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Der Welt-Detektiv Band 6

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Schwäbische Sagen 48

Schwäbische-Sagen

Die Hebung des Schatzes

Im Dreißigjährigen Krieg war Crailsheim vom Feind verheert und von seinen Einwohnern verlassen worden. Unter denjenigen, die später dahin zurückkehrten, befand sich ein armer Schuhmacher mit Frau und Sohn, dem wurde an der Brücke bei der Armenhäuserkapelle ein Häuslein zugeteilt. In der ersten Zeit verspürten die Schustersleute in dem Häuslein nichts Unheimliches. Als aber gegen Weihnachten der Mann eines Abends allein in der Stube war, kam ein gespenstiges Männlein herein und setzte sich stillschweigend neben ihn. Es hatte ein gutmütiges, freundliches Gesicht und schneeweiße Haare, trug einen grünen Rock mit großen Taschen, einen kleinen, dreieckigen Hut und unter dem Arm ein Barbiersäcklein. Dem Schuhmacher fehlte der Mut, das Männlein anzusprechen, und dies ließ ebenfalls keine Silbe hören und verschwand, so wie die Hausfrau heimkam. Ebenso ging es bei allen folgenden Besuchen, die sich nach und nach aber so vermehrten, dass das Männlein zuletzt nicht bloß jeden Abend, sondern auch jede Nacht kam und bis zum Anbruch des Tages am Bett des Schusters sitzen blieb. Endlich offenbarte der Mann alles seiner Frau, die das Gespenst nicht zu sehen vermochte. Sie befragten nun den Pfarrer, und dieser riet ihnen, die Sache ganz geheim zu halten und vorerst zu beichten und zu kommunizieren. Wenn alsdann das Gespenst wiederkomme, solle der Schuhmacher es unerschrocken anreden, aber nicht mit »du« oder »er«, sondern mit »man«. Auch solle er alles, was es ihn tun heiße, ihm selbst zu tun überlassen. Diesem Rat folgten sie.

Als nun am Ehevorabend vor Weihnachten das Männlein zu dem Schuster kam, sprach dieser: »Was begehrt man?«

Da winkte ihm das Männlein mitzugehen, und als er folgte, dünkte es ihn, er werde in einen langen, unbekannten Gang geführt. Hier blieb das Männlein stehen, holte aus seinem Barbiersäcklein eine kleine Hacke, steckte sie an einen Stiel und hielt sie dem Schuhmacher hin, indem er sprach: »Man kann scharren!«

Dieser aber erwiderte: »Man kann selbst scharren!«, worauf das Männlein emsig den Boden auf­hackte, bis der Deckel eines großen Kessels zum Vorschein kam.

Da sagte es zu dem Schuster: »Man kann abheben!«

Der aber ent­gegnete: »Man kann selbst abheben!«

Mit großer Anstrengung hob nun das Männlein den ganzen Kessel aus dem Boden und streckte alsdann, gratias sprechend, dem Schuhmacher die Hand hin, worein dieser sein Schnupftuch legte, das augenblicklich zu Pulver verbrannte. Darauf verschwand das Männlein, das jetzt erlöst war. Der Schuster aber fiel in Ohnmacht.

So fand ihn noch seine Frau, auf dem Boden der Nebenkammer liegend, als sie aus der Spinnstube heimkam. Es gelang ihr jedoch, ihn bald wieder zu sich zu bringen. Am nächsten Morgen holten sie den Pfarrer herbei, erzählten ihm alles und öffneten den Kessel, den sie mit alten Gold- und Silbermünzen bis oben angefüllt fanden. Unter den Münzen war ein Zettel, darauf stand in griechischer Sprache: Das Geld gehöre dem Schuhmacher, der zur Erlösung des Männleins bestimmt gewesen. Derselbe werde nur noch sieben Jahre leben. Vor seinem Tod aber dürfe die Sache nicht bekannt werden, sonst komme der Schatz wieder in die Erde, und dann müsse der Schuhmacher so lang dabei umgehen, bis ein gewisses Kind, das noch nicht geboren sei, so alt sei, wie er gegenwärtig.

Wegen dieses Verbotes hielten sie die Sache ganz geheim, ließen jedoch, zur Verwunderung der Leute, ihr Häuschen sehr vergrößern und verschönern und verteilten auch an die Armen reichliche Almosen.

Ihr Sohn, der bisher die Schafe gehütet hatte, wurde Geist­licher.

Der Schuhmacher aber lachte in seinem ganzen Leben nicht wieder und starb nach Ablauf der sieben Jahre.