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Felsenherz der Trapper – Teil 11.5

Felsenherz der Trapper
Selbsterlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 11
Das Häuptlingsgrab am Juan-Fluss
Fünftes Kapitel

Die Rettung der Gefährten

Nun wartete der Gambusino mit wachsender Unruhe auf die drei Lassorucke. Er hatte die rechte Hand um das straff gespannte Lasso gelegt. Er musste merken, sobald das Gewicht des tollkühnen Mannes nicht mehr an dem geschmeidigen Lederriemen hing.

Da – jetzt wurde das Lasso schlaff. Jetzt mussten die drei Rucke folgen.

Folgten sie nicht, dann war Felsenherz von den Strudeln mit fortgerissen worden!

Sanchos Herz schlich vor Anregung immer schneller. Er wartete und wartete.

Nichts … nichts …

Da zog er das Lasso sacht ein wenig empor.

Und – unten kein Widerstand mehr, keine Hand hatte da unten das Lasso umkrallt.

Der Gambusino seufzte tief und schmerzlich, murmelte: »Armer wackerer Bursche! Noch so jung und schon sterben! Kaum dreißig Jahre mag er alt gewesen sein.«

Dann lehnte er sich wieder an die Felswand und dachte nun über sein eigenes trübes Geschick nach. Auch er war jetzt ja verloren. Darüber gab er sich keiner Täuschung hin. Er konnte die Höhle nicht verlassen. Die Apachen würden ihn hier aushungern. Und wenn er vor Hunger völlig erschöpft war, würden sie ihn gefangen nehmen, wieder leidlich gesund pflegen und dann an den Marterpfahl stellen. Und – wie würden sie gerade ihn, den Indsmenfresser, peinigen!

Ihn überlief es kalt bei diesen Gedanken.

Und so saß er still da und grübelte und grübelte, ob es denn keinen Ausweg mehr für ihn gäbe, diesem entsetzlichen Tod zu entrinnen.

Felsenherz war sehr bald von dem Staubregen des Falles völlig eingehüllt worden.

Da die Felswand, über die der Bach von oben hinwegstürzte, nach innen gewölbt war und da der Wasserfall etwa zwei Meter von dem unteren Rand des Abhangs auf den Steinboden des Tals aufprallte, hatte der Trapper immerhin geringe Hoffnung, nicht gerade zu in die mit furchtbarer Gewalt niedersausenden Wassermassen zu geraten.

Er rutschte ganz allmählich abwärts, damit das Lasso nicht etwa in Schwingungen geriet. Er hatte die Augen geschlossen, er fühlte, wie er im Moment völlig durchnässt war. Da er etwa zehn Meter in dieser Weise zurückzulegen hatte, berechnete er ungefähr, wie tief er sich nach jedem neuen Kletterschluss befand.

Als er so vielleicht sieben Meter nach abwärts gekommen war, als das Atmen ihm in dem neuartigen Sprühregen schon schwerer wurde, da stießen seine Füße plötzlich auf festen Boden.

Überrascht hing er nun ein paar Sekunden reglos, indem er nur die Stiefelspitzen ganz leicht auf den festen Halt aufstemmte. Dann hielt er sich nur mit den Händen fest, fühlte mit den Füßen den Umfang dieses Vorsprungs der Wand ab.

Dann hatte er zu seiner Freude festgestellt, dass dieser Vorsprung ein etwa ein Meter breiter Felsgrat war, der sich nach rechts hin, allmählich sich senkend, an dem Abhang entlangzog.

Er überlegte blitzschnell.

Dieser Weg konnte ihn um den Fall im Sprühregen der zerstäubenden Wasser herumführen, konnte von ihm vielleicht auch, wenn nötig, zur Rückkehr benutzt werden.

Jedenfalls wollte er jetzt nicht dreimal am Lasso rucken, damit Sancho dessen oberes Ende nicht etwa losband. Aber andererseits wollte er dem Gambusino auch ein Zeichen geben, dass er noch lebe.

So zog er denn nur einmal scharf an dem starken Lederriemen.

Sancho spürte den Ruck.

Es waren nicht drei Rucke, wie verabredet. »Was bedeutet das nun?«, fragte sich der Gambusino.

Und … so zog er denn selbst einmal an dem Lasso.

Doch – das war schon wieder schlaff. Sancho dachte nach und kam von selbst auf den richtigen Gedanken, dass er das Lederseil an der Felszacke festgebunden lassen solle!

Jedenfalls: Der Trapper lebte noch! Und das war Sancho die Hauptsache.

Der blonde Jäger aber schritt jetzt Fuß für Fuß auf dem schlüpfrigen Felsgrat abwärts. Nun hatte er wirklich die Talsohle rechts vom Wasserfall erreicht. Nun wurde ihm das Atmen nicht mehr so schwer.

Die Steilwand stets dicht zur Rechten, tastete er sich weiter und weiter.

Der feuchte Nebel der Milliarden von Wassertröpfchen wurde bald schwächer und schwächer.

Dann stand Felsenherz unter den ersten Erlen und Birken, die hier in der Osthälfte des Regentales einzelne Baumgruppen bildeten.

Über sich fah er den Sternenhimmel. Und als er sich umwandte, erblickte er links vom Wasserfall am Rand des Abhangs den roten Schein vieler Feuer.

Dort also lagerten die Apachen, dort befanden sich Chokariga und Tom Pick. Dort musste nun auch er hinauf und versuchen, die Gefährten noch in dieser Nacht zu befreien.

Er brauchte nicht zu fürchten, hier gesehen zu werden. Er eilte also schnell dem Ostausgang des Tales zu. Wie er am bequemsten dort auf die Höhe der Steilwand gelangen könne, wusste er, denn er hatte ja vor vier Tagen denselben Weg schon einmal zurückgelegt. Nach etwa zwanzig Minuten lag er bereits unweit des Apachenlagers im Schatten einiger Felsblöcke versteckt, richtete sich zuweilen auf und spähte umher.

Das Plateau hier war etwa dreihundert Meter breit und wurde nach Süden zu von steilen Bergen begrenzt. Es war mit kleinen und größeren Steinblöcken und mehreren Gruppen von Eichen und Tannen bedeckt.

Ausserdem gab es zahlreiche Gestrüppstreifen, die sich von Steinblock zu Steinblock zogen.

Felsenherz wagte sich jetzt näher heran, nachdem er bemerkt hatte, dass kaum zehn Schritte vor ihm ein Apache auf und ab schlenderte.

Der Apache war wenig aufmerksam. Er rechnete wohl kaum mit der Anwesenheit von Feinden. Dass Felsenherz die Bonanzahöhle verlassen könnte, das glaubte niemand im ganzen Lager.

Der Trapper umging den Posten, schob sich lautlos an einer Gestrüppreihe entlang und hatte bald das erste der Apachenzelte dicht vor sich.

Im Lager herrschte bereits volle Ruhe. Nur die Feuer wurden in der Mitte des Zeltkranzes vom vier Apachen dauernd unterhalten, während vier andere Krieger unter einer mächtigen Eiche hockten, an deren tiefstem Ast zwei Gestalten hingen: die beiden Gefangenen!

Als der Große Bär gegen elf Uhr abends mit seiner Abteilung hier eingetroffen war und als die zehn Krieger ihm stolz die beiden gefesselt am Boden liegenden Gefangenen gezeigt hatten, da hatte der Oberhäuptling dem Comanchen einen Fußtritt versetzt und gebrüllt: »Hund von Athabaska (die Comanchen gehören zur Nation der Athabasken), diesmal sollst du mir nicht wieder entfliehen! Dein weißer Bruder Felsenherz ist dort unten in der Grabhöhle des großen Häuptlings Juan eingesperrt. Er kann dort nicht heraus! Er wird dir keine Hilfe bringen! Er wird dort vor Hunger sehr bald zum schwachen Weib werden! Und dann werden wir ihn holen, dann wird er mit euch beiden am Marterpfahl sterben!«

Dass auch Sancho in der Bonanzagrotte mit eingeschlossen war, wussten die Apachen nicht.

Chokariga hatte dem Großen Bär nicht den Triumph gegönnt, irgendetwas zu erwidern.

Der Oberhäuptling ließ ihn und Tom Pick dann mit Lassos, die den Gefesselten unter den Armen durchgezogen wurden, an den Eichenast hängen, sodass ihre Füße ein Meter über dem Boden sich befanden. Er glaubte, dass die Gefangenen sich in dieser Lage niemals selbst befreien könnten, zumal ja vier Wächter schräg unter ihnen an einem großen Feuer saßen.

Felsenherz war mit seinem Plan, wie die Gefangenen einzig und allein gerettet werden könnten, in Kurzem fertig.

Die Hauptschwierigkeit bestand darin, bis an jene Eiche und dann in deren Krone zu gelangen.

Hier nun kam ihm das vor den vier Wächtern brennende Riesenfeuer sehr zustatten, denn die Eiche warf einen breiten Schatten bis über einen Felsblock hinaus, der hoch genug war, um von seiner Spitze aus einen anderen Ast der Eiche zu erklimmen.

Felsenherz nahm jetzt das Jagdmesser zwischen die Zähne und kroch in ein Gebüsch hinein, wo er einen etwa drei Meter langen Ast behutsam abschnitt und ihn von Zweigen völlig säuberte.

An das eine Ende dieses Astes band er dann sein Jagdmesser fest.

Nun erst schob er sich auf den Steinblock zu, erkletterte ihn auf der Schattenseite und richtete sich oben behutsam auf.

Ebenso behutsam schwang er sich auf den mannsdicken Ast der Eiche, verschwand in dem dunklen Blätterdach und arbeitete sich vollständig geräuschlos bis zu dem anderen Ast hin, an dem die Gefangenen hingen, deren Lassos etwa vier Meter lang waren, sodass die Gesamtentfernung bis zur Erde etwa sechseinhalb Meter betrug: vier Meter Lasso, anderthalb Meter Körperlänge, von den Schultern gerechnet, und ein Meter Zwischenraum bis zum Boden.

Die vier Wächter saßen und würfelten. Nur selten schaute einer von ihnen auf und sah flüchtig nach den beiden regungslos dahängenden Gestalten.

Die Apachen als leidenschaftliche Würfelspieler (als Würfel dienen behauene Schieferstücke, in deren Flächen Zeichen eingeritzt und mit Farbe ausgefüllt sind) gaben sich dem Spiel mit vollem Eifer hin. Sie wussten ja, dass die Gefangenen dort an dem Ast sicher aufgehoben waren.

Felsenherz begann jetzt mit größter Vorsicht seinen speerähnlichen Stock zu senken. Er rechnete damit, dass die durch den Feuerschein geblendeten Wächter den etwa drei Finger dicken Ast kaum bemerken würden.

Chokariga und Tom Pick waren die Hände auf dem Rücken gefesselt und noch durch besondere Riemen im Kreuz festgebunden.

Da ihre Gesichter nach den Wächtern und dem Feuer zu gerichtet waren, konnte es nicht allzu schwer sein, die Riemen mit der Messerklinge durchzuschneiden.

Felsenherz versuchte es zunächst bei dem Comanchen. Zweimal blickte einer der Wächter wirklich auf, während der Messerstock noch die Riemen bearbeitete. Nur ein Mann von den vielfachen Erfahrungen und der Geschicklichkeit des Trappers konnte diese Arbeit glücklich vollenden. Als der Comanche spürte, dass er die Hände frei bewegen konnte, blieb er trotzdem ohne jede Bewegung hängen, obwohl er sich doch, trotz der noch gefesselten Füße, an dem Lasso hätte emporziehen können. Er wusste, dass er dies mit Tom Pick gleichzeitig tun müsse, wenn ihre Flucht gelingen sollte. Verschwand einer von ihnen früher, so musste der andere, wenn das Fehlen des einen bemerkt würde, der Rache der Apachen zum Opfer fallen, die ja fraglos in ihrer sinnlosen Wut über den Verlust gerade ihres rothäutigen Feindes Chokariga sofort ihre Waffen gegen den Wehrlosen gebrauchen würden.

Chokariga gab also genau acht, wann auch Tom Picks Hände der Fesseln ledig wären. Unauffällig wandte er den Kopf und beobachtete den Polizeimeister, indem er die Lider dabei halb schloss.

Felsenherz’ Speerstock schnitt jetzt an Tom Picks Riemen herum.

Der Polizeimeister rührte sich nicht. Geduldig wartete er, bis seine Hände frei waren.

Einer der Wächter schaute gerade auf, als Felsenherz den dünnen Ast wieder hochzog. Aber der durch den Feuerschein tatsächlich stark geblendete Krieger begnügte sich damit, festzustellen, dass die beiden gefesselten Beinpaare noch genau so über dem Boden schwebten.

Die vier Würfelspieler kamen immer mehr in Eifer. Sie stritten sich, ob der eine Wurf gültig sei.

Diesen Augenblick benutzte der Comanche. Und auch Tom Pick zog sich rasch empor, bis er auf dem Ast saß.

Felsenherz’ Messer wanderte aus Chokarigas Hand in die des Polizeimeisters.

Nun waren sie ihre Fesseln völlig los, folgten dem Trapper, hatten schon den anderen dicken Ast über dem Steinblock erreicht, als der eine Wächter mit einem leisen Schrei emporfuhr.

Er hatte das Verschwinden der Gefangenen entdeckt, wollte bereits einen Alarmruf ausstoßen, als links von der Eiche ein Schuss knallte. Einer der Außenposten des Lagers hatte Felsenherz bemerkt, wie er sich von dem Ast auf den Steinblock herabließ, hatte auf ihn gefeuert, jedoch nicht getroffen.

Der Apache hatte den blonden Jäger jedoch erkannt, floh und stürmte in den Zeltkreis hinein, indem er mit schriller Stimme wiederholt Felsenherz’ Kriegsnamen brüllte.

Im Moment war jetzt das ganze Lager lebendig. Doch die drei Flüchtlinge hatten längst ein schützendes Dickicht gewonnen, eilten weiter, liefen dann aufrecht davon, dem Eingang des Regentales zu.

Felsenherz verständigte die beiden Befreiten rasch von der Notwendigkeit, in der Bonanza-Grotte Zuflucht zu suchen.

Furchtlos folgten der Comanche und Tom Pick ihm in den Staubregen des Wasserfalles. Die drei Männer fassten sich bei den Händen und gelangten so langsam bis an den Felsgrat, weiter bis an das Lasso, das Felsenherz nach einigem Umhertasten glücklich fand und nun Tom Pick in die Hand drückte.

So klomm dieser als Erster empor.

Ihm folgte der Comanche. Dann erst kletterte auch der Trapper hoch.

Sancho hatte seinen Augen nicht recht getraut, als sich plötzlich eine Gestalt über den Rand der Felsspalte auf flachen Boden hinaufzog.

Tom Pick rief ihm seinen Namen zu, und der Gambusino half dann dem Polizeimeister tiefer in die Spalte hinein.

Nun waren in der Grabhöhle des weißen Häuptlings Juan vier Männer vereint, waren jedoch noch immer halb und halb Gefangene.

Bei der dann folgenden Beratung der vier erklärte Chokariga, dass die Apachen fraglos annehmen würden, die beiden Befreiten und ihr Retter hatten sich tiefer in die Guadalupe-Berge geflüchtet. Dass sie hier in der Grotte seien, würde der Große Bär nie vermuten können. Es wäre also am besten, hier ruhig zwei bis drei Tage zu bleiben.

Felsenherz stimmte dem zu.

Man beschloss, vorn an der Felsspalte abwechselnd zu wachen, damit man jederzeit die Apachen durch Schüsse verscheuchen könnte, falls sich ein paar von ihnen an Lassos von der Steilwand herabließen, um in die Höhle einzudringen.

Der blonde Jäger übernahm die erste Wache, da er sich körperlich am frischsten fühlte. Die anderen drei legten sich zum Schlaf nieder.

So saß denn Felsenherz nun, die lange Jaguarbüchse im Arm, vorn am Eingang und beobachtete, wie das Dunkel der Nacht immer mehr schwand, wie der neue Tag heraufzog und die Finsternis hinter dem Wasserfall einer trüben Dämmerung wich.

Als es noch heller wurde, zog er sich mehr in die Felsspalte zurück, damit er von der Höhe des Abhangs aus nicht bemerkt werden könne.

Es mochte so neun Uhr vormittags geworden sein, da schob Felsenherz wieder einmal den Kopf vorsichtig ein Stück über den Seitenrand der Spalte hinaus, zog ihn aber sogleich wieder zurück.

Er hatte einen Apachen bemerkt, der bereits au einem Lasso hin und her pendelte.

Er griff schon nach der Büchse, ließ sie aber wieder sinken und schlüpfte noch tiefer in die Spalte hinein, kauerte hier nieder und erwartete den Apachen, der denn auch sehr bald mit großer Gewandtheit sich am Rand des Eingangs festklammerte, festen Fuß fasste, das Lasso von der Brust losknotete und um einen Stein schlang, damit der starke Riemen nicht zurückglitt.

Dieser Apache war kein anderer als Tatwiru, das schnelle Elentier (eine Hirschart), einer der bekanntesten Unterhäuptlinge der Apachen.

Schon dreimal war Felsenherz mit diesem schnellfüßigen Roten bei anderen Gelegenheiten zusammengetroffen. Tatwiru hasste den Trapper nicht minder als der Große Bür.

Der Apache war jedoch nicht nur flüchtig wie ein Elentier, sondern auch ein erfahrener und schlauer Krieger.

Kaum hatte er auf dem stets feuchten Boden der Felsspalte, bis zu der ja stetig einige Spritzer des Falles hinaufsprühten, die frischen Spureu Felsenherz’ wahrgenommen, die in der Nässe wie blankere Stellen blinkten, als er schon mit einem Satz wieder am Rand des Eingangs war und das um den Stein geschlungene Lasso ergreifen wollte, um sich in Sicherheit zu bringen.

Doch – hier sollte nun die Jaguarbüchse die erste Probe ihrer Treffsicherheit ablegen.

Felsenherz wollte Tatwiru nicht entkommen lassen. Er feuerte auf das Lasso.

Die Kugel zerschnitt den Riemen gerade dort, wo dieser von dem Stein im Bogen in den Sprühregen hinabhing, sodass er nun nach rechts infolge der eigenen Schwere pendelte und für den Apachen verloren war.