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Der Welt-Detektiv Band 6

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Schwäbische Sagen 49

Schwäbische-Sagen

Der Name der roten Murg

1. Die Rotmäntel
Eine mündliche Überlieferung aus Baiersbronn

In alten Zeiten, als im Murgtal bei Baiersbronn, Mittel­tal und Obertal nur erst zerstreute Höfe lagen, kamen oftmals über den Ruhstein (Rubstein) ins rote Murgtal wilde große Männer, die waren noch Heiden, gingen barfuß und hatten rote Mäntel um, daher man sie allgemein Rotmäntel nannte. Außerdem trugen sie ein Messer an der Seite, womit sie jeden, der ihnen begegnete, hackten, auch wenn er ihnen nicht das Geringste getan hatte. Auch warfen sie mit ihren Messern ziemlich weit auf die Leute und verwundeten sie. Weil die Messer aber an einer langen dünnen Kette befestigt waren, so konnten sie dieselben immer wieder zurückziehen und waren auf die Art niemals ohne Waffen.

Ein Teil dieser Rotmäntel hatte auch schon Gewehre und konnte schießen.

So beunruhigten sie viele Jahre lang das Murgtal, stahlen und mordeten, was ihnen vorkam, ohne dass man sich ihrer hätte erwehren können. Sie redeten auch eine fremde Sprache. Nur der Lindenwirt in Baiersbronn, der Latein verstand, konnte mit ihnen reden und musste oft den Unterhändler machen.

Sobald man die Rotmäntel auf der Höhe erblickte, gab man mit Glocken ein Zeichen, bot das ganze Tal auf und zog ihnen entgegen, um sie zurückzutreiben. Sie wählten gern den Sonntag zu ihren Überfällen und kamen meist in kleinen Haufen, oft nur 10 bis 20 Mann stark. Eines Sonntags aber erschienen sie in großer Zahl. Es waren wenigstens ihrer 300 bis 400. Das ganze Murgtal wurde schleunigst aufgeboten. Man zog ihnen entgegen, umzingelte sie und begann zu schießen; aber auf beiden Seiten wollte niemand fallen, denn man hatte sich verwahrt und kugelfest gemacht, sodass man die Kugeln wie Brotkrumen aus dem Ärmel und Busen schütteln konnte. Da holten die Murgtaler endlich ein kleines buckliges Bauernmännle von einem Hof, »das konnte mehr als Brot essen« und machte die Zauberei der Rotmäntel alsbald zunichte.

Er sagte, man solle ihn erst einmal allein schießen lassen, und sobald er das getan habe, möchten auch die Übrigen alle schießen, soviel sie nur könnten. Da schoss das Männlein und seine Kugel streckte den ersten Feind nieder. Darauf schossen auch die anderen und ihre Kugeln trafen gleichfalls, sodass die Rotmäntel sämtlich totgeschossen wurden bis auf ihren Hauptmann Schlotki. Den nahm man gefangen, konnte ihn aber auf keine Weise umbringen, weil er stich- und kugelfest war.

Da warf man ihn endlich in die Murg, deckte viel Holz auf ihn und wälzte Steine und Felsen auf das Holz, setzte das mehrere Tage lang fort, weil er immer wieder den Versuch machte, sich los­zuwinden.

Schlotki bot nun den Leuten ungeheure Summen, wenn sie ihn am Leben lassen wollten; aber es war alles umsonst.

Da sagte er endlich, obwohl sie ihn lebendig in der Murg beschwert hätten, sodass er nicht fort könne, so werde er dennoch nicht sterben, möge aber auf diese elende Weise auch nicht länger leben. Deshalb gab er ihnen selbst an, wie sie ihn töten könnten. Er sagte, sie sollten nur die drei Hostien, die in seiner linken Hand, am Daumen, und zwar in der Maus, eingelegt und verwachsen wären, herausschneiden, alsdann werde er sterben können. Das taten sie denn auch, worauf er verblutete und starb. Die Murg aber floss drei Tage lang blutrot und hat seitdem immer eine rötliche Farbe und den Namen die rote Murg behalten.

Man sagt noch, jene drei Hostien seien die zuerst geweihten aus jener Gegend gewesen.


2. Das Gundesvolk
Eine mündliche Überlieferung aus Baiersbronn und dem roten Murgtal

Eines Sonntags kamen einmal von der Höhe herab in das rote Murgtal wilde Räuber, die man das Gundesvolk nannte, unter ihrem Anführer Schlotki. Da machte man Lärm im Tal und zog dem Feinde getrost entgegen, denn die meisten Tal­bewohner waren damals selbst noch Räuber, »konnten mehr als Brot essen« und fürchteten deshalb keine Kugel. Auf einer Anhöhe trafen sie den Feind und es kam zum Schießen. Aber keiner wollte fallen, denn auch das Gundesvolk hatte sich gegen Kugeln wohl verwahrt. Endlich trat ein Bürger vor, der eine ganz besondere Kugel hatte, und sagte, man solle ihn zuerst allein schießen lassen und dann möchten die Übrigen nachschießen. Das geschah. Die Kugel traf einen und dann waren auch die Schüsse der anderen wirksam, sodass man das ganze Räubervolk bis auf ihren Anführer Schlotki zusammenschoss, dem man nichts anhaben konnte und ihn des­halb, mit Holz und Steinen beschwert, in das Bett der Murg versenkte.

Andere sagen so: Ein Mann aus dem Murgtal sei mit einer silbernen Kugel in die Brust getroffen worden. Derselbe habe aber diese Kugel sogleich wieder herausgebracht, in sein Gewehr geladen und rückwärts auf das Gundesvolk zurückgeschossen, worauf einer davon gefallen sei. Dann habe er seine Gefährten zum Schießen ermuntert, und da habe auch jede Kugel ihren Mann getroffen. Nur dem Anführer Schlotki habe man keine Kugel beibringen können, weshalb man ihn mit vielen Steinen lebendig in die Murg »beschwert« habe. Aber auch so sei er nicht gestorben, bis er selbst endlich ein Mittel angegeben hatte, wie sie seinem elenden Leben ein Ende machen könnten. Darauf sei die Murg mehrere Tage lang ganz rot geflossen und immer etwas rötlich geblieben. Daher auch der Name rote Murg.

Noch andere behaupten: Diese Räuber seien Franzosen gewesen und hätten unter ihrem Führer Schlotki eines Sonntags, da alles in der Kirche gewesen war, einen Überfall gemacht, seien aber sämtlich niedergemetzelt worden, davon die Murg sich rot gefärbt habe. Auch an kaiserliche (österreichische) Soldaten denkt man, die einst in das Tal eingebrochen und darin verbluten mussten.

Indes gibt es auch Leute, welche meinen, die rote Farbe der Murg rühre von dem Boden des Gebirges her.