte. Sie hatten dem Gefangenen natürlich jedes gefährliche Stück abgenommen. Aber ein Mann wie Gerhard Bursfeld wusste immer noch hundert verschiedene Wege und Mittel zu finden, sich eine Vene anzuschlagen und Luft einzublasen. Der Herzschlag, den der Bericht als Todesursache angab, war dem Doktor Glossin vollkommen klar.

»Ich habe in der letzten Nacht gesprochen.« Nur diese Worte bereiteten ihm Beklemmungen. Gerhard Bursfeld war schwer zu hypnotisieren. Es war anzunehmen, dass er den hypnotischen Einfluss gespürt … während des Schlafes empfunden, sich instinktiv zur Wehr gesetzt hatte und darüber erwacht war. So konnte es sein. Doktor Glossin versuchte sich einzureden, dass es so gewesen sein müsse. Aber ein leiser Zweifel blieb übrig.

Lord Maitland trat in den Raum, um nach seinem Gast zu sehen.

»Haben Sie alles gefunden, was Sie suchten?«

»Ich ersah zu meinem Bedauern, dass meine damaligen Bemühungen, der britischen Regierung einen Dienst zu ermessen, vergeblich waren … Leider. Die Welt hätte heute ein anderes Gesicht, wenn es gelungen wäre. Gerhard Bursfeld besaß das Mittel, die Welt aus den Angeln zu heben. Er hat es mit ins Grab genommen.«

Dr. Glossin sprach die Worte langsam und beobachtete jeden Zug und jede Miene des Lords. Aber dessen Antlitz blieb völlig unverändert.

»Ich habe den alten Akt auch durchgesehen. Unsere Regierung hat sich damals viel Mühe um den Fall gemacht. Wie Sie sehen, ganz umsonst. Es hat oft solche Leute gegeben, die sich einbildeten, Gott weiß was erfunden zu haben. Sie hätten den armen Narren ruhig bei seinem Bahnbau sitzen lassen können. Jedenfalls bin ich erfreut, Ihnen in dieser Angelegenheit gefällig gewesen zu sein. Ich bitte Sie, über mich zu verfügen, wenn Sie weitere Wünsche haben.«

Dr. Glossin dankte. Er wäre Seiner Lordschaft aufs Äußerste verbunden und hätte keine weiteren Wünsche. Wenn Seine Lordschaft jemals einen Gegendienst …

Er überschwemmte Lord Maitland mit einer Flut von Höflichkeitsfloskeln. Sie gingen ihm von der Zunge, ohne dass er ihren Sinn überhaupt merkte. Dabei aber erteilte er seinem Gegenüber mit größter Anstrengung einen suggestiven Befehl.

»Wenn du etwas von der Erfindung weißt, so sage es.« Er hütete sich mit Gewalt, dabei selbst an die Erfindung zu denken, denn er kannte die Gefahr, dass diese Gedanken auf sein Gegenüber mitwirkten und als dessen eigene reproduziert wurden.

Lord Maitland blieb ruhig. Er erwiderte die Höflichkeiten Amerikas mit denen Englands. Die Redensarten der einen Seite waren genau so belanglos wie die der anderen. Da wusste Dr. Glossin, dass Gerhard Bursfeld sein Geheimnis mit ins Grab genommen hatte.