Terror in L.A.
Der vorliegende Roman wurde ursprünglich für die von BASTEI geplante Serie Cotton L.A. geschrieben, die leider niemals erschien. Der Roman Terror in L.A. wurde zwar seinerzeit von BASTEI aufgekauft, sollte aber niemals in der vorliegenden Fassung erscheinen, da er den modernen Stil der Serie Cotton L.A., die sich verstärkt an ein jugendliches Publikum richten sollte, nicht traf und wegen seiner rüden Mischung aus Sex und Gewalt von der Redaktion nicht freigegeben wurde. Damit ist dieser Roman leider weder beispielhaft für die Cotton-Serie an sich noch für die damals geplante Serie Cotton L.A. Viele der damals für die Serie Cotton L.A. geschriebenen Romane wurden später von den Autoren für die Serie Jerry Cotton umgeschrieben, so zum Beispiel Zwei Männer namens Cotton oder Wir jagten Doktor Ewigkeit, und fanden bei den Lesern großen Zuspruch.
München, im Juli 2006
Peter Thannisch
Als die Pumpgun in der Bank Feuer und Blei spie, tippte Will Cotton im Foyer gerade seinen Pin Code in den Automaten, um seinen aktuellen Kontostand abzufragen.
»Oh, Scheiße«, knurrte er, und das galt sowohl den Zahlen auf dem Monitor als auch dem Kerl, der sich keinen ungünstigeren Zeitpunkt für seinen Coup hätte aussuchen können. Sämtliche Kunden und auch alle Bankangestellten klebten wie Abziehbilder am Boden. Keiner wagte sich zu bewegen, und der uniformierte Sicherheitsbeamte, der den Räuber mit der Waffe in der Hand am Verlassen der Bank hatte hindern wollen, blutete mit schmerzverzerrtem Gesicht still vor sich hin.
Der Gangster trug einen knöchellangen Regenmantel, eine riesige Sonnenbrille und einen falschen Bart. Regenmantel und Sonnenbrille – ein echtes Kontrast-Outfit. Die Beute befand sich in tiefen eingenähten Taschen. Dicke Banknotenbündel schlugen bei jedem Schritt gegen die Beine des Fliehenden, dem sich Cotton entschlossen in den Weg stellte.
Der Bankräuber stoppte irritiert.
»Ist ‘ne saudumme Situation«, sagte Cotton als würde er’s bedauern. »Ich kann dich unmöglich rauslassen, Kumpel.«
Der Maskierte legte auf ihn an. Cotton trat ihm die Pumpgun aus den Fingern, drehte sich blitzschnell um die eigene Achse und traf den Verbrecher mit dem Absatz seiner Military-Boots mitten im Gesicht.
Die Sonnenbrille brach, und der Vollbart fiel wie ein toter struppiger Hund auf den Boden. Die Visage eines Mannes zwischen dreißig und vierzig kam zum Vorschein. Nicht gerade Brad Pitt, aber er konnte sich sehen lassen.
Das Einzige, was störte, war eine gezackte rote Narbe an der linken Wange. Cotton brachte die Nase des Bankräubers mit einem Kopfstoß zum Bluten.
Der Mann ging zu Boden und brachte sich vor Cottons vorschnellendem Stiefel in Sicherheit, indem er sich geistesgegenwärtig zur Seite wälzte.
Und dann blitzte zum ersten Mal seine Gefährlichkeit auf. Die Pumpgun befand sich einen halben Meter neben ihm. Er erkannte sogleich seine Chance, drehte sich noch einmal herum, schnappte sich die Waffe – und das Girl, das totenbleich daneben lag. Ehe Cotton es verhindern konnte, riss der Gangster das magere Mädchen hoch. Er presste ihr die riesige Mündung unters Kinn, und Cottons Kopfhaut zog sich bei der Vorstellung, was passieren würde, wenn der Kerl abdrückte, schmerzhaft zusammen.
»O Gott«, schluchzte das zitternde Mädchen. »O Gott, nein!«
»Weg da?«, blaffte der Gangster.
Cotton rührte sich nicht von der Stelle.
»Bitte«, flehte das Mädchen, »tun Sie, was er sagt!« Die Todesangst grub ihr tiefe Falten ins blutleere Gesicht.
»Weg da!«, stieß der Verbrecher noch einmal hart und ungeduldig hervor.
Cotton bewegte sich langsam zur Seite. »Ist nicht gut, was du da abziehst, Kumpel«, sagte er kopfschüttelnd. »Gefällt mir ganz und gar nicht.«
»Auf das, was dir gefällt oder nicht gefällt, wird geschissen«, bekam er unwirsch zur Antwort.
Der Gangster bewegte sich wachsam an ihm vorbei, und das angstschlotternde Girl trippelte auf Zehenspitzen mit ihm. Wenn Cotton nur einmal zu viel mit der Wimper gezuckt hätte, wäre die Geisel tot gewesen. Er wusste das und unternahm vorläufig nichts. Er hasste Situationen wie diese, hasste es, zur Untätigkeit verdammt zu sein, aber er musste sich fügen.
Kaum war der Bankräuber draußen, eilte Cotton zu dem verletzten Sicherheitsbeamten. »Hat es Sie böse erwischt?«
»Ich werd’s überleben …«, ächzte der Uniformierte. Schweiß glänzte auf seinem Gesicht. Blut glänzte an seinen Fingern, die er gegen seinen Leib presste. »Dieser gottverdammte Mistkerl …«
Der Filialleiter kam ängstlich aus der Versenkung hoch.
»He!«, rief Cotton. »Rufen Sie einen Krankenwagen!«
Der Mann sah ihn an, als hätte er ihn nicht verstanden.
»Nun machen Sie schon!«, rief Cotton. »Einen Krankenwagen!«
Jetzt erst reagierte der Filialleiter. »Ja … Ja …«
Vor der Bank stand ein offener Geländewagen. In diesen musste die Geisel steigen. Das Mädchen bewegte sich wie eine schlecht geführte Marionette.
Sie rechnete damit, diesen Tag nicht zu überleben, das sah man ihr an. Der Gangster brauchte sie nicht weiter mit der Waffe zu bedrohen.
Sie war ohnedies starr vor Angst, hockte wie gelähmt auf dem Beifahrersitz und konnte nicht einmal den Kopf nach links oder rechts drehen.
Der Bankräuber schwang sich hinter das Lenkrad, startete den Motor und brauste los. Er hätte beinahe einen verrückt lackierten Buick gerammt.
Der Fahrer musste scharf bremsen und drückte wütend auf die Hupe.
»Leck mich!«, schrie der Gangster und gab wild Gas.
Die Hupe plärrte noch, als Cotton aus der Bank kam, in der es für ihn zwei unerfreuliche Begegnungen gegeben hatte: jene mit seinem schwachbrüstigen Konto und jene mit diesem skrupellosen Verbrecher.
Er rannte zu seinem Wagen und nahm die Verfolgung auf. Jeder andere FBI-Agent hätte über Funk Unterstützung angefordert. Cotton nicht. Er brauchte keine Hilfe. Er konnte sich den Kerl auch allein schnappen. Sein Wagen schoss mit dröhnendem Motor am Buick vorbei. Er hatte das Geländefahrzeug noch nicht aus den Augen verloren.
Der Gangster überholte einen roten Stingray, einen blauen Toyota und einen weißen Mitsubishi, bog nach einem Kilometer scharf links ab und nahm Kurs auf Santa Monica.
Cotton blieb dran, und da ihm der schnellere Wagen zur Verfügung stand, holte er auch stetig auf. Das machte den Fliehenden natürlich nervös.
Er erhöhte das Risiko, um den lästigen Verfolger abzuhängen. Es gelang ihm nicht. Was immer er anstellte, Cotton (dessen Onkel – ebenfalls G-Man – mal gesagt hatte, er hätte nicht zum FBI gehen, sondern Stuntman werden sollen) hielt bei jeder noch so tollkühnen Action mit. Kurz vor Santa Monica schlug der Gangster abermals einen Haken und hielt auf Venice zu, und als der Geländewagen Marina Del Ray erreichte, kam ihm ein riesiger Schutzengel zu Hilfe.
Der Engel, der kein Engel, sondern eine dreißig Meter lange blütenweiße Segeljacht war, schob sich auf einem sechsrädrigen Tieflader zwischen das Fluchtauto und den Verfolgerwagen. Das prächtige Schiff sollte im Calif Yacht Club zu Wasser gelassen werden.
Im Moment sah es allerdings danach aus, als würde es dazu nicht kommen, denn Cotton raste direkt auf die Mitte des schneeweißen Rumpfs zu. Sein Wagen glich einem Torpedo, der abgefeuert worden war, um die Traumjacht zu versenken, bevor sie den Hafen erreichte.
Er rammte den Fuß aufs Bremspedal und wirbelte das Lenkrad herum. Sein Wagen stellte sich quer und rutschte mit rasch abnehmender Geschwindigkeit auf den Tieflader zu.
Die Wucht des Aufpralls war aber immer noch heftig genug, um Cotton spüren zu lassen, dass er einen Totalschaden gebaut hatte. Sein Wagen verformte sich, als wäre er in eine Schrottpresse geraten.
Front- und Heckscheibe flogen aus dem Rahmen, und Cotton hatte das ziemlich schmerzhafte Gefühl, ein gewaltiger Pferdehuf hätte seine Rippen getroffen.
Endstation.
An eine Fortsetzung der Fahrt war nicht zu denken. Daran änderte auch Cottons wüster Fluch nichts, den er ausstieß, während er zornig auf das Lenkrad schlug.
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