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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der bayerische Hiesel – Teil 45

Der-bayerische-HieselFriedrich Wilhelm Bruckbräu
Der bayerische Hiesel
Wildschützen- und Räuberhauptmann, landesverrufener Erzbösewicht

Der letzte Kampf

Der Stabsamtmann von Haunsheim hatte weder die Todesangst im Kloster zu Obermedlingen noch die Brandschatzung oder vielmehr das Lösegeld von 500 ft. vergessen, und gab sich nun alle mögliche Mühe, die Gemeindestreifen soweit als tunlich auszudehnen und in rastloser Tätigkeit zu erhalten.

Der Freiherr von Racknitz sah wohl ein, dass ein geschickter Anführer ganz vorzüglich nötig sei, um gegen einen so listigen und verwegenen Räuberhauptmann etwas auszurichten. Auf seine Verwendung wurde das Oberkommando dem tapferen und einsichtsvollen Leutnant Schedl übertragen, der an der Spitze einer auserlesenen Mannschaft dem Hiesel in künstlichen Flankenmärschen Tag und Nacht nicht mehr von der Seite wich.

Hiesels Räubereien und endlose Gewalttätigkeiten hatten ihn nun auch dem Landvolk entfremdet, welches ein Ende dieses Ungeheuers wünschte.

Am 13. Januar 1771 schlief Hiesel mit neun Kameraden im Wirtshaus zu Osterzell bei Kaufbeuren. Überall hatte er Wachen aufgestellt, weil er sich auf den Trüffelhund nicht mehr verlassen konnte. Mit dem ersten Schlag der Mitternachtsstunde fühlte Hiesel eine eiskalte Hand auf seiner Stirn. Er erwachte und rieb sich die Augen.

Da stand sein verstorbener Vater vor ihm, beugte sich mit leichenblassem Antlitz über ihn und flüsterte mit dumpfem Grabeston: »Flieh!« Dann verschwand er.

Hiesel fuhr von seinem Lager auf und legte sich ans Fenster, um durch die frische Luft der mondhellen Winternacht neue Kraft einzufangen. Die Erscheinung seines Vaters hatte ihn tief erschüttert, doch hielt er sie nur für einen bösen Traum. Um sich zu zerstreuen, weckte er seine Kameraden, ging mit ihnen in die untere Stube und begann Karten zu spielen. Da man vom Wirtshaus aus überall hinsehen konnte, ließ er auch die ausgestellten Posten in die warme Stube kommen und am Spiel teilnehmen. Im Eifer des Spieles bemerkte keiner, dass plötzlich ein dichter Nebel fiel, der alle Aussicht raubte.

Diesen Augenblick benutzte der Leutnant Schedl und rückte mit seinem Kommando immer näher, das Wirtshaus von allen Seiten umzingelnd. Zugleich ließ er auch einige benachbarte Häuser und Scheunen besetzen und den vermutlichen Rückzug, im Falle sich Hiesel sollte durchschlagen wollen, durch eine starke Abteilung von Jägern abschneiden.

Hiesel hörte zuerst ein Geräusch und rief gleich: »Kameraden! Der Teufel hat den Nebel gemacht, wir sind verraten! Die Streife ist schon da!«

Alle griffen sogleich nach ihren Gewehren.

Es war 7 Uhr morgens am 14. Januar, als der Kampf der Verzweiflung begann.

Hiesel legte auf den Leutnant Schedl an. Der Stutzen versagte, und dieser Umstand, war sein Verderben. Mit dem Anführer wäre auch der Mut der Soldaten gesunken. Eine innere Ahnung sagte dem Hiesel, dass dies sein Unglück sei.

Der Nebel war schwächer und durchsichtiger geworden, als der Kampf begann. Doch immer noch nicht in solchem Grad, dass Hiesel die Stärke und Stellung des Kommandos bemessen konnte. Den großen Grenadier Steiner traf Hiesel mitten durchs Herz, den Jäger Schmid von Konenburg durch den Kopf, den Grenadier Kopp schoss er durch die Seite in der Gegend der Leber. Dieser starb bald darauf. Sehr viele Soldaten erhielten Wunden. Ein Wildschütz blieb tot auf dem Platz, ein anderer Schwerverwundeter verschied bald darauf in Frankenhofen. Hiesel war mit sechs Kameraden unter den Blessierten, er selbst am gefährlichsten.

Je näher Hiesel die Gefahr erkannte, desto größer wurde seine Wut. Er stieß die furchtbarsten Flüche und Verwünschungen aus, unaufhörlich durch die Fenster und Türen auf die Jäger und Soldaten feuernd.

Als der Leutnant Schedl einmal ziemlich nahe an der Tür vorübereilte, um auf dem rechten Flügel Anordnungen zu treffen, und Hiesel eben sein ungeladenes Gewehr in der Hand hielt, fasste er seinen treuen Tiras am Ring des Halsbandes, riss ihn, seine Wut zu entflammen, zurück, und hetzte ihn auf den Leutnant Schedl.

Zum ersten Mal gehorchte dieses treue Tier seinem Gebieter nicht. Anstatt auf den Leutnant zu stürzen und ihn zu Boden zu reißen, packte Tiras vielmehr seinen eigenen Herrn und biss ihn zweimal in den Arm. Dann warf er ihm einen zornfunkelnden Blick zu, sprang seitwärts hinaus, die Flucht ergreifend, und bald vom Pulverdampfe verhüllt.

Dieses Unerwartete brach Hiesels Mut und Selbstvertrauen völlig. Nun dachte Hiesel mit Betrübnis und Reue an die nächtliche Warnung seines Vaters. Allein er wollte noch immer das Äußerste versuchen und hörte nicht auf zu schießen. Doch schon hatte seine Hand nicht mehr die frühere feste Haltung und seine Schüsse trafen nicht mehr, oder sie trafen, ohne zu töten.

Um das Leben seiner Tapferen zu schonen, befahl nun der Leutnant Schedl, im ersten Stock den Boden aufzureißen und brennendes Heu hinunter zu werfen, auf dieses aber, wenn es lichterloh brennt, aus dem Waschhaus Wasser zu gießen. Dadurch entstand unten ein erstickender Dampf, der die Augen quälte, den Atem hemmte und jede Verteidigung unmöglich machte.

Hiesels beste Kameraden, die Tapfersten der ganzen Bande, gaben zuerst das Beispiel der Feigheit. Einer kroch sogar in den Backofen, der Sattler und der Bub unter denselben, ein anderer in den Kamin, aus welchem er späterhin mit angezündeten Holzfackeln getrieben wurde. So suchte sich jeder so gut wie möglich zu verstecken.

Dass es nun mit ihm aus und hier keine Rettung mehr möglich sei, sah Hiesel nach der tapfersten Gegenwehr von 4 Stunden, um 11 Uhr mittags ein. Er schrie mit seiner gewaltigen Stimme: »Um Christi Barmherzigkeit willen, ist denn kein Pardon zu haben?«

Der Leutnant Schedl befahl, mit dem Schießen einzuhalten, und rief ihm zu: »Es soll dir von meinen Leuten nichts an Leib und Leben geschehen, wenn du dich unbewaffnet ergibst.«

Hiesel riss die Tür auf und trat hinaus, ohne Stutzen, ohne Hirschfänger. Der Leutnant hatte alle Mühe, ihn vor der Wut seiner Soldaten zu schützen. Er wurde sogleich gebunden und auf einen mit Stroh gefüllten Holzschlitten gekettet. Das gleiche Schicksal hatten noch fünf von seinen Kameraden.

Da lag nun der Schrecken des ganzen Schwabenlandes, der furchtbare Wildschützen- und Räuberhauptmann, dessen Name schon hinreichend war, ganze Provinzen mit Entsetzen zu erfüllen, in schmachvollen Banden.

Auffallend schnell zerrann nun der dichte Nebel, und Hiesel merkte deutlich, dass er sich zuletzt in eine Rauchgestalt auflöste, welche dem Trüffelhund in Riesengröße glich, und dann plötzlich verschwand.

Hiesel war fest überzeugt, dass sein abtrünniger Beschützer und Warner aus Rache wegen der verweigerten Vertragsunterzeichnung sich in jenen dichten Nebel verwandelt hatte, der dem Feind das unbemerkte Heranrücken und den Überfall erleichterte, wodurch Hiesel seine Freiheit und mit eben dieser die letzte Hoffnung der Lebensrettung verlor.

Die Gefangenen wurden nach Frankenhofen geführt und dort verbunden, dann aber zuerst in die festen Blockhäuser des Zuchthauses zu Buchloe, zuletzt aber zur Aburteilung nach Dillingen.

Ungeachtet einer grimmigen Kälte waren doch alle Wege des Zuges zu beiden Seiten von Neugierigen gesäumt, welche das Wunder sehen wollten, dass es endlich gelungen war, den gefürchteten Hiesel zu fangen.