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Interview mit Oliver Döring

Geisterspiegel: Hallo Oliver, ich freue mich sehr darüber, dass du dir Zeit nimmst, um einige Fragen meinerseits zu beantworten.

Oliver Döring: Ich freue mich auch.

Geisterspiegel: Es ist viel Zeit vergangen, als wir uns bei der Präsentation von Don Harris – Psycho-Cop in Frankfurt am Main zusammen mit Jason Dark getroffen hatten.

Oliver Döring: Dann ist es wirklich einige Jahre her!

Geisterspiegel: Du hast von Folge 1 Im Nachtklub der Vampire bis Folge 70 Die Hexeninsel die John Sinclair Edition 2000 in Zusammenarbeit mit Lübbe Audio produziert. Was hast du aus dieser Zeit an positiven, aber auch negativen Erfahrungen mitgenommen? Wie kam es im Besonderen zu deinem Austritt aus der Hörspielserie?

Oliver Döring: Zunächst muss ich betonen, dass dies eine sehr lange Zeit war. Es sind 11 Jahre gewesen, die ich John Sinclair gemacht habe. Es ist meine erste große Hörspielserie gewesen, die mit einem großen Namen verbunden ist, den jeder kennt. John Sinclair war auch ein Teil meiner Kindheit und Jugend. Ich bekam mit der Produktion die Gelegenheit, eines meiner wirklichen Herzensthemen umsetzen zu können. Das Schöne daran war, dass ich dabei viele Freiräume hatte, um meine Vision von John Sinclair zu verwirklichen. Das Großartige daran ist die Tatsache, dass die Hörspielserie von Anfang an angenommen und dadurch zum Erfolg gebracht wurde. Das ist fantastisch.
In den 11 Jahren habe ich auch wahnsinnig viel gelernt. Wir haben die ersten 6 Teile im Jahr 2008 remastered herausgebracht, weil ich den Eindruck hatte, dass wir uns weiterentwickelt haben und mir an den alten Fassungen einiges nicht mehr gefiel. Das ist eine Zeit, die mich sehr geprägt hat. Ich bin sehr dankbar für diese Zeit.
Es ist de facto so, dass man an einen Punkt kommt, an welchem ich mich gefragt habe, wie es denn jetzt weitergeht. Ich verrate nicht zu viel, dass es zwischen mir und Lübbe Audio Differenzen gab. Doch die Trennung verlief in beiderseitigem Einvernehmen. Es gibt nichts mehr, was zwischen uns steht. Doch es war der Punkt erreicht, wo ich mir sagen musste: Das war’s dann mit John Sinclair. Ja, deswegen ist nun mein Weg ein anderer. Mein ehemaliger Auftraggeber ist quasi nun mein Hauptpartner. Alex Stelkens und ich haben das Label IMAGA gegründet. Natürlich existieren die anderen Label weiter. Wir werden mit IMAGA neue Hörspiele wie zum Beispiel End of Time auf den Markt bringen. Daneben gibt es die Star-Wars-Hörspiele, welche sehr aufwendig sind.
So hat meine berufliche Entwicklung halt einen Wendepunkt erfahren. Ich glaube, dass es gut und richtig ist, dass dies so gekommen ist.

Geisterspiegel: Zu Beginn des Interviews habe ich erwähnt, dass du die Hörspielserie Don Harris – Psycho Cop produziert hast. Es kam zu Schwierigkeiten, um die Serie selbstständig fortsetzen zu können. Wo lagen dabei die Ursachen?

Oliver Döring: Das ist korrekt. Eigentlich wollten wir alle weitermachen, auch Folgenreich hatte Lust dazu. Mich erreichte eine Meldung des Labels, dass Don Harris – Psycho Cop leider nicht fortgesetzt wird. Schade, ich hätte gern weitere Folgen produziert. Doch wir durften nicht. Ich habe dies akzeptiert. Es war für mich ein harter Brocken, den ich schlucken musste. Doch auf der anderen Seite fragte mich Alex, was wir denn stattdessen machen könnten. Eine Idee musste her. Ich hatte tatsächlich seit Jahren die grobe Struktur von End of Time im Kopf. Ich weiß bereits, wie End of Time enden wird. Ohne das Ende von Don Harris hätte es End of Time nicht gegeben. Der ganzen Situation konnten wir demzufolge neben dem Negativen auch etwas Positives abringen. Es ist schon alles ganz gut so, wie alles gekommen ist, auch wenn wir dies bedauern. Don Harris ist eine Granatenserie gewesen. Die Folge 10, welche ich selbst geschrieben habe, hat dem Ganzen eine Richtung gegeben, die ich gern weiter verfolgt hätte. Aber es ist eben so gekommen, wie es gekommen ist.

Geisterspiegel: Bei deinem jüngsten Projekt End of Time tauchen sehr viele bekannte Sprecher auf. Konntest du aufgrund deiner jahrelangen Produktion von John Sinclair einen Teil der Sprecher für die neue Serie mit hinübernehmen?

Oliver Döring: So würde ich das gar nicht sehen. Als ich das Drehbuch für End of Time verfasste und die Rollen besetzt hatte, wusste ich bereits beim Schreiben, wer ideal für die entsprechende Rolle wäre. Wir haben es eigentlich wie bei John Sinclair gemacht. Ich habe gesagt, dass ich gern die und die Schauspieler für die und die Rollen hätte. Meine Assistentin Ila Schnier von Wittich fragte dann die entsprechenden Leute, und alles hat fast zu 100% geklappt. Wir haben alle meine Wunschschauspieler bekommen. Darüber habe ich mich natürlich sehr gefreut. Viele von ihnen kannte ich bereits. Es sind aber auch einige neue Sprecher hinzugekommen. Sicherlich kam der Aspekt hinzu, dass die Sprecher wussten, wer ich bin. Es war ein ganz normaler Prozess.

Geisterspiegel: Sicherlich hat die Besetzung der Rollen mit bekannten Sprechern eine Art Wiedererkennungseffekt. Wie siehst du diesen Aspekt?

Oliver Döring: Für mich sind die Synchronschauspieler Menschen, die ihr Handwerk wie kein anderer perfekt beherrschen. Da sitzt wirklich ein Mensch in der Sprecherkabine. Da gibt es weder einen Kollegen noch Kulissen noch Kostüme und Requisiten. Es gibt nur das Rotlicht, welches angeht. Es ist in diesem Moment faszinierend, wie die Sprecher auf Knopfdruck ganze emotionale Welten erschaffen können. Das ist etwas ganz Besonders, das ist für mich pure Schauspielerei.
Die Auswahl der Sprecher erfolgt stets danach, was am besten zum Hörspiel passt. Wir wollen ja Qualität liefern. Aus diesem Grund arbeite ich am liebsten mit Synchronschauspielern zusammen.

Geisterspiegel: Wie kann ich End of Time – 2 Minuten verstehen? Warum 2 Minuten?
Hat es etwas mit der bevorstehenden Apokalypse zu tun?

Oliver Döring: 2 Minuten bezieht sich auf die letzten zwei Minuten der Bombenentschärfung. Es sind die 2 Minuten, in denen die Leute mit ihrem Leben abschließen. In dieser Zeit passiert etwas, was nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Dies finde ich bezeichnend für das ganze Hörspiel, vielleicht für die ganze Serie. Ich will aber nicht zu viel verraten. Mir ist dies gar nicht bewusst geworden, als es hieß: »Hoffentlich ist das Ding nicht nur 2 Minuten lang!« Das habe ich wirklich sehr oft gehört. Ja toll, ich hätte mir auch einen anderen Titel aussuchen können. Andererseits passt er genau für die Szene, worauf im Grunde genommen die Serie hinausläuft. Es sind genau diese zwei Minuten. Deswegen der Titel.

Geisterspiegel: Wann kommt der zweite Teil?

Oliver Döring: Der zweite Teil steht schon komplett in meinem Kopf fest. Ich muss ihn nur noch aufschreiben und so schnell wie möglich produzieren. Dadurch, dass Star Wars so unglaublich aufwendig ist, sind wir in Verzug geraten. Das muss ich ehrlich sagen und habe dies unterschätzt. Wir arbeiten mit Hochdruck und bilden Teams, um alles bewerkstelligen zu können. Da End of Time mein Baby ist, möchte ich die Produktion unbedingt vorantreiben, sodass im nächsten Jahr Teil 2 erscheinen kann. Wann genau das sein wird, kann ich noch nicht sagen.

Geisterspiegel: Bei End of Time war ich mittendrin im Geschehen. Es laufen Bilder im Kopf ab, wie man sich den Plot vorstellen könnte. Und ich warte auf den Teil zwei.

Oliver Döring: Er kommt definitiv. Je schneller, desto besser. Das ist etwas, was mich sehr unter den Nägeln brennt, zumal End of Time keine Endlosserie wird. Das Ding ist irgendwann auserzählt. Wie viele Folgen es werden, kann ich noch nicht sagen.
Die Resonanz war einfach überwältigend. Ich habe anfangs gar nicht gedacht, dass das so funktioniert. Als ich das Manuskript fertig hatte, hatte ich keine Distanz mehr dazu und habe gedacht, dass alles vielleicht viel zu überladen sei und die Leute es ablehnen würden. De facto sind aber ganz viele Kritiken zu End of Time super positiv. Wir bekommen Zuschriften, in denen die Leute unbedingt wissen wollen, wie es weitergeht. Es gibt natürlich auch jene Leute, die da sagen: »Ehrlich gesagt, ich fand es gar nicht spannend. Es ist mir zu viel.« Doch diejenigen Meinungen, die sagen, dass sie das Gefühl hatten, als ob sie im Kino saßen, sind sehr dominant.

Geisterspiegel: War die Messlatte von den Hörern sehr hoch gelegt worden, um zu hören, was aus der Feder des Oliver Döring jetzt kommt?

Oliver Döring: Ja, bestimmt. Viele Leute haben mich gefragt, was ich denn jetzt machen würde. Ich weiß, dass erst einmal End of Time mit Spannung erwartet worden war. Zum Glück ist es bei den meisten gut angekommen. Ich habe so lange John Sinclair gemacht. Es ist nun mal ein Horrorgenre aus dem Romanheftbereich. Mit End of Time habe ich nun bewusst etwas anderes versucht. Der Vergleich mit dem modernen Kinofilm, mit den vielen Schnitten, mit bombastischer Action besonders bei der Verfolgungsjagd kommt das dem relativ nahe. Andererseits kann ich mir auch vorstellen, dass bei End of Time zwischendurch auch Genreschlenker geben wird und man immer wieder vielleicht überrascht ist: Huch, was macht er denn jetzt wieder, der Döring?
Es ist überhaupt schwierig, End of Time in eine Schublade zu pressen. Es kommen viele Genre zusammen. Letztendlich hoffe ich, dass in absehbarer Zeit Folgen erscheinen, die das Publikum völlig überraschen werden. Das ist mein Ziel. Das ist es, was End of Time ausmachen soll. Es ist immer wieder eine Wundertüte. Man soll sich bei End of Time nie sicher sein. Ich hoffe, dass mir dies gelingt.

Geisterspiegel: Zu Star Wars existieren die Vorlagen, die Lizenzen sind vorhanden. Es obliegt dir und deiner Crew, die Serie zu mastern. Wie weit wird Star Wars gehen? Irgendwann hat sich doch das Thema erledigt.

Oliver Döring: Man muss dabei eins nicht vergessen: Wir sind ein Newcomer-Label. Wir haben gerade erst angefangen. Das Erste, was wir uns bei Star Wars vorgenommen haben, ist die Thrawn-Trilogie, welche ein riesiges Werk ist. Das Expanded Universe von Star Wars ist gewaltig und es wächst zum Glück immer weiter. Es ist ein so tolles Spielfeld, ein toller Kosmos, der sich immer weiterentwickeln wird. Ein Ende aus unserer Sicht ist erst einmal nicht abzusehen. Aber wir müssen schauen, wie wir weitermachen können, wohin das alles gehen wird. Das ist immer eine Sache von Lizenzen, wie du es erkannt hast. Von mir aus kann alles noch sehr lange gehen und ich hoffe, dass es so sein wird. Solange es die Fans gerne hören, solange die Star-Wars-Fans sagen, dass dies gut ist, solange werde ich Star Wars machen.

Geisterspiegel: Was steht hinter dem neuen Label?

Oliver Döring: IMAGA ist eigentlich eine Kurzform von Imagination. Für mich ist es ganz wichtig, dass die Hörspiele, die ich mache, wie Filme sind, wo du die Augen zumachen kannst und einen Film im Kopf siehst. Quasi durch das Ohr die Imagination stimuliert wird. Es gibt aber auch noch eine andere Interpretation, welche ein Tontechniker mir sagte, die ich sehr gut finde: »IMAGA ist einfach ein Satzteil und heißt vollständig ›I mog a Hörspuil produziern!‹.« Welche ich sehr passend finde, die bayrische Version. Doch es ist tatsächlich die Kurzfassung von Imagination.

Geisterspiegel: Was gibt dir die Hörspielarena, eine Hörspiel-Gemeinschaft?

Oliver Döring: Tatsächlich habe ich nicht wahnsinnig viel davon mitbekommen. Ich sitze in meinem Elfenbeinturm, mische oder schreibe die ganze Zeit. Zwischendurch bin ich in Berlin, schnappe ein wenig frische Luft und gehe ins Tonstudio. Ich weiß nicht viel darüber.

Geisterspiegel: Was unternimmt Oliver Döring, um für seine Fans persönlich präsent zu sein?

Oliver Döring: Wir waren in Köln zur Hörspielmesse präsent. Für die Messe hier in Frankfurt habe ich zu spät mitbekommen, dass heute überhaupt kein Fanpublikum da ist und nur Fachbesucher. Sonst wäre dies auch hier eine Möglichkeit gewesen. Andererseits glaube ich, dass die Produkte für mich sprechen. Die Fans sagen mir immer wieder: »Mensch, Döring, mach mal ein bisschen schneller hier! Hau mal rein! Wir wollen mehr haben.« Ich glaube, dass es da gut für mich ist, dass ich mich rar mache und arbeite. Außerdem weis man, dass ich keine so richtige Rampensau bin. Da tue ich mich ein bisschen schwer. Insofern muss man damit leben müssen, dass ich mich nicht so wahnsinnig viel in der Öffentlichkeit blicken lasse.

Geisterspiegel: Was hältst du von Negativkritik inpuncto Nachfolge der John Sinclair Edition 2000?

Oliver Döring: Ja, dazu habe ich schon etwas gesagt. Als die Folge 71 auf den Markt kam, hat es nicht zu knapp Proteste gegeben. Ich fand dies nicht gerechtfertigt. De facto ist mein Nachfolger jemand , der eine eigene Vision hat, was ich richtig finde. Er soll auch seinen Weg gehen. Es wäre auch schlimm, wenn man einen Regisseur verdammen dazu würde, in irgendeine Richtung zu gehen und sich nicht entfalten zu können. Ich glaube, dass die Stimmung dazu schon umschwenkt. Es gibt Folgen nach der Nummer 71, die sehr gut angekommen sind. Daran sieht man, dass dies alles ein Prozess ist. Ich kann mich daran erinnern, dass die allererste Folge von John Sinclair, die ich gemacht habe, und die allererste Rezension dazu vernichtend war. Ich hatte das Erbe des Tonstudio Braun angetreten. Vor mir gab es das Tonstudio Braun. Da gab es sicherlich viele Leute, die enttäuscht waren, dass ich diesen Stil nicht beibehalten habe, sondern eigene Wege gegangen bin. Insofern kann ich das neue Team nur ermuntern, dabei zu bleiben und den eigenen Weg zu gehen. Es wird sicherlich genauso viel Begeisterung entstehen wie bei meinen Hörspielen.

Geisterspiegel: Ich bedanke mich bei dir für dieses spontane Interview und wünsche mir, auch wenn Zeitdruck und jede Menge Arbeit auf dich warten, du etwas mehr für deine Fans da sein könntest.

Oliver Döring: Wenn ich mal in der Öffentlichkeit anzutreffen bin, kann jeder auf mich zukommen. Ich freue mich über jeden und rede mit jedem. Heute habe ich mit einem gesprochen, den ich das letzte Mal vor 12 Jahren gesehen hatte. Ich habe sehr gern Kontakt mit den Fans. Ich rede auch mit Leuten, die das nicht so gut finden, was ich mache. Es ist eine Frage der Gelegenheit und der Zeit. Und herzlichen Dank für dieses Gespräch.

Das Interview führte Wolfgang Brandt während der Frankfurter Buchmesse 2012.

Copyright © 2012 by Wolfgang Brandt

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