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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Welt-Detektiv Nr. 4 – 4. Kapitel

Der Welt-Detektiv Nr. 4
Der König der Brillanten-Marder
Verlagshaus für Volksliteratur und Kunst GmbH Berlin
4. Kapitel

Trick oder Wahrheit?

Alles ging nach Wunsch. Als Hovard Toggon am Abend im Speisesaal des Astoria–Hotels plötzlich aufsprang, um den scheinbar zufällig am Nebentisch sitzenden Wimberton zu begrüßen, sah der Maharad­scha zwar etwas befremdet auf, schwieg jedoch und verhielt sich abwartend. Gleich darauf kehrte Tog­gon an den Tisch zurück, entschuldigte sich für sein formloses Verhalten und erklärte, dass ihn die Freu­de übermannt habe: Jener Herr am Nebentisch sei kein anderer als ein gewisser Tom Fricksay aus Bos­ton, der früher jahrelang sein vergötterter Lehrer gewesen sei.

Darauf bat der Maharadscha den fremden Herrn an seinen Tisch. Wahrhaftig, die Sache funktionierte bes­ser, als man gehofft hatte. Der Maharadscha erwies sich als ein liebenswürdiger Gesellschafter, der ange­regt zu plaudern verstand.

Er erzählte von seinem Land, dem Leben, das er dort führte, und den Reisen, die er alljährlich unter­nahm. Wimberton–Fricksay gab gleichfalls eine Pro­be seines schauspielerischen Könnens ab.

Kein Mensch hätte in seinem Äußeren oder in sei­nem Wesen den gewaltigen Chef von Scotland Yard vermuten können. Auch Hovard Toggon machte seine Sache gut, indem er von den schönen Tagen in Boston erzählte.

Der englische Sekretär des Maharadschas betei­ligte sich dagegen nicht am Gespräch, das sich bald dem Thema Schmuck und Brillanten zuwandte. Hier aber geriet der Maharadscha erst recht ins Fahrwas­ser. Er schwärmte von den Schätzen, die zu erwerben ihm auf einer diesmaligen Reise gelungen sei, und sprach auch von dem Schmuck, den er heute Nach­mittag bei Benton besichtigt hatte.

»Ein seltenes, wertvolles Stück, das Diadem«, meinte er, »und ich werde es wohl doch kaufen, ob­wohl mir der geforderte Preis etwas zu hoch dafür erscheint.«

Wimberton–Fricksay und Toggon tauschten einen kurzen Blick aus.

»Ach ja«, meinte der Erstere schließlich, und er sah nahezu wehmütig dabei aus. »Es ist etwas Herrliches um schönen Schmuck. Ich habe oft viele Stunden vor den prächtigen Auslagen großer Juweliergeschäfte gestanden und meinen Blick an all dem Glanz und Schimmer erfreut.«

Der Maharadscha von Sudipur wandte sich sofort an seinen Sekretär und forderte ihn auf, das kleine Ledernecessaire herbeizuholen, das oben im Schreibtisch verschlossen sei.

»Damit Sie das Vergnügen haben«, wandte er sich liebenswürdig an Wimberton–Fricksay, »einige mei­ner neuerworbenen Stücke zu betrachten.«

Aber er suchte vergebens in der Tasche nach dem Schreibtischschlüssel.

»Wie leichtsinnig man doch ist«, sagte er, »ich habe den Schlüssel wahrscheinlich ahnungslos auf der Schreibtischplatte liegen lassen.«

Der Sekretär erhob sich schweigend und entfernte sich. Als er wiederkam, erklärte er mit merkwürdiger Betonung: »Der Schlüssel … ist fort!«

Der Maharadscha fuhr zusammen.

»Fort?«, wiederholte er. »Dann liegt er vielleicht an anderer Stelle. Vielleicht habe ich ihn dem Sekretär übergeben.«

Aber der Sekretär schüttelte den Kopf.

»Ich habe überall gesucht – er ist spurlos ver­schwunden!«

Starres Schweigen legte sich beklemmend über den mit Blumen geschmückten Tisch. Der Maharadscha durchsuchte sämtliche Taschen. Der Erfolg blieb aus. Etwas beunruhigt erhob er sich. Dann schien ihm ein Gedanke zu kommen.

Er wechselte einen Blick mit seinem Sekretär und wandte sich an Wimberton–Fricksay und Hovard Toggon und murmelte: »Dürfte ich die Herren bitte, mich zu begleiten. Vielleicht – habe ich Zeugen nötig!«

Beide Herren erklärten sich sofort bereit. Sie nah­men den Fahrstuhl und fuhren zur ersten Etage hin­auf. Auf dem breiten, läuferbelegten Gang stießen sie auf den dem Appartement zugeteilten Oberkell­ner. Die Frage, ob irgendjemand die Zimmer wäh­rend seiner Abwesenheit betreten hätte, verneinte dieser nachdrücklich. So betraten die vier Herren das Appartement. Der Maharadscha zuerst, dann Ho­vard Toggon, hinter ihm Wimberton. Der Sekretär bildete den Schluss. Überall erhellte das strahlende Licht der Kronleuchter die Räume.

»Ließen Sie das Licht vorhin brennen?«, wandte sich Toggon an den Sekretär.

Der schüttelte den Kopf.

»Ich fand es bereits so vor.«

»Ich habe es brennen lassen«, warf der Ma­haradscha ein. Dann fügte er etwas mysteriös hinzu: »Es ist eine Angewohnheit von mir, abends in allen Zimmern das Licht so hell wie möglich brennen zu lassen – auch dann, wenn ich vorübergehend, wie beispielsweise heute, abwesend bin.«

Mittlerweile hatten sie das Arbeitszimmer erreicht, in dessen Mitte der breite Diplomatenschreibtisch stand. Ehe der Maharadscha ihn aber erreicht hatte, hielt er jäh im Schritt inne.

»Da!«, rief er und deutete seitwärts auf den Tep­pich, wo etwas silbrig glänzte. »Ich glaube, da haben wir ihn schon.«

Toggon bückte sich. Als er sich wieder aufrichtete, hielt er den Schlüssel in der Hand.

»Na also«, meinte der Inspektor, »dann wäre ja be­reits alles wieder in Ordnung!«

»Keineswegs«, sprach der hochgewachsene Inder. »Ich sagte doch wohl schon vorhin, dass ich den Schlüssel auf die Platte des Schreibtisches gelegt habe. Wäre er hinuntergefallen, müsste er dicht ne­ben ihm liegen. Das ist aber nicht der Fall. Ich schät­ze die Differenz vom Schreibtisch auf zwei Meter. Solche Sprünge pflegen Schlüssel nicht selbständig zu machen.«

Wieder wurde es merkwürdig still unter den vier Menschen. Der Inspektor rückte an der Brille, die er sich getreu seiner Lehrerrolle für diesen Abend auf die werte Nase geklemmt hatte, und Hovard Toggon verriet ebenfalls starke Unruhe.

Nur der Sekretär und sein mächtiger Herr bewahr­ten ein durchaus kaltes Wesen. Der Maharadscha nahm den Schlüssel aus Toggons Hand und schloss das Fach auf. Die anderen standen rechts und links neben ihm und folgten jeder seiner Bewegungen voller Spannung. Da stand das Necessaire.

Der Maharadscha griff zu, schlug den ledernen Deckel zurück. Das Täschchen was leer!

»Zum Teufel!«, entfuhr es Wimberton. Da er aber im gleichen Augenblick einsah, dass ein solcher Ausruf eines alten Lehrers keineswegs würdig war, verbesserte er sich und fügte hinzu: »Und … und dar­in befand sich … der … Schmuck?«

»Allerdings«, mischte sich plötzlich der weiße Sek­retär des Maharadschas ins Gespräch, »und zwar handelt es sich um Stücke, die zusammen etwa 22.000 Pfund Sterling wert sind.«

Unwillkürlich wandten Toggon und Wimberton– Fricksay ihre Blicke dem Sprecher zu. Die Verwun­derung, dass der bisher so schweigsame Sekretär unerwartet aus seiner Reserve heraustrat, war deut­lich auf ihren Gesichtern zu lesen. Dieser schien die Überraschung der beiden Herren jedoch gar nicht zu beachten.

Langsam trat er an den Schreibtisch heran und schob das Fach wieder zu. Dann wandte er sich mit einem eigentümlichen Lächeln an den Maharadscha und sagte ruhig: »Hatte ich nicht mit meiner Behauptung recht, Ho­heit, dass man heute einen Anschlag auf Ihren Schmuck ausführen würde?«

Der Maharadscha nickte stumm. Wimberton– Fricksay starrte bald auf ihn, bald auf den Sekretär, der da so merkwürdige Worte sprach, und wandte sich schließlich mit fragenden Blicken an Hovard Toggon. Aber der schien für einige Augenblicke überhaupt seine Fassung verloren zu haben.

Dem maskierte Inspektor gefiel die Geschichte nicht.

»Sie täten gut«, rief er dem Maharadscha zu, »so­fort die Polizei von dem Vorfall zu verständigen!«

Da stieß der Sekretär ein leises Lachen aus.

»Wie?«, entrüstete sich der Inspektor. »Sie lachen?«

»Allerdings«, äußerte der Sekretär, »denn die Polizei braucht nicht erst verständigt zu werden. Die Polizei ist bereits da. Bitte, walten Sie Ihres Amtes. Inspek­tor Wimberton!«

Fortsetzung folgt …