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Zwielicht 4

Michael Schmidt (Hrsg.)
Zwielicht 4
Horror, Magazin, Taschenbuch, Saphir im Stahl, Bickenbach, April 2014, 348 Seiten, 12,95 Euro, ISBN 9783943948240, Titelbild: Björn Ian Craig

Zwielicht. Dämmriges Licht, verschwommene Konturen. Die Realität hat einen Riss. Aus ihr heraus treten vierzehn Geschichten: zum Nachdenken anregend, beängstigend, erschreckend.

Zum Glück gibt es in der Phantastikszene im Allgemeinen und in der Horrorszene im Besonderen Leute, die mit einer gehörigen Portion Enthusiasmus, Geschick und Fingerspitzengefühl zu Werke gehen, um etwas anderes als die klassische Kurzgeschichtensammlung ans Tageslicht zu fördern. Mit dem Horrormagazin Zwielicht versucht der Herausgeber Michael Schmidt, sowohl neue Kurzgeschichten als auch Hintergrundinformationen dem geneigten Leser anzubieten. Es ist das Besondere, wie es der Herausgeber in seinem Vorwort trefflich formuliert: »… im Mittelpunkt von Zwielicht stehen die Geschichten in ihren vielfältigen Facetten. Mal tendieren die Geschichten in Richtung SF, mal gibt es Anlehnungen an die Weird Fiction oder an mystische Sagen …«

Neben bekannten Autoren wie zum Beispiel Regina Schleheck, Vincent Voss, Carsten Zehm findet man mir relativ unbekannte Namen wie Verena Gehle, Erik Hauser oder Dominik Grittner. Es sind eben die Geschichten, die ihren Platz im Magazin Zwielicht 4 gefunden haben.

Rotkäppchen und Dr. Wolf von Vincent Voss hat es in sich. Eine wirklich bizarre Variante der Mär um das kleine Mädchen mit dem roten Käppchen.

Warum geht man zum Arzt, wenn einem etwas weh tut? Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, die den Gang zum Arzt nicht rechtfertigen. Doch die Sprechstundenhilfe in Der Arztbesuch von Iven Einszehn sieht dies anders.

Andreas Schumacher versteht es recht gut, in seiner Story Dr. Leinensack ein solides Fundament aufzubauen. Im Verlauf der Geschichte vergaloppiert er sich, verliert sich dabei in absurden Fachsimpeleien und hinterlässt einen Rohbau. Eigentlich schade, denn aus der Geschichte hätte etwas werden können.

Ich weiß nicht, woran es liegt: Tattoo von Josef Helmrich hat in meinem Kopf nichts bewegt. Vielleicht liegt es daran, dass ich keine Tattoos mag? Ich konnte der Geschichte nicht so richtig folgen.

Dominik Grittner faszinierte mich mit seiner Story Master Carvats Geheimnis Leichen verschwinden zu lassen mit der Tatsache, dass er mit den klassischen Horrorklischees bricht und mit Esprit das Genre etwas mehr Pepp verleihen möchte. Und ich möchte von diesem Autor, dessen Stil aus meiner Sicht als solide und einfach gestrickt zu bezeichnen ist, mehr lesen. Dies Basis dafür ist mit dieser Story gelegt.

Bei Carsten Zehm und seiner Story Vom wahren Namen eines Baumes braucht man keine großen Worte zu verlieren. Ein ausgeprägter Schreibstil, eine gut durchdachte Storyline sprechen für sich. Für Kenner der Materie scheint das final end etwas vorhersehbar.

Kommen wir zu Regina Schleheck und Cristal von der Post. Horror? Wohl nicht, eher Dark Crime. Und so ist für mich die Story auch ausgerichtet und etwas ungelenk.

Verena Gehles Carlotta konnte mich absolut nicht überzeugen. Zu viel Romance, was in der Masse im Horrorgenre überhaupt nicht geht.

Genau in meine bevorzugte Richtung baut Andreas Flögel in der Hauch einer Berührung den Spannungsbogen seiner Story auf. Mit Feinfülligkeit, mit Behutsamkeit vermag er step by step ein Gänsehautfeeling zu erzeugen.

Ich liebe Humor, besonders den schwarzen. Und da kommt doch Erik Hauser mit seinem Onkel Stanislaus daher und setzt mit seiner Story eine Punktlandung. Mehr davon, Erik, und danke für die sehr deutlichen Bilder, die beim Lesen in meinem Kopf entstanden. Das nenne ich mal Realismus pur.

Begeben wir uns zu Max Pechmanns Ein seltsamer, kühler Ort. Ich kenne den Schreibstil von Max durch die Onlineserie Prähuman sehr gut. Daran ist nichts zu bekritteln. Der Autor hat sich während seiner schriftstellerischen Tätigkeit sehr gut entwickelt und kann durchaus im Oberhaus der Horrorliga mitmischen. Seine Geschichte ist hier die Toppstory. Chapeau, Max!

Herr Winzig von Daniel Schenkel liest sich sehr flüssig und wirkt auf mich sehr überzeugend. Von Beginn an gelingt es dem Autor, seiner Story das notwendige Tempo zu verleihen, welche schnell an Fahrt aufnimmt und diese bis zum Schluss durchhalten kann. Etwas mehr Horror hätte der Geschichte gut getan.

Handwerklich perfekt gestaltet sich Michael Böhnhardts Die Flammen von Troja. Deutsche Klassik trifft auf griechische Mythologie, und dieser Mix durchzieht wie ein roter Faden die Story. Eine Geschichte auf sehr hohem Niveau; wäre da nicht der Schluss, welcher sich für mich ein wenig wie ein Stilbruch darstellt.

Zu guter Letzt wartet Harald A. Weissen mit Am Ende eines Sommers auf. Der Autor versucht einen Spagat zwischen Traum und Realität, der letztendlich viele Fragen offen lässt.

Jede der Storys steht für sich, und jeder Autor erzählt seine Geschichte. Auch wenn mich einige von ihnen nicht so vom Hocker gerissen haben, – die Geschmäcker sind halt sehr verschieden -, bildet Zwielicht 4 ein durchaus gelungenes Ganzes, was die Auswahl der Storys betrifft. Die Artikel Algenon Blackwood von Achim Hildebrand, H.P. Lovecraft und die Weird Tales von Mirk Stauch und Daniel Neugebauer sowie Theodor Storm- Ein poetischer Spökenkieker von Eric Hantsch werten das Horrormagazin sehr informativ auf und machen aufgrund ihrer Kürze neugierig, mich noch intensiver mit den gewählten Thematiken auseinanderzusetzen. Ein Almanach zum Vincent Preis 2011 und 2012, Rezensionen zu den Siegergeschichten 2008 bis 2012 sowie Vitae der oben genannten Autoren ergänzen Zwielicht 4.

Das Titelbild von Björn Ian Craig, sehr schlicht gehalten und dennoch äußerst aussagekräftig, stimmt sehr gut auf die gewählte Thematik ein. Ein düsterer Wald, eine Gestalt aus einer anderen Welt sowie ein feuriges Auge wirken auf den Betrachter beängstigend, erschreckend, zum Nachdenken anregend, eben unheimlich.

Fazit:
Herausgeber Michael Schmidt ist es wieder einmal sehr gelungen, mit Zwielicht 4 einen guten Mix von interessanten und zum größten Teil lesenswerten Geschichten in das schummrige Licht der unheimlichen Literaturlandschaft zu bringen. Insgesamt bewegt sich das Magazin auf hohem Niveau und vermag durchaus zu gefallen. Zwielicht 4 bestärkt in mir das Gefühl, dass deutscher Horror nach wie vor auf der Agenda vieler Liebhaber dieses Genre steht und das Magazin sowohl Altvorderen als auch Neulingen eine Plattform bietet, sich mit ihren Geschichten in Szene zu setzen.

(wb)

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