Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Felsenherz der Trapper – Teil 15.5

Felsenherz der Trapper
Selbst Erlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 15
Der Medizinmann Omakati
Fünftes Kapitel

Die beiden Grizzlys

Bald löschte er auch die Fackel aus, suchte im Finstern den Rückweg.

Dann vernahm er laute Rufe, vernahm auch einzelne Stimmen. Er näherte sich dem Ausgang, dem Dornenwall, der sich schützend vor die Öffnung in der Rückwand der Terrasse breitete.

Er sah durch das stachlige Gestrüpp draußen flackernden Feuerschein, hörte die Stimmen noch deutlicher, hörte nun eine einzelne.

»Omakati hat seine roten Brüder heute zweimal gewarnt. Aber der Schnelle Büffel hielt seine Ohren verschlossen; der Schnelle Büffel ist tot. Manitus Antlitz blickt finster auf seine roten Kinder der Apachennation herab. Kehrt heim in eure Dörfer, Krieger des tapferen Apachenstammes. Omakati warnt euch nochmals!«

Diesen überlaut gesprochenen Worten folgte tiefes Schweigen.

Dann aber ein heiseres, drohendes Auflachen – dann die Stimme des Langen Messers.

»Hier steht Taschulapa, den die Kugel am Knie nur streifte! Krieger der Apachen, achtet nicht auf das Gekrächze Omakatis! Wollt ihr heimkehren in eure Dörfer, ohne eure Toten gerächt zu haben? Wollt ihr euch von den Weibern und Kindern verspotten lassen? Wollt ihr, dass euer Todfeind Chokariga ungehindert zu den Comanchen reitet und dort von den Apachen erzählt, sie seien plötzlich feige Kojoten geworden, elende Präriefüchse, die nur von Aas sich nähren und keinen Feind anzugreifen wagen? Krieger der Apachen, sucht weiter nach dem blonden Jäger! Zerstreut euch durch die Büsche, die Täler und Schluchten. Sucht Felsenherz und den, der mir das Knie zerschmettern wollte! Holt euch ihre Skalpe! Vergesst nicht den Tod eures berühmtesten Häuptlings, des Großen Bären. Vergesst nicht den Tod des Schnellen Büffels und zwölf eurer Brüder!«

Dieser aufreizenden Ansprache war ein anderer Erfolg beschieden als den Worten des Medizinmannes.

Die Apachen stießen das gellende Kriegsgeschrei ihres Stammes aus und verteilten sich hierhin und dorthin.

Der durch die Dornbüsche schimmernde Fackelschein wurde schwächer und schwächer.

Sehr bald beschien nur noch der Mond den kleinen freien Platz vor dem stachligen Wall.

Felsenherz kroch etwas weiter in die Dornen hinein, konnte nun Omakati erkennen, der in seinem Grizzlyfell auf einem hohen Stein saß.

Links von ihm stand das Lange Messer, auf seine Büchse gelehnt.

Die beiden schwiegen. Sie waren seit Langem heimliche Gegner. Auch Taschulapa war auf den Einfluss Omakatis stets eifersüchtig gewesen.

Dann – ganz plötzlich hatte der Unterhäuptling die Büchse gehoben, hatte den Hahn gespannt, auf den kaum fünf Schritte entfernten Omakati angelegt und zischte nun in höhnischem Triumph: »Omakati muss sterben! Niemand wird wissen, wer dich erschoss! Die Krieger durchschwärmen die Täler. Niemand schützt dich!«

Er wollte abdrücken.

Wollte …!

Er hatte nicht bemerkt, dass unter dem vorn offenen Grizzlyfell der Lauf einer Pistole etwas hervorragte.

Und aus der Mündung dieser Pistole blitzte es nun auf.

Das Lange Messer ließ die Flinte fallen, warf die Arme in die Luft und schlug nach hinten leblos zu Boden.

Die Kugel hatte ihn mitten in die Stirn getroffen.

Es war ein Meisterschuss gewesen – ein Schuss, der ohne regelrechtes Zielen abgegeben worden war, ein Schuss, den selbst Felsenherz niemals fertiggebracht hätte, wie er sich jetzt staunend eingestand.

Omakati lüftete das Bärenfell noch mehr, stieg von dem Stein herab, hob den Toten und dessen Flinte auf und schleppte ihn durch die Büsche auf die Terrasse hinaus, legte ihn dort nieder und kehrte zu dem Höhleneingang zurück, setzte sich wieder auf den Steinblock und begann die Pistole zu laden.

Es war ein merkwürdiger Anblick, wie dieser Apache dort, von dessen Kopf nie etwas unter dem Bärenschädel sichtbar wurde, gelassen die doppelläufige Pistole lud, wie er dann eine langstielige indianische Pfeife hervorholte und gemächlich rauchte.

Felsenherz wollte sich gerade bemerkbar machen, als unten vom Fluss her der mehrfache Knall von Büchsen und das wilde Gebrüll der Rothäute herauftönten.

Dort hatten, wie der Schnelle Büffel noch kurz vor seinem Tod befohlen, mit dem Aufgang des Mondes die beiden stark bemannten Flöße die Insel angegriffen. Dort mussten die drei Verteidiger des Eilandes, Chokariga, der dicke Abraham und Botterley, vor den hinter Brustwehren steckenden Apachen, die das Inselufer dauernd beschossen und selbst vor jeder Kugel sicher waren, Schritt für Schritt zurückweichen.

Dort waren jetzt aber auch tauchend und schwimmend einige vierzig andere Rothäute vom Ostufer über den Fluss gekommen, wanden sich lautlos durch die Büsche und stürzten sich ganz überraschend auf die drei Verteidiger, rangen sie nieder.

Ein durch Mark und Bein gehendes Triumphgeheul zeigte Felsenherz an, dass der Angriff der Apachen geglückt sein musste.

Nur aus diesem Grunde gab er es jetzt auf, den Medizinmann anzurufen. Er wusste ja, dass er Omakati nochmals begegnen und dann von diesem über all das Aufschluss erhalten würde, was er sich über die geheimnisvolle Persönlichkeit dieses Roten im Geist zurechtgelegt hatte.

So trat er denn den Weg durch die Höhle aufs Neue an, um abermals das Lager der Apachen zu beschleichen und um festzustellen, was aus seinen Gefährten geworden war.

Doch diesmal schritt er ganz langsam durch den Tunnel dahin, zündete sehr bald eine Fackel an, beleuchtete den Boden, suchte nach Spuren.

Und er fand auch bald Anzeichen dafür, dass hier jemand häufiger die Höhle passiert hatte, fand auch eine Stelle, wo diese Fährte eine Abzweigung in eine der engeren Nebenhöhlen hatte, folgte dieser nach links abbiegenden Spur und gelangte so in eine größere Grotte, die recht wohnlich eingerichtet war.

Hier gab es einen Herd aus Steinen, ein Lager aus Fellen, ein paar Blechkessel, ein paar Gefäße mit Dörrfleisch und manches andere.

Und an der einen Steinwand hing neben zwei Doppelbüchsen und zwei Pulverhörnern – ein Grizzlyfell mit tadellos präpariertem Schädel, ein Fell, um dessen Hals eine Kette von Eulenköpfen geschlungen war!

Um Felsenherz’ Mund spielte ein leises Lächeln.

Er hatte ja Ähnliches hier vorzufinden erwartet, hatte geahnt, dass diese Höhle einer der Schlupfwinkel des Medizinmannes war!

Dann kam ihm ein besonderer Gedanke.

Er nahm das Grizzlyfell von der Steinzacke herab, warf es sich über die Schulter und eilte weiter, eilte dem anderen Höhlenausgang zu.

Bald hatte er ihn erreicht. Schnell löschte er die Fackel und trat ins Freie hinaus, sah sich jetzt auf einem balkonähnlichen Vorsprung einer Bergwand, die gerade über jenem Tal lag, in dem die Apachen hier am Ostufer lagerten.

Dort unten brannten die Feuer heller; dort unten schleppte eine johlende Schar roter Teufel soeben die drei Gefangenen in die Mitte des Tales, wo ein paar kleinere Tannen vereinzelt wuchsen.

Im Nu hatten die Apachen drei der Tannen ihrer Äste beraubt.

Im Nu waren Chokariga, Botterley und Abraham aufrecht daran festgebunden.

Dann auch schon die laute Stimme des ältesten Kriegers, der jetzt den Oberbefehl übernommen hatte: »Krieger der Apachen, auch das Lange Messer ist jetzt durch Felsenherz’ Kugel getötet worden! Felsenherz ist entflohen! Aber der Hund von Comanche und diese beiden Blassgesichter sind in unserer Gewalt! Krieger der Apachen, wir werden diese drei sofort martern! Ihr Angstgebrüll soll unsere toten tapferen Häuptlinge auf dem Weg zu den ewigen Jagdgründen begleiten! Holt Reisig herbei! Schärft eure Messer! Die drei sollen unter Qualen sterben, wie sie noch kein Feind erlitten hat!«

Ein wahnwitziges Beifallsgeheul erhob sich.

Die Apachen schienen plötzlich vor Blutrausch den Verstand verloren zu haben.

Ein Kreis hüpfender Teufel sprang um die Gefangenen herum. Man trug trockene Zweige herbei, schichtete sie um jede Tanne auf. Andere Apachen holten die Leichen des Schnellen Büffels und des Langen Messers, lehnten sie in der Nähe gegen Steine.

Felsenherz durfte nicht länger zaudern, wenn er noch etwas zur Rettung seiner Gefährten unternehmen wollte.

Sein Plan war fertig. Misslang er, so war auch er selbst verloren.

Bis zu dem Felsvorsprung, auf dem er stand, reichte die Krone einer mächtigen, alten Eiche herauf, von welcher ein Ast den Vorsprung noch berührte.

So konnte er sich denn in den Baum hinüberschwingen, konnte abwärtsklettern.

Am Fuß der Eiche warf er den breitbandigen Filzhut ab und zog das Bärenfell über, dessen offene Bauchnaht mit kleinen Riemen zum Zubinden versehen war.

So verwandelte sich Felsenherz in einen falschen Omakati.

So schritt er nun schnell durch eine kleine Schlucht dem Tal und dem Lager zu.

Da – aus einem Gebüsch trat ihm eine Gestalt entgegen – so plötzlich, dass er erschrak und ein wenig zurückwich – ein zweiter Grizzly, der echte Omakati!

»Das Blassgesicht wagt viel!«, flüsterte der Medizinmann rasch. Aber es wagt umsonst sein Leben! Mit Gewalt wird Felsenherz seine Freunde niemals befreien. Omakati will ihm helfen …«

Er sprach leise weiter.

Und dann blieb Felsenherz in den Büschen zurück, während der Medizinmann eilig dem Lager zustrebte.

Hier waren die Vorbereitungen für den Martertod der Gefangenen bereits beendet worden.

Die jüngsten Krieger hatten sich der Tanne gegenüber aufgestellt, an die James Botterley gefesselt war, denn er sollte als Erster sterben.

Botterley, das Greenhorn, benahm sich sehr zu Abrahams Verwunderung wie ein Held.

Als die ersten jungen Krieger ihre Messer dicht an seinem Hals und Kopf in den Stamm trieben, als sie so ihre Fertigkeit im Messerwerfen bewiesen, rief Botterley verächtlich: »Feiges Gesindel! Denkt ihr, dass ein Amerikaner sich hier wie ein altes Weib benehmen und vor Angst heulen und winseln wird? Feiglinge seid ihr! Gehört etwa Mut dazu, mit hundert Kriegern drei Männer auf einer Insel anzugreifen? Stehlen, rauben und morden könnt ihr! Weiter nichts! Damit ihr es wisst, jämmerliche rote Bande, ich habe meine Jugend als Sohn eines Farmers verlebt! Ich habe schon mit sechs Jahren verstanden, eine Büchse zu laden! Ich kenne euch! Kinderdiebe seid ihr! Mich und meinen Zwillingsbruder stahlt ihr, als wir beide am Bachufer Netze trockneten! Und damals – verflucht sei jene Stunde – damals war ich ein Feigling! Damals flehte ich euch an, mich freizulassen, versprach euch aus meines Vaters Hütte ein Fässchen Pulver zu holen – als Lösegeld! Heimlich holte ich es dann! Und ihr gabt mich frei! Aber an meinen Bruder dachte ich damals nicht. Ich duldete es, dass ihr ihn wegschlepptet! Ich verschwieg meinen Eltern das Vorgefallene. Bald verließen sie die Farm, siedelten nach den großen Städten im Osten über, nachdem alles Suchen nach Edward, meinem Bruder, umsonst gewesen war! So wart ihr es, feiges Diebesgelichter, das mich dazu verführte, schwere Schuld auf mein Kinderhaupt zu laden! Und jetzt – jetzt hat mich die bittere Reue hier in die Wildnis getrieben! Edward wollte ich suchen, wollte …«

Botterley schwieg.

Der Kreis der Apachen hatte sich geöffnet, und Omakati schritt langsam in seinem Grizzlyfell bis dicht vor den Gefangenen, machte halt, wandte sich um und begann zu sprechen.

»Krieger der Apachen, Manitu, der Große Geist sendet mich zu euch! Ihr sollt Vernehmen, was er euch durch meinen Mund ausrichten lässt! Diese drei Gefangenen sollen sterben! Manitu will es! Aber sie sollen an diesem Platz nur dann sterben, wenn sich der Große Geist in meiner Gestalt nicht sofort dort oben auf der nördlichen Talwand zeigt! Erscheint Manitu dort als Grizzly mit der Kette von Eulenköpfen um den Hals, so sollt ihr die Gefangenen mit in eure Dörfer nehmen und sie dort zu Tode martern, weil inzwischen dann auch Felsenherz in eure Gewalt geraten wird! Gehorcht ihr nicht, so wird Manitu euch die Blattern (Pocken, eine Seuche, die häufig unter den Indianern auftritt und sehr gefürchtet ist) senden, und Hunderte von euch werden hinweggerafft werden! Schichtet jetzt dort am Fuß der Talwand Holz auf, zündet ein großes Feuer an, dessen Schein bis nach oben reicht! So will es Manitu. Jeder von euch wird dann den Großen Geist erkennen, falls er sich zeigen will.«

Omakatis Worte konnten kaum schlauer berechnet sein als diese Ansprache, in der den Apachen sogar die Gefangennahme des berühmten Trappers verheißen wurde.

Es fand sich denn auch unter den versammelten zweihundert Kriegern nicht ein Einziger, der sich geweigert hätte, Manitus Befehlen irgendwie zu widersprechen.

Bald flammte am Fuße der Nordwand ein Riesenfeuer auf.

»Löscht die anderen Feuer!«, befahl Omakati weiter. »Ich werde den Großen Geist beschwören, dass er uns Felsenherz in die Hände spielt!«

Nun begann der Medizinmann mit seiner Beschwörung, tanzte vor dem Feuer hin und her, stieß schrille Rufe aus, drehte sich wie ein Kreisel um sich selbst, warf allerlei Kräuter in das Feuer, schüttete eine Handvoll Pulver hinein, begann den Tanz von Neuem.

Um die Gefangenen kümmerte sich nun niemand. Die drei Tannen, an die sie festgebunden worden waren, lagen weiter links im Schatten einiger Büsche.

Inzwischen hatte Felsenherz die beiden Wachen am Nordausgang des Tales bereits lautlos unschädlich gemacht und war ungehindert bis zu den drei Gefangenen vorgedrungen, hatte ihre Riemen schnell durchschnitten und ihnen die nötigen Verhaltungsmaßregeln zugeflüstert.

Jetzt befand er sich bereits auf dem Rückweg; jetzt warf Omakati abermals eine Handvoll Pulver in die Flammen.

Zischend puffte das Pulver auf.

Und in heulenden Tönen brüllte Omakati nun: »Manitu – die Krieger der Apachen warten! Manitu, zeige dich deinen roten Kindern! Schenke ihnen Felsenherz, damit er gleichfalls am Marterpfahl stirbt!«

Zweihundert Augenpaare hingen gespannt auf den Sträuchern dort oben am Rande der Nordwand.

Und zu gleicher Zeit huschten die Gefangenen davon, eilten zu dem Zelt des Schnellen Büffels, vor dem ihre und Felsenherz’ Waffen lagen, eilten mit den Waffen zur Nordseite.

Zweihundert Augenpaare erblickten wirklich dort oben einen Grizzly, der soeben aus den Büschen aufgetaucht war, eine Weile regungslos dastand und wieder hinter den grünen Zweigen verschwand, nachdem er mehrmals mit den Vorderpranken in der Luft herumgefochten und schließlich sich die Eulenschädelkette abgestreift und unten ins Feuer geworfen hatte.

Kaum war der Große Geist – kein anderer als Felsenherz war es ja – wieder verschwunden, als Omakati mit dumpfem Stöhnen zu Boden sank und sich wie in Krämpfen hin und her warf.

Dann schnellte er hoch, rief wehklagend: »Manitu hat den Stamm der Apachen hart gestraft, weil die Krieger der Apachen die Warnungen heute missachteten, die er durch meinen Mund ihnen sandte! Manitu hat die Kette des Medizinmannes ins Feuer geschleudert! Manitu hat uns dadurch angedeutet, dass er uns die Gefangenen entführt hat!«

Die zweihundert Krieger, von abergläubischen Schauern erfüllt, begriffen zuerst nicht recht den Sinn dieser letzten Worte.

Dann stürmten einige zu den drei Tannen hin.

Dann folgte die ganze Masse der Übrigen.

Die Gefangenen waren verschwunden.