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Slatermans Westernkurier 10/2018

Auf ein Wort, Stranger, wie war das eigentlich damals, das mit dem Schießen im Wilden Westen?

Saß der Colt wirklich so locker, wie es uns die Unterhaltungsindustrie weismachen will?

Mitnichten müsste die Antwort heißen, aber das ist sie nicht.

Denn egal, ob in Film, Funk oder gedruckter Form, in jeder Art von Veröffentlichungen über den Wilden Westen wurden und werden auch heute noch beim Thema Waffen und speziell beim Abfeuern derselben zu 95, 987 Prozent nur die Begriffe Colt, Derringer, Winchester und Parker Gun – Sie wissen schon, diese Schrotflinte, mit der selbst ein vierjähriger Hosenmatz einen ausgewachsenen Mann in zwei Teile schießen kann – erwähnt und abgehandelt.

Wenn man Glück hat, erfährt man vielleicht noch etwas über Springfield, Sharps und Remingtons, aber nur vielleicht. Über dem Rest liegt Pulverdampf.

Dabei ist dies, wenn man das Ganze von der historischen Seite und nicht aus der Perspektive der Auflagenhöhe dieser Publikationen betrachtet, einfach nicht korrekt.

Die ursprüngliche Form der Feuerwaffe ist erwiesenermaßen der Vorderlader und ergo damit auch das Schießen mit eben jenem.

Es wird nur deshalb kaum erwähnt, weil die Handhabung und das Abfeuern dieser Waffen eine Wissenschaft für sich ist und der Vorgang, es zu beschreiben, derart unspektakulär und langatmig, dass man damit heutzutage keinen Hund mehr hinter dem Ofen vorlocken kann.

Der Westernkurier will es dennoch versuchen.

Man kann das Thema Waffen und Schießen schließlich auch augenzwinkernd an den Mann, Pardon, natürlich auch an die Frau, bringen.

 

*

 

Der Besitz von Waffen und das Schießen damit ist ein elementarer Bestandteil der amerikanischen Pioniergeschichte und sollte deshalb als solcher nicht nur oberflächlich behandelt werden.

Allerdings muss der geneigte Leser, wenn er es denn genauer wissen will, dazu sämtliche Dinge ausblenden, welche einem die Unterhaltungsindustrie versucht einzutrichtern.

Dazu gehören sowohl Protagonisten, die einem von der Hüfte aus mit einem Schnellschuss eine Fliege von der Nase pusten konnten, als auch Wunderwaffen, mit denen man trotz einer Trommel mit sechs Kammern Dutzende von Angreifern niedermähen konnte.

Jetzt nicht lachen, es gibt unzählige Western, die das aufzeigen.

Aber jetzt mal ohne Spaß, sicherlich gab es manche, die ihren Revolver schneller zogen, als unsereins einen fahren lassen kann, und andere, die wahre Kunstschützen waren, man erinnere sich nur an den Büffeljäger Billy Dixon, dessen Meisterschuss bei Adobe Walls noch heute der Stoff unzähliger Legenden ist.

Aber die Realität sah anders aus.

Ein Großteil der Männer trug, wenn sie denn überhaupt einen Revolver mit sich führten, die Waffe im Hosenbund oder in der Tasche, so ein lederner Revolvergurt war schließlich keine Sache, die man mal eben aus der Kaffeekasse bezahlen konnte.

Buscaderos, also Männer, die einen Revolvergürtel mit zwei Holstern trugen und beide Waffen auch gleichzeitig benutzten, waren deshalb genauso selten wie ein dreibeiniger Hund, ebenso Quick Draw Schützen, also solche, die mit einem Schnappschuss ihr Ziel trafen.

Dieser Typus war ein Kunstschütze, ein wahrer Artist, der täglich ein ununterbrochenes Training von mindestens einhundert Schuss absolvieren musste, um fit zu bleiben. Ein ebenso zeitraubender wie kostspieliger Spaß, weshalb es in Amerika selbst noch um 1875, bei einer damaligen Bevölkerungszahl von ca 45 Millionen, mit Wild Bill Hickok, Billy the Kid und Ben Thompson nur drei bekannte Vertreter dieser Spezies gab.

Eine weitere Art des Schießens ist das Fanning (frei übersetzt fächeln oder wedeln).

Zur besseren Erklärung von letzterem sei gesagt, das dieses Fanning ein Phänomen ist, das es kaum im Alltag des Wilden Westens, sondern nur in alten Hollywood- bzw. Italo-Western gab.

Wer kennt diese Szene nicht, wo zu sehen ist, wie ein Schütze, den Revolver in der Rechten, mit der Kante der linken Innenhand fächelnd den Hahn zurückwirft und den Schuss auslöst, indem er den Abzug hält.

Sehr beeindruckend, wenn mit dieser Methode 6 Schüsse in etwa zwei Sekunden ausgelöst werden. Aber, falls jemand meine Meinung dazu wissen will, absoluter Schwachsinn.

Treffen kann man mit Fanning, und das ist erwiesen, so gut wie nie.

Es gibt auch kein historisches Beispiel dafür, dass jemand dadurch bekannt geworden wäre.

Im Übrigen reißt man sich dabei am schmalen Rücken des Hahns die Hand auf und mal ehrlich, welcher Pionier, egal ob Farmer, Pferdekutscher, Cowboy, Salooner oder Maultiertreiber riskiert die Verletzung seiner Rechten, nur um seine Umwelt für einen Herzschlag lang mit dieser Showeinlage zu beeindrucken?

Wahrscheinlich keiner, jedenfalls kein normaler.

Obwohl, man sollte niemals nie sagen, Verrückte hat es damals gegeben und gibt es auch heute noch.

Aber genug davon, ich merke schon, wir schweifen ab.

Kommen wir also zurück zum eigentlichen Thema, der Urform von allem Knall Bumm Päng der amerikanischen Pioniergeschichte, dem Schießen mit dem Vorderlader.

 

*

 

Dass sich diese Art des Umgangs mit Waffen noch heute so großer Beliebtheit erfreut, liegt wohl an der Ursprünglichkeit und der Tatsache, dass man damit nur Erfolge erzielen kann, wenn man sich der Einfachheit und Bodenständigkeit dieser Waffen bewusst ist und sie einfach als das sieht, was sie im Grunde genommen darstellen, nämlich Gegenstände, die nur so gut sind wie die Person, die sie benutzt.

Wer jetzt Worte wie vorsintflutlich, überholt und untauglich in den Ring wirft, sollte wissen, dass sich die Genauigkeit dieser Waffen trotz aller Einfachheit durchaus mit denen messen kann, die auf dem neuesten Stand der Technik sind.

Ich behaupte sogar übertroffen, wenn man Technik und Handling von damals und jetzt in Relation setzt.

In England werden auch heute noch Schießwettbewerbe mit Vorderlader auf eine Zielentfernung von 900 Yards ausgetragen, das sind rund 823 Meter.

An solchen Wettbewerben kann theoretisch jeder teilnehmen, vorausgesetzt, er schafft es, das Handy auszuschalten und seinen Arsch zu heben.

Hier kann sozusagen Frau Maier von nebenan sogar gegen Mister Amerika bestehen.

Das einzige Problem, man braucht dazu einen funktionsfähigen Vorderlader.

Bühne oder Keller im Haus des Urgroßvaters wären beispielsweise eine Option oder eine Mitgliedschaft in einem Schützenverein.

Alles andere findet sich in jedem Handwerkerhaushalt oder zur Not im Baumarkt.

Jepedaia jepi jepi jeh oder Respekt, wenn man’s selber macht, ich denke man weiß, was ich meine.

Jedenfalls benötigt man einen Gaskocher, ein Gefäß zum Bleischmelzen, Blei als solches, einen Gießlöffel, eine Kugelzange, Hammer, Scheren, Feile, einen Stanzmeißel, Pulverflasche, Schwarzpulver, Zündhütchen und einen alten Filzhut.

Am besten den von besagtem Urgroßvater.

Wenn alles beisammen ist, wird Hartblei über dem Kocher flüssig gemacht, wenn keiner vorhanden ist, dann meinetwegen auch in einer Konservendose, in der gestern noch Ravioli sein Dasein gefristet hat. Dann gießt man mit dem Gießlöffel die Formen der Kugelzange aus und das nach Möglichkeit ziemlich schnell.

Zu langsam eingegossenes Blei ergibt in der Regel zwar interessante Gebilde, aber die wenigsten hiervon ähneln danach dem der gewünschten Kugel. Da hilft auch die beste Erfahrung beim Silvester-Bleigießen herzlich wenig.

Wenn das Blei dann kalt geworden ist, zwickt der Abquetschhebel, den jede Kugelzange besitzt, beim Öffnen den Übergussstutzen ab.

Da Rundkugeln bessere Ergebnisse erzielen als Spitzkugeln, sollte man darauf achten, möglichst nur Rundkugeln herzustellen, um auf dem Schießstand Eindruck schinden zu können.

Danach kann man die Pulverflasche mit Schwarzpulver füllen.

Wer jetzt in Schweiß ausbricht und nach Polizei, Krankenwagen und Feuerwehr schreit, den kann ich beruhigen.

Schwarzpulver ist in ungefähr so gefährlich wie Vanillepudding.

Vorausgesetzt, man nimmt die Kippe aus dem Mund, löscht den Kocher und stellt den noch heißen Bleitopf ins Wasser. Wenn nicht, sollte man im Besitz einer Krankenhaus-Tagegeldversicherung sein, oder schlimmstenfalls vorher die Formalitäten zu seinem Begräbnis geregelt haben.

Danach folgt das Aufsetzen des Zündhütchens, das Einfüllen des Pulvers und, und, und …

Mit ein bisschen Übung ist der ganze Ladevorgang in ca 2 Minuten erledigt.

Dann muss man nur noch zielen und treffen, um den anstehenden Schießwettbewerb zu gewinnen.

Danach folgt das Aufräumen und Saubermachen.

Die Pioniere von damals pflegten ihre Waffen zu reinigen, indem sie durch und über Lauf, Abzugshahn und Zylinder pinkelten. Jeder gestandene Chemiker weiß, dass diese Reinigungsart nicht nur vulgär, sondern auch extrem wirkungsvoll ist.

Blöd nur, dass heutzutage der Nutzeffekt in keinem Verhältnis zu dem Schaden steht, der einer Person widerfährt, die nach dem örtlichen Schützenfest in aller Öffentlichkeit Pipi auf ihr Gewehr macht.

Man legt also besser Lauf samt Trommel in heißes Wasser, dem man Spülmittel beigefügt hat.

 

*

 

Obwohl der Revolver, bei dem das Patronenmagazin in Form einer zylindrischen Trommel hinter dem Lauf rotiert, die uramerikanischste Erfindung seit der Existenz von Schusswaffen ist, bleibt das Schießen mit dem Vorderlader die sogenannte Paradedisziplin, wenn es um den Umgang und das Handling mit Waffen geht.

Zum Schluss noch eines!

Das Ganze soll jetzt um Gottes willen nicht als Lobgesang auf Waffen verstanden werden, sondern lediglich als ein informativer Bericht, der mit einigen Klischees aufräumen will.

Tatsache ist, der Colt saß locker, die Waffen rauchten, aber selbst im wildesten Winkel des Wilden Westens gab es dort in den Jahren zwischen 1860 und 1890 nicht halb so viel Menschen, die durch Schusswaffen ums Leben kamen, wie in den meisten Großstädten des Ostens in einem Jahr.

Es ist nicht die Waffe als solches, sondern der Mensch, der uns das Fürchten lehrt!

Quellenhinweis:

  • H. J. Stammel, Der Cowboy, Legende und Wirklichkeit

2 Antworten auf Slatermans Westernkurier 10/2018