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Mythos Vampir – Teil 4

Der rumänische Einfluss

Im Allgemeinen wird der slawischen Volkskunde die anfängliche Entwicklung von Vampiren als Quelle für praktisch jede Naturkatastrophe gutgeschrieben. Es könnte jedoch auch sein, dass während der ersten Jahrtausende die Slawen in Osteuropa Einfluss auf die Legenden ihrer nichtslawischen Nachbarn genommen haben.
Darunter ist Rumänien zweifellos die bekannteste und untrennbar mit der Überlieferung des Vampirismus in Europa verbunden, vor allem als Folge von Bram Stokers Dracula und Vlad dem Pfähler, von dessen schrecklichen Gräueltaten sich Stoker inspirieren ließ.
Obwohl Rumänien unter anderem an Bulgarien, Serbien und die Ukraine grenzt, pflegte das Land viele der frühesten politischen und sozialen Beziehungen zu seinem ungarischen Nachbarn im Westen.
Trotz dieser Mischung aus politischen und kulturellen Beeinflussungen liegen die historischen Wurzeln Rumäniens im antiken Römischen Reich erhalten, welches auch Namensgeber für das Land war.
Möglicherweise wird das lange und tief verwurzelte Geschichtsbewusstsein, welches die Kultur Rumäniens durchdringt, durch die Knochenhöhle veranschaulicht. Ein Team von Höhlenspezialisten fanden in den Karpatenbergen im südwestlichen Teil Rumäniens im Jahre 2002 Knochen. Eine Radiokarbondatierung ergab, dass die menschlichen Überreste, die aus dem Höhlensystem geholt wurden, über 40.000 Jahren alt und die ältesten, die man jemals in Europa fand, sind.
Die Region Osteuropas, und somit auch Rumänien, wurde während des Zweiten Dakerkrieges durch den römischen Kaiser Trajan Anno Domini 106 erobert und blieb über fast zwei Jahrhunderte hinweg eine Provinz Roms, auch als Provinz Dacia bekannt. Obwohl aufgrund der geografischen Lage vom direkten römischen Einfluss isoliert, entwickelte die Bevölkerung des römischen Dacia – eine Mischung aus Einheimischen und römischen Kolonisten – eine leistungsstarke unabhängige Sensibilität.
Nach dem Fall des römischen Machteinflusses im dritten Jahrhundert überstanden die Menschen in Rumänien zahlreiche Übergriffe auf das Land durch die Goten, Hunnen und Türken sowie k.u.k Doppelmonarchie der Österreicher und Ungarn. Über Jahrhunderte der kulturellen und politischen Einfälle hinweg behielten die Rumänen weiterhin ihre kämpferische Unabhängigkeit, nationale Identität und ihre Vampirlegenden.

Die Strigoi

Trotz der Einflüsse slawischer Vampirlegenden wurde in Rumänien bei der Überlieferung die eigene Unterscheidung in der Terminologie und Praxis beibehalten. Besonders im Fürstentum Siebenbürgen – die Heimat des legendären Vlad Dracula – ist die Unterteilung in Strigoi Morti und Strigoi Vii prägnant und einzigartig zugleich. Während die Strigoi Morti als verdammte Tote bezeichnet werden – uns besser als Vampire bekannt, hat den Strigoi Vii der Fluch des ewigen Lebens noch nicht erreicht.
In Francis Ford Coppolas Blockbuster Bram Stokers Dracula aus dem Jahr 1992 huldigt Gary Oldman als Prinz Vlad mit seiner jugendlichen Inkarnation die rumänischen Volksweisheiten während seiner ersten Begegnung mit Mina Murray (Winona Ryder) in London. Auf einer Filmvorführung löst ein frei umherlaufender weißer Wolf eine Panik aus. Mina steht starr in einer Ecke, als der Wolf sie anknurrt. Vlad bringt den Wolf mit dem Schrei »Strigoi!« und mit direktem Blickkontakt unter seine Kontrolle.

Der Ausdruck strigoi leitet sich vom Wort striga ab, welches Hexe bedeutet. Es sind Wesen, die verurteilt wurden, um nach dem Tod als Vampire zu existieren. In der Legende ist die Vereinigung zwischen Hexen und Vampiren eindeutig, auch wenn zwischen strigoi vii und strigoi mort unterschieden wird.
Die Strigoi mort sind die tödlichsten der rumänischen Vampire und kehren aus ihren Gräbern zurück, um den Lebensnerv ihrer Familien und des Viehs zu vernichten, bevor sie die Nachbarn in ihrem Dorf angreifen, um sie auszusaugen.
Wie in fast allen osteuropäischen Überlieferungen zu finden ist, sind diejenigen, welche ein sündiges Leben führen oder Selbstmord begehen, bestens geeignet, um Kandidat für eine Wiedergeburt als Vampir zu werden. Man glaubt auch, dass eine schwangere Frau, die einen Vampir ansieht, nach der Niederkunft in der Lage ist, einen Vampir zu gebären. Doch dafür gibt es kaum Überliefertes. Des Weiteren sind uneheliche Kinder und Kinder, die vor der Taufe sterben, wichtige Aspiranten für die Entstehung von Wiedergängern.

Die albanische Shtriga

Genau wie die Legenden um den rumänischen Vampirismus viele ihrer Inspirationen aus der slawischen Volkskunde aufgreifen, hat das südosteuropäische Albanien einen ähnlichen Ansatz in Bezug auf die die Untoten. Wie in Rumänien besitzt die albanische Shtriga hexenartige Eigenschaften. Der Begriff Shtriga, welcher aus dem lateinischen Strix (Gattung mittelgroßer bis sehr großer Eulen) oder Strigidae (Kreischeule) abgeleitet werden kann, beschreibt eine dämonische fliegende Kreatur der Nacht.
Die Legenden über diese Kreatur gehen bis in das antike Rom zurück. Sie bevorzugen Kinder, welche sie aussaugen, weil diese eine stärkere Lebenskraft als Erwachsene haben. Sie nehmen die Form eines fliegenden Insekts an, wenn sie auf Jagd sind. Nur Shtrigas können diejenigen heilen, deren Blut sie getrunken haben. Die Kinder, die nicht geheilt werden, werden extrem krank, fallen ins Koma und sterben schließlich. Wenn Shtrigas nicht jagen, nehmen sie die Gestalt einer älteren Frau an.
Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie man sich vor einer Shtriga schützen kann. Sie können ein Kreuz aus Knochen im Eingangsbereich einer Kirche am Ostersonntag anbringen. Wenn sich zu dieser Zeit eine Shtriga im Inneren der Kirche aufhält, wird sie nicht in der Lage sein, diese zu verlassen.
Nachdem eine Shtriga das Blut eines Opfers getrunken hat, wird sie in der Regel in den Wald gehen, um alles zu erbrechen. Nach albanischem Glauben soll man eine Silbermünze in das Erbrochene tauchen, die Münze in ein Tuch wickeln und um den Hals tragen. Es soll einen dauerhaften Schutz gegen jegliche Angriffe von Shtriga gewährleisten.

Quelle:

Copyright © 2013 by Wolfgang Brandt