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Der Welt-Detektiv Band 6

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John Tanner – Das Leben eines Jägers 14

John Tanner
Das Leben eines Jägers
oder
John Tanners Denkwürdigkeiten über seinen 30-jährigen Aufenthalt unter den Indianern Nordamerikas
Erstmals erschienen 1830 in New York, übersetzt von Dr. Karl Andree

Vierzehntes Kapitel

Noch bevor ich den Moose-River erreichte, war mein Pferd so matt und mager geworden, dass es nicht einmal mehr imstande war, Wa-me-gon-a-biews Frau zu tragen. Wir hielten darum zwei Tage Rast, hatten aber viel Hunger zu leiden, denn seit langer Zeit hatten wir weiter nichts geschossen, als einen sehr mageren Bison. Wir trafen damals mit einer Gruppe von Kris zusammen, deren Häuptling Oge-ma-wa-schisch hieß, was der Sohn des Häuptlings heißt. Diese aber kamen uns nicht nur nicht zu Hilfe, sondern empfingen uns sogar sehr übel, und ich hörte, dass sie davon sprachen, ob es nicht gut sei uns zu töten, wegen eines alten Streites, den sie einst mit den Chippewa gehabt hatten. Sie wollten uns weiter nichts als einen kleinen Dachs verkaufen, und wir verloren keine Zeit, um so schnell als möglich aus ihrer Nähe zu kommen. Nachdem wir noch zwei Tage sehr elend verlebt hatten, begegneten wir einem Chippewa Namens Wah-uche-chawk (der weiße Kranich), der eben ein fettes Moosetier erlegt hatte.

Mit diesem Mann lebten wir etwa einen Monat lang zusammen, hatten immer vollauf zu essen und schliefen nachts in seiner Hütte. Wir brachen dann allesamt auf, und er trennte sich von uns am Rush Lake River. Die Alte hatte sich aus dem Kontor, wo ich sie zurückgelassen hatte, entfernt, um bei Indianern zu leben, die einige Tagereisen weit von demselben entfernt wohnten. Alle meine Pferde waren durchaus vernachlässigt worden und, obwohl ich es Net-no-kwa auf die Seele gebunden hatte, für sie zu sorgen, gefallen. Auch das, welches mich bis an den Red River getragen hatte, war nicht mehr am Leben, und so blieb mir nur noch eins übrig. Net-no-kwa hatte allem Anschein nach aufgehört, mich zu ihrer Familie zu rechnen, und auch Wa-me-gon-a-biew verließ mich.

So hielt ich mich einige Zeit allein beim Kontor auf, bis endlich Herr MacGlees, der Handelsmann, aufmerksam auf mich wurde, und mich einlud, bei ihm zu leben. Er redete mir soviel zu, ich möchte doch die Indianer verlassen, dass ich mehr als einmal in Versuchung geriet, seinem Rat zu folgen. Aber wenn ich daran dachte, stets auf dem Kontor bleiben zu müssen, bemächtigte sich meiner eine große Unbehaglichkeit. Das widerstrebte mir durchaus. Denn in meinen Augen war das Schicksal, zeitlebens alle meine Zeit auf der Jagd zuzubringen, viel beneidenswerter, als das einförmige Leben der Leute in den Kontoren. Ein solches schien mir unerträglich.

An der Quelle des Me-nau-ko-nos-keeg befand sich damals ein Kontor, wohin ich mit fünf von Herrn MacGlees gesandten Franzosen (Kanadier) und einer Chippewa aufbrach. Wir nahmen nur für eine einzige Mahlzeit Essen mit, und dieses wurde am ersten Abend verzehrt. Als wir gegen Mittag des dritten Tages an einen kleinen salzigen Bach gelangten, gewahrten wir einen Menschen, der auf einem benachbarten Hügel saß. Wir gingen näher zu ihm hinauf. Er gab aber auf unsere Fragen keine Antwort. Wir wollten ihn rütteln und aufheben, aber er war vor Kälte erstarrt und fiel, als wir unsere Hände von ihm wegnahmen, zusammen wie eine gefrorene Masse. Sein Atem war zwar noch nicht ganz erloschen, aber seine Lippen konnte er nicht mehr bewegen, und war bereits, wie alle Zeichen andeuteten, halb tot. Neben ihm lagen ein kleiner Kessel, ein Beutel, in welchem wir Feuerstein und Stahl, einen Pfriem und ein paar Mokassins fanden. Alle unsere Bemühungen, ihn wieder ins Leben zurückzurufen, waren vergeblich. Da ich ihn doch einmal verloren gab, so erteilte ich den Franzosen den Rat, ihn zum Kontor zu schaffen, damit er ein ordentliches Begräbnis bekäme. Den befolgten sie, und ich habe nachher erfahren, dass er etwa zwei Stunden danach seinen Geist aufgegeben hatte.

Wie mir schien, hatte man ihn aus dem Kontor an der Flussquelle fortgeschickt, weil er zu faul und träge war, als dass man ihn hätte ernähren mögen. Damals war er fast ganz ohne Lebensmittel gewesen und nach Wa-me-gon-a-biews Hütte gegangen. Dieser hatte ihm zu essen gereicht und versprochen, ihm auch noch etwas mit auf den Weg zu geben. Er hatte das aber nicht nehmen wollen und gesagt, er könne es nicht tragen. Damals war er schon sehr schwach und matt gewesen, und hatte, obwohl die Strecke nur kurz war, zwei volle Tage gebraucht, um bis zu dem Ort zu kommen, wo wir ihn trafen. Ich ging von dort mit der Chippewa zu Wa-me-gon-a-biews Hütte.

Ich hatte dort schon einen Monat lang mit meinem Bruder gejagt, als Net-no-kwa, die mich überall gesucht hatte, zu uns kam. Wa-me-gon-a-biew machte am Clam River, in einer Gegend, die ich ihm genannt hatte, Jagd auf Biber, und ich ging mit Net-no-kwa an den Me-nau-ko-nos-keeg, weil wir dort Zucker ernten wollten. Wir alle, die wir dort versammelt waren, hatten zehn Feuer, und gingen nach vollbrachter Ernte sämtlich auf die Biberjagd. Bei Jagdzügen dieser Art wird zuweilen alles, was erlegt wird, gleichmäßig verteilt. Dieses Mal aber hatten wir ausgemacht, jeder sollte behalten, was er getötet hätte. Binnen drei Tagen hatte ich so viele Häute, wie ich nur tragen konnte. Auf so langen und eiligen Zügen aber kann man nicht viel Lebensmittel bei sich führen, und bald wurde die ganze Gruppe von Hungersnot heimgesucht. Die meisten wurden, mich selbst nicht ausgenommen, bald so schwach, dass niemand mehr in einer weiten Entfernung zu jagen in der Lage war.

Eines Tages, als das Eis auf den Teichen bereits mit Wasser bedeckt war, gewahrte ich etwa eine Meile weit vom Lager in einem kleinen Sumpf Spuren von einem Moosetier. Ich folgte denselben und erlegte das Wild. Da es das Erste seiner Gattung war, so feierten wir ein Fest, und das ganze Fleisch wurde an einem einzigen Tage verzehrt.

Bald darauf begaben sich sämtliche Indianer in zwei Tagemärschen an die Mündung des Flusses, wo Wa-me-gon-a-biew mit uns zusammenstieß. Seine Jagd am Clam River war sehr glücklich gewesen. Wir blieben etwa eine Meile vom See entfernt beim Kontor, um zu trinken, bis all unser Pelzwerk verkauft war. Meine Familie, nur von Wa-me-gon-a-biew begleitet, kehrte zu der Mündung des Flusses zurück. Diese Überfahrt war so kurz, dass wir nicht einmal die Hunde mit in die Kanus nahmen. Sie jagten am Ufer ein Elentier auf, das sich sogleich ins Wasser stürzte. Wir ruderten ihm nach und schossen es nieder, als es ans Ufer klettern wollte.

Um dieselbe Zeit trafen wir mit einem alten Ottawahäuptling zusammen. Er hieß Wa-ge-to-tah-gun (der eine Glocke hat), wurde aber für gewöhnlich Wa-ge-to-te genannt, war mit Net-no-kwa verwandt und seine Familie hatte drei Hütten inne. Einer seiner Söhne hatte auch zwei Frauen. Wir blieben zwei Monate beisammen, und fast jeden Morgen forderte er mich auf, mit ihm zu jagen. Wenn wir zurückkamen, schenkte er mir jedes Mal das beste Stück, und zuweilen sogar alles, was er geschossen hatte. Er gab sich große Mühe, mich die Jagd auf die Moosetiere und anderes Wild zu lehren, dem man nur schwer beikommen konnte. Dann verließ uns Wa-me-gon-a-biew mit seiner Frau und ging zum Red River.

Die Indianer sind insgesamt fest überzeugt, dass das Moosetier geschickter sei, als irgendein anderes Wild, sich vor dem Jäger zu hüten, und besonders das Vermögen habe, sehr lange unter dem Wasser ausdauern zu können. Zwei Männer von Wa-ge-to-ta-gun, die ich recht gut kannte und für glaubwürdige Leute hielt, kamen eines Abends von der Jagd zurück, nachdem sie den ganzen Tag fort gewesen waren, und erzählten, sie hätten ein Moosetier bis zu einem kleinen Teich verfolgt, in dessen Mitte es verschwunden sei. Sie hätten darauf Stellungen gewählt, von denen aus sie das ganze Wasser überblicken konnten, hätten geraucht und bis zum Abend gewartet. Während der ganzen Zeit sei aber nicht die geringste Spur von Bewegung auf dem Wasser zu sehen gewesen, und sie hätten die Hoffnung aufgegeben, von dem Tier etwas zu sehen, und wären zurückgekommen.

Bald nachdem diese beiden Männer ihre Erzählung beendet hatten, kam ein einzelner, mit Fleisch beladener Jäger an und berichtete, er habe eine Weile lang die Spur eines Moosetiers verfolgt, sei an einen Teich gekommen, wo er die Spuren von zwei Männern bemerkt habe. Aus allen Umständen sei ihm klar geworden, dass sie fast zu gleicher Zeit mit dem Moosetier an jener Stelle angelangt wären, und er sei der Meinung gewesen, sie hätten es erlegt. Indessen habe er sich doch vorsichtig dem Ufer genähert, hingesetzt und bald danach gesehen, wie das Wild ganz sacht aus dem Wasser, das nicht tief war, aufgetaucht und gerade auf ihn zugekommen sei. Und so habe er es denn ganz in der Nähe erlegt.

Die Indianer halten das Moose für dasjenige Tier, das klüger und darum auch schwerer zu erlegen ist, als alles übrige Wild. Es ist auch jedenfalls weit mehr auf der Hut, und hat viel schärfere Sinne als der Bison und das Caribou, ist flinker und beweglicher als das Elentier und viel pfiffiger als die Antilopen. Wenn während des heftigsten Sturmes, wo der Wind heult, und Donnerschlag auf Donnerschlag folgt, dazu noch der Regen in Strömen vom Himmel gießt, ein Mann mit der Hand oder dem Fuß auch nur den kleinsten dürren Zweig abbricht, so darf er sicher sein, dass das Moosetier es hört, dann flieht es nicht allemal davon, sondern hört häufig nur auf zu fressen und horcht auf jedes Geräusch. Wenn etwa eine Stunde lang der Mensch unbeweglich steht und gar nichts von sich hören lässt, dann erst fängt es wieder an zu fressen, vergisst aber nicht, dass es etwas Verdächtiges gehört hat, und bleibt noch einige Stunden wachsam.

Wa-ge-to-tah-gun, der Häuptling, mit dem wir zusammenlebten, nahm jede Gelegenheit wahr, um mich mit den Gewohnheiten der Moose- und anderer Tiere bekannter zu machen, und freute sich jedes Mal sehr, wenn meine Bemühungen auf der Jagd erfolgreich waren. Da wir uns bald trennen mussten, so rief er alle jungen Jäger zusammen, damit wir einen ganzen Tag jagen konnten. Dabei waren auch mehrere Frauen. Er schoss ein sehr fettes Moosetier, das er mir schenkte.

Zwischen dem Winnipegsee und der Hudson Bay ist das Land niedrig und sumpfig. Dort leben vorzugsweise die Caribous.

Weiter nach Westen, zwischen dem Assiniboine und dem Sas-kaw-ja-wun findet man lauter Prärien, auf denen sich Elentiere und Bisons umhertreiben. Weder die Elentiere noch die Caribous kommen einander jemals ins Gehege.