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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Welt-Detektiv Nr. 4 – 3. Kapitel

Der Welt-Detektiv Nr. 4
Der König der Brillanten-Marder
Verlagshaus für Volksliteratur und Kunst GmbH Berlin
3. Kapitel

Der Maharadscha von Sudipur

Acht Tage später traf in England ein seltener Gast ein, der die Aufmerksamkeit der Londoner in hohem Grade auf sich zog. Es war der Maharadscha von Sudipur, ein indischer Fürst, über dessen Reich­tum man sich wahre Wundermärchen erzählte.

Er befand sich nur in Begleitung seines weißen Sekretärs und war im vornehmen Astoria–Hotel ab­gestiegen, wo er ein ganzes Appartement belegt hat­te. Es dauerte gar nicht lange, und er war an allen Stätten, an denen sich die elegante Welt ein Stelldichein gab, eine vielgesehene Persönlichkeit. Nur, dass sich der Maharadscha nicht mehr bloß in der Gesellschaft seines Sekretärs befand, sondern stets noch einen dritten Herrn mit sich führte. Und dieser Dritte war der Detektiv Hovard Toggon. Wahrhaftig. Der Glückstern des jungen Detek­tivs war rapide im Aufleuchten begriffen. Ganz Lon­don wusste, was es zu bedeuten hatte, dass Toggon den Maharadscha auf Schritt und Tritt begleitete.

Die Zeitungen berichteten offen darüber. Ho­vard Toggon war von dem reichen Inder zu seinem persönlichen Schutz und zur Überwachung der Edel­steinsammlung bestellt worden! Die Sammlung selbst, die der Maharadscha in London, Paris und Amsterdam zusammengekauft hatte, befand sich nun im Depotfach einer Bank, aber dennoch reprä­sentierten die unerhört schönen Brillanten, die der indische Fürst tagtäglich zu tragen pflegte, immer noch Millionen in Pfund. Es war also verständlich, dass sich der Nabob vor Verlusten schützen wollte und so auf den Gedanken verfallen war, einen tüch­tigen Detektiv zu engagieren.

Mit seiner Anwesenheit in London verfolgte der perfekt englischsprechende Maharadscha nicht nur den Zweck, seine Kenntnisse von Land und Leuten zu vervollkommnen, sondern auch die Absicht, sel­tene Schmucksachen, für die er eine leidenschaftli­che Liebe zu haben schien, zu erwerben, um sie sei­ner Sammlung einzuverleiben.

Da Geld bei ihm keine Rolle spielte, bekam er auch zahlreiche Angebote von Brillantenhändlern und Juwelieren, aber bisher hatte er sich allen diesen Of­ferten gegenüber ablehnend verhalten.

Umso erfreuter war daher Mr. Harald Benton, einer der angesehensten Juweliere Londons, als der Maha­radscha eines Nachmittags in Begleitung seines Sekretärs und seines Beschützers Hovard Toggon in seinem Geschäft erschien und sich exquisite Schmuckstücke vorlegen ließ.

Keine Miene zuckte im Gesicht des dunkeläugigen, spitzbärtigen Fürsten, als er die kostbaren Stücke durch seine schlanken Hände gleiten ließ. All dieser Schmuck, dessen Besitz Hunderttausende von ande­ren Menschen glücklich gemacht hätte, schien auf ihn nicht den geringsten Eindruck zu machen. Lediglich für ein Diadem, dessen Verkaufspreis von dem Ju­welier mit 9000 Pfund beziffert wurde, schien ihm einiges Interesse abzugewinnen, doch schien er sich über den Ankauf nicht ganz schlüssig zu sein.

Mit dem Bemerken, am nächsten Tag Bescheid zu geben, verließ er nach halbstündigen Besuch mit seinen zwei Begleitern das Geschäft und fuhr zum Astoria–Hotel zurück.

Genau zwanzig Minuten später erschien Mr. Ha­rald Beton, der Juwelier, kreidebleich in Scotland Yard und verlangte, sofort zu Wimberton geführt zu werden. Der Inspektor blickte dem erregten Besu­cher verwundert entgegen.

»Sehe ich recht?«, rief er. »Mr. Benton? Darf ich fragen, was Sie zu mir führt?«

»Eine Angelegenheit, die mich aufs Tiefste erregt«, erwiderte der Juwelier schwer atmend. »Ich möchte Ihnen mitteilen, dass vor kaum zwanzig Minuten ein Diadem aus meinem Geschäft gestohlen wurde, das einen Wert von 9000 Pfund repräsentiert!«

»The devil!«, polterte der Inspektor los. Er war auf­gesprungen und starrte den Sprecher verblüfft an. Sollte der Brillantenmarder, der erst kürzlich das Geschäft der Firma Sune & Co. heimgesucht hatte, nun auch bei Benton erschienen sein?

»Schnell«, murmelte er, »sprechen Sie. Haben Sie irgendeinen bestimmten Verdacht?«

Der Juwelier tupfte mit einem Seidentuch die Schweißperlen von seiner Stirn.

»Ja«, stieß er hervor, »ich weiß, wer mir den Schmuck gestohlen hat. Es war … es war … der … Ma­haradscha von Sudipur!«

Die Spannung wich von Wimberton. Ja, er lächelte sogar, als er ungläubig wiederholte.

»Der Maharadscha? Der reiche Maharadscha von Sudipur, der zurzeit im Astoria–Hotel wohnt?«

»Derselbe!«

»Aber, Mr. Benton, ich bitte Sie! Wie können Sie einen derart – verzeihen Sie – einen derart lächerli­chen Verdacht aussprechen! Der Mann hat so viel Geld, dass er alle Diamanten der Welt kaufen könn­te, wenn es ihm beliebte!«

Aber Benton wehrte ab.

»Er war es und kein anderer!«, keuchte er. »Lange drehte er den Schmuck in seinen Händen. Ich fühlte, dass ihn das Diadem reizte. Er legte es zurück, griff nach anderen Gegenständen, um dann doch wieder seine Hand nach dem Kopfschmuck auszustrecken. Schließlich sagte er, er wolle sich den Kauf noch überlegen und entfernte sich. Zwei Minuten später entdeckte ich das Fehlen des Diadems! Zweifeln Sie nun noch immer an der Wahrheit meiner Behaup­tung?«

»Dann war es nicht der Maharadscha, sondern ein Schwindler, der in seiner Maske aufgetreten ist – ähnlich wie in dem Fall Sune!«, behauptete Wimber­ton. »Aber warten Sie. Das werden wir gleich ha­ben!«

Er rief das Astoria–Hotel an und verlangte den De­tektiv Hovard Toggon, der sich auch gleich darauf meldete.

»Eine Frage, Mr. Toggon«, sagte Wimberton. »Wissen Sie zufällig, wo sich der Maharadscha heute Nachmittag zwischen vier und fünf Uhr aufgehalten hat?«

»Allerdings. Wir haben gemeinsam den Juwelier Benton aufgesucht. Und weshalb fragen Sie?«

Der Inspektor machte ein langes Gesicht. Dann aber geriet er in Erregung.

»Mr. Toggon!«, rief er. »Kommen Sie sofort zu mir. Es ist etwas geschehen, das – Himmel, Tod und Teu­fel, ich weiß nicht, wie ich es in Worte kleiden soll – und auch noch telefonisch – nein, kommen Sie her und fragen Sie nicht erst lange. Begnügen Sie sich mit dem Bescheid, dass wir unter Umständen kurz vor der Lösung alles in letzter Zeit in London ge­schehenen Brillantdiebstähle stehen!«

Toggon erbat sich unter einem Vorwand Urlaub von dem Maharadscha, warf sich in eine Auto­droschke und war zehn Minuten später zur Stelle.

Als er aus des Juweliers Mund hörte, was gesche­hen war, schwieg er lange Zeit. Dann jedoch flamm­te es in seinen nachtschwarzen Augen auf.

»Sollte es möglich sein?«, stieß er hervor.

»Wahrhaftig«, konstatierte Wimberton, »ich habe lange Zeit gezweifelt, jetzt aber wäre es verbrecherischer Leichtsinn, sich diesen handgreiflichen Argumenten zu verschließen. Der Maharadscha zeigt großes Interesse für ein Diadem, das er dennoch nicht kauft, und das trotzdem zwei Minuten nach seinem Weg­gang verschwunden ist. Sollen vielleicht Geister die Geschichte inszeniert haben? Na also! Nur eine Möglichkeit gibt es noch, dass es nicht der Maharadscha selbst war, der den geschickten Diebstahl ausführte, sondern der Mensch, der als angeblicher Sek­retär fungiert!«

»Wodurch dennoch an der Tatsache, es mit zwei raffinierten Gaunern zu tun zu haben, die Hand in Hand arbeiten, nicht zu zweifeln wäre!«, meinte Benton erregt. »Ich verlange, dass die beiden noch in dieser Stunde verhaftet werden!«

Eine schwere Wolke umhüllte das Antlitz des In­spektors.

»No«, entschied er, »das wird nicht geschehen. Ei­ne Festnahme kann nicht früher erfolgen, als bis wir nicht endgültig des Beweis dafür erbracht haben. Bitte lassen Sie mich aussprechen, Mr. Benton: Zwei Dinge sind möglich. Erstens kann unsere Annahme, es in dem Inder und seinem englischen Sekretär mit waschechten europäischen Taschendieben zu tun haben, zutreffen. Vielleicht sogar noch mehr, indem die Halunken ganz und gar die gleichen sind wie die, die bei Sune den Diebstahl ausführten und dann ihren Komplizen ermordeten. Ebenso können wir uns aber auch mit dieser Annahme auch verrechnen. Was dann, wenn die beiden wirklich das sind, was sie scheinen, und nichts mit jenen Gaunern zu tun haben? Wenn weiter der Maharadscha ein Maharadscha ist und meinetwegen nur an einer krankhaften Neigung für kostbaren Schmuck leidet, also ein Kleptomane ist, der stiehlt, ohne es zu wis­sen? Er weiß das jetzt im Augenblick? Und was glauben Sie wohl, was mit mir geschieht, wenn ich voreilig, ohne all diese Fragen geklärt zu haben, zu einer Verhaftung schreite? Ich habe mit einem Schlag den englischen Botschafter auf dem Hals, der sich stante pede im Unterhaus beschwert. Und was dann? Dann kann ich hier mein Bündel schnüren und einen anderen Posten suchen. No, hochgeehrter Mr. Benton, heute werde ich noch nichts, noch gar nichts, unternehmen. Dass aber die Herren von dieser Stunde an keinen Augenblick mehr unbewacht sein werden, und dass noch heute Abend nach Indien gekabelt wird, darauf können Sie sich verlassen. Mr. Toggon ist seit Wochen hinter dem König der Bril­lantenmarder her, wie auch ich seit Langem nichts weiter als diesen verdammten Burschen im Schädel habe. Sie dürfen alle versichert sein, dass ihre Ange­legenheit in den allerbesten Händen ruht!«

Benton erhob sich seufzend. Es sah wohl ein, dass man einem mächtigen Maharadscha gegenüber rücksichtsvoller sein musste als einem x–beliebigen anderen Menschen. So legte er den beiden Herren nur noch einmal die Wiederherbeischaffung des kostbare Diadems ans Herz und empfahl sich. Lange schritt Hovard Toggon auf und nieder.

Dann aber schien ihm eine gute Idee zu kommen. »Vier Augen sehen mehr als zwei«, sagte er. »Was mir entgeht, sehen Sie vielleicht auf den ersten Blick. Kommen sie heute Abend ins Astoria–Hotel, wo ich Sie unter einem Vorwand mit dem Maharadscha bekannt machen werde. Vielleicht bringt uns das einen Schritt weiter.«

Fortsetzung folgt …