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Faust – Die Rockoper auf dem Brocken

Faust – Die Rockoper auf dem Brocken

Der mit 1142 Metern höchste Berg im Harz dürfte seit der Schulpflichtlektüre von Goethes Faust  jedem Leser bekannt sein. Darüber hinaus ist der Brocken Schauplatz in der Walpurgisnacht für alle Hexen und Teufel unter uns. Seit 1996 aber wird auf dem Brocken ein kulturelles Rundumpaket angeboten, das in der Form sicher seinesgleichen sucht: Faust – Die Rockoper!

Am 2. Mai 2015 hatte ich die Möglichkeit, mir die Rockoper anzusehen oder besser gesagt, dieses Spektakel zu erleben. Grandios!

Die Eintrittskarte für ca. 90 Euro scheint zunächst nicht gerade preiswert. Aber was man dafür alles geboten bekommt, ist diesen Preis mehr als wert. Doch fangen wir mal ganz von vorne an …

Gegen 18.00 Uhr begann das Event mit der zweistündigen Fahrt im Mephisto-Express vom Wernigeröder Schmalspurbahnhof hinauf zum Brocken. In den engen Sitzen war es ganz kuschelig, denn die Veranstaltung war komplett ausverkauft. Dementsprechend waren alle Plätze besetzt, und wer mal so eine Schmalspurbahn gesehen hat, weiß, dass die Waggons nicht gerade komfortabel eingerichtet ist. Aber Hexen und Teufel begleiteten uns und lenkten mit kleinen Showeinlagen von der Enge ab. So lernten die Männer: »Lieber eine Hexe als Frau, als einen Drachen im Haus.«

Dann gab es ja auch noch teuflische Getränke, wie zum Beispiel den Mephisto-Tropfen, ein 52%iger Kräuterlikör. Der hatte es natürlich »Faust«-dick in sich. Die 2 Stunden vergingen also wie im Flug, obwohl die alte Dampflok ganz schön was zu ziehen hatte.

Nun kommt der einzige kleine Wehmutstropfen des Abends. Da unsere Abfahrt sich in Wernigerode um ca. 15 Minuten verschoben hatte, mussten wir vom Bahnhof Brocken direkt das Restaurant »Zum Brockenwirt« ansteuern, weil das »Mephisto-Mahl« schon angerichtet war. Hier hätte ich mir sehr gewünscht, noch ein wenig Zeit zu haben, um die tolle Aussicht zu genießen.

Nach dem teuflischen Essen – es gab Spätzle und Gulasch, sehr lecker – nahmen wir auch schon unsere Plätze im Goethesaal ein und dann ging das eigentliche Spektakel Faust – Die Rockoper los.

Über den Inhalt brauche in hier gar nicht viel erzählen, die Geschichte um Dr. Faust, Mephisto und Gretchen sollte jeder kennen. Und wenn nicht, dann lest dieses wunderbare Werk einfach mal wieder, es macht wirklich Spaß, wenn man es unter dem Aspekt liest, dass es sich um eine der besten phantastischen Geschichten handelt.

Die musikalische Umsetzung empfand ich mehr als gelungen, denn sie hat gezeigt, mit wie wenig Aufwand man ein solch großes Thema umsetzen kann. Etliche Darsteller verkörperten mehrere Charaktere, so wurde aus Fausts Schüler die Hexe, Goethe selbst trat auch als Wagner auf, lediglich Faust, Mephisto und Gretchen konnten nicht aus ihren Rollen schlüpfen, da sie während der gesamten Vorstellung präsent waren. Die Bühnenkulisse musste ebenfalls recht sparsam gehalten werden, denn der Goethesaal ist kein Opernhaus, entsprechend klein die Bühne. Doch jeder Zentimeter wurde genutzt, und letztendlich waren es die Musik und die Soundeffekte, auf die es ankam.

Mein Star des Abends war Mephisto, »des Pudels Kern« oder »der Geist, der stets verneint«. Verkörpert wurde die Rolle von Falko P. Illing, der seine Rolle mehr lebte als spielte. Nicht nur das Kostüm war eine Augenweide, seine Gestik und Mimik weiß dieser Mann einzigartig einzusetzen. Bei seinem Spiel kamen auch die Sound- und Spezialeffekte besonders zum Einsatz, kaum eine Bewegung wurde nicht durch Blitze, Feuer oder Geräusche betont, da passte wirklich alles auf den Punkt. Nicht zuletzt überzeugte Mephisto auch durch seine gesangliche Qualität, die Stimme passte einfach haargenau zu dem ganzen Erscheinungsbild.

Aber Mephisto allein reichte dann doch nicht, um dieses Spektakel zu solch einem unvergleichlichen Erlebnis zu machen.

Dr. Faust, gespielt von Christian Venzke, verlieh der Figur des Dr. Faust genauso Leben wie Falko P. Illing dem Mephisto. Dabei hatte er ja zwei Rollen zu spielen, den alten und den wieder jungen Faust. Das hat er meisterlich hinbekommen, was nicht nur der Maske zu verdanken war. Gerade als alter Faust überzeugte auch er durch eine wunderbare Gestik, ohne dabei albern zu wirken. Als dann noch Gretchen, gespielt von Maria Kempen, ins Spiel kam und die beiden ihr hingebungsvolles Duett »Er liebt mich« vorführten, da wusste auch der letzte Zuschauer, dass diese Menschen dort auf der Bühne wirklich alle mit Leib und Seele ihre Rollen spielten. Hartmut Hecht verkörperte unter anderem Goethe, und wenn ich nicht genau wüsste, dass Goethe am 22. März 1832 gestorben ist, hätte ich glauben können, dass er dort höchstpersönlich auf der Bühne stand und die Zuschauer begrüßte. Auch in dieser Rolle war das schauspielerische Talent des Darstellers unübersehbar, Hartmut Hecht war in den Momenten seiner Auftritte Johann Wolfgang von Goethe!

Die fünfte Hauptdarstellerin des Abends war Henrike Baumgart. Der Frau wurde an diesem Abend einiges abverlangt, denn sie schlüpfte gleich in sechs verschiedene Rollen. Auf den Leib geschnitten war ihr meines Erachtens die Hexe, so überzeugend, wie sie das Hexen-Einmaleins präsentiert hat. Daneben verkörperte sie aber noch den Erdgeist, den Bauernjungen, den Schüler, Marthe und die Domina. Mit ihrer markanten Stimme überzeugte sie in allen diesen Rollen. Apropos Stimme … Gänsehaut bescherten mir am meisten die Duette von Faust und Mephisto. Die beiden Stimmen zusammen ergaben eine so kraftvolle Harmonie, dass der Saal schon mal brodelte. Dazu bedurfte es aber auch der Musik, für die sich Daniel Tutschek (Keyboard), Felix Bodner (Gitarre), Manfred Hecht (Bass) und Lucas Schneider (Drums) auszeichneten. Dass die Jungs während der Aufführung ihren Spaß hatten, war nicht zu überhören und auch nicht zu übersehen. Sie rockten die Bühne und rissen das Publikum mit.

Nach der Vorführung der Rockoper standen die Darsteller den Zuschauern noch für Autogramme und Fotos zur Verfügung, was ich mir natürlich nicht habe entgehen lassen. Und dann ging es mit dem Mephisto-Express wieder talwärts Richtung Wernigerode. Bergab hatte es die alte Dampflok leichter und »bretterte« die Strecke in weniger als anderthalb Stunden hinunter.

Alles in allem war Faust – Die Rockoper auf dem Brocken ein superschönes Erlebnis für mich, Kultur im Rundumpaket, Musik, die Spaß macht, Darsteller, die zu überzeugen wussten, eine der schönsten literarischen Werke so umgesetzt, dass auch der letzte Zuschauer am Ende wusste, dass Faust mehr ist als eine Pflichtlektüre in der Schule.

Weiterführende Links:

(ab)

4 Antworten auf Faust – Die Rockoper auf dem Brocken