Einmal Kansas City bitte
Ken starrte wie gebannt auf den Bildschirm seines Laptops und wartete sehnsüchtig auf ein Signal von den Zeitreisenden. Obwohl er wusste, dass es noch dauern würde, konnte er seinen Blick nicht von dem schwarzen Hintergrund abwenden. Nun, so ganz schwarz war er nicht, denn er hatte sich einen Bildschirmschoner programmiert, in dem in Abständen immer wieder verschiedene Bilder von Claire über die Fläche schwirrten. Das ständige Erscheinen und Verblassen der Bilder hatte eine fast hypnotische Wirkung auf den Japaner, die Medikamente, die er täglich nehmen musste, taten ihr Übriges, um den jungen Mann mit der schweren Rückenverletzung immer wieder kurz wegdämmern zu lassen. Dennoch würde er den entscheidenden Moment nicht versäumen. Sobald das erste Signal einging, war er jedes Mal hellwach. Er wusste, dass die Sicherheit von Claire und Dan in seinen Händen lag. Zu einem Teil jedenfalls, doch der konnte über Leben und Tod entscheiden. Was er nicht wusste, Dan und Claire hatten die Reise noch gar nicht angetreten. Die Zeitmaschine hatte einen Fehler gemeldet, woraufhin Roger Müller den nächsten Sprung zunächst untersagte, bis er die Lösung des Problems gefunden hätte. Da es um Kens Verfassung momentan sowieso schon sehr schlecht bestellt war, hatte man sich darauf geeinigt, ihm vom Defekt der Zeitmaschine nichts zu sagen. So glaubte der Japaner, dass Dan und Claire schon wieder unterwegs waren …
Markui hatte sich in der Zwischenzeit in sein Büro zurückgezogen und studierte aufmerksam das Buch, welches Sanfold bei seinem unfreiwilligen Besuch auf Rauenfels verloren hatte. Die Timetraveller ahnten, ja sie wussten unterdessen, wonach der Professor suchte, aber ihr Aufenthalt in einer Parallelwelt, deren geschichtlicher Ablauf sich von ihrer eigenen Welt stark unterschied, erschwerte die Interpretation von Sanfolds Notizen und damit Zielen. Sie wussten nur eines sicher: Sanfolds Suche beschränkte sich derzeit auf Ereignisse und Dinge aus der Welt, aus der Dan, Claire und Ken stammten. Und über diese Geschichte fand Markui in den Computern von Burg Rauenfels, die dank Roger Müller zwar technisch auf einem unvorstellbar hohen Stand waren, aber eben die falschen Informationen lieferten, keinerlei Hinweise auf den geschichtlichen Verlauf der Timetraveller-Welt.
Markui grübelte. Während er so dasaß und gedankenverloren in dem Buch blätterte, bemerkte er gar nicht, wie sich die Tür leise öffnete und jemand in den Raum hineinschlüpfte. Erst, als er die sanften Berührungen in seinem Nacken spürte, drehte er sich um und blickte in das lächelnde Gesicht von Xarina.
»Na, mein Lieber? Mit welchen Problemen beschäftigst du dich schon wieder? Strahlen oder Zeitreisen?«, fragte sie ihn, wobei ihr Lächeln beinahe verschwand und einem besorgten Ausdruck Platz machte.
»Ach, Xarina, es ist verhext«, antwortete Markui und zog die Amazone auf die Lehne seines Sessels. Xarina zog die Augenbrauen hoch.
»Da haben wir nun genügend Hinweise, in welche Zeiten der verrückte Professor reisen wird, aber wir kommen an keinerlei Informationen, was genau in diesen Zeiten unsere beiden Reisenden erwartet. Denk nur mal an die Reise zu John Dee. Von dem hat in Kens Welt irgendwie jeder schon mal was gehört, aber als wir das Datum kannten, wusste keiner von uns, was an diesem Tag geschah. Oder die Reise jetzt, warum sucht Sanfold gerade diese Zeit und diesen Ort auf? Was erwartet Dan und Claire dort?« Markui klang immer verzweifelter, denn nun würde er Xarina in seinen Plan einweihen. Sie hatte unterdessen einen Arm auf Markuis Schulter gelegt, wohl um ihm ein wenig Trost zu spenden. Markui fand diese Art von Berührungen immer noch sehr ungewohnt, doch sie gefielen ihm von Mal zu Mal besser. Und als Xarina sich vorbeugte und ihm ihr Gesicht zuwandte, konnte er gar nicht anders, als sie zu küssen. Die Gedanken, die ihm aber immer weiter durch den Kopf schwirrten, ließen ihn sich schnell wieder von Xarinas Lippen lösen und er eröffnete ihr ohne Umschweife, was er zu tun gedachte.
»Du willst was?«, fragte Xarina ungläubig.
»Ja, genau das habe ich vor. Ich weiß, dass ich geschworen habe, auf Rauenfels zu bleiben, und an den X-Strahlen zu forschen, bis wir hier endlich eine Möglichkeit finden, um diesen Krieg zu beenden. Aber … ich kann meine Freunde nicht im Stich lassen. Ken dreht bald durch, weil er zur Untätigkeit verdammt ist und sonst ist doch niemand da, der helfen kann. Jeder hier in dieser Welt hat seine eigenen Aufgaben, um überhaupt überleben zu können. Also muss ich erneut einen Zeitsprung wagen.«
»Aber … das ist gefährlich. Rogers Zeitmaschine ist auch noch nicht völlig ausgereift, momentan sogar defekt, und mit den Reisen, die deine Freunde gerade unternehmen, mehr als ausgelastet. Was, wenn …?« Weiter kam Xarina nicht, denn soeben klopfte es an die Tür.
»Herein«, rief Markui. Ein Krankenpfleger schaute hinein und offenbarte, dass Ken gerade einen Tobsuchtanfall hatte. Sofort sprangen Markui und Xarina auf und stürmten an dem Überbringer der Nachricht vorbei in Kens Krankenzimmer. Schon über den Flur hörten sie den Japaner fluchen.
Aus der anderen Richtung kamen Dan und Claire herbeigeeilt, die Kens Schreie vernommen hatten. Markui gab ihnen ein unmissverständliches Zeichen, sofort wieder zu verschwinden, sollte ihr Schwindel nicht auffliegen. Und wie Ken das in seiner derzeitigen Gemütslage auffassen würde, das wollte Markui nicht gerade jetzt herausfinden müssen.
Dan verstand und zog Claire, die stumm aber vehement protestierte, einfach mit sich fort. Auch sie würde es verstehen, dass sie jetzt nicht zu ihrem Freund konnte.
Die vollständige Story steht als PDF-Download zur Verfügung.
Bisherige Downloads: 1348