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Die Sage von den Hexen des Brockens – Teil 5

Die Sage von den Hexen des Brockens – Teil 5
und deren Entstehen in vorchristlicher Zeit durch die Verehrung des Melybogs und der Frau Holle
Historische bearbeitet von Ludwig Wilhelm Schrader

Kapitel 23

Von den eingewanderten Deutschen wurden nun aber nicht nur die Priester der bösen Gottheiten mit dem Namen Hexen belegt, sondern auch alle diejenigen, welche diesen Priestern anhingen und die Unholde als die Hauptgötter ihrer Verehrung ansahen. Einzelne Orte, die von diesen Anhängern der Unholde bewohnt waren, bekamen daher ebenfalls ihre Bezeichnung von den Hexen, und so mag auch der Ort Geseke in Westfalen den Namen Hexen-Geseke erhalten haben. Es findet sich aber das Wort Hexe noch in einer nicht geringen Zahl von Ortsnamen, wenn gleich nicht in unveränderter Gestalt. Die in die Gegenden des Harzes zuletzt eingewanderten Völker hatten nämlich die Gewohnheit, das r (chs, ks) in ss zu verwandeln. Daher sprachen sie zum Beispiel Osse statt Ochse. Das Wort Hexe (Haxe) verwandelten sie nun ebenfalls in Hesse (Hasse). Es führt daher nicht nur der im Halberstädtischen gelegene Ort Hessen hiervon seinen Namen, sondern auch der bei Wernigerode liegende Ort Hasserode hat den Hexen seine Benennung zu verdanken. Wie uns nun die Sage von dem, im ehemaligen Hexenfelde (Hasselfelde)gelegenen Ort Stiege auf dem Harz berichtet, waren es diese Anhänger der Unholde (Djahi), welche sich erst gar nicht von dem Heidentum trennen und in dem Licht des Evangeliums wandeln wollten. Sie waren blind gegenüber allen Vorstellungen und alten Belehrungen der christlichen Priester. Mit Recht wurden sie daher an allen Orten die blinden Hessen genannt.

Kapitel 24

Hexen sind also demzufolge nicht bloß die Priester, sondern überhaupt Anhänger der bösen Gottheiten. Nun entsteht aber die Frage: Welche Umstände haben es veranlasst, dass die Hexen schon unter den heidnischen Sachsen verfolgt wurden, und dass sich die Sage von ihnen unter Berücksichtigung ihres Treibens auf dem Brocken, über mehr als ein Jahrtausend in so frischem Andenken erhalten hat?

Wenn man nämlich erwägt, dass unter den Deutschen in der Regel die Gewohnheit herrschte, dass die besiegten Völker ihren Sitten, Gebräuchen und Gesetzen auch weiterhin nachgehen konnten, so muss es allerdings auffallend sein, dass sie die Hexerei ais einen Teil der Religionsbräuche der besiegten Slawen für ein Verbrechen erachteten. Dies hört jedoch auf, auffallend zu sein, wenn man erwägt, dass sowohl die Verehrung des Teufels als auch die der Frau Holle und die vermeintliche Macht beider nicht für einflusslos auf die Nationalität der Deutschen angesehen werden konnte.

Der Dualismus hat zwar ursprünglich bei allen indoeuropäischen Völkern stattgefunden. Selbst der Deus der Römer war ursprünglich ein Dew, und eine alte rohe Zeichnung, die in Pompeji aufgefunden worden war, und den Pluto in der Gestalt darstellt, wie wir den Teufel abbilden, dürfte genügend beweisen, dass dieser Gott der Römer anfänglich kein anderer als der Oberste der Unholde gewesen ist. In der nordischen Mythologie finden sich ebenfalls Asen (die guten Götter) und Hrimthursen. In der älteren deutschen Götterlehre findet sich ein Gwode (Gode, Wode, Wodan), d. h. der Gute. Er wurde zum Beispiel in der Gegend von Goslar auf einem Berg verehrt, der deshalb Godeslar (Godslar, Goslar), d. h. der Berg der Gode hieß. Und dieser Name ging dann auf die Stadt Goslar über. Ihm war auch der, durch dieselbe fließende Bach geheiligt, der aus diesem Grund den Namen Godesau (Godsau, Gosau, Gosa) führte, d. h. Bach des Gode. Der in der Augustinerkapelle auf dem Kirchhof der Frankenbergischen Kirche befindliche angebliche Leichenstein, der die später hinzugefügten Worte Ramm und Gosa enthält, kann daher leicht noch ein Denkmal seiner Verehrung sein und verdient wenigstens die Aufmerksamkeit der Geschichtsforscher. Auch verdient deshalb die Sage Glauben, nach welcher Krodo (sc. Wodan), d. h. der große Wodan, auf der Harzburg (vielleicht auf dem Herzberg) verehrt sein soll.

Kapitel 25

Der Oberste der deutschen Unholde hatte wohl mit dem Ahriman des Zoroaster denselben Namen. Er hieß Hermes (Harman, Arman, Irmen, Artmann, Herman, Herms). Der bekannteste seiner Verehrungsorte war zu Marsberg in Westfalen, wo von Karl dem Großen die Irmensäule zerstört wurde. In vorzüglichem Ansehen stand er wohl bei den in der frühesten Zeit der Geschichte Deutschlands genannten Herminonen. Im Harz dagegen wurde er vermutlich zu Hermerode, einem Dorf im Mannsfeldischen, verehrt. Wahrscheinlich auch zu Hermannsacker, einem Dorf im Stolberg-Roßlaschen. Denn hätte dieser Ort von einem Hermann von Ebra seinen Namen erhalten, so würde er wohl Hermannsdorf, Hermannsrode usw. genannt sein. Überdies fällt das Entstehen der Orte in der Regel in eine Zeit, wo noch keine Personennamen Anlass zur Benennung eines Ortes gaben. Wenn also der Bezug auf den Ort Hermannsacker nicht deutlich erklärt werden kann, dass er seinen Namen einem Hermann von Ebra verdankt, so hat man um so mehr Grund, dies zu bezweifeln, als dagegen der Gebrauch der ältesten Zeit bekundet werden kann, dass Orte nach Göttern benannt wurden.

Kapitel 26

Wie bei vielen Völkern, so hat sich auch bei den Deutschen die Verehrung der bösen Gottheiten nicht in der ursprünglichen Schärfe erhalten. Den Priestern derselben musste selbst daran gelegen sein, die Götter, denen sie dienten, in einem besseren Licht darzustellen. Ein Wesen, von dem nur Böses zu erwarten war, konnte eben so wie seine Diener, nicht die Achtung des Volkes genießen, und Letztere mussten eine feindliche Stellung gegen dasselbe erhalten. Sie schrieben daher ihren Götzen ebenfalls gute Handlungen zu, und so wurde am Ende der Dualismus ganz unkenntlich. Die Götterlehre der meisten Heiden war aber ein Gemisch von Gottheiten, die teils die Eigenschaften des guten, teils des bösen Wesens hatten. So war auch der Ahriman der Deutschen in einem so hohen Grad gebessert, dass ihn die Römer für ihren Mercurius hielten.

Bei den slawischen Völkern dagegen trafen die Deutschen den Dualismus noch in seiner ursprünglichen Schärfe an. Der Teufel brachte nur Unglück über die Menschheit, und Frau Holle wirkte Böses durch die Liebe. Beides musste in den Augen der Deutschen von erheblichen Nachteilen für ihre Nationalität sein. Zwischen ihnen als Sieger und den unterjochten und zu Knechten gemachten Slawen konnte nie mehr Freundschaft herrschen. Die Deutschen waren den Slawen fortwährende Feinde, denen sie alles Böse an den Hals wünschten. Es kann daher auch nicht gefehlt haben, dass sie alles Mögliche angewandt haben, um den Teufel zu bewegen, ihren Feinden Böses zuzufügen. Bei der Bitte hierum durften aber Opfer nicht fehlen, von denen Menschenopfer dem Obersten der Unholde natürlich die liebsten sein mussten. Wo es daher möglich war, eines Deutschen habhaft zu werden, da wurde er weggeschnappt und dem Teufel geopfert.

Der Gottesdienst in dieser Art wurde daher von den deutschen Siegern den Priestern des Teufels verboten. Es ist aber eine bekannte Sache, dass verbietende Gesetze nicht immer die Folge haben, dass nun auch die verbotene Handlung gehindert wird. Dies dürfen wir im vorliegenden Falle um so weniger erwarten, als die Verehrung und die Macht des Teufels oft eine, den Deutschen sehr willkommene Sache war. Unter allen Leidenschaften war bei ihnen die Rache eine der größten. Um getanes Unrecht zu rächen, vernichteten sich nicht selten ganze Familien. In einem Fall nun, wo ein minder Mächtiger sich gegen einen Stärkeren zu rächen hatte, war es gar zu angenehm, diese Rache mithilfe des Teufels zu vollbringen, und diesem wurde dann der Gegenstand der Sache mit Freuden zum Opfer bestimmt. Die verbotene Verehrung des Teufels fand daher nicht nur bei den Slawen im Geheimen statt, sondern fand auch selbst viele Anhänger unter den Deutschen. Daher mussten die zu taufenden Sachsen, unter denen sich natürlich viele Slawen befanden, auch dem Teufel entsagen, und noch Karl der bestehende Gesetz zu wiederholen: Si quis hominem diablo sacrificaverit, et in hostia more paganorum daemonibis obtulerit, morte moriatur.

Kapitel 27

Gleiche Verhältnisse fanden in Bezug auf die Verehrung der Frau Holle statt. Schon Tacitus hielt die Deutschen für ein Volk, das sich durch Ehen mit keinem anderen Volk vermische. Diese Sitte findet sich vielfältig bestätigt. Noch in den späten christlichen Zeiten war daher eine Ehe eines Deutschen mit einer Person aus dem Volk der Slawen, nicht mit den Folgen einer bürgerlichen Ehe verbunden, selbst wenn diese slawische Person aus dem Fürstenstand war.

Mit noch viel ungünstigeren Augen wurden daher in den Zeiten des Heidentums Ehen zwischen Deutschen und den unterjochten Slawen – den Knechten der Deutschen – angesehen. Es finden sich daher gegen die Ehen und fleischlichen Vermischungen der Deutschen mit Unfreien auch die strengsten Gesetze. Eine freie, die einem Knecht zu Willen wäre, sollte nach der Lex Salica ihre Freiheit verlieren, und ein freier Mann, der sich mit einer Leibeigenen einließ, sollte mit derselben auch in gleiche Knechtschaft fallen. Ein Knecht, der eine Freie zu Fall brächte, sollte es sogar mit dem Leben büßen. Wenn dies bei den Burgundern mit Einwilligung der Freien geschah, so traf diese nach der Lex Burgundior ebenfalls die Todesstrafe. Adam von Bremen berichtete in seiner um das Jahr 1076 geschriebenen historia ecclesiastica, dass nach der sächsischen Verfassung derjenige es mit dem Leben büßen müsse, der sich unterstände, eine über seinen Stand erhabene Person zur Ehe zu nehmen. Diese Umstände berechtigen uns zu dem Glauben, dass nach den Ansichten der heidnischen Deutschen eine Vermischung eines Deutschen mit einer Person vom slawischen Volksstamm für eine wahre Sodomiterei angesehen wurde. In dem Charakter der Frau Holle lag es nun aber gerade, vorzüglich verbotene Liebe zu begünstigen. Da uns nun schon die Mutter Eva bewiesen hat, wie angenehm es ist, vom verbotenen Baum zu essen, so wird es einleuchtend, dass, ungeachtet der strengen Gesetze die mit den Slawen zusammenlebenden Deutschen sich nicht selten, durch die Liebenswürdigkeit einer Person aus dem slawischen Volksstamm, zur Übertretung des bestehenden Gesetzes haben verleiten lassen. Gerade das Vorhandensein der äußerst harten Gesetze beweist es am Bestimmtesten, dass dies gar häufig der Fall gewesen war. Die auf diese Weise sündigende Person von deutscher Nation hatte aber früher die begangene Tat gleichfalls für ein Verbrechen gehalten, und ihr selbst musste es daher unerklärlich sein, durch welche Macht sie verleitet worden war, etwas zu begehen, das nach der eigenen Ansicht den Charakter der Abscheulichkeit an sich trug. Ganz natürlich erscheint es daher, wenn mein annimmt, dass der Gefallene seine Handlung einem feindlichen Wesen zuschrieb, und dies konnte denn kein anderes als die Frau Holle sein. Noch mehr musste dies der Fall in den Augen derjenigen sein, die sich von ihrer Leidenschaft nicht hatten verleiten lassen. Die Folge einer solchen Ansicht musste nun ohne Bedenken die sein, dass man, um späteres Unglück zu verhüten, dem Treiben der Frau Holle ein Ende zu machen suchte, und daher die Verehrung derselben verbot. Ein, durch die Dauer von Jahrhunderten gleichsam heilig geworbener Glaube ist aber durch die Worte eines Gesetzes nicht zu vertilgen. Dies um so weniger, wenn der Mensch in sich selbst so viel findet, das ihn in dem Wahn der Wahrheit seines Glaubens bestätigt. Denn die Liebe achtet oft kein Gesetz und nimmt keine Rücksicht auf Nationalität. Ihr Erscheinen außerhalb der Schranken des Gesetzes musste daher fortwährend an die Wirkungen der Frau Holle erinnern, und es ist deshalb leicht zu glauben, dass mit dem Verbot der Verehrung derselben, diese selbst noch nicht verschwand, sondern im Geheimen fortbetrieben wurde. Der Ort des Gottesdienstes wurde aber wohl von der Quelle der Holde auf dem Gipfel des Brockens verlegt, weil dieser durch Sumpf und Wälder den deutschen Verfolgern unzugänglich war. So entstand daher dort ein zweiter Opferaltar – der Hexenaltar – neben dem der des Teufels – die Teufelskanzel – sein Dasein behielt. Ungeachtet der herrschenden Ansicht bei den Deutschen konnte es aber dennoch nicht fehlen, dass das Wesen der Frau Holle bei Einzelnen dieses Volkes Anklang fand. Die Natur lässt sich, trotz aller Gesetze, nicht verleugnen, und Liebesverhältnisse zwischen Slawen und Deutschen blieben nicht aus. Ja, mancher Deutsche, der seine Liebe gegen eine Person seines Volksstammes nicht zu verwirklichen wusste, nahm gern die Hilfe der Frau Holle und die Künste ihrer Dienerinnen in Anspruch, um seinen Zweck zu erreichen. So konnte es daher nicht fehlen, dass die Frau Holle selbst geheime Anhänger, besonders unter dem weiblichen Teil des deutschen Volkes, hatte, dass ihre Verehrung – obgleich nur im Geheimen getrieben – dennoch von vielen Seiten begünstigt wurde, durch dieses Geheimnisvolle aber immer mehr dem Fabelhaften sich näherte. Namentlich mussten die, mit dem Weg auf den Brocken unkundigen Deutschen bald auf die Idee kommen, dass die Verehrer der Frau Holle die ihr auf heimlichem Wege zugeführten Opfertiere und sonstige Opfergerätschaften als Reittiere benutzten, auf denen sie über die, den Deutschen im Wege befindlichen Wälder und Sümpfe hinübersetzen.

Kapitel 28

Mit der Einführung des Christentums musste nun die Verehrung des Teufels bald aufhören. Selbst der nur einigermaßen durch die Lehren des Christentums Erleuchtete musste bald die Überzeugung gewinnen, dass Opfer, die dem Teufel dargebracht werden, vor dem Richterstuhl der gesunden Vernunft nicht gebilligt werden können. Im 11. Jahrhundert, wo noch so viele Überbleibsel des Heidentums in Deutschland existierten, findet man daher von der Verehrung des Teufels keine Spur mehr. Anders verhielt es sich aber mit der Frau Holle. Ihre Macht zeigte sich fortwährend, und man schreibt daher noch heute eine nicht zu bändigende unerlaubte Liebe dem Wirken der Hexen zu. Dagegen geriet aber ihr Name in Hintergrund und allmählich in Vergessenheit. Die mit der Mythologie Deutschlands unbekannten Priester der christlichen Kirche hielten sie daher schon um das 11. Jahrhundert herum für die römische Göttin Diana, wahrscheinlich deshalb, weil – da Letztere ein Gefolge von Nymphen – Erstere ein Gefolge von Striegholden hatte. So wurde der Name Frau Holle in den meisten Gegenden Deutschlands unbekannt. Da aber die christliche Religion alles Böse dem Teufel zuschreibt, so trat auch der Name des Teufels in der Hexensage wieder hervor, und man sah die weiblichen Hexen, gewiss ganz mit Unrecht, als seine Dienerinnen an, denen man daher auch das Bewirken von anderem Bösen, als das durch die Liebe, zuschrieb.

Wie man nun zu den Zeiten des Regino, welcher 915 starb, von den Hexen dachte, sieht man aus den Fragen, die auf dem Send den Kirchspieleingesessenen zu seiner Zeit vorgelegt wurden, unter denen auch Folgende enthalten ist: Ob ein Weib vorhanden sei, die vorgebe, sie könne durch Zauberei die Gemüter der Menschen verändern, und nach Gefallen von Hass zur Liebe, oder von dieser zum Hass lenken; die Güter der anderen beschädigen oder sie gar entwenden. Ob ein Weib behaupte, sie reite gewisse Nächte mit dem Teufel in Weibergestalt auf gewissen Tieren und sei in ihre Gesellschaft aufgenommen?

Hundert Jahre später hatte sich in diesem Glauben noch nichts geändert. Dies ergibt sich aus den Fragen, die zu Burkards Zeiten (1024) denjenigen vorgelegt wurden, die zu Beginn des Fastens zu Buße kamen.

Hast du geglaubt, heißt eine derselben, ober Teil an dem Unglauben gehabt, nach welchem einige gottlose, von dem Teufel verblendete Weiber vorgeben, dass sie zur Nachtzeit mit der Göttin Diana und einer unendlichen Menge von Weibern auf gewissen Tieren reiten, ihr als ihrer Frau gehorchen und zu ihrem Dienste in anderen Nächten gerufen werden?

Kapitel 29

Das Resultat von dem bisher Dargestellten ist daher Folgendes. Die Sage von den Hexen ist nicht erst zur Zeit Karls des Großen entstanden, sondern bereits unter den heidnischen Deutschen. Hexen sind ursprünglich die Priester der von den Slawen verehrten bösen Gottheiten, insbesondere die des Teufels und der Frau Holle. Es gab daher weibliche und männliche Hexen. Diese haben zwar Veranlassung zur Bezeichnung von Ortschaften und Ländern gegeben; allein das Andenken der männlichen Hexen hat sich verloren. Namentlich spielen in der Sage von den Hexen des Brockens nur die Priesterinnen der Frau Holle eine Rolle. Der sonst noch vorkommende Hexenmeister dagegen ist ursprünglich der Vorsteher der Dienerinnen der Frau Holle.

Als die Deutschen die Slawen unterjochten, verboten sie die Verehrung der bösen Gottheiten aus politischen Gründen. Diese wurde im Geheimen fortgesetzt. Zu dieser Zeit auch die Verehrung der Frau Holle von der Quelle der Holdemme auf den wenig zugänglichen Gipfel des Brockens verlegt, und ihr hier, neben dem Altar des Teufels, ein Opferherd errichtet. Seit dieser Zeit wurde der Götzendienst der Frau Holle in das Fabelhafte gezogen, namentlich die ihr zugeführten Opfertiere und die an ihren Herd gebrachten Opfergerätschaften für Mittel erachtet, auf denen die Hexen und ihre Anhänger über die, den Deutschen undurchdringlich scheinenden Wälder und Sümpfe hinübersetzten. Diese Reitmittel vermehrte die spätere Zeit nach Willkür, sodass man unter ihnen sogar den gewiss nie gebrauchten Wocken findet. Der Wirkungskreis der männlichen Hexen wurde mit dem der weiblichen vereinigt, sodass man Letztere allein als die Urheber von allem Bösen ansieht. Dies veranlasst nun wieder, dass der Teufel als Patron der Hexen erschien, und seine Teilnahme am Hexenball kann auch deshalb erklärt werden, weil er als vermutlicher Nachkomme der Frau Holle dieselbe zu ehren schuldig ist. Er scheint daher der eigentümliche Entrepreneur des am ersten Mai gehaltenen Hexenballs zu sein, und deshalb um so mehr verbunden zu sein, seinen Gästen für die Teilnahme daran, Gaben auf Gaben zu verheißen, weil das Christentum seinem Anhang einen nicht geringen Stoß gegeben hat.


Eine kleine Nachbemerkung der Redaktion

»Walpúrgis, der Name einer Heiligen in der Römischen Kirche, und des ihr gewidmeten Tages, welches der erste Mai ist; in den gemeinen Mundarten nur Walper. Daher der Walpurgis-Abend, die Walpurgis-Nacht u.s.f. im gemeinen Leben, der Walper-Abend, die Walper-Nacht. Da sich das Jahr bei den Deutschen sowohl, als den übrigen europäischen Völkern, in den ältesten Zeiten mit dem ersten Mai anfing, so ist der in Ansehung der Walpurgis-Nacht bei dem großen Haufen noch herrschende Aberglaube vermutlich ein Überrest davon, und der bei dem Jahreswechsel ehedem üblichen Gebräuche.«

Aus: Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart. 1793

Nun denn, dies war ein Streifzug durch Die Sage von den Hexen des Brockens. Wir wünschen allen eine spannende Walpurgisnacht. Sollte über den einen oder anderen am 1. Mai ein Schabernack gekommen sein, kann er oder auch sie über diesen an dieser Stelle berichten.

Eine Antwort auf Die Sage von den Hexen des Brockens – Teil 5