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Felsenherz der Trapper – Teil 17.1

Felsenherz der Trapper
Selbst Erlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 17
Der kleine Kundschafter
Erstes Kapitel

Der kleine Kundschafter

Ein heulender Windstoß, der durch die enge, wild zerklüftete Schlucht fuhr und bis in die flache Felsgrotte drang, fachte das kleine Lagerfeuer zu hellen Flammen an.

Neben diesem Feuer lag auf einer wollenen Satteldecke ein blondbärtiger Trapper, der soeben mithilfe einer eisernen Kugelform für seine im ganzen Wilden Westen berühmte Doppelbüchse neue Kugeln in der Glut gegossen hatte.

Er drückte die allzu hoch lodernden Äste mit ein paar Steinen wieder aus und tat dann die fertigen Kugeln in seine mit Glasperlen nach indianischer Art verzierte Jagdtasche.

Das in der Schlucht vielfach widerhallende Echo eines Büchsenschusses ließ ihn jäh in die Höhe fahren. Auch die beiden im Hintergrund der Grotte stehenden Pferde, ein Rappe und ein hochbeiniger Fuchs, hatten ebenfalls wie lauschend die Köpfe vorgereckt.

Der junge, stattliche Trapper erstickte das Feuer vollständig, griff nach seiner Büchse und trat ein paar Schritt aus der Grotte hinaus.

Ein plötzlicher Regenguss trieb ihm die nassen Tropfen wie Hagelkörner in das tief gebräunte Gesicht. Die Nacht war finster, und sturmgepeitschte Wolken jagten über den düsteren Himmel hin. Die Eichen und Riesentannen, die vereinzelt in der Schlucht wuchsen, rauschten und verbeugten sich vor den immer heftiger werdenden Windstößen.

In dieser Dunkelheit etwas zu erkennen, war unmöglich. Aber das Ohr des blonden Jägers, in der Wildnis vortrefflich geschärft, ersetzte ihm das spähende Auge. Mochte der Sturm auch noch so toll die Südausläufer der Gilaberge umtoben, mochte auch die Schlucht von einem nervenerregenden Konzert der Windsbraut erfüllt sein, er vernahm doch das Knacken brechender Äste, die der Sturm zu Boden geworfen hatte und die nun unter dem flüchtigen Fuß eines eilig sich Nähernden zerbrachen.

Eine Gestalt tauchte aus der Finsternis auf, ein schlanker, kräftiger Indianer, der das lange straffe Haar zu einem Schopf hochgebunden hatte und in diesem Schopf die Adlerfedern als Abzeichen der Häuptlingswürde trug.

Er kam nicht allein. Er hatte einen Knaben in den Armen, einen vielleicht vierzehnjährigen Jungen, der in derbes, selbst gewebtes Leinen gekleidet war und über den Kopf eine Mütze aus Hirschleder gezogen hatte.

Der Trapper schritt schweigend ohne jedes Zeichen von Neugier in die Grotte hinein. Der Indianer folgte ihm mit seiner menschlichen Last, legte den offenbar bewusstlosen Knaben vorsichtig auf die Decke und sagte dann erst in der Comanchensprache zu dem blonden Jäger: »Mein Bruder Felsenherz mag die Pferde satteln. Die feigen Kröten der Apachen sind aus ihren Felslöchern am Rio Pecos hervorgekrochen und haben diesen kleinen weißen Krieger gehetzt und verwundet. Chokariga kam gerade hinzu, als einer der Apachen den Knaben skalpieren wollte. Die Kugel Chokarigas war schneller als das Messer des Apachen. Wir werden sehr bald das Kriegsgeschrei der Pimos (Schimpfname für die Apachen) hören, wenn wir diese Schlucht nicht verlassen.«

Felsenherz begann wortlos die Pferde zu satteln, während der Comanchenhäuptling sich um den Verwundeten bemühte.

Mit einem schmerzlichen Seufzer kam der Knabe zur Besinnung. Ein Pfeil war ihm in die linke Schulter gedrungen, den Chokariga, der Schwarze Panther, schon vorhin geschickt herausgeschnitten hatte, als er mit dem Knaben vor der Überzahl der Apachen von dem Felsplateau wieder in die Schlucht hinab geflüchtet war. Er hatte die Wunde nur oberflächlich verbinden können und erneuerte nun im Dunkeln mit geschickten Fingern den Verband, indem er dem vor Schmerzen Stöhnenden zuflüsterte: »Der kleine weiße Krieger ist hier bei Freunden in Sicherheit. Er wird bereits von Felsenherz und Chokariga gehört haben.«

»Rettet … rettet die Ansiedlung!«, stammelte der Knabe kraftlos. »Im Süden … Insel im Charikahuasee … war als Späher ausgeschickt worden …«

Dann fiel er wieder in Ohnmacht.

Der Comanche hatte den Verband fertig, hob den Knaben auf seinen Rappen und führte das kluge Tier in die Schlucht hinaus nach Süden zu.

Felsenherz holte ihn bald ein. Mit weiten Schritten durchwanderten sie Täler und kahle, steinige Ebenen, kamen durch tiefe Canoyns und stützten dabei abwechselnd den im Sattel des Rappen liegenden Knaben, der durch den Regen genau so bis auf die Haut durchnässt wurde wie seine Begleiter.

Felsenherz, der die Führung übernommen hatte, bog in ein flaches bis in die Prärie hinabgehendes Tal ein, als der Mond hinter einem fliegenden Wolkenfetzen hervortrat und die Umgebung in ein mildes verschwommenes Licht tauchte.

Der Trapper blieb stehen. Tief unter ihm, dort, wo die Prärie begann, glänzte im Mondlicht der Spiegel eines großen Sees.

»Der Charikahuasee«, sagte hinter ihm leise der Comanche. »Der kleine weiße Krieger sprach von einer Ansiedlung auf der Insel. Als Chokariga mit seinem Bruder Felsenherz vor sechs Monden zum letzten Mal in dieser Gegend war, gab es auf der großen Insel im See drüben noch keine Blockhütten. Jetzt ist das Volk der Bleichgesichter selbst bis in diese Einöde vorgedrungen, mitten in das Jagdgebiet der Apachen.«

In seinen Worten lag etwas wie ein Vorwurf. Er war ein Indianer, und er litt schwer darunter, dass die Indianerstämme des Westens durch die weißen Ansiedler immer weiter zurückgedrängt wurden.

Felsenherz schwieg. Sein Blick glitt in die Runde. Irgendetwas schien seinen Verdacht erregt zu haben.

»Mein Bruder Chokariga mag die Büchse bereithalten«, flüsterte er hastig. »Dort in jenem Gestrüpp fiel das Mondlicht auf einen blanken Flintenlauf.«

Kaum hatte er die letzte Silbe ausgesprochen, als schon vier, fünf Schüsse knallten.

Feuerblitze fuhren aus dem Gestrüpp heraus. Pfeile flogen.

Die beiden Freunde hatten sich im Nu auf ihre Pferde geschwungen. Der Comanche nahm den Knaben in die Arme. Im Galopp ging es in das Tal hinab. Hinter ihnen erhob sich das Geheul der enttäuschten roten Feinde, schlüpften dunkle Gestalten aus dem Gestrüpp und zogen struppige Mustangs hinter sich her.

Es waren etwa zwanzig Apachen, denen die beiden berühmten Westmänner fast in die Arme gelaufen waren – Apachen, mit den Kriegsfarben bemalt, mit bis auf die Skalplocke rasierten Köpfen, flink wie Teufel, blutgierig wie der rote Luchs der Gilaberge.

In Karriere sprengten sie den Flüchtlingen nach.

Da – Felsenherz’ Fuchs stolperte plötzlich, hätte seinen Reiter beinahe abgeworfen.

Chokariga bemerkte, wie schwer das treue Tier auf der Hinterhand lahmte.

»Dort hinauf auf die Felskuppe!«, rief er dem blonden Trapper zu.

Auch Felsenherz hatte bereits den flachen Steinhügel bemerkt, der sich vor ihnen mitten im Tal erhob. Er erkannte ihn sofort wieder. Dort hatte er mit dem Comanchenhäuptling vor einem halben Jahr gelagert. Er entsann sich, dass der Hügel von drei Seiten steil anstieg und nur von der Südseite zu erklimmen war, dass die flache Spitze eine tiefe Aushöhlung hatte, gerade tief genug, ein Pferd dort zu verbergen.

Er schwang sich aus dem Sattel und nahm sein offenbar durch eine Apachenkugel verletztes Tier beim Zügel.

Der Fuchs schleppte den linken Hinterfuß wie gelähmt nach. Es war nicht leicht, ihn die zehn Meter über das Steingeröll bis auf die Spitze des Hügels in die Mulde zu bringen. Als Felsenherz endlich in Sicherheit zu sein glaubte, als nur noch ein paar Schritt ihn von der schützenden Aushöhlung trennten, bannte ihn ein lauter Zuruf an denselben Fleck.

»Halt – schert Euch zum Teufel, wer Ihr auch seid!«, brüllte jemand hinter den Steintrümmern der Hügelspitze hervor. »Wir sind hier unserer fünf, und unsere Kugeln schmecken bitter!«

Felsenherz merkte, dass er Weiße vor sich hatte, vielleicht Goldsucher, die hier lagerten.

»Boys – die Apachen hetzen uns!«, erwiderte er rasch. »Ich bin Felsenherz, der Trapper, und …«

»Und wenn Ihr der Große Geist der verdammten Rothäute in eigener Person wäret: Hier ist kein Platz für Euch! Wagt keinen Schritt weiter nach oben zu tun! Bleibt, wo Ihr seid! Die Apachen werden wir schon verjagen!«

Tatsächlich knallten sofort mehrere Schüsse, und das Geheul der Verfolger bewies, dass die Kugeln manches Opfer gefordert hatten.