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Jackson – Teil 43

Letzte Chance Iswa

Ich fühlte mich wie ein Boxer, der zum zehnten Mal auf die Bretter geschickt wurde. Mein Kopf dröhnte wie eine Kesselpauke und das Blut rauschte in meinen Ohren. Die ganze Welt schien sich um mich zu drehen.

Wenn ich auch einiges von dem, was mir Yalla da erzählte, nicht wirklich kapierte, war alles andere trotzdem so grauenhaft und unvorstellbar, dass es mir beinahe die Luft zum Atmen nahm.

Ihre Worte und das, was ich im Einzelnen noch aus den Unterhaltungen der vergangenen Tage und Wochen mit Linda, dem Franzosen und anderen Mitarbeitern dieses unseligen Projekts aufgeschnappt hatte, ergaben für mich ein Szenarium, welches ich eher in einem Horrorroman erwartet hätte als im realen Leben.

»Habe ich das richtig verstanden?«, fragte ich sie, während ich nach Worten suchte. »Es gibt diese Vereinigung steinreicher Männer, die ein Projekt finanzieren, bei dem Menschenversuche durchgeführt werden also tatsächlich?«

Linda hatte damals schon so etwas Ähnliches angedeutet, aber ihre Berichte waren zu vage, als dass ich zu diesem Zeitpunkt schon tatsächlich das ganze Ausmaß dieser Sache hätte erkennen können.

Anders bei Yalla, sie war direkt in diese Experimente mit eingebunden und zählte im Gegensatz zu Linda sozusagen zum Inneren Zirkel des Projekts.

Ein weiterer Grund meiner gesteigerten Aufmerksamkeit war, dass ich Linda nur als Affäre betrachtete, während mir Yalla hingegen wirklich etwas bedeutete. Deshalb trafen mich die Schilderungen diesmal auch bis ins Mark.

Ich rekapitulierte noch einmal, was ich in der letzten halben Stunde erfahren hatte, oder besser gesagt, ich versuchte es. Dabei entging mir keineswegs, wie mich Yalla die ganze Zeit über aufmerksam beobachtete.

»Dann ist es also wahr, was ich bisher nur durch Hörensagen mitbekommen habe?«

»Es kommt darauf an, was du mitbekommen hast.«

»Es soll alles damit angefangen haben, dass ein alter, milliardenschwerer Sack nicht wusste, was er mit seinem ganzen Geld machen soll, und deshalb begonnen hat, Gott zu spielen.«

»Nicht ganz, die Idee zu diesem Projekt reifte in ihm erst heran, als ihm das Schicksal aufzeigte, wie unbedeutend und klein der Mensch eigentlich gegenüber den Unbilden des Lebens ist, ganz gleich wie arm oder reich er sein mag.«

Ich verzog das Gesicht.

»Das ist auch der Grund, warum ich keine Angst vor diesen großen Tieren habe. Abgerechnet wird zum Schluss, und dabei ist es schön für unsereins zu wissen, dass der letzte Kittel auch für diese Herrschaften keine Taschen hat. Wenn du verstehst, was ich meine.«

»Sicher, aber ihm hat das Leben wirklich böse mitgespielt.«

Neugierig hob ich den Kopf.

»Es wird erzählt, dass er die fünfzig fast schon überschritten hatte, bis er endlich die Frau seines Lebens traf. Eine Frau, die ihn angeblich auch genommen hätte, wenn er nicht so reich gewesen wäre.«

»Kann man das glauben?«

Yalla nickte.

»Er hat sie anscheinend diesbezüglich nicht nur einmal auf die Probe gestellt. Aber egal, sie waren jedenfalls glücklich und wären es auch noch heute, wenn die Frau nicht plötzlich an Krebs erkrankt wäre. Knochenkrebs munkelte man, sie starb innerhalb eines halben Jahres. Drei Monate später nahm sich sein Sohn das Leben, HIV-positiv, Endstadium. Er war ihr einziges Kind. Es hat ihn beinahe zerbrochen.«

Mein Gott, dachte ich, das klang ja beinahe so wie bei einer dieser unsäglichen Liebesschmonzetten im Vorabendprogramm. Wäre unsere Situation nicht so ernst gewesen, hätte ich ihr das auch freiweg auf den Kopf zugesagt, aber so fiel meine Antwort etwas diplomatischer aus.

»Das hört sich zwar alles ziemlich melodramatisch an, aber es gibt ihm trotzdem noch lange nicht das Recht Leute anzuheuern, damit sie mit Menschen herumexperimentieren.«

»Das war doch nie seine Absicht«, antwortete mir Yalla heftig. »Er hat vielmehr sein ganzes Vermögen in Forschungen gesteckt, die das Ziel hatten, Krankheiten wie Krebs und Aids zu heilen.«

Ihrem Gefühlsausbruch nach zu urteilen, hegte sie für diesen Mann, aus was für Gründen auch immer, große Sympathie. Ich wechselte deshalb das Thema, um sie nicht weiter gegen mich aufzubringen. Ich war im Moment einfach noch zu sehr auf sie angewiesen, um hier aus diesem Schlamassel herauszukommen.

»Weiß man eigentlich, wer der Typ ist?«

Yalla zuckte die Achseln. »Manche sagen ein arabischer Scheich, manche ein russischer Oligarch, andere wiederum behaupten, er wäre ein britischer Börsenguru. Aber jetzt genug davon, wir sollten langsam weitergehen.«

»Und wohin?«, fragte ich neugierig.

»Raus aus dieser Area, oder hast du keine Sehnsucht mehr nach der freien Welt?«

 

***

 

Ich folgte Yalla blindlings.

Es blieb mir zugegebenermaßen auch nichts anderes übrig, denn ich hatte nicht die geringste Ahnung, wo ich mich derzeit befand. Nachdem wir aus den Tafelbergen heraus waren, schien der mühsamste Teil unseres Fußmarsches hinter uns zu liegen. Für mich fühlte sich das nachfolgende Durchqueren der vor uns liegenden Steppenlandschaft jedenfalls wie ein Spaziergang an. Deshalb hatte ich auch wieder genügend Luft, um auf unser letztes Gespräch zurückzukommen. Das Thema brannte mir immer mehr unter den Nägeln.

»Wie kam es dann, dass aus seinen ach so hehren Zielen plötzlich eine Schweinerei wurde, die für mich verdammte Ähnlichkeit mit dem hat, was die Nazis damals in Germany in gewissen Lagern veranstalteten?«

Yalla blieb abrupt stehen. Sie sah plötzlich ziemlich nachdenklich aus, während sie mir antwortete.

Es dauerte ungefähr eine Viertelstunde, bis ich weitgehend die Hintergründe kapiert hatte.

Worte wie menschliche Cyborgs, Unsterblichkeit und Weltuntergang brannten sich in meine Gedanken. Trotz der Hitze des australischen Outbacks begann ich zu frieren. Mir wurde plötzlich klar, dass, sollte sich Yallas Horrorszenario tatsächlich bewahrheiten, wir auch nach unserer Flucht aus dieser Area unseres Lebens nicht mehr sicher waren.

Diese Organisation und ihre Hintermänner, gegen die wir uns gestellt hatten, besaßen Beziehungen bis in die höchsten Regierungskreise der gesamten westlichen Welt.

Als mir bewusst wurde, was für ein Machtpotenzial und welcher Einfluss dahinter stecken musste, war ich kurz davor zu resignieren.

Eine Auseinandersetzung mit der Russenmafia nahm sich dagegen wie ein Kindergeburtstag aus.

Aber mir blieb keine Zeit dazu, weiter darüber nachzudenken. Yalla war nach ihren letzten Worten einfach weitergelaufen.

»Wohin gehen wir?«, fragte ich keuchend, nachdem ich sie eingeholt hatte.

Statt einer Antwort deutete sie nach Osten auf eine Hütte zu, die sich deutlich am Horizont abzeichnete.

Meine Kopfhaut begann sich zusammenzuziehen, denn bisher hatte jede Hütte oder sonstige menschliche Behausung in diesem Landstreifen für mich zu Verwicklungen geführt, auf die ich getrost hätte verzichten können. Ich musste dazu nur an Balun, diesen komischen Vogel denken, oder an die alte Hella, die aufgrund der Experimente, die man mit ihr gemacht hatte, zu einer Art Tiermensch degeneriert war.

»Was sollen wir dort?«

Yalla lächelte, während sie ihre Schritte zusehends beschleunigte.

»Mindestens ein halbes Dutzend Annehmlichkeiten der menschlichen Zivilisation in Anspruch nehmen. Frisches Wasser zum Beispiel, ein bequemes Bett und Decken gegen die Kälte der Wüstennacht und Proviant.«

»Und wahrscheinlich auch noch einen Freifahrschein nach London in meine Bude«, antwortete ich spöttisch. »Willst du mich eigentlich verarschen? Du glaubst doch etwa nicht im Ernst, dass unsere Freunde diese Hütte vergessen haben? Ich würde mich nicht wundern, wenn uns gleich ein Begrüßungskomitee entgegen kommt.«

Yalla legte den Kopf in den Nacken und musterte den Stand der Sonne.

»Nicht, solange es hell ist. Bis zum Einbruch der Dunkelheit kommt niemand aus der Area hierher.«

»Und warum dann wir?«

»Weil ich weiß, wie man die Iswa in Schach halten kann. Sie sind unsere letzte Chance, um von hier wegzukommen.«

»Wer oder was zum Teufel sind diese Iswa?«

Yalla sagte nichts, aber als ich beobachtete, wie sie von diesem Moment an damit anfing, jeden Millimeter des Bodens genau abzusuchen, begannen in mir sämtliche Alarmglocken zu schrillen.

Fortsetzung folgt …

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