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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Welt-Detektiv Nr. 2 – 1. Kapitel

Der Welt-Detektiv Nr. 2
Die schwarze Schlange
Verlagshaus für Volksliteratur und Kunst GmbH Berlin
1. Kapitel

Ein aufregendes Abenteuer

Mit vorgeneigtem Oberkörper stand Sherlock Hol­mes, der berühmte Detektiv, auf der dunklen Straße und versuchte, die Finsternis mit seinen Blicken zu durchbohren.

»Es ist, als hätte der Erdboden die Halunken verschluckt«, murmelte er. »Aber weit können sie nicht sein. Ich gebe meinen Kopf dafür zum Pfand, dass Duck und Greanter in einem dieser neuerbauten Häuser verschwunden sind!«

Obwohl es noch nicht acht Uhr sein konnte, lastete die undurchdringliche Dunkelheit des nasskalten Januarabends über diesem entlegenen Vorortviertel Londons, dessen erst jüngst entstandene Straßen noch nicht gepflastert waren und so dem über die Felder heranheulenden, scharfen Nordost gestatteten, wahre Wolken von Staub aufzuwirbeln.

Es war ein furchtbares Wetter. Irgendwo zerklirrte unter der Wucht des die Häuser umtosenden Sturms eine Fensterscheibe, die gewiss nicht die erste und ebenso wenig die letzte war.

Sherlock Holmes Blick glitt misstrauisch über die Umrisse der acht Häuser, die sich matt von der blei­ernen Finsternis abhoben und die zum Unterschied von einigen sich in der Nähe befindlichen unvollen­deten Bauten, bereits bewohnt waren.

Dann zuckte er die Schultern und murmelte: »Wir hätten um eine Kleinigkeit schneller sein müssen. Immerhin ist es interessant, zu wissen, dass die Schlangenbrüder auch bereits in diesem neuen Viertel zu tun haben. Es wird uns nichts anderes übrig bleiben, als morgen noch einmal wiederzu­kommen, um uns die Bewohner der Häuser bei Ta­geslicht zu betrachten.«

»Und wenn wir uns geirrt hätten?«

»Wir haben uns nicht geirrt«, erwiderte Holmes leise. »Ich weiß längst, dass neben zahlreichen ande­ren Verbrecherorganisationen auch eine Geheimverbindung besteht, die sich Brüder von der Schwarzen Schlange nennt. Wie schwer es ist, hinter das Trei­ben dieser Burschen zu kommen, haben wir ja erlebt, und dass sie ihre Schlupfwinkel dauernd wechseln, dürfte uns wohl auch leidlich bewusst geworden sein, aber trotzdem werden wir ihnen das Handwerk legen.

Wir kennen zwei Gentlemen, die Duck und Greanter heißen, und wir wissen, dass diese sauberen Ha­lunken Mitglieder der Schlangenbande sind. Wer sonst noch dazu gehört, weiß der Kuckuck. Aber das macht nichts. Wir werden Duck und Greanter solan­ge beschatten, bis wir wissen, wo sich die eigentliche Zentrale der Organisation befindet. Wenn wir natür­lich weiterhin solche Schlafmützen sind«, schloss er mit grimmigem Humor, »wie heute Abend, wird dar­über noch ein Jährchen verstreichen!«

»Was mögen Duck und Greanter hier draußen zu suchen haben?«, murmelte Jonny und starrte zu den Häusern hinüber.

»Dafür gibt es nur zwei Erklärungen. Die eine: Be­such eines Gesinnungsgenossen, der sich hier in der Maske eines harmlosen Bürgers niedergelassen hat. Die andere: Ausspionieren bestimmter Dinge, für die die Brüder von der schwarzen Schlange Interes­se haben. Wo die Bande sich sehen lässt, riecht es gewöhnlich brenzlich, und ich wette …«

Jäh brach er ab, weil die dumpfe Detonation eines Schusses für blitzhafte Augenblicke das wilde Heu­len des Sturmes übertönte.

»Ein Schuss!«, keuchte Jonny Buston.

»Still!«, zischte Holmes und lauschte, den Kopf vorgestreckt und das flammende Augenpaar weit geöffnet. Als dem ersten Schuss in rascher Folge ein zweiter und dritter folgte, jagte er über die dunkle Straße, übersprang einen niedrigen Zaun und stand gleich darauf vor einem kleinen, einstöckigen Haus, dessen Tür eine Minute später weit aufgerissen wur­de.

Ein Mann erschien auf der Schwelle. Sherlock Hol­mes konnte seine Züge nicht erkennen, aber dennoch wusste er, dass es sich in der dunklen Gestalt, die lauernd nach rechts und links Ausschau hielt, nur um Duck oder Greanter handeln konnte.

Er spannte die Muskeln und warf seinen Körper gegen den des anderen. Ein Schrei, an dessen Klang Holmes nicht nur zu gut die Stimme Greanter er­kannte, zerriss die sekundenlang währende Windstil­le. Zu weiteren Äußerungen seiner Wut und Überra­schung kam der Bursche jedoch nicht, weil Holmes’ Faustschläge dorthin trafen, wo sie hintreffen sollten. Als Jonny herankeuchte, lag Greanter bereits wie ein Mehlsack, besinnungslos und mit dem Kopf nach unten über die drei Steinstufen hängend am Boden.

Der Schatten einer anderen Gestalt, die quer über das Feld davonjagte, verriet dem Detektiv, dass der Vorfall an der Tür von Duck mitangesehen worden war und ihn veranlasst hatte, das Haus nicht auf dem üblichen Weg, sondern durch ein Fenster zu verlas­sen. Daran war nun nichts zu ändern.

Als Jonny wutschnaubend dem Fliehenden nachjagen wollte, hielt Holmes ihn zurück.

»Lass ihn laufen, mein Junge. Es ist Duck.«

»Wieso können Sie das wissen?«

»Ist das so schwer zu erraten? Das hier ist das Haus, dem der Besuch Ducks und Greanters galt, nun wissen wir es. Greanter liegt hier, also kann der andere nur Duck sein. Und nun würde es mich gar nicht wundern, wenn wir in diesem Haus …«

Er unterbrach sich und lauschte, während Jonny den Bewusstlosen fesselte, in das Haus hinein.

»Glauben Sie, dass die Bande in diesem Haus ein neues Verbrechen begangen hat?«

»Schätze so«, nickte der berühmte Kriminalist tro­cken, »oder glaubst du, dass die Burschen auf Holz­puppen geschossen haben?«

»Richtig, die Schüsse!«

»Es waren deren drei, und jeder wurde aus einer anderen Waffe abgegeben. Für diese lieblichen Ge­räusche habe ich ein gutes Ohr.«

»Dann hätte also auch derjenige, den man hier im Haus überfiel, einen Schuss abgefeuert?«

»Wird wohl so sein«, brummte Sherlock Holmes.

Er warf noch einen kurzen Blick auf Greanter, als ob er sich über die Haltbarkeit der Stahlketten vergewissern wollte, und leuchtete dann mit der Taschenlampe die Tür ab. Außer dem Namensschild, das die Aufschrift Bate Autchin Arzt trug, wies sie nichts Besonderes nach.

Drinnen war der Lichtschalter bald gefunden. In der Diele standen nur wenige Korbmöbel. Das Fenster zur rechten Hand war weit geöffnet. Es war dasjenige, durch das Duck sein kostbares Fell in Sicher­heit gebracht hatte. Da es weiß gestrichen war, fielen Holmes sofort einige dunkle Punkte auf, die sich bei näherer Untersuchung als frische Blutflecke erwiesen und dafür Zeugnis ablegten, dass Duck bei der Schie­ßerei etwas abgekommen haben musste. Es musste sich um eine heftig blutende Wunde handeln, denn man konnte deutlich den Weg verfolgen, den Duck gewählt hatte. Er führte die Treppe hinauf, lief oben quer über den Flur und mündete in einem Zimmer, dessen Tür weit offen stand.

Fortsetzung folgt …