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Vom einfältigen Büblein

Else Gernet

Vom einfältigen Büblein

Ein reicher Bauer hatte drei Söhne. Zwei davon waren so klug, dass sie das Gras wachsen hörten, aber von Gestalt unansehnlich und schmächtig.

Der Jüngste aber war stämmig und stark wie ein junger Baum, aber so viel lernen tat er nicht. Wenn die beiden anderen über ihren Büchern saßen, dann kletterte er auf Bäume und über Zäune und jagte mit den wilden Fohlen um die Wette, draußen auf der Weide.

Als die drei Buben groß geworden waren, da wurde der Älteste ein Magister und der Zweite ein Doktor. Und der Magister war so klug, dass kein Mensch verstehen konnte, was er sagte, und der Doktor war so gescheit, dass die Kranken sich fürchteten und gesund wurden, wenn sie ihn nur kommen sahen.

Der Dritte aber, der Jüngste, blieb ein Bauer. Er konnte arbeiten wie ein Pferd und hielt Haus und Hof instand, und was er anfasste, das hatte Art. Weil er aber nicht viel aus Büchern gelernt hatte, erschien er neben seinen Brüdern, die gar so unmenschlich klug waren, dumm und unwissend, und man nannte ihn nur das einfältige Büblein.

Nun war des Königs einzige, wunderschöne Tochter erkrankt. Sie hatte beständig Sehnsucht und wusste aber nicht, wonach. Sie sprach zu ihrem Vater: »Ach, wenn ich nur einen einzigen Tag ohne Sehnsucht wäre!«

Der König ließ viele Ärzte kommen, aber ihre Kunst war vergebens. Da ließ er bekannt machen, wer es fertig brächte, dass die Prinzessin auch nur drei Tage lang ihre Sehnsucht vergäße, der solle sie zur Frau bekommen und das halbe Königreich als Mitgift obendrein. Da kamen Fürsten und Grafen, Ritter und Edelleute, Bürger und Bauern aus aller Herren Länder. Die brachten Perlen und köstliches Edelgestein, alle Schätze, die man sich nur denken kann, aber die Prinzessin konnte doch über all den Herrlichkeiten ihre Sehnsucht nicht einen einzigen Tag vergessen.

Der König von Aragonien legte ihr wunderherrliche Seidenstoffe zu Füßen. Sie aber sprach: »Ach, was tu ich mit den Lappen.«

Der Prinz von Holland neigte sich vor ihr und sprach: »Schönste Prinzessin, habt Ihr vielleicht Sehnsucht nach Blumen? Die herrlichsten Tulpen und Hyazinthen auf dem Erdenrund leg ich Euch zu Füßen.«

»Es sind genug Blumen in des Königs Gärten«, erwiderte die Prinzessin, »behaltet Eure Tulpen und Hyazinthen.«

Da sprach der Prinz betrübt: »Ach, habt Ihr denn vielleicht Sehnsucht nach holländischem Käse?«

»Behüte«, rief die Prinzessin, »nehmt Euren Käse nur wieder mit.«

Unzählige Ritter und Herren waren schon vergebens gekommen, da meldete sich eines Tages der Magister. Waren die Ritter und Herren mit großem Gefolge, mit Rossen und Wagen gekommen, so wollte der Magister auch nicht wie ein Bettler daherziehen. Da ließ er denn sieben Wagen voll Bücher hinter sich herfahren, das waren alle Bücher, die er je gelesen hatte.

Als er vor die Prinzessin geführt wurde, sprach er, indem er sich dreimal tief verneigte: »Alleredelste und erhabenste Prinzessin, so Ihr geruhen wollt, Euch meiner Weisung zu fügen, so wollt ich Euch bald geheilt haben.«

»Ach, ihr scheint mir der Rechte«, sprach die Königstochter und lachte, »doch lasst hören.«

Da neigte sich der Magister abermals dreimal, so tief er konnte, und fuhr fort: »In den Büchern, die ich mitgebracht habe, steht alle Weisheit der Welt von Anbeginn bis heute. Wer diese Weisheit auswendig gelernt hat wie ich, der empfindet keine Sehnsucht mehr, er empfindet überhaupt nichts mehr, und das ist das Schönste, was es auf der Welt gibt. Wenn die Prinzessin mir gestattet, sie zu unterrichten, so wird sie geheilt.«

Die Prinzessin antwortete: »Ei, ei, mein Herr Magister, Ihr sagt da seltsame Dinge, doch es soll geschehen, wie Ihr begehrt, Ihr sollt mich unterrichten.«

Sie rief ihre Hofdamen, die bildeten einen Kreis um ihren Thron, dann winkte sie den Dienern, die brachten ein goldenes Tischlein und einen goldenen Sessel für den Magister. Das Tischlein setzten sie vor die Prinzessin hin, den Stuhl so, dass der Magister ihr gegenüber saß. Dann schleppten sie die Bücher herbei, und der Magister begann daraus vorzulesen.

Anfangs wollte die Prinzessin sich halb totlachen, denn der Magister kam ihr so sonderbar vor, als er aber weiter las, da sagte die Prinzessin: »Hu, das ist aber gräulich ernstes Zeug, was Ihr da lest.«

»Seht«, sagte sie zu ihren Hofdamen und streckte ihre weiße Hand aus, »ich habe schon eine Gänsehaut bekommen.«

Als aber der Magister ein Kapitel vorlas, indem gesagt war, das die Sehnsucht überhaupt nur Einbildung sei, dass es gar nichts auf der ganzen Welt gäbe, was wert sei, sich danach zu sehnen, da wurde die Prinzessin böse, stand auf und sagte: »Dieser alberne Mensch hier behauptet, dass meine Krankheit nur Einbildung sei. Er hat mich beleidigt, werft ihn ins Gefängnis.«

Ehe noch der bestürzte Magister wusste, wie ihm geschah, saß er schon im Gefängnis, und alle seine Bücher wurden zu ihm geschleppt.

Da saß er nun und konnte darüber nachdenken, dass es noch weit schwerer sei, eine Prinzessin zu unterrichten, als gewöhnliche Menschen.

Der Doktor hatte inzwischen von dem Unglück gehört, das seinem Bruder widerfahren war, aber er dachte: »So klug wie du ist der eben doch nicht.« Er beschloss, auch sein Heil bei der Prinzessin zu versuchen. In seinen faltigen Mantel gehüllt, den Doktorhut auf dem Haupt, zog er ins Schloss. Er trug nichts bei sich als eine große goldene Kapsel.

Als er vor die Prinzessin geführt wurde, sprach er: »Ich allein weiß, wo es bei Euch fehlt, erlauchte Prinzessin.« Hier verneigte er sich tief. »Der Sitz Eurer Sehnsucht ist das Herz.«

»Ja, das könnte wohl sein«, meinte der alte König, der dabeistand, und nickte mit dem Kopf.

»Und deshalb kann ich allein Euch helfen«, fuhr der Doktor fort, »seht her.« Dabei öffnete er die goldene Kapsel, die er bei sich trug, und nahm ein Herz, ganz aus rötlichem Marmor mit blauem Geäst, wie ein richtiges Herz gefertigt, heraus.

Dieses Herz hier könne keine Sehnsucht empfinden, sagte er, deshalb wolle er das Herz der Prinzessin herausnehmen und ihr dies Herz, das er selbst gefertigt hat, dafür einsetzen.

Da wurde die Prinzessin gar zornig, sprang auf und rief: »Auf, werft ihn in den tiefsten Kerker, den Narren, der es wagt, mein königliches Herz gegen ein Steinherz tauschen zu wollen.«

Und ehe der kluge Doktor es sich versah, saß er im tiefsten Kerker bei Wasser und Brot und dachte darüber nach, dass es doch ein gar schwierig Ding sei, das Herz einer Königstochter zu heilen.

Die Prinzessin war schon ganz verzagt geworden, denn mit ihrer Krankheit wurde es alle Tage schlimmer, und kein Retter nahte.

Eines schönen Morgen aber, als die Königstochter eben ihr Haar ordnete, das wie ein schimmernder, goldfarbener Mantel um ihre Schultern hing, da klang vom Schlosshof her eine muntere Weise zu den Fenstern der Prinzessin herauf: »Trara, trara.« Hufschlag tönte dazwischen.

»Geh und sieh, wer das ist«, rief die Prinzessin ihrer Kammerfrau zu, aber sie wartete gar nicht erst ab, bis ihrem Befehl gehorcht war, sondern eilte selbst ans Fenster und schob den Vorhang ein wenig beiseite.

Da sah sie, wie auf glänzendem Rappen ein wunderschöner Jüngling in den Schlosshof sprengte. Er war nicht gekleidet wie ein Ritter, er trug ein Lederwams, und auf seinen goldgelben Locken saß keck die Mütze. Er war es, der die lustige Weise blies.

Als er die Königstochter am Fenster erblickte, schwenkte er grüßend die Mütze und lachte sie an, wie der junge Morgen selbst.

»Das ist ein kecker Bursch«, sprach die Prinzessin, aber sie war nicht böse, »geht und fragt nach seinem Begehr.«

»Der Bursche will nur der Prinzessin selbst sagen, was sein Begehr sei«, sagte die Kammerfrau.

»Er soll warten«, sprach die Prinzessin.

Die Kammerfrau ging, kam zurück und erzählte: »Der Bursche sagt, er sei ein Freigeborener, er wolle nicht draußen warten wie ein Knecht.«

»Ist der aber keck«, sagte die Prinzessin. »So führt ihn in das Vorgemach.«

Nicht lange und die Prinzessin schritt in den Thronsaal, setzte sich auf ihren goldenen Thron, winkte ihren Hofdamen, und der fremde Jüngling wurde hereingeführt.

Die Prinzessin sah ihn an, und es war ihr, als schiene die Sonne heute heller als sonst, so fröhlich wurde ihr, als sie in seine lachenden blauen Augen sah.

Da stand vor ihr, den sie das einfältige Büblein nannten, neigte sich tief und sagte: »Holdseliges Königstöchterlein, Ihr habt Sehnsucht und wisst nicht wonach. Wollt Ihr drei Tage lang tun, was ich Euch heiße, so gebs ich Euch meinen Kopf zum Pfand, dass Ihr Eure Sehnsucht die drei Tage lang nicht spüren sollt.«

Die Prinzessin sprach: »Dass Ihr nicht zu viel versprecht, ich möchte Euch beim Wort nehmen. Doch sagt, was soll ich tun?«

»Ihr sollt mir heute helfen, auf meinem Acker Kartoffeln ausmachen«, sprach das einfältige Büblein.

Da winkte die Prinzessin ihren Hofdamen und beriet sich mit ihnen, aber keine konnte ihr sagen, wie es sei mit dem Kartoffelhacken, es war nie eine dabei gewesen.

»Gut, so will ich mit Euch gehen«, erwiderte die Prinzessin, »die beiden jüngsten Hofdamen sollen mich begleiten.«

»Die kann ich nicht brauchen, die lasst zu Hause«, sprach das einfältige Büblein.

Das ginge aber nicht an, meinte die Hofmeisterin.

»Ja«, meinte das Büblein, »so müsste es aber sein, wenn die Heilung gelingen sollte.«

Die Prinzessin aber sagte: »Ich will mit Euch auf den Acker gehen.«

»Aber mit den feinen Kleidern, mit denen Ihr angetan seid, geht das nicht«, meinte der kühne Bursch, zog aus seiner Jagdtasche einen leinenen Bauernkittel und gab ihn der Prinzessin.

Die warf ihn über, besah sich im Spiegel und wollte sich totlachen.

Dann wurde ihr Pferd gebracht, und sie ritt mit dem Bauernsohn zum Acker.

Dort banden sie die Pferde an einen Weidenbaum, und dann ging es an die Arbeit.

Der junge Bauer zeigte der Prinzessin, wie sie die Hacke halten müsse. Anfangs wollte es gar nicht gehen, aber lustig war es doch, und die Prinzessin besah von allen Seiten ihre feinen Hände, die kohlschwarz waren von der Erde, und lachte.

Als der Bursche schon den halben Acker geleert hatte, lag erst ein Dutzend Kartoffeln neben der Prinzessin. Da lachte auch er und sagte: »Nur immer rüstig zu.«

Der armen Prinzessin stand der Schweiß auf der Stirn, aber weil sie nicht wollte, dass der Bauernsohn sie verlache, arbeitete sie weiter.

Als es Mittag war, sprach ihr Gefährte: »Nun lasst uns essen!« Er goss aus einem mitgebrachten Krug saure Milch in eine Schüssel ein und reichte sie ihr und ein derbes Stück Schwarzbrot dazu.

Der Prinzessin aber mundete die Mahlzeit so herrlich, wie noch keine im Königschloss. Als sie gegessen hatte und satt war, meinte sie, sie müsse noch ein wenig ruhen.

Da kam sie aber schön an. Nein, meinte der Bauer, zum Ruhen sei erst Zeit, wenn die Sonne untergegangen wäre, jetzt müsse sie noch fleißig arbeiten, denn der Acker müsse bestellt sein bis zum Abend und sie habe noch wenig genug getan.

Das sah die Prinzessin auch ein und arbeitete weiter, und nun ging es schon besser. Als der Abend kam, da hatte sie ein gutes Stück fertig gebracht, und die Arbeit war beendet.

Die zarte Königstochter aber war müde zum Sterben, als sie nach Hause ritten; doch Sehnsucht hatte sie den ganzen Tag nicht gespürt.

Am nächsten Morgen, als das »Trara, trara« wieder im Schlosshof ertönte, da war die Prinzessin wieder munter und fühlte sich so wohl, wie lange nicht.

Das einfältige Büblein wartete aber heute gar nicht, sondern stand schon im Vorsaal, als die Kammerfrau ging, nach ihm zu sehen.

Nicht lange und die Prinzessin kam, setzte sich auf ihren Thron, winkte den Hofdamen und sprach zu dem Jüngling, der eingetreten war: »Was ist es, das ich heute tun soll? Sagt an, doch auf dem Acker arbeite ich heute nicht wieder.«

»Das sollt Ihr auch nicht«, meinte das kecke Büblein, »Ihr sollt heute mit mir die Schweine hüten draußen auf dem Feld.«

»Die Schweine hüten?«, sprach die Prinzessin. »Geht das wohl an?« Sie winkte ihren Hofdamen und beriet sich mit ihnen, aber noch keine von ihnen war je dabei gewesen beim Schweinehüten, und sie konnten ihr nicht raten.

Der Hofmarschall aber, der dabeistand, meinte, das ginge durchaus nicht, es sei denn, dass er, der Hofmarschall, mit dabei wäre.

»Nein«, sprach das einfältige Büblein, »das geht nicht an, den kann ich nicht brauchen, will die Prinzessin nicht mit mir fürlieb nehmen, so kann ich ihr nicht helfen.«

Da wurde die Prinzessin ganz nachdenklich, dann aber sprach sie: »So will ich denn heute mit Euch die Schweine hüten.«

»Schön«, sprach das einfältige Büblein, »aber Eure feinen Kleider lasst daheim.«

Da zog die Prinzessin den leinenen Kittel wieder an, bestieg ihr Pferd und ritt mit dem einfältigen Büblein hinaus aufs Feld zu den Schweinen.

Anfangs fand die Prinzessin das Schweinehüten sehr lustig, lachend lief sie den flinken Tieren nach und trieb sie zurück, wenn sie sich in des Nachbarn Felder wagten.

Die frische Morgenluft, der Duft der Wiese und die muntere Gesellschaft ihres Gefährten gefielen ihr gar wohl.

Als aber die Sonne höher und höher stieg, da wurde die arme Prinzessin müde und war froh, als sie sich endlich neben den Gefährten auf das weiche Gras setzen durfte. Mit wahrem Heißhunger aß sie den Käse und das trockene Schwarzbrot, das er ihr reichte.

Als sie dann aber meinte, nun müsse sie ein wenig ruhen, da kam sie schön an.

»Nein«, sprach das einfältige Büblein, »Ihr müsst mir treulich helfen, allein kann ich die Schar nicht hüten, und laufen sie in des Nachbarn Feld, so muss ich den Schaden tragen.«

Da musste denn die Prinzessin wieder den grunzenden Schweinen nacheilen und sie zurückjagen, wenn sie sich in des Nachbarn Feld wagten.

Am Abend war sie todmüde und konnte sich kaum im Sattel halten, als sie heimritten, aber Sehnsucht hatte sie auch am zweiten Tag nicht gespürt.

Der nächste Tag war ein Feiertag. Wieder erklang in der Frühe das lustige »Trara, trara« vor den Fenstern der Königstochter. Sie war schon bereit, angetan mit einem Jagdkleid aus grünen Samt, und ging dem einfältigen Büblein entgegen.

Das neigte sich vor ihr und sah heute gar schmuck aus in dem Seidenwams, und als sie in seine lachenden Augen sah, wurde ihr ganz froh ums Herz.

»Den abscheulichen Kittel ziehe ich heute aber nicht an«, sprach sie trotzig.

»Das sollt Ihr auch nicht«, sprach der Jüngling.

»Was muss ich denn heute tun?«, fragte die Prinzessin.

»Heute sollt Ihr mit mir durch Wiesen und Wälder streifen und zu Mittag mein Gast sein auf meines Vaters Hof«, sprach das einfältige Büblein.

Das gefiel der Prinzessin wohl, und so ritten sie zusammen hinaus in den lachenden Sommermorgen.

Aber kaum hatten sie das Schloss im Rücken, da fing das einfältige Büblein an zu reiten, so schnell, dass ihr der Atem fast verging. Hussa, hopp, ging es über Gräben und Hecken, und die Königstochter, die sich von dem Bauernsohn nicht beschämen lassen wollte, flog an seiner Seite dahin wie der Sturmwind.

Endlich, es war schon fast Mittag, zügelte das einfältige Büblein sein Ross, fasste die Zügel der Prinzessin, lachte sie an mit den blitzenden blauen Augen und sprach: »Das war ein guter Ritt, da wird Euch das Mahl munden an meiner Mutter Tisch.«

Mit fröhlichem »Trara, trara« zogen sie ein in dem stattlichen Bauernhof. Das einfältige Büblein half der Königstochter vom Pferd und führte sie an der Hand in das Wohngemach.

Dort kam ihnen die alte Bäuerin entgegen.

Das einfältige Büblein aber rief ihr zu: »Seht, liebste Frau Mutter, wen führ ich herein? Des Königs holdseliges Töchterlein!«

Da neigten sich die Bäuerin und ihr Mann dreimal tief vor des Königs Töchterlein, und die Bäuerin sprach: »Nehmt fürlieb mit dem, was wir Euch bieten können.«

Der Prinzessin gefiel es gar wohl in dem schmucken Gemach mit den braun getäfelten Wänden, dem bunt bemalten Gerät und dem großen Kachelofen.

Das weiße, grobe Linnenzeug auf dem Tisch, das die Bäuerin selbst gesponnen und das spiegelblanke Zinngeschirr dünkten der Prinzessin einladender als alles Goldgeschirr und Silbergerät auf des Königs Tafel.

Sie ließ sich die schwarze Suppe, das gebratene Huhn und den kühlen Wein vortrefflich munden.

Als sie gegessen hatten, führte das einfältige Büblein die Prinzessin in den Ställen, in den Kammern und Scheunen umher. Sie freute sich, weil er alles so wohl bestellt hatte.

Dann ritten sie miteinander durch Wiesen und Wälder, aber gemächlich, nicht wie am Morgen, und die Prinzessin lachte über die lustigen Geschichten, die ihr Gefährte erzählte.

»Könnt Ihr Rätsel raten?«, fragte das einfältige Büblein.

»Lasst hören«, sprach die Prinzessin. »So ratet: Es ist ein Ding, das sieht aus wie ein Ziegenbock und hat doch keine Hörner!«

»Ei«, rief die Prinzessin, »das ist ein Zicklein.«

»Falsch geraten«, sprach das einfältige Büblein, »das ist Euer Hofmarschall.«

Da lachte die Prinzessin und sprach: »Wenn das ein anderer gesagt hätte als Ihr, so käme er ins Gefängnis, weil er meinen Hofmeister beleidigt.«

»Bewahre, das wäre der Mühe wert«, sprach der Kecke. »Doch ratet: Es ist ein Ding, sieht aus wie eine Zwiebel, doch ist es nicht so nützlich.«

»Ei«, sprach die Prinzessin, »das ist der Kirchturm dort.«

»Falsch geraten«, sprach das einfältige Büblein, »das ist die Hofmeisterin mit dem großen Reifrock und dem kleinen Kopf.«

Die Prinzessin lachte und sprach: »Hätte es ein anderer gesagt als Ihr, so müsste er es im tiefsten Kerker büßen, darum, dass er meine beste Freundin beleidigt.«

»Behüte, wäre der Mühe wert«, sprach das einfältige Büblein, »doch ratet: Ich weiß einen großen Garten, stehen viel Blumen drin, doch sind es nur Tulpen, weiße, rote, gelbe und gesprenkelte, und wäre langweilig anzuschauen und duftete nicht, stünde nicht mitten inne die schönste Rose der Welt.« Das könne sie nicht raten, meinte die Prinzessin.

»Die Tulpen sind Eure Hofdamen und Herren, die Rose mitten inne seid Ihr selbst, holdseligstes Königstöchterlein«, sprach das einfältige Büblein.

»Ihr seid ein Schalk«, sprach die Prinzessin und lachte.

Die Sonne neigte sich zum Untergang. Sie waren auf dem Heimweg und ritten durch einen dichten Wald.

Da sprang eine Wildkatze von einem Baum auf die Prinzessin und legte ihre Tatzen auf ihre zarte Brust.

Blitzschnell aber riss der Jüngling neben ihr den Dolch aus der Scheide, packte das Tier mit starkem Arm, befreite die Prinzessin und stieß der Katze den Dolch mitten ins Herz, dass sie wie vom Blitz getroffen herabfiel.

Die Prinzessin dankte ihrem Retter tief bewegt. Sie fühlte sich gar wohl geborgen in seiner Nähe. Sie dachte bei sich, dass sie den schönen Jüngling wohl zum Mann haben möchte, dessen Arm so stark und dessen Herz so mutig war.

Als sie ans Schloss kamen, sank eben die Sonne hinter den Bergen, da sprach die Königstochter zu ihrem Beschützer: »Ihr habt mein Leben gerettet und Euer Versprechen gehalten. drei Tage lang habe ich nichts von Sehnsucht gewusst. Nun geht zum König und fordert Euren Lohn.«

Hand in Hand schritten die Königstochter und das einfältige Büblein hinein zum König.

Der sprach: »Habt Dank, mein königliches Wort will ich Euch halten, denn Ihr habt mein Kind geheilt. Das halbe Königreich ist Euer, und meine Tochter sollt Ihr zur Frau haben, wenn Ihr sie begehrt.«

»Ja«, sprach das einfältige Büblein, »holdseliges Königstöchterlein, ich möchte Euch gar gern mein eigen nennen, doch habe ich zuvor drei Bedingungen.«

Da erschrak die Königstochter, denn sie hatte gehofft, dass er mit Freuden »Ja« sagen werde.

Das einfältige Büblein aber sah sie an mit seinen lachenden Augen und sagte: »Zum Ersten mag ich nicht, dass Ihr Eure Hofdamen befragt, was Ihr tun sollt. Wenn Ihr erst meine Frau seid, mich allein sollt Ihr befragen.«

Da lachte die Prinzessin wieder, wurde fröhlich in ihrem Herzen und sprach: »Euer Wille geschehe.«

»Zweitens«, fuhr das einfältige Büblein fort, »will ich nicht müßig sein, wenn ich erst König bin, und Ihr sollt es auch nicht sein.«

Ja, sagte die Prinzessin, das wäre ihr schon recht; sie wolle wohl arbeiten, es müsse ja wohl nicht gerade Kartoffelhacken und Schweinehüten sein.

»Drittens sollt Ihr meine Brüder, den Magister und den Doktor, sogleich freilassen.«

Da wunderte sich die Prinzessin über alle Maßen, dass die seine Brüder wären.

»Das sind sonderbare Käuze«, sprach sie, »aber es ist wohl nicht der Mühe wert, sie für ihre Narretei so hart zu strafen. Weil sie Eure Brüder sind, sollen sie frei sein.«

Da wurden der Magister und der Doktor herbeigeführt.

Der Magister wurde noch grüner, als er schon war, als er den Bruder so vertraulich mit der Königstochter reden sah, und der Doktor tat, als sehe er das einfältige Büblein gar nicht.

»Wollt Ihr eine Anstellung bei Hofe?«, fragte die Prinzessin. Sie aber erwiderten: »Nein, in einem Land, in dem das einfältige Büblein König ist, wollen wir nicht bleiben.«

Da lachte die Prinzessin und winkte ihnen, von dannen zu gehen. Dem einfältigen Büblein aber reichte sie die Hand und sprach: »Ihr sollt mein lieber Mann sein.«

Am anderen Tag wurde die Hochzeit gefeiert und das einfältige Büblein und die Königstochter lebten glücklich miteinander.

Das einfältige Büblein wurde ein guter und kluger König, und niemand nannte ihn mehr einfältig, denn er wusste, was seinen Untertanen frommte bis hinab zum letzten Bauer, und er und seine Frau Königin, die nie mehr von Sehnsucht wusste, hatten Arbeit und Freude ihr Leben lang.