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Die beiden Jungfern

Elisabeth Möhring

Die beiden Jungfern

Als der liebe Gott noch alle Abende zum Mond sagte: »Herrgottsnachtwächter, hänge dein silbern Horn um, zieh deine leisen Filzschuhe an, steige behutsam über die hunderttausend Berge in die Welt und sieh nach dem Rechten«, da lebte bei den Menschen eine alte, weise Königin. Die war müde geworden vom Kronentragen, und die goldene Krone mit den dicken, bunten Edelsteinen tat ihrer Stirn weh. Darum sagte sie zu ihrem Sohn, dem jungen Könige »Meine Augen werden nun alt und können nicht mehr erkennen, ob die Mädchen meines Königreiches den Saum ihrer Röcke heil und sauber halten und ob das Linnen auf den Bleichen nicht das Fingermal böser Dienerinnen trägt. Vor mein Ohr hat das Alter und vielleicht schon der Tod ein Schloss gelegt, dass ich nicht hören kann, ob Nachtigallen in unseren Hecken schlagen oder törichte Mägde nachts leise Lieder singen. Und meine Lippen mögen nicht mehr singen und scherzen. Und Stare, Meisen und Schwalben wollen nicht mehr nisten an den Fenstern und den Sträuchern unseres Schlosses. Und hast du nicht geweint, weil die Rosen, Nelken und Hyazinthen ohne Duft und ohne Farbe in ihren Beeten stehen, und weil die bunten Kieselsteine nicht lustig klingen wollen und die Springbrunnen nicht mehr flüstern? Die Blumen, die Vögel, selbst die Kiesel und Wasser sind traurig, weil keine junge Königin mit ihnen lacht und Lieder singt, welche Vögel zum Nestbauen locken und den Nelken, Rosen und Hyazinthen die Freude ins Gesicht treibt. Also zieh aus, mein Sohn, und suche dir eine Königin, damit unser Schloss seine Trauer ablegt und der Wein an seinen Fenstern hochklettern mag, um zu sehen, wie ein junger König und eine junge Königin tun.«

Das war dem jungen Königssohn schon recht, denn er war jung und fröhlich und weilte nicht gern in dem ernsten Schloss und seinen blassen, stillen Gärten. Darum legte er den Purpurmantel um, setzte seine goldene Zackenkrone auf, nahm das Szepter zur Hand und wollte sich auf den Weg machen, eine Königin zu suchen.

Aber die weise, alte Königin sprach: »Nicht doch, mein Sohn, für einen, der in Gold und Samt und Seiden kommt, wird sich das Laster als Tugend kleiden, und die Faule wird ans offene Fenster ein Spinnrad rücken, an dem der Flachs kecker lacht als die Sonne. Die Fleißige und nie Müde aber sitzt tief in der Kammer und schaut nach niemand aus. Aber ihr Flachs hat erst Zeit zu lachen, wenn das Linnen fertig ist.«

Auch sonst gab die alte Königin ihrem Sohn noch allerlei Wahrzeichen, wie er die rechte erkennen könne.

Da zog sich der junge König seines Schreibers eng und dürftig Wämslein an, steckte sich einen Gänsekiel hinters Ohr, nannte sich »Magerklee, das arme Schreiberlein« und zog weiter von Ort zu Ort. Aber nirgends fand er ein Mädchen, das er seiner Mutter hätte heimbringen mögen, damit sie ihr die goldene Krone schenke.

Als ihm endlich die Sohlen an den Schuhen locker wurden und die Heller in seinem Beutel so rar waren wie Fettaugen auf einer Waisenkindsuppe, kam er an das Städtchen Hühnerloch.

Das lag weit hinten in seinem Königreich und hatte einen pfiffigen Torwart, aber einen dummen Bürgermeister. Der hieß Speckseit und trug an seinem Bauch schwerer als an Ämtern und Würden und den dazugehörigen Goldketten.

Er hatte auch eine Tochter. Die hieß Giselinde und war eine hübsche Dirne, aber eitel und faul, dass sie ihr Lebtag noch keinen Finger ans Spinnrad gelegt hatte, das von der faulen Jungfer in eine Ecke gestoßen worden war. Und der Flachs an der Spindel sah aus wie der wirre, graue Schopf einer bösen Hexe.

Die Sonne, die immer alle Hände voll zu tun hat, ärgerte sich recht an dem Mädchen, und so oft sie sah, dass die Jungfer zum Fenster hinaus Maulaffen feilhielt oder nach einem schönen und reichen Freiersmann aussah, hielt sie ihr einen Goldspiegel vor die kecken Augen.

Der sprach: »Jungfer, da ist ein böses Funkeln in deinen hübschen Augen, denn schlechte Gedanken sind wie Kröten, die ein Gift lassen, wo sie am liebsten saßen. Jungfer, da ist ein böser Fleck auf deinen Lippen, denn hässliche Worte sind wie Kröten, die ein Gift lassen, wo sie laufen. Jungfer, da ist ein schlimmes Mal auf deinen Händen, denn Trägheit ist die allergiftigste Kröte.«

Aber die Giselinde Speckseit machte der Sonne ein tückisches, bitterböses Gesicht und hörte lieber ihrem eigenen Spiegel zu.

Der sagte, so oft sie danach fragte, was denn so allerliebst an ihr sei: »Dirnchen, wie sind deine Eichkätzchenaugen wunderschön blank und keck, und dein Haar ist gelber und goldener als das Garn, das Mutter Sonne mittags um den Hühnerlocher Kirchturm spinnt. Und deine Haut ist fein wie der Taufschleier eines Nixenkindes, den die Mücken über dem Bach weben, wenn es Abend wird.«

Das glaubte das eitle Bürgermeisterkind und konnte sich nicht satt hören an solchen Reden.

Da war die Jungfer Rührdich, die am Grunde des Marktbrunnens wohnte und spann, ein anderes Mädchen. Die saß und spann, wenn die Sonne sich in der Frühe ihr gelbes Haar kämmte, dass das Wasser im Brunnen von dem Glanz aufwachte. Sie saß und spann, wenn der Mond des Abends in seinen weißen Filzschuhen über den Markt kam und sich am Brunnenrand ausruhte, und das Wasser im Brunnen unter seinen freundlichen Augen einschlief.

Morgens lachte die Sonne der Jungfer Rührdich zu und sang:

Jungfer mit den flinken Händen,
Guten Morgen, schöne Zeit!
Will dir einen König senden,
der die fleiß’ge Jungfer freit!

Denn sie hatte das Dirnchen lieb und streichelte ihm gern das gute Gesicht, das nie die Augen in Neugier wandern und nach einem Freiersmann Ausschau halten ließ.

Der Mond aber flüsterte abends in das Brunnenwasser hinein:

Streif ab, streif ab, das grisegraue Kleid,
der Königssohn, Jungfer, sucht dich.
Ist bald hier
An der Brunnentür.
Blühen Königskerzen
Dir im grauen Schoß,
Wiehert im roten Osten
Dein Hochzeitsross.

Aber die Brunnenmaid glaubte, so schöne Reden könnten nur der hübschen Giselinde Speckseit gelten, weil sie die Schönste, Reichste und Stolzeste weit und breit war.

Es fiel ihr nicht ein, die Spindel in einen Winkel zu stoßen, sondern sie saß und spann, wenn die Sonne in der allerersten Frühe ihr gelbes Haar kämmte, dass das Brunnenwasser vom Glanz aus seinem Schlaf fuhr. Und sie saß und spann, wenn der Mond auf seinen leisen, weißen Schuhen über den Markt kam, um sich am Brunnenrand auszuruhen, und das Wasser unter seinen freundlichen Augen einschlief.

Die Jungfer Rührdich war eigentlich ein Königskind. Aber eine strenge Fee war ihrem Vater, dem König, gram gewesen, weil er sein Lebtag nichts tat, als Feste feiern, lachen und goldenen lustigen Wein trinken. Weil er nicht hören mochte, dass es Herzeleid in seinem Land gab, ließ er den Armen und Traurigen Schellen an die Lumpen nähen, dass sein Reich klang und sang vor Freuden. Als ihm nun ein Töchterchen geboren wurde, kam die strenge Fee um Mitternacht, nahm das Kind aus dem seidenen Königsbett, badete es in einem bitteren Wasser und trug es auf den Grund des Brunnens. Als es dann groß geworden war, brachte ihm die Fee ein graues Kleid und eine Spindel und sprach zu ihm: »Aus den Tränen, die dein Vater nicht trocknen wollte, sollst du Tau spinnen jahraus, jahrein, bis Land und Wiesen wieder reiche Früchte tragen, denn der Übermut deines Vaters ließ das Land vertrocknen. Spinnen sollst du und das graue Kleid tragen bis eines Königs Träne in deinen Schoß fällt und Königskerzen aus ihr erblühen, und bis ein König dich an den Brunnenrand ruft und dich küsst, wie es geschieht, wenn ein König eine junge Königin findet.«

Also saß das arme, verwunschene Königskind in seinem grauen Kleid, spann und sah nicht auf von seiner schweren Arbeit. Das ein König es einst erlösen würde, hatte es fast vergessen.

Als nun der Schreiber Magerklee durch das Hühnerlocher Stadttor wollte, sah ihn der Torwart von oben bis unten an und fragte, was er denn in Hühnerloch suche. Es war ihm nämlich seltsam vorgekommen, dass ein Schreiberlein Königslocken trug, rot wie Kronengold und seidenweich wie von einer zärtlichen Fee unter des Himmels Hut gesponnen.

»Was ich bisher noch nirgends fand«, war Freund Magerklees Antwort. »Eine Jungfer, an der sich selbst die harten Kieselsteine freuen, und von der die Vögel lernen, wie ein Nest warm, und die Blumen, wie ein Gesicht lieblich wird.«

»Hm«, meinte der Torwart, »so was Rares hat noch kein Mensch in Hühnerloch gesucht. Aber am Markt wohnt eine bildhübsche Jungfer, die wartet schon lange auf einen besonderen Freiersmann, und wenn mich meine Wächteraugen nicht betrügen, liegt sie schon wieder im Fenster und sieht aus, ob der Rechte nicht bald kommt. Und wenn sich Eure Nase darauf versteht, wie das beste Fett riecht, werdet ihr bald wissen, wo die feine Jungfer wohnt.«

»Schönen Dank für die genaue Auskunft«, sagte der Schreiber und zog durchs Tor.

Da nun ein Königssohn wohl weiß, wie Fett riecht, das in der Pfanne lecker duftenden Schaum wirft, hatte er es bald heraus, wo die hübsche Jungfer zu finden sei und stand alsbald vor des Bürgermeisters Haus.

Richtig – Speckseits Giselinde lag im Fenster und wollte sich jedes Mal totlachen, wenn ein Armer vorüberzog, dem der Magen anfing vor Neid zu knurren, dass es aus des Bürgermeisters Küche noch nach fettem Essen roch, wenn in ganz Hühnerloch auch nicht ein Schornstein mehr von der Abendsuppe dampfte. Denn zum Abend tat es der Bürgermeister Speckseit nicht unter einem goldbraun und knusprig gebratenen Spanferkel, das mit handfesten Klößen aufgarniert werden musste und mit Pflaumen, die sich im heißen Fett aufbliesen, als hielten sie es für eine besondere Ehre, in einen Bürgermeisterbauch wandern zu dürfen.

Der Königssohn sah das hübsche Mädchen und dachte: Die könnte es sein. Farben hat sie im runden Gesicht, dass unsere Rosen, Nelken und Hyazinthen nicht blass dabei bleiben werden; und lachen kann sie, dass ganz Hühnerloch davon klingt. Also rief er zum Fenster hinauf: »He, Jungfer Speckseit, wollt Ihr nicht eine Madam Magerklee werden? Geld habe ich keins, aber einen Kopf voller Anschläge und diesen Gänsekiel, der nicht von gewöhnlichem Herkommen ist. Und wenn uns der Herr Bürgermeister, Euer Vater, morgens, mittags und abends ein Kälbchen oder Ferkel oder sonst ein sauberes Tier braten lässt und an Pflaumen und Klößen nicht spart, könnt Ihr Eure Freude am Schreiber Magerklee erleben und bald ein Fassband kaufen, damit ihm der Leib nicht in den Nähten platzt.«

Er hätte gern noch allerlei Mutwillen und Scherz der schönen Jungfer ins Fenster geworfen, um zu erfahren, ob ihr Herz Raum für einen netten Spaß habe, aber es fuhr solch ein Hagelschauer von Schimpfreden auf seine seidenweichen Königslocken, dass ihm Hören und Sehen verging und er sich schüttelte wie ein Pudel, dem der Pelz gerieben wird. Dass auf den kirschenroten Lippen eines vornehmen Mädchens solche Bosheit wachsen kann, hatte er nie vorher erfahren, und sein Lebtag war er noch mit keinem ähnlichen Tusch begrüßt worden. Es wäre ihm auch noch das rote Samtpantöffelchen der giftigen Jungfer an den Kopf geflogen, und die hochmütigen Stelzhacken hätten ihm einen Denkzettel ins Gesicht geschrieben, hätte er das niederträchtige, kleine Ding nicht mit geschickten Händen gefangen und der Jungfer Speckseit zurück durchs Fenster geworfen. Dazu rief er noch der schönen Dirne zu, sie möge sich hüten, ranzig zu werden, wie Öl wird, das an einem zu warmen Ort steht. Seine Mutter hätte recht gehabt, als sie ihn vor den Mädchen warnte, die sich in der Sonne breit machen und den Fleißigen das Licht nehmen, und auch vor solchen, die hoch hinaus wollten und Stelzhacken an den Pantoffeln tragen.

Es war ihm aber doch das Herz voll Verdruss über das boshafte Mundwerk der Giselinde. Der Sinn war ihm traurig vom nutzlosen Suchen, und dass er nun seiner alten Mutter keine junge Königin heimbringen sollte, die ihr die schwere Krone mit den bunten Edelsteinen von der müden Stirn nähme.

Darum setzte er sich bekümmert an den Rand des Marktbrunnens und wollte dort rasten, bis der erste Hahn krähen und der Torwart das Stadttor wieder öffnen würde.

Weil er aber gar so traurig war, rann ihm eine helle Träne über das Gesicht und fiel in den Brunnen.

Die fiel und fiel und sank tiefer und tiefer, bis sie in der Jungfer Rührdich Schoß liegen blieb. Alsbald blühte auf dem grauen Kleid des Mädchens eine prächtige Königskerze auf, die duftete so stark, dass ganz Hühnerloch erfüllt war von dem schönen Geruch, und der Torwächter das Niesen bekam und sagte: »Wir werden etwas erleben in Hühnerloch.« Denn oftmals hat ein Torwächter eine feinere Nase als ein Bürgermeister.

Damit hatte er recht, denn der Bürgermeister Speckseit und seine Giselinde lagen tief in ihren dicken Federbetten, schnarchten und merkten nichts. Und auf Blumenduft gaben sie überhaupt nichts, weil davon kein Braten braun wird.

Der Königssohn aber schlief ein von dem Duft der stolzen Blume und schlief und schlief, während der Mond über den Brunnenrand ins Wasser flüsterte:

Grisegraue Brunnenmaid,
Wo ist dein Hochzeitskleid?
Hol es aus der Truhen!
Darfst nun ruhen.
Darfst nichts Trauriges mehr sinnen
Und den Tau aus Tränen spinnen!
Grisegraue Brunnenmaid
Wo ist dein Hochzeitskleid?

Die Jungfer Rührdich aber saß und spann, und ihr stilles Gesicht wurde schön, als es sah, wie hunderttausend Königskerzen aus dem kalten Brunnengrund wuchsen und wie vornehme Frauen taten, die gelbgoldene Brokatkleider tragen. Die Königskerzen aber schüttelten ihre Prinzessinnenhäupter, dass goldene Tropfen dem verwunschenen Königskind in den Haaren hängen blieben, an seinen fleißigen Fingern und an der Spindel, die ihr Rad hundertmal schneller schwang als sonst und dazu sang:

Es saß eine Jungfer im Brunnengrund
Bei Nixen und Neck,
Musste spinnen und spinnen –
Durft nichts Frohes sinnen –
Bis ein König kam
Und zur Frau sie nahm.

Selbst die stolzen Königskerzen hatten ein Lied. Das sang von der Träne eines Königs, die einen bösen Zauber lösen kann, wenn sie auf den rechten Grund fällt.

Der Mond aber war der Lustigste. Der sang sein Lied am hellsten, und weil er es sich erlauben darf, warf er seine weißen Filzschuhe in die Luft, dass sie dem Abendstern beinahe an die Nase flogen.

Einer von den Schuhen des alten Mondes aber traf die Schulter des schlafenden Königssohnes, dass er davon munter wurde. Als er sich nun den Schlaf aus den Augen waschen wollte und seine Finger in das Brunnenwasser tauchte, konnte er bis auf den tiefen Grund sehen und erblickte die Jungfer mit den goldenen Tropfen im Haar und an den Fingern und im Flachs der singenden Spindel.

Da wusste er sich nicht zu lassen vor Entzücken und fragte: »Goldene Jungfer im Brunnengrund, was spinnst du?«

Antwortete das Mädchen und ließ die Spindel schnurren: »Tau aus Tränen jahraus, jahrein. Nie riss mein Faden!«

Fragte der Königssohn weiter: »Goldene Jungfer im Brunnengrund, was blüht dir im Kleide?«

Antwortet das Mädchen:

Es fiel eine Träne in meinen Schoß,
Daraus blühte Gold.
Küsst mich ein Königssohn,
Wär’ ich ihm hold,
Ließ’ Flachs und Spindel sein,
Wär’ seine Königin fein!

Da fingen der Mond, das Spinnrad und die Königskerzen an zu singen:

Grisegraue Brunnenmaid,
Wo ist dein Hochzeitskleid?
Hol es aus der Truhen,
Darfst nun ruhen.
Darfst nichts Trauriges mehr sinnen
Und den Tau aus Tränen spinnen!
Grisegraue Brunnenmaid,
Wo ist dein Hochzeitskleid?

Das sangen sie so laut, dass der Torwart das Ohrensausen bekam und sprach: »Hühnerloch wird etwas erleben.« Denn oftmals hat ein Torwart bessere Ohren als ein Bürgermeister.

Damit hatte er auch diesmal recht. Denn der Bürgermeister und seine Tochter Giselinde lagen tief in ihren Federbetten und hörten nichts. Und außerdem gaben sie auch nichts auf Gesang, weil davon noch nie ein Braten braun geworden ist. Der Königssohn aber rief in den Brunnen hinein:

»Goldene Jungfer im Brunnengrund,
Möchte küssen deinen Mund!
Lass Flachs und Spindel sein,
Sei meine Königin fein.
Wird im Osten der Morgen grau,
Bist du eines Königs Frau.«

Da geschah es, dass Neck und Nix aus ihrem grünen Brunnenschilf hervorkamen und lachten, dass ihre Froschaugen wie Hochzeitslampen funkelten. Und die verwunschene Königstochter wusste nicht, wie ihr geschah, als eine schöne Fee ihr das graue Kleid löste und ihr ein Gewand überwarf, dass aus den allerzartesten Sommerwolken gewebt war, und dazu sprach: »Geh hinauf, Königskind. Aus den Tränen, die dein Vater nicht trocknen wollte, hat dein Fleiß Tau gesponnen, und Feld und Wiesen blühen wieder. Wird im Osten der Morgen grau, bist du eines Königs Frau.«

Und so geschah es.

Die liebliche Brunnenmaid stellte die Spindel beiseite und stieg in ihrem sommerwolkenartigen Hochzeitskleid hinauf an den Brunnenrand. Der junge König umarmte sie. Sie küssten sich, bis die Sonne mit ihren lieben Händen morgens das Himmelstor aufschloss und zwei milchweiße Hochzeitsrosse daher gesprengt kamen, um den König und die Königin in ihr Reich zu tragen.

Die Jungfer Speckseit hatte zwar nicht den Duft der Königskerzen gespürt und auch nicht gehört, was Mond und Spindel sangen und die Blumen, die aus der Träne eines Königs um Mitternacht erblühen, aber ihr Schlaf war nicht gut gewesen, weil sich der Ärger über das Schreiberlein nicht vertragen hatte mit dem Spanferkel, den handfesten Klößen und den aufgeblasenen Pflaumen, welche die Jungfer zum Nachtmahl verzehrt hatte.

Darum erwachte sie schon in aller Frühe von dem lustigen Wiehern der milchweißen Hochzeitsrosse und legte sich zum Fenster hinaus, weil sie dachte, es käme endlich der feine Freiersmann, auf den sie schon so lange wartete.

Als sie nun aber sah, dass die armselige Brunnenjungfer mit einem König zur Hochzeit fuhr, und das der König niemand anderes war als der Schreiber Magerklee, erboste sie sich so, dass die Tür ihres Herzens ein für alle Mal zuflog und ein handfester Kloß sich davor wälzte, dass die Tür nie wieder aufgehen konnte. Da musste die Jungfer Speckseit elendig sterben an einem großen Kloß und einem gallengrünen Ärger.

Der König und seine Königin aber jagten auf ihren weißen Rossen in ihr Land, und wo die Stimme der Königin erklang, probten die Vögel einen neuen Singsang und suchten sich Wolle zu einem warmen Nest. Wenn aber Rosen, Nelken oder Hyazinthen das liebliche Königinnengesicht sahen, erglühten sie vor Freude und Entzücken.

Da merkte der Königssohn, dass er die Rechte gewonnen habe, und führte sie zu seiner Mutter, der alten Königin. Die nahm die schwere Krone mit den dicken roten, blauen und grünen Edelsteinen von ihrem müden Haupt und setzte sie der Frau ihres Sohnes auf die weiße, junge Stirn. Und der Wein an den Mauern des Schlosses trieb Ranken um Ranken, damit er sehen könne, wie ein junger König und eine junge Königin glücklich sind.

Das war damals, als der liebe Gott noch Abend für Abend zum Mond sagte: »Herrgottsnachtwächter, häng dein silbern Horn über, zieh die leisen, weißen Filzschuhe an, klettere behutsam über die hunderttausend Berge in die Welt und sieh nach dem Rechten bei den Menschen.«

Ja – damals war es.

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