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Der Welt-Detektiv Band 6

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Sammlung bergmännischer Sagen Teil 6

Das arme Bergmannsleben ist wunderbar reich an Poesie. Seine Sagen und Lieder, seine Sprache, seine Weistümer reichen in die älteste Zeit zurück. Die Lieder, die wohlbekannten Bergreihen, die Sprachüberreste, die Weistümer sind teilweise gesammelt. Die Sagen erscheinen hier zum ersten Mal von kundiger Hand ausgewählt und im ganzen Zauber der bergmännischen Sprache wiedergegeben. Das vermag nur zu bieten, wer ein warmes Herz für Land und Leute mitbringt, wo diese uralten Schätze zu heben sind; wer Verständnis für unser altdeutsches religiöses Leben hat, wer – es sei gerade herausgesagt – selbst poetisch angehaucht ist. Was vom Herzen kommt, geht wieder zum Herzen, ist eine alte und ewig neue Wahrheit. Hat der Verfasser auch nur aus der Literatur der Bergmannssagen uns bekannte Gebiete begangen, verdient er schon vollauf unseren Dank. Seine Liebe zur Sache lässt uns hoffen, er werde mit Unterstützung Gleichstrebender noch jene Schaetze heben, die nicht an der großen Straße liegen, sondern an weniger befahrenen Wegen und Stegen zu heiligen Zeiten schimmern und zutage gefördert sein wollen.


II. Abteilung: Sagen vom Berggeist

1.

Der Berggeist, Meister Hämmerling, im Allgemeinen »Bergmönch« genannt, zeigt sich zuweilen in der Tiefe, gewöhnlich als ein Riese in einer schwarzen Mönchskutte. In einem Bergwerk bei Davos in den Rätischen Alpen erschien er oft, und besonders am Freitag, geschäftig, das ausgegrabene Erz aus einem Eimer in den anderen zu schütten. Der Eigentümer des Bergwerks, der Bürgermeister oder Landaman Petrus Buol, dursfe sich das nicht verdrießen lassen, wurde aber auch niemals von ihm beleidigt. Als aber einmal ein Arbeiter, zornig über das vergebliche Hantieren, den Geist schalt und verfluchte, fasste ihn dieser mit so großer Gewalt, dass er zwar nicht starb, aber das Antlitz siech ihm umkehrte.

2.

In der St. Georgengrube zu Schneeberg erschien der Geist in Gestalt eines schwarzen Mönches, ergriff einen Bergknappen, der sich in der Teufe ungebührlich aufgeführt hatte, hob ihn auf und setzte ihn auf einer ehedem silberreichen Grube nieder, so hart, dass ihm das Hinterleder platzte und alle Rippen krachten.

3.

Zu Annaberg war eine Grube, genannt »der Rosenkranz,« darin arbeiteten 12 Knappen. Die schwatzten untereinander possenhaft, wollten sich gegenseitig mit dem Berggeist fürchten machen und leugneten ihn als einen lächerlichen Popanz. Da mit einem Male sahen sie eine Rossgestalt mit langem Hals und mit feurigen Augen an der Stirn und erschraken zum Tode. Dann wurde aus der Rossgestalt die wahre Gestalt des Bergmönches, die trat ihnen schweigend nahe und hauchte jeden nur an. Sein Atem war aber wie ein böses Wetter, sie sanken tot nieder von des Geistes Anhauch, und nur einer kam wieder zu sich, gewann mit Mühe den Ausgang und sagte, was sich zugetragen hatte. Dann starb auch er. Darauf ist die silberreiche Grube »der Rosenkranz« znm Erliegen gekommen und nicht mehr angebaut worden.

4.

In den Kohlengruben bei Scherben, in der Nähe von Halle, zeigte sich oft ein Berggeist, der trug große Stulpstiefel, gelbe lederne Hosen und Blechhandschuhe, an denen vorn spitze Haken befestigt waren. Wenn er einem im Zorn eine Ohrfeige gab, blieben die Spuren davon ewig sichtbar.

5.

In den Kamsdorfer Gruben gibt es Berggeister von mancherlei Art und Gestalt, ja auch von gutem und schlimmem Wesen. Sie erscheinen bald als graue Zwerge, führen als solche den Namen Bergmönche und zeigen den Bergleuten reichhaltige Erzgänge an. Bald sitzen sie als feurige Riesen auf den Halden des Bergwerks und warnen die Arbeiter vor dem Anfahren, wenn ihnen ein Unglück zuzustoßen droht. In jeder von beiden Gestalten erweisen sie sich von Natur gutartig, nur können sie großes Geräusch und Neckereien nicht leiden. Darum vermeidet der Bergmann jedes unnütze Lärmen bei seiner unterirdischen Arbeit und keiner wagt, dort im Dunkeln zu pfeifen oder Fluchworte auszustoßen, wie beides wohl stündlich von ihm ungescheut am hellen Tag geschieht. Den Flucher stürzen sie hinunter in den tiefsten Schacht oder drehen ihm den Hals um, das Gesicht zum Nacken.

Oft helfen sie auch, in graue Kutten gekleidet, dem Bergmann, dem sie wohlwollen, bei seiner Arbeit, und alles geht dann wunderbar schnell vonstatten. Ihre Stimme gleicht dem Krähen eines Hahnes. Bisweilen sieht man diese Geister in Katzengestalt auf den Erzstufen sitzen, die zutage gefördert worden sind, und mit großen, feurigen Augen diese Schätze bewachen.

In einer dieser Kamsdorfer Gruben hielt sich ein Bergmönch auf, klein und dick, garstigen Ansehens, mit Augen im Kopf so groß wie Käsenäpfe. Dabei war er aber ganz gutmütig, lebte still vor sich hin und arbeitete in dem Bergwerk wacker mit. Besonders pflegte er die armen Bergjungen, wenn sie müde geworden waren, zu unterstützen und abzulösen, aber er sprach nie ein Wort dabei. Jeden Morgen musste ihm der anfahrende Junge eine Pfennigsemmel mitbringen und an einen bestimmten Platz legen. Einstmals kamt ein anderer Junge darüber, der dem Bergmönch gern einen Schabernack antun wollte, und aß die Semmel weg. Als später der Kübel in die Höhe gezogen wurde und oben anlangte, fand sich der Junge, der die Semmel gegessen hatte, darin. Er war tot, der Mönch hatte ihm den Hals umgedreht und ihn in den Kübel gedrückt, dass ihm Hören, Sehen und Semmelessen auf immer verging.