Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Felsenherz der Trapper – Teil 14.4

Felsenherz der Trapper
Selbst Erlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 14
Tom Brack, der schwarze Häuptling
Viertes Kapitel

Die Wagenburg

Inzwischen hatte Tom den anderen Gefangenen, unter denen sich auch John und der alte Ben befanden, erklärt, dass er ihre Waffen bis auf eine Büchse zur Strafe mitnehmen und sie mit ihren Pferden hier ihrem Schicksal überlassen würde.

Auch Felsenherz und Chokariga hatten ihre Pferde mittlerweile gesattelt und verabschiedeten sich vom schwarzen Häuptling, den der Trapper noch vor den Apachen warnte, die doch fraglos sehr bald gleichfalls hier eintreffen würden.

Tom erwiderte, dass auch er mit den seinen sofort nach Westen aufbrechen wolle. Man trennte sich so in aller Freundschaft. Dann ritten die beiden Westmänner in südwestlicher Richtung in die Nacht hinaus.

Nachdem sie ein paar Meilen in scharfem Trab zurückgelegt hatten, tauchte vor ihnen abermals ein kahler Höhenzug auf. Hier schnallten sie ihren Pferden die Hufschuhe unter, deren weiches Leder auf steinigem Boden keinerlei Fährte zurückließ.

So ritten sie nun am Rande der Berge abermals zwei Stunden entlang und bogen dann erst wieder nach Westen ab, entfernten die plumpen Hufschuhe und lagerten kurz vor Tagesanbruch in einem kleinen Canyon, wo sie in einer Vertiefung etwas Wasser vorfanden.

Während Chokariga sich hier sofort zum Schlaf ausstreckte, erkletterte Felsenherz den Kamm einer hohen Düne und legte sich in den weichen Sand, um den Horizont dauernd zu beobachten.

Die Gegend war bis auf einzelne Dünenzüge recht flach, aber mit weiten Kakteenfeldern bewachsen, die sich gegen die gelbweiße Wüste mit ihren grünbräunlichen Stauden scharf abhoben.

Felsenherz vermutete, dass der Schnelle Büffel sich schon jetzt mit den im nördlichen Canyon zurückgebliebenen Weißen vereinigt hätte und dass die Apachen sich fraglos teilen würden. Der eine Trupp konnte dann Tom Brack nachsetzen, der andere aber ihm und Chokariga.

Der schwarze Häuptling hatte sich durch sein ganzes Auftreten rasch des Trappers freundschaftliche Zuneigung erworben. Dieser Mulatte war kein Neger gewöhnlicher Art. Felsenherz hätte es ehrlich bedauert, wenn Tom etwa von den Apachen abgefangen und grausam hingemordet worden wäre. Er bedauerte es jetzt schon, Tom nicht noch eindringlicher gewarnt zu haben.

Inzwischen war es hell geworden. Sehr bald erschien denn auch die Sonne und enthüllte noch mehr Einzelheiten des eintönigen Wüstenbildes.

Felsenherz spähte hauptsächlich nach Norden aus. Von dort mussten die Apachen auftauchen, falls es ihnen gelang, auf der Fährte der beiden Westmänner zu bleiben.

Als der Trapper sich nun wieder einmal halb umdrehte und auch den südlichen Teil des Horizonts prüfend überblickte, sah er in weiter Ferne vier Striche, die sich langsam vorwärts bewegten, und um sie herum sechs ebenfalls bewegliche Punkte. Das konnten nur vier Auswandererwagen und sechs Reiter sein.

»Aber Auswandererwagen hier in der Llano?« Dies erschien Felsenherz so unmöglich, dass er eilends in den Canyon hinabstieg und Chokariga weckte.

Der Häuptling war sofort bereit, wieder aufzubrechen und den Wagen entgegenzureiten, die in nordwestlicher Richtung dahinfuhren.

»Mein Bruder Harry hat die Augen des Adlers!«, sagte er später, als er von der nächsten Sanddüne aus ebenfalls nach den Wagen Ausschau hielt. »Nur ein Westmann kann auf solche Entfernung unterscheiden, dass er Wagen und Reiter vor sich hat.«

Felsenherz erwiderte nichts. Der Wagenzug nahm abermals all sein Interesse in Anspruch.

»Wir wollen aufbrechen«, mahnte der Comanchenhäuptling, indem er von dem Sandhügel tief gebückt herab und zu den Pferden ging.

Der blonde Trapper folgte ihm erst nach einigen Minuten und erklärte, als er seinen Braunen bestieg, mit seltsam grüblerischem Gesichtsausdruck: »Die sechs Reiter, die die Wagen begleiten, müssen vollständig erschöpfte Tiere haben. Ich möchte aus den Bewegungen dieser Tiere fast schließen, dass es Pferde ohne Reiter sind, ledige Pferde, deren Herren vielleicht etwas zugestoßen ist.«

Dann lenkten die beiden berühmtesten Fährtensucher des Wilden Westens in ein Dünental ein, das nach Nordwest verlief. Ihre prächtigen Tiere begannen von selbst zu galoppieren. Nach einer Weile fragte Felsenherz den Häuptling ganz unvermittelt: »Ob es hier in der Llano in den letzten Tagen ein Gewitter gegeben haben mag?«

Chokariga verneinte. »Mein Bruder weiß, dass ich zehn Krieger hier in die Wüste gesandt hatte, damit sie nach den Apachen Ausschau halten sollten. Der eine der Krieger erwähnte vorgestern, dass er selten eine solche Hitze weiter südlich in der Llano erlebt hätte wie während seines letzten Kundschafterrittes. Ich glaube zu wissen«, fügte der Häuptling hinzu, »weshalb mein Bruder Harry nach der Witterung fragt. Er nimmt an, die Leute jenes Wagenzuges seien dem Verdursten nahe.

Felsenherz nickte. Seine Gedanken hatten eine andere Richtung genommen und zwar einer Fährte wegen, die er soeben weit voraus im glatten Sand dieser Talmulde, welche sie gerade durchtrabten, wie einen langen breiten Strich bemerkt hatte.

»Da – eine Spur!«, sagte er zu dem Häuptling, der jedoch schon von selbst die auffallende Fährte erblickt und sich höher im Sattel aufgerichtet hatte.

Gleich darauf sprang Felsenherz von seinem Braunen und untersuchte die hier im losen Sand recht verschwommenen Hufeindrücke, erklärte dann: »Es ist Tom Brack mit seinen Leuten gewesen. Es sind genau zwanzig Pferde …«

Chokariga erwiderte nur: »Wir werden sie sehr bald eingeholt haben. Die Fährte ist keine Viertelstunde alt. Tom hat wie wir nur die Täler benutzt, damit er nicht gesehen würde.«

Der Trapper schwang sich wortlos in den Sattel. Im Galopp ging es wieder weiter.

Auch der Reitertrupp des schwarzen Häuptlings hatte etwa die Richtung auf die vier Wagen eingehalten. Es schien also fast, als ob Tom Brack den Wagenzug gleichfalls bemerkt hatte und gesonnen war, mit jenen Leuten dort zusammenzutreffen.

Als Felsenherz diese Vermutung Chokariga gegenüber äußerte, sagte der Comanche sehr bestimmt: »Mein Bruder Harry wird sehr bald das Kriegsgeschrei der Apachen vernehmen. Der Mulatte dürfte nur deshalb nach Südost – denn diese Hauptrichtung hält er ein – abgeschwenkt sein, weil die Apachen dicht hinter ihm her waren und er keinen anderen Ausweg sah, ihnen zu entkommen.«

»Chokariga liest mir die Gedanken von der Stirn ab«, meinte Felsenherz zustimmend. »Tom Brack befindet sich mit den seinen auf der Flucht, wird wie wir den Wagenzug bemerkt haben und will nun die Auswanderer warnen, da diesen von den Apachen Gefahr droht. Der schwarze Häuptling hat bereits bewiesen, dass er alles andere, nur kein vertierter Neger ist. In seinen Adern fließt das Blut einer berühmten Indianernation, die ihrer Hochherzigkeit, Wahrheitsliebe und ihres Edelmutes wegen von den großen Seen im Osten bis ans Felsengebirge bekannt ist.«

Der Comanche entgegnete mit leuchtendem Blick: »Die Bleichgesichter nennen die Rothäute Mörder und Banditen. Es wird der Tag kommen, an dem die ganzen Indianer Nordamerikas sich zusammentun und ihren Unterdrückern, die ihnen alles stehlen – Heimat, Büffel und Freiheit – die Stirn bieten! Dann werden sich auch die unzähligen Negersklaven gegen ihre weißen Herren empören! Dann wird der Wilde Westen nur noch das Jagdgebiet des roten Mannes sein!« Felsenherz schaute geradeaus und erwiderte nichts. Er wusste nur zu gut, dass diese Hoffnung des Comanchen sich nie erfüllen würde. Wie sollte das Volk der Rothäute, dessen Männer sich untereinander mit so wildem Hass befehdeten, je geeint werden! Chokariga träumte hier von einer gemeinsamen Erhebung aller Indianer, die nie, niemals erfolgen würde!

Jetzt lenkte die Fährte Tom Bracks und der seinen aus einer Schlucht auf die offene Savanne hinaus. Als die beiden Freunde nun einen freien Ausblick über die kahle Wüste, die hier nach Süden zu fast völlig eben war, gewannen, sahen sie den Wagenzug etwa zweitausend Yards vor sich, sahen auch die Gestalten von zwanzig Reitern bei den mit Planen ausgerüsteten Wagen und fanden so ihre Annahme, dass der schwarze Häuptling die Auswanderer hatte schützen wollen, bestätigt.

Wieder ließen sie ihre edlen Tiere im Galopp dahinfliegen, näherten sich rasch dem Wagenzug, der haltgemacht hatte, und bemerkten schon von Weitem, dass die Neger eifrig damit beschäftigt waren, Leute aus dem Inneren der plumpen Auswanderergefährte herauszuholen und ihnen aus ihren mitgeführten Wasserschläuchen zu trinken zu geben.

Auch Tom Brack hatte die beiden Westmänner längst erblickt. Er allein saß noch zu Pferde, kam ihnen nun entgegengesprengt und rief Felsenherz zu: »Oh, Massa, es sind Landsleute von Euch! Es sind Deutsche! Im Ganzen siebzehn Personen, darunter neun Männer, fünf Frauen und drei Kinder, und alle waren dem Tode nahe. Sie haben sich in der Llano verirrt. Sie wollten nach Arizona hinüber. Aber ihr

Führer, ein Mestize, ließ sie im Stich. Die Wegstangen waren falsch gesteckt. Die Ärmsten fanden kein Wasser. Wir haben sie und ihre Zugochsen und die sechs ledigen Pferde, die nebenher stolperten, bereits getränkt. Aber ein noch schlimmeres Unheil droht den Leuten durch die Apachen, die uns schon stundenlang verfolgt hatten, bis es mir gelang, sie auf eine falsche Fährte zu bringen. Trotzdem werden sie sehr bald wieder auftauchen. Ich wollte gerade einmal auf unserer Spur zurückreiten und nach den Apachen Ausschau halten.«

Felsenherz reichte Tom die Hand.

»Du bist ein braver Bursche, Tom!«, sagte er herzlich. »Vorwärts – wir werden die Ärmsten dort drüben schon in Sicherheit bringen!«

Die drei galoppierten auf die Wagen zu.

Die Neger hatten die sämtlichen Auswanderer, die nicht mehr imstande gewesen waren, ohne Hilfe die Wagen zu verlassen, im Schatten einer rasch ausgespannten Leinwand auf Decken gebettet. Als Felsenherz nun an das Lager des Ältesten der Leute, eines ehrwürdigen Greises, herantrat und ihn in deutscher Sprache anredete, überflog ein heller Freudenschimmer das Gesicht des Alten, und ringsum wurden ebenso freudige, erstaunte Ausrufe laut die der Greis dann durch frohe Worte ergänzte.

»Landsmann, nun dürfen wir wieder hoffen, mit dem Leben davonzukommen! In den Ansiedlungen im Osten, woher wir nach einem Marsch von drei Wochen hier bis in die Llano gelangt waren, hörten wir von Euch so viel Gutes, dass all unsere Qualen der letzten Tage jetzt beendet sein dürften. Mein Name ist Albert Döring, von Beruf war ich drüben in Deutschland Weber. Die anderen hier um mich sind meine Kinder, Schwiegersöhne und Enkel«

Er würde vielleicht noch mehr hinzugefügt haben, wenn der Schwarze Panther nicht von einem der Wagendächer aus, das er erklettert hatte, gerufen hätte: »Die Hunde der Apachen steigen drüben aus der Schlucht empor! Schnell – die Wagen müssen zusammengeschoben werden! Reißt Kakteenstauden aus und schichtet sie um die Wagenburg zum Verhau auf!«

Zum Glück hatte Tom Brack in den Satteltaschen der weißen Menschenjäger mehrere Flaschen Rum gefunden und mitgenommen. Der Alkohol belebte in Kurzem die Lebensgeister der neun männlichen Mitglieder des Auswandererzuges so günstig, dass die Leute wenigstens fähig waren, bei der Herrichtung der Wagenburg etwas zu helfen.

Inzwischen waren vorläufig nur acht Apachenspäher sichtbar geworden, von denen zwei dann wieder verschwanden.

Felsenherz, Chokariga und Tom berieten nun leise, was noch weiter zur Sicherung gegen einen Angriff geschehen könne.

Der Comanche schaute dabei sehr ernst drein und erklärte: »Mein Bruder Harry vergisst den schlimmsten Feind, den Durst! Wir haben nur noch sechs Schläuche Wasser. Morgen früh werden auch sie leer sein, aber die Apachen werden morgen noch die Wagenburg umschwärmen, werden es übermorgen tun, Tag für Tag, bis der Durst uns alle zu kranken Weibern gemacht hat!«

Der blonde Trapper blickte nachdenklich vor sich hin. Dann fragte er den Comanchen: »Mein Bruder hat doch soeben vom Wagendach Ausschau gehalten. Sah er irgendwo ein zusammenhängendes Kakteenfeld?«

»Dort nach Osten zu bemerkte Chokariga die gelb­grüne Fläche eines solchen Feldes. Es zieht sich offenbar meilenweit hin«, erwiderte der Häuptling hastig. »Ich weiß, woran mein Bruder denkt. Felsenherz will das Kakteenfeld anzünden, damit die Erwärmung der Luftschichten ein Gewitter hervorruft, das uns Regen und Trinkwasser bringt. Die Gedanken meines Bruders sind gut. Er mag versuchen, ein solches Feuer anzufachen. Chokariga wird hier die Wagenburg verteidigen. Meines Bruders Pferd ist frischer als mein Rappe, der sich einen Dorn in die Fessel getrieben hat und bald lahmen wird.«

Tom erklärte sofort, er wolle Felsenherz auf diesem gefahrvollen Ritt begleiten.

Die beiden brachen denn auch unverzüglich auf. Sie mussten bestimmt damit rechnen, dass die Apachen versuchen würden, ihr Vorhaben zu vereiteln.

Deshalb mussten ihre Tiere auch das Letzte an Kraft hergeben. In tollem Jagen sprengten sie dem etwa eine Meile entfernten Kakteenfeld zu.

Kaum waren sie jedoch in der Savanne sichtbar geworden, als aus jener Schlucht im Nordwesten die Apachen in ganzen Schwärmen herausquollen, sich schnell teilten und so gleichzeitig den beiden Rettern folgten und auch die Wagenburg umzingelten.

Der Trupp, der Felsenherz und Tom nachjagte, war einige Hundert Reiter stark. Da die beiden in einer der Schlucht entgegengesetzten Richtung dahinstürmten, hoffte der blonde Trapper infolge des großen Vorsprungs, den er und Tom vor den Apachen hatte, das Kakteenfeld noch rechtzeitig zu erreichen.

Der Wind kam von Norden. Wenn man das Kakteenfeld am Nordrand in Brand steckte, musste das durch trockene Stauden genährte Feuer die an sich schon so wasserarmen Pflanzen in Kurzem ausdörren und das Umsichgreifen des Brandes ermöglicht werden.

Felsenherz und Tom schonten ihre Pferde nicht. Alles hing davon ab, dass die Apachen das Feuer nicht mehr löschen konnten.

Die Apachenmustangs, die in den letzten Tagen wenig Ruhe gehabt hatten, waren nicht imstande, den Vorsprung der beiden Reiter zu verringern.

Als diese nun am Rand des Kakteenfeldes entlanggaloppierten, rief Tom frohlockend:

»Wir werden unsere Absicht ausführen können, Massa! Die rote Bande ist gut noch eine Viertelmeile zurück!«

»Und der Rückweg zur Wagenburg?«, meinte Felsenherz bedenklich. »Die Apachen werden sie so eng einkreisen, dass wir …«

Er schwieg und schaute zurück, da der Knall zahlreicher Schüsse an sein Ohr gedrungen war.

»Oh, Massa«, brüllte Tom, »sie greifen an!«

»Ja – sie wollen die Verteidiger in die Wagenburg hineintreiben! Tom, ich fürchte, wir werden hier in der Llano noch böse Stunden erleben! Sieh dorthin – aus der Schlucht erscheint eine neue Schlangenlinie von Reitern! Das ist eine andere Apachenabteilung, die nun die Krieger des Schnellen Büffels um etwa hundertfünfzig vermehrt! Wir haben es jetzt mit fast vierhundert Rothäuten zu tun! Die Lage ist sehr ernst, und ich weiß noch nicht, wie wir uns durch diese Übermacht durchschlagen sollen! So – hier wollen wir halten. Und jetzt trockene Kakteenstauden gesammelt!«

Nach fünf Minuten bereits flammten die Haufen der dürren Wüstenpflanzen auf. Ein paar Windstöße halfen, die Glut noch höher flackern zu lassen. Knisternd und prasselnd griffen die Flammenzungen hierhin und dorthin.

»Geglückt!«, brüllte Tom.

Auch Felsenherz war mit dem Erfolg zufrieden. Dieses Feuer zu ersticken, wäre selbst Hunderten von Rothäuten nicht mehr gelungen.

»Weiter!«, befahl der Trapper nun, denn die Apachen waren nur noch etwa fünfhundert Meter entfernt.

Im Nu saßen die beiden im Sattel und jagten am Nordrand des unendlichen Kakteengestrüpps nach Osten zu.