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Slatermans Westernkurier 06/2020

Auf ein Wort, Stranger, ein Leben im Fort ist ein Leben in der Hölle, stimmt das?

Ein Soldat an der Frontier verbrachte für gewöhnlich die eine Hälfte des Jahres auf Feldzügen gegen die Indianer, die übrige Zeit hielt er sich im Fort auf.

Doch nur manch einer war froh, wenn er nach Wochen oder Monaten im Feld wieder in seine Bleibe zurückkehrte. Viele sehnten beim Anblick der Palisaden einen Angriff der Indianer wieder herbei, und selbst erfahrene Soldaten meldeten sich oft als Begleitung oder Kurier, obwohl sie diese Aufgabe durch gefährliches Gebiet führte.

Ein Umstand, den niemand verwundern dürfte, wenn man weiß, dass in den Anfängen die meisten Forts und Außenposten trostlose Lagerplätze waren, manche sogar noch Schlimmeres. Einer davon wurde in den sieben Jahren seiner Existenz von den ständig wechselnden Besatzungen sogar als der Schlimmste von allen tituliert.

Fort Ruby wurde 1862 zwischen Salt Lake City in Utah und Carson City in Nevada errichtet, um die Überlandpost gegen Überfälle der Paiute zu schützen. Es war ca. 120 Meilen (etwa 190 Kilometer) von der nächsten Siedlung entfernt und lag in einer grausamen Gegend. Ein kahles Gelände mit einer Sonne, die das Jahr über weder Helligkeit verbreitete, noch wärmte, sondern einen verbrannte oder verrückt machte.

Um sich ein Bild von den Umständen in Fort Ruby machen zu können, sollte man wissen, dass sich die Besatzung voller Verzweiflung bereit erklärte, auf eine Nachzahlung von 30.000 Dollar zu verzichten, wenn sie Washington denn nach Osten auf die Schlachtfelder des Bürgerkrieges versetzte.

Washington lehnte ab, das nur so am Rande.

Ein weiteres Beispiel für den Ruf des Forts ist das Verhalten von Captain George Walker, der, 1867 zum Kommandeur des Postens versetzt, als erste Amtshandlung einen sechsmonatigen Urlaub nahm.

Aber war das Soldatenleben in den Forts wirklich so schlimm oder war Fort Ruby nur die unrühmliche Ausnahme?

Um diese Frage zu beantworten, muss man in Tagebuchaufzeichnungen, alten Zeitungsberichten und Armeeprotokollen stöbern.

Danach mag sich ein jeder die eingangs gestellte Frage selbst beantworten.

 

*

 

Beginnen wir mit einem normalen Tag in einem normalen Fort, in diesem Beispiel in einem Außenposten im Territorium Dakota und das Ganze geregelt von der Dienstordnung.

5 Uhr 30 Wecken, Waschen, Anziehen, Antreten, Frühstücken bis 6 Uhr.

6 Uhr 15 Antreten zum Exerzierdienst,

7 Uhr 30 Wegtreten zum Arbeitsdienst.

Dieser konnte sowohl Stallungen, Latrinen oder sonstige Bauten zu reinigen bedeuten, auf dem Appellplatz Unkraut jäten, Straßen- und Brückenbau außerhalb des Forts, Telegrafenleitungen reparieren oder stundenlanges Marschieren, um Holz für die Öfen zu schlagen. Wer Glück hatte, durfte Rekruten, Postboten, Zahlmeister oder Auswanderer von und zum Fort begleiten, wer keines hatte, im Winter Wasser holen oder, was ebenso verhasst war, das Aussägen von Eis, das im Sommer für die Offizierscasinos benötigt wurde.

Danach 30 Minuten Mittag und von 13 Uhr bis 16 Uhr 30 erneut Arbeitsdienst, dann wieder Exerzieren, Ausrüstung auf Vordermann bringen, antreten, Abendessen, Freizeit, 20 Uhr 15 Zapfenstreich.

Das Ganze anfangs für 16 Dollar im Monat, ab dem Jahr 1871 wegen Einsparungen für 13 Dollar. Das aber wohlgemerkt nicht in Bargeld, sondern in Armeepapiergeld, das erst im Frontier-Gebiet kaufkräftig wurde, allerdings mit einem Diskont von teilweise bis zu 40 Prozent.

Zum Vergleich, um 1870 verdiente ein durchschnittlicher Cowboy etwa 30 Dollar und das in harter US-Währung.

Der Cowboy schlief auch je nach Jahreszeit und Gegend im kühlen oder beheizten Bunkhouse, der gemeine Soldat hingegen an Orten, die von Kakteen, Dornenbüschen, Skorpionen, Taranteln und Schlangen bevölkert waren, also dort, wo alles, was wuchs, stach und alles, was lebte, biss. Sogar in Camp Supply, einem bekannten und zivilisierten Außenposten, bestanden selbst um 1869 die Fußböden der Offiziersbarracken noch aus dumpfig-feuchter, malariaschwangerer Erde, aus der Tag für Tag neue Blätter und Giftpilze hervorwuchsen.

Frisches Wasser war ein seltenes Gut und die vom Kriegsministerium erlassene Anordnung, wonach jeder Mann mindestens einmal die Woche zu baden hatte, eine Farce.

Aber das war egal, meinte einmal ein Soldat. Da mit der Zeit alle gleich rochen, fiel das nicht besonders auf.

 

*

 

Ein weiteres Thema war die Ernährung.

Böse Zungen unter den Uniformierten behaupteten, das von den Köchen, wenn auch wider Willen, mehr Soldaten getötet wurden als von den Indianern.

Die Lebensmittel, die den Kompanieköchen zur Verfügung standen, waren von einer bedrückenden Eintönigkeit. Bohnen, Zwieback, Schinkenspeck, Mehl, Kaffee sowie Graubrot, gelegentlich minderwertiges Rindfleisch, noch seltener Wild und Salz, brauner Zucker, Essig und Sirup, aus die Maus.

Was für kulinarische Ergüsse sich daraus ergaben, lässt sich am besten an der Aufzählung eines damaligen Zeitgenossen, genauer gesagt eines Sergeanten festmachen, als dieser einmal gebeten wurde, eine typische Tagesration zu beschreiben.

»Zum Frühstück hatten wir Rinderhaschee, trockenes Brot (also keine Butter) und Kaffee (natürlich ohne Milch); zum Mittagessen Rindfleisch in Scheiben, trockenes Brot und Kaffee und zum Abendessen wiederum trockenes Brot und Kaffee.«

Sicherlich gab es in der Vorratskammer noch ein paar andere Dinge, theoretisch jedenfalls, doch die Praxis sah anders aus. Durch die unsachgemäße Lagerung beim Transport kam der Schinkenspeck größtenteils grün und gelb verrottet in der Küche an oder so verdorben, dass sich das Fett fingerbreit vom Magerfleisch ablöste und genauso voller Mäuse war wie das Mehl und die Bohnen. Der Schinkenspeck, der in Montana in Fort Phil Kearny eintraf, hätte die Soldaten vergiftet, wenn er nicht stundenlang durchgekocht worden wäre.

Zwieback kam meistens dunkel und muffig auf den Tisch. Er war so hart, dass ein Soldat aus Fort Laramie einmal erzählte: »Das Backwerk war so hart, dass ich ihm mit meinen Zähnen kaum etwas anhaben konnte. Ich legte ihn mir in die Hand und schlug mit der rechten Faust drauf, aber ich verletzte mir dabei nur die Knöchel. Dann versuchte ich ihn auf dem Knie zu brechen, aber verschrammte mir nur das Knie.«

Ein Trompeter namens Mulford behauptete: »Haben Sie jemals versucht, Armeezwieback zu essen? Wenn nicht, dann üben sie erst einmal an einem Backstein.«

Die Soldaten gaben sich alle Mühe, Küchengärten anzulegen, um die Mängel ihrer Ernährung auszugleichen, aber in den meisten der Außenposten war entweder der Boden unergiebig oder das Wasser so knapp, dass kaum Ackerbau möglich war, und wenn, dann hauptsächlich für die Offiziere.

Das mit dem Wasser war so eine Sache.

Die Frau von Lieutenant Colonel George Armstrong Custer zum Beispiel wartete immer ab, bis sich der Flussschlamm in ihrem Trinkwasser gesetzt hatte, bevor sie es trank, und versetzte es zusätzlich noch mit Alaun, um etwas Geschmack hineinzubringen. Der einfache Soldat, wie Trompeter Mulford berichtete, verfügte nicht über solche Mittel, er nahm das Wasserschlammgemisch voll in den Mund, presste die Erde mit Zungen und Backen heraus und schluckte dann den Rest.

Durch den von der Armee verschuldeten unverzeihlichen Mangel an frischem Obst und Gemüse waren Skorbut und Infektionen deshalb bis weit in die siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts hinein gang und gäbe. Allein in Fort Stevenson im Territorium Dakota waren in einem Jahr von 200 Soldaten 51 an Skorbut erkrankt, ein Dutzend weitere an Durchfall oder Grippe. Dazu kamen allerorts noch Diphterie-, Gelbfieber-, und Typhusepidemien. Medikamente waren selten, Whisky mit Chinin oder Abführmittel so etwas wie Allheilmittel.

All das war mit ein Grund, warum jedes Jahr mit dem Beginn des Frühlings in vielen Außenposten die Soldaten in Mannschaftsstärke fahnenflüchtig wurden.

 

*

 

Wenn man dagegen die Privilegien der Offiziere nimmt, wird einem schnell klar, warum die gemeinen Soldaten in Mengen desertierten. Ihnen stand kein Haus mit Vorgarten, Baderäume oder Spielzimmer zur Verfügung, schon gar nicht Wildfleisch, Gemüse und Früchte an Feiertagen, ihnen wurde gepökeltes Schweinefleisch serviert.

Sie litten unter den unangenehmen Lebensbedingungen, dem oft lebensgefährlichen Dienst im Indianerland, der Unterbesoldung und einer brutalen und oft ungerechtfertigten Disziplinarverordnung, die nicht für Offiziere galt.

Das ist insofern verwunderlich, als dass gerade die höheren Dienstgrade zu über einem Drittel aus Menschenschindern, Psychopathen, Alkoholikern und eitlen Dandys bestanden, denen es egal war, wie viele ihrer Untergebenen während eines Feldzuges an Erschöpfung oder Nahrungsmangel starben. Hauptsache, sie hatten ihren eigenen Friseur dabei und auf ihrer Uniform war kein Stäubchen zu entdecken.

Deshalb ist es mehr als bewundernswert, wie jene Privates oder Corporals dennoch eine Art Familiengefühl entwickelten und zusammen lebten, kämpften und exerzierten, bis ihr zumeist fünf Jahre andauernder Dienst beendet war.

Es gibt da noch eine Menge anderer Punkte, die man aufführen könnte, was damals das Leben von einfachen Privates oder Corporals von dem eines Offiziers unterschied, aber das würde den Umfang dieser Kolumne sprengen. Summa summarum kann man sagen: Das Leben in den Forts hatte wirklich Ähnlichkeit mit dem in der Hölle …

Allerdings nur für den gemeinen Soldaten.

Euer Slaterman

Quellenhinweis:

  • Nevin, David: Der Wilde Westen – Die Soldaten. Time Life, Amsterdam. 1979. Aus dem Englischen übertragen von Kurt Heinrich Hansen. Redaktionsleitung der deutschen Ausgabe: Hans Heinrich Wellmann

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